In den letzten Jahren sind „Bordeaux-Rotweine“ ganz schön aus der Mode gekommen, eigentlich ist alles noch viel schlimmer, es ist scheinbar in Mode gekommen, über Rotweine aus dem Bordelais zu lästern. In letzter Zeit habe ich viel Pauschalkritik hören müssen, egal ob vom Rechtsanwalt-Sohn auf einer Bordeaux-Probe, vom Weinhändler nebenan oder vom Wein-Großhändler aus Nürnberg, es wurde immer vernichtend draufgehauen! Natürlich sind die adeligen Preisvorstellungen der 1855er Bordeauxwein-Klassifizierung (60 „Grand Cru Classé-Rotweine“ in fünf Stufen) total abgedreht und auch die besseren „bürgerlichen Gewächse“ sind gereift unbezahlbar, es gibt auch sehr schwache Jahrgänge, unübersichtliche Vertriebswege (scheinbar allmächtige negociants ), aufwändige Subskriptionen und viele Alternativen aus anderen Regionen. Aber: gereifte Bordeaux aus guten und auch aus mittleren Jahrgängen können nach 7 bis 10 Jahren (und dann auch noch viel länger!) unglaublichen Trinkgenuss bieten.
Zum Glück habe ich eine kleine Bordeaux-Connection, bestehend aus großen Spezialisten!, die zu der Kritik der Lautsprecher immer geschwiegen und sich lieber kontinuierlich mit guten Bordeaux-Jahrgängen eingedeckt und mir diese Weine dann zum Verkosten empfohlen oder sogar geschenkt hat. Dafür schon mal an dieser Stelle Dank vom Weinschank! Und rund um die Weihnachtsfeiertage hatte ich nun endlich auch Zeit. Ich wollte vor Weihnachten nur kurz den Ruf meines Cambon la Pelouse 2006 wiederherstellen (er war in der Haltern-Weinprobe leider korkig!) und ich hatte leichtsinnigerweise auch noch eine Flasche Cambon la Pelouse 2015 erworben, die natürlich auch korkig war!? Ich weiß ja, gegen den Korkschmecker ist kein Kraut gewachsen, aber muss es immer mich treffen?
Der korkige Cambon la Pelouse 2015 wurde anstandslos in der Weinabteilung eines Kaufhauses umgetauscht (immer bei Reklamationen Flasche und Korken mitbringen!) und die Ersatzflasche aus dem hoch bewerteten Bordeaux-Jahrgang 2015 entpuppte sich schon als überraschend trinkreif: Beeren, Kräuternase und auch etwas Würze, mittlerer Körper, deutliche Säure, aber auch weit entfernt von der Komplexität „meines“ 2006er, habe mir trotz seiner Süffigkeit aber fest vorgenommen, einige Flaschen zu lagern.
Und jetzt die Rufwiederherstellung des 2006er Cambon la Pelouse! Dieser Wein kann so gut sein, er hat mich mit seiner Typizität bei einer Gläserprobe zurück zum Thema Bordeaux gebracht, komplexe Nase nach Beeren, Zeder und Kakao, rinnt warm die Kehle herunter und ist trotz mächtiger dunkler Frucht auch herrlich elegant, ein richtiger Verführer aus einem mittelprächtigen Jahrgang 2006!. Doch leider musste ich die Bezugsquelle wechseln (der Wein war an alter Adresse ausverkauft!) und quäle mich seitdem auf einer Achterbahnfahrt durch die Verkostung, der erste probierte Wein aus der neuen Marge mit merkwürdig grünen, grasigen, unreifen Geruchstönen und auch im Geschmack eigenartig, gar kein warmes Feuer mehr, eher Nordpol, kein Korkschmecker, aber ein anderer Weinfehler? Oder doch eine andere Abfüllung? Oder schlechte Lagerung? Es bot sich so viel Raum für Verschwörungstheorien, der angeschriebene Weinhändler wollte vor Weihnachten seine Ruhe haben und bot die komplette Rücknahme der gelieferten Weine an, ich plante dagegen wilde Vergleichsproben mit dem „guten“ und dem „schlechten“ Cambon la Pelouse 2006. Dann öffnete ich die nächste Flasche und der Wein schmeckte wieder genau so, wie ich ihn oben als großartig beschrieben hatte. Alles wieder zurück auf Start , ich verschenkte sogar im Hochgefühl einige Flaschen zu Weihnachten, um dann irgendwann nach Weihnachten die dritte Flasche zu öffnen und wieder Gemüse und unreife Noten zu kosten. Beim Thema Wein bin ich selten ratlos, aber hier bin ich an einem Punkt, da weiß auch ich nicht mehr weiter! Mal abwarten, ob sich die Beschenkten zu dem Wein äußern werden!
