Vom Aussterben bedroht?: Valpolicella Classico

 

1968 wurde in einer wunderschönen Landschaft in Venetien, nördlich von Verona und östlich vom Gardasee rund um die Örtchen Fumane und Negrar, die Appellation Valpolicella Classico DOC festgelegt. Weinanbau gibt es in dieser Gegend schon seit der Römerzeit und ich träume schon seit meinen Weinanfängen in den 90er Jahren von einem Wanderurlaub in dieser Ecke, Valpolicella Classico war einer der ersten Rotweine, der mich als Weinanfänger richtig begeistern konnte. Durch diesen Wein erfuhr ich auch, dass Classico nicht für die klassische Zubereitungsart steht, sondern für die Kernzone des Anbaugebietes. Zugelassen sind hier als Rebsorten Corvina, Rondinella, Molinara und noch weitere, Valpolicella Classico ist also immer eine Rotwein-Cuvee.

Gute Weine wie der Valpolicella Classico 2016/2017 von Paolo Cottini riechen nach Kirsche, Bittermandel und Lavendel, sind leicht und frisch, dabei aber auch elegant, saftig, leicht bitter und mit Mineralität versehen, perfekte Essensbegleiter zu Pastagerichten und auch solo genießbar. Die Trauben kommen bei Cottini von erstklassigen Weinbergen auf 250 bis 500 Meter Höhe von Kalkböden. Da kommt echte Freude auf und auch der Geldbeutel wird nicht übermäßig strapaziert!

 

Valpolicella DOC

Valpolicella Classico 2017, Paolo Cottini

 

Zeitgleich wurden wegen der vielen besonderen Weintraditionen in diesem Landstrich auch noch zwei weitere Appellationen ins Leben gerufen: Amarone della Valpolicella DOCG  ist dabei weltberühmt geworden und neben den Weinen Barolo DOCG (Piemont) und Brunello DOCG (Toskana) einer der drei großen Rotweine Italiens. Amarone kommt von amaro (bitter). Früh gelesene und nur hochwertige Trauben aus dem Valpolicella-Gebiet werden bis zu vier Monaten an einem luftigen und kühlen Ort zum Trocknen ausgelegt, die eingeschrumpelten, rosinierten und konzentrierten sogenannten Passito-Trauben werden dann zu einem trockenen Wein vergoren. Das Resultat spaltet die Weinwelt schon seit Jahrzehnten. Ich habe nach einer Amarone-Probe schon Leute im Weinkisten-Kaufrausch gesehen (und eine gute Flasche Amarone ist teuer!), aber auch schon Begriffe wie „Überkonzentration“ oder „Likörwein“ gehört. Der Wein ist opulent und fruchtig, er wirkt erst leicht süß, pendelt sich aber doch im trockenen Bereich ein und zeigt dann bittere Noten von Schokolade, Kirschen, aber auch Pflaume und Rauch.

Eine Exotenrolle füllt dagegen der Recioto della Valpolicella DOCG aus, praktisch die süße Amarone-Variante, der Gärvorgang der Passito-Trauben bricht von Natur aus ab oder wird von Menschenhand gestoppt, der gesamte Zucker konnte so nicht in Alkohol umgewandelt werden, der Wein ist dunkel und stark und eine seriöse Variante für Menschen, die Süße im Rotwein haben wollen.

Die Weinwelt war 1968 in der Valpolicella noch in Ordnung, sogar Italiener tranken damals noch ihre Valpolicella-Weine selbst, großartige Erzeuger wie Quintarelli, Allegrini, Masi, Aligheri, Tedeschi oder Le Ragose  sorgten für Weltruhm. Dabei wurden auch immer traditionelle „Ripasso“-Weine erzeugt,  bei denen diese mit Wiedervergärung der Valpolicella-Trauben auf  Amarone- oder Recioto-Maische verstärkt wurden, mehr Konzentration, mehr Extrakt, mehr dunkle Frucht und Bitterschokolade, das ergab nicht selten einen kleinen und feinen Mini-Amarone!

Und dieser Ripasso-Stil von Erzeugern mit Massenproduktionsabsichten missbraucht, sorgt nun Jahrzehnte später wahrscheinlich auch für den Untergang des Valpolicella Classico, alle Welt will violette Weine, dunkle, beerige Konzentration, klebrige Frucht, Röstaromen, Ripassos von Weinfabriken eroberten schnell die Supermärkte, 2010 wurde Valpolicella Ripasso als DOC-Appellation anerkannt, 2013 zog er dann auch schon mengenmäßig am Valpolicella Classico vorbei (der mittlerweile völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint!) und in den Folgejahren wurden sogar die Trauben für den Classico knapp, weil alles in die Erzeugung von Amarone bzw. dann danach in den Ripasso floss. Massengeschmack und Modeerscheinungen können ganze Weinwelten durcheinanderbringen, achtet mal auf Valpolicella Classico, kauft eine Flasche und berichtet von Euren Erfahrungen, wie Weine schmecken, die vom Aussterben bedroht sind.

 

VValpolicella Classico DOC

Noch ist der Valpolicella Classico kein Dinosaurier!

 

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