Weine von Experten für Experten: große Nebbiolo-Probe!

 

Kurz vor Jahresschluss 2018 haben wir es dann terminlich doch noch hinbekommen (eigentlich hätte ich  die Probe gerne im Herbst gemacht, Nebbiolo-Weine erinnern mich vom Duft immer so an den Herbst! ): das Treffen der besten, freundlichsten und ehrgeizigsten Blindverkoster aus Münster zur großen Raterunde, auf dieses event hatte ich mich schon Wochen vorher gefreut:

Bei einem Glas Champagner wurden die Spielregeln besprochen und angepasst, das Thema schien doch eng begrenzt und man wollte wissen, ob man wirklich wieder das volle Programm (Land – Region – Appellation – Rebsorte – Winzer – Jahrgang) raten müsste, einige Antworten würden sich ja dann bestimmt sehr oft wiederholen. Diese Befürchtungen auf Routine und Langeweile konnte ich mit dem Hinweis auf die Teilnahme mindestens eines Piraten entkräften. Alle sollten einfach nur richtige Antworten geben und dafür Punktekarten erhalten, ein enges Rennen würde ganz bestimmt für Spannung sorgen.

 

Champagne

Feinster Stoff: Champagner Salmon Special Club Cuvee 2009

 

Die Schaumweine vor den Blindproben gehen traditionell unter, doch dieser Champagner schaffte es, sich die ganze Aufmerksamkeit zurückzuholen: goldgelb, feine Perlen, tolle Schaumkronenbildung, im Vordergrund Apfel, dahinter zurückhaltende  Brioche-Hefetöne, frisch fruchtiger Geschmack, cremige Anklänge, sehr charmant und überzeugend, Paradebeispiel für einen sehr gelungenen Champagner, leider vom Preis auch Oberliga, ich wünschte mir von dieser Stilistik mal was in der „normalen“ Champagner-Preisklasse…

Ich hatte das Thema extra nur „Nebbiolo“ genannt, eine anspruchsvolle Rebsorte, die im Piemont in den Appellationen „Barolo DOCG“ und  „Barbaresco DOCG“ weltberühmte und unverwechselbare Weine ergeben kann. In der gleichen Gegend auch noch unbekanntere Appellationen wie „Nebbiolo d’Alba DOC“, „Roero DOCG“ und die „Abstufungsappellation“ der Barolo- und Barbaresco-Produzenten  „Langhe Nebbiolo DOC“.  Nördlich im Piemont dann auch noch exotischere Namen wie Gattinara DOCG und Ghemme DOCG, aber hatten meine Experten auch an die Lombardei und die Valtellina mit der Rebsorte Chiavennasca (Nebbiolo) gedacht?

 

Valtellina Superiore DOCG

Il Pettirosso 2015, Valtellina Superiore DOCG, ARPEPE

 

Italien – Lombardei – Valtellina Superiore DOCG – 2015 – ARPEPE – Sondrio

Ich kannte den Wein nicht und habe mir stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, an welcher Stelle er in der Probe wohl starten sollte, ich habe auf die Empfehlung des Weinhändlers Stefan Klute vom Ölberg, Wuppertal, vertraut und wurde zum wiederholten Male nicht enttäuscht, feinster Nebbiolo (Chiavennasca)-Stoff aus Höhenlagen (Steinterrassen auf 400 bis 550 Meter) aus dem Valtellina-Tal. ARPEPE sind übrigens die Namensinitialen des Vaters des heutigen Besitzers, Arturo Pelizzati Peregoda.

Ein furioser Beginn, intensive granatrote Farbe, schöner Duft nach roten Früchten, Unterholz und Leder, im Mund mineralisch, saftig und leicht würzig, feine Tannine, traumhaft langer Abgang. Bei der ganzen Jahrgangsproblematik, die sich später noch beim Thema Barbaresco/Barolo auftun wird, muss man hier feststellen, dass trotz der Jugendlichkeit (2015) schon großer Trinkgenuss vorhanden ist. Typischer Nebbiolo aus der Valtellina, bestimmt kein Wein für Anfänger, aber ganz bestimmt für Freaks und Barolistas. Der harte Kern der Gruppe zeigte sich angetan, ich war richtig begeistert. Klarer Siegerschankwein!

 

Aldo Conterno

Il Favot 2011, Langhe Nebbiolo, Aldo Conterno

 

Italien – Piemont – Langhe Nebbiolo DOC „Il Favot“ – 2011 – Aldo Conterno – Monforte d’Alba

Nun kam der erste Teilnehmer aus dem Piemont: das Weingut Aldo Conterno erzeugt mehrere sündhaft teure Lagen-Barolos (Bussia, Romirasco) und ich wollte wissen, wie der abgestufte Nebbiolo „Il Favot“ aus der Appellation Langhe DOC  von ca. erst 20 Jahre alten Rebstöcken aus meinem derzeitigen Lieblingsjahrgang 2011  ankommen würde: der Wein war einfach zu mollig und vor allen Dingen zu brandig, die 15% Alkohol schmeckte man, eine große Enttäuschung, dieser Stil ging in eine völlig andere Richtung als beim Vorgängerwein, der dicke Bär Balu tanzt mit einer Ballerina aus Valtellina…

 

Valtellina

Valtellina Superiore DOCG, 2014, Dirupi

 

