Einfach ein schönes Gefühl, wenn man seiner Mutter auf einem Samstag mal sagen kann, dass man am nächsten Tag in die Kirche geht, der letzte Kirchgang ist ja bei mir wohl schon einige Jahrzehnte her, aber ich meinte es völlig ernst und habe Wort gehalten, die zweite Auflage der Messwine in Bochum in der Christ-König-Kirche hatte mich angelockt, ein wunderbarer Ort für eine ganz besondere Naturwein-Messe.
Tolle Beschreibung in der Messe-Broschüre, dass das Ruhrgebiet mit ca. fünf Millionen Einwohnern immer Durst hätte! Und auch die Lust auf besondere, handwerklich und nachhaltig hergestellte sogenannte Naturweine steigt ähnlich wie in Berlin immer weiter an. Und als gebürtiger vinophiler Dortmunder aus der ehemaligen Bierstadt fühlte ich mich schon vor 25 Jahren eher in Bochum zuhause, „Concordio“, „Coniglio“, „Una mas“ und auch der „Living Room“. Aus letzterem coolen Lounge-Bar-Restaurant-Konzept entstanden dann noch während meiner langen Abwesenheit weitere kulinarische Weinadressen, der mittlerweile richtig angesagte „Grüne Gaul“ und das feine Menürestaurant „Five“ mit nur fünf Tischen. Und auch das damals mir schon bekannte Franz Ferdinand gehört als Wiener Kaffee- und Wirtshaus mit zum Verbund. Und alle benötigen besonderen Wein, da bündelte man das know-how und lud seine Winzer-Lieblinge einfach in eine Kirche ein, da hat fast niemand nein gesagt, die location ist der absolute Glücksfall!
Ich kam leider durch die seit Jahrzehnten „geliebte“ DB etwas sehr zu spät, aber der Anfangsplan stand fest, erst mal die wenigen mir bekannten Weingüter abklappern und Fokus auf Schaumweine legen. Durch die neu entdeckte und erst im November 2022 eröffnete geniale Genussbar in Wülfrath kannte ich schon mal den tollen Pet Nat vom Weingut Wagner von Wohlgemuthheim aus Zell-Merl (Mosel), super sympathisches Winzerehepaar, bei den tollen Weinen fragt man sich echt, wo man selber als Moselfan die ganzen Jahrzehnte gewesen ist bzw. aus welchen Orten wohl die neue Generation Ihre Stars hervorbringen wird. Das altehrwürdige Merl an der Terrassenmosel also die Heimat des Familienweingutes Wagner von Wohlgemuthheim von 1719, die 8. Generation um Michael („Michel“) geht seit 2015 neue Wege, der Naturweingedanke wird konsequent umgesetzt, keine Weinbehandlungsmittel, Schönungen, keine Korrekturen und Hilfsmittel. Dafür strenger Schutz der geerbten Steillagen mit bis zu 100 Jahre alten Rebstöcken, der Betrieb ist mittlerweile biozertifiziert und hat viel vor!
Der aus Muskateller-Trauben aus der Lage Merler Adler bereitete Pet Nat kommt mit strahlend strohgelber Farbe und kräftiger Perlage ins Glas, toller Duft nach Zitrusfrüchten, Kräutern und Muskatnuss, im Mund super frisch und süffig, Frucht und auch schmeckbare Mineralität, unkompliziert, aber nicht einfach, macht richtig Spaß und ich bin neugierig, wie er sich zu Austern machen wird. Ein Traumeinstieg in das Thema Pet Nat, danke an die Genussbar und das tolle Weingut, da sollte noch viel mehr zu entdecken sein! Insiderinfo: durch den Genuss des Pet Nat sorgt man auch gleich zum Erhalt der alten Muskateller-Parzelle im Merler Adler, also probieren und dadurch Gutes tun!
Das Weingut Immich-Batterieberg in Enkirch an der Mosel kenne ich schon sehr lange und habe es sogar noch unter den alten Besitzern besucht. Nach Besitzerwechsel wirkt nun seit 2009 bei Immich-Batterieberg der Önologe Gernot Kollmann, der einen ganz eigenen naturreinen Stil in das Produktportfolio (aus historisch hochbewerteten Schiefersteillagen) einbringt. Die Weine sind nun eher trocken, kraftvoll, etwas wild (auf Reinzuchthefen wird ausnahmslos verzichtet) und benötigen sehr viel Reifezeit. Auch davon konnte ich mich schon vor Ort überzeugen, einige Schätze schlummern noch bei mir im Keller, auf der Weingutsprobe war ich allerdings etwas ratlos. Eine sichere Bank aber normal immer der Riesling Sekt Brut Nature, „Jour Fixe“, Jahrgang 2011 wollte ich 2017 auf meiner allerletzten beruflichen Pendelfahrt (nach