Und hier jetzt die erste Neuentdeckung, eine Empfehlung meines Bordeauxexperten S., Liebe auf den ersten Schluck, Chateau Lilian Ladouys, ebenfalls aus einem hocheingeschätzten Bordeaux-Jahrgang (2010) und ebenfalls „linkes Ufer“, allerdings aus der Appellation Saint-Estephe: 60% Cabernet Sauvignon, 40% Merlot, dunkle Farbe, Johannisbeere, Sauerkirsche und Zeder, im Geschmack dunkelfruchtig, feines Säurespiel, seidige, runde Tannine, Mineraltöne, sehr fein, langes Finale. Wunderbarer, sehr klassischer Wein, macht viel Freude und ist genau wie Chateau Cambon la Pelouse noch bezahlbar.
Vom „linken Ufer“ stammt auch der nächste Wein, ein Geschenk meines Bordeauxexperten C.F. aus dem ebenfalls hocheingeschätzten Jahrgang 2005: Chateau Chasse-Spleen, Moulis en Medoc. Auf dem Etikett steht noch die Bezeichnung „Cru Bourgeois Exceptionnel“, eine Bezeichnung für die besten 9 Weingüter des bürgerlichen Weinlagers. Diese Begrifflichkeit wurde mittlerweile wieder abgeschafft, andere Cru Bourgeois-Weingüter fühlten sich zurückgesetzt und abgewertet, heutzutage definiert und klassifiziert man sich einfach über den Preis und nicht mehr über den Spruch „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher!“
Der Wein ist unglaublich gut, er bringt in allen Bereichen noch mal mehr als seine Vorgänger an Intensität mit, ein Duftschwall aus Kirschen und Brombeeren, Zeder- und Kaffeenote, herrlich voller, vielschichtiger Geschmack nach roten Beeren, elegante Tiefe und Druck, rund, geschliffene Tannine, sehr lang anhaltend, großartiger, gereifter Wein. 55% Cabernet Sauvignon, 40% Melot und 5% Petit Verdot. Wer diesen Wein noch im Keller hat, kann sich glücklich schätzen, die Zeit seiner Ermattung ist meiner Meinung nach auch noch fern.
Und auch der letzte Wein vom „linken Ufer“ ein Geschenk (von S.) und gereift (Jahrgang 2006), Chateau des Eyrins, Margaux. Und auch ein ganz toller Wein, vielleicht nicht so typisch und vom Duft nicht so überbordend wie Chasse-Spleen 2005, aber schöne Beeren-Nase und etwas Vanille, am Gaumen dann Beeren mit einer verblüffenden Feurigkeit, einer schönen Würze, viel Rasse und Vielschichtigkeit mit eingebundenen Tanninen und einem langen Abgang. Zur Vollständigkeit noch die „technischen Daten“: 70% Cabernet Sauvignon, 27% Merlot und 3% Petit Verdot.
Fazit:
Das hat großen Spaß gemacht!, Weihnachten mit Bordeaux kann schnell wiederkommen, Bordeaux benötigt Reife und es ist natürlich schwer bzw. teuer an solche Schätze aus 2005 oder 2006 noch ranzukommen, 2010 hat erste Trinkreife erreicht und 2015 bietet sich als Option für die Zukunft an (einfach mal sechs Flaschen einlagern und bis 2022 vergessen, man wird sich nicht nur über die positive Entwicklung des Weines wundern, sondern auch über die ansteigende Preisentwicklung!), ich hätte gerne weiterprobiert, die gereiften Weine können so großartig sein, aber als blogger ist man immer spät dran und das nächste Thema steht immer schon vor der Tür.