Italien – Lombardei – Valtellina Superiore DOCG – 2014 – Dirupi  

Weil es am Anfang so schön war, gleich noch einen Nebbiolo-Teilnehmer aus der Valtellina, Lombardei. Im blog schon vorgestellt und ein Siegerschankwein!, kam der Wein von Dirupi auch in der Gruppe gut an, sehr interessanter aber auch herausfordernder Weinstil, alles fein und elegant, aber auch mit einer schneidenden Säure, in keiner Weise ein Schmeichler, aber genussreif und mit weiterer Zukunft. Mir gefällt er auch großartig, es ist aber noch zu erwähnen, dass an jenem Probeabend am meisten in dieser Flasche übrig blieb…

 

Barolo DOCG

Barolo 2009 von Dacapo

 

Italien – Piemont – Barolo DOCG – 2009 – Dacapo

Aus einem  „warmen“ Piemont-Jahrgang 2009 (neben 2011 und 2007) ein weiterer Siegerschankwein und ein großer Duft- und Geschmacksschmeichler, er kam sehr gut an, wurde erkannt und ist ein Vorzeige-Barolo: granatrote Farbe, Duftexplosion nach Kräutern (Minze, Eukalyptus), aber auch Trockenpflaumen und Moos, sehr eleganter und wunderbar lang anhaltender dunkelfruchtiger Geschmack, geschliffene Tannine. Ich war wieder so begeistert, dass ich jetzt die Reife des Nachfolgejahrgangs 2010 (ein kühler Piemont-Jahrgang, der lange Reifezeit benötigt) prüfen werde,  der letzte Test war ein Reinfall und der 2009er Barolo von Dacapo scheint überall vergriffen.

 

Ende flight 1

Nun wurde es spannend, könnte der ehrgeizige S. seine knappe Führung bis ins Ziel retten? Außerdem zog der Weinschank seinen Pullover aus und zeigte sein Piratenhemd, um an die Möglichkeit eingeschmuggelter Piratenweine zu erinnern:

 

Pirat

Pirat since 1968

Ich war sehr gespannt, wie einer meiner Lieblingsweine (allerdings war der aus dem Jahrgang 2011) als 2007er (ebenfalls aus einem warmen Jahr!) wohl ankommen würde: ein Barbaresco aus der für mich magischen Lage „Montestefano“, steil hinter dem Haus der Rivellas abfallend, eine Sackgasse ins Nichts (oder Paradies?): rotbraune Farbe, Minze und Erdbeeren, Lakritz, sehr elegant und auch noch ein wenig Säure, ich fühlte mich wirklich im Paradies, doch dann die Urteile der eingeladenen Experten: „sehr kurz!“, „Plöpp und weg“, „dem Wein fehlt die Länge!“, hier versuchte ich dann wirklich eine Verteidigung des Weines, obwohl ich das als Moderator nicht machen durfte, so kann es in Blindproben gehen, schonungslose Analyse, die man bei Lieblingsweinen nicht immer hören will…Ob ich dem Wein durch Dekantieren mehrere Stunden vor der Probe einen Bärendienst erwiesen habe, lässt sich leider nicht mehr klären…

 

Italien – Piemont – Barbaresco DOCG – Montestefano – 2007 – Teobaldo Rivella

 

Serafino Rivella

Barbaresco Montestefano 2007, Teobaldo Rivella

 

Und dann der Pirat: die Raterunde läuft immer mehr zu großer Form auf, unser E. erkennt sofort, dass es sich um einen Piraten handeln muss und tippt auf Frankreich (wahrlich keine schlechte Antwort, aber falsch!), S. staubt mit „Deutschland“ gekonnt ab und steht jetzt vor einer großen Hürde zum vorzeitigen Sieg, Rheingau oder Ahr?, er kennt den Wein und tippt trotzdem auf die Ahr, auch, weil die Gruppe manipuliert hat, falsch!, verschossener Elfer!, ich bin so froh, dass ich nicht mitraten musste, der bisher formschwache (weil überarbeitete) C.F. errät mal wieder Weingut und Jahrgang, verblüffend… Schöner Wein, unverändert große Klasse, schon im blog beschrieben…

 

Deutschland – Rheingau – Spätburgunder – Assmannshäuser Höllenberg – 2009 – Weingut Krone 

 

Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg 2009, Weingut Krone

 

Der letzte Wein brachte dann S. doch noch den verdienten und erstmaligen Sieg, ein Barolo aus dem heißen Jahrgang 2011 und was für ein großartiger Tropfen: große Begeisterung in der Gruppe, ich habe im blog schon den 2010er Langhe Nebbiolo von Giuseppe Mascarello als Siegerschankwein vorgestellt, aber dieser Barolo legte noch mal eine Schüppe drauf, hellrote Farbe, toller Duft nach Beeren, balsamische Noten, verwelkte Blumen, Pilze, im Mund so weich und rund, geschliffene Tannine und Säure, super ausbalanciert, elegant und unendlich langer Abgang, was für ein toller Wein, mit S. der große Sieger des Abends! Auch diesen Wein hatte ich genau wie den Barbaresco ein paar Stunden vor der Probe dekantiert.

 

Italien – Piemont – Barolo DOCG – Perno Vigna Santo Stefano – 2011 – Giuseppe Mascarello

 

Perno Vigna Santo Stefano

Barolo Perno Vigna Santo Stefano 2011 Giuseppe Mascarello

So, auch diese Probe hat sehr viel Spaß gemacht und neue Erkenntnisse gebracht, würde so gerne mit dem Spezialthema Nebbiolo weitermachen und die Trinkreife der älteren kühlen Jahrgänge erforschen (2005, 2006, 2008, 2010) und auch die „jugendlichen“ Jahrgänge testen (ab 2012), aber ich kann als blogger kein Spezialist sein und wende mich sofort wieder dem nächsten Thema zu, wünsche aber vorher erst mal frohe Weihnachten, ruhige Feiertage und melde mich dann noch vor dem Jahresende.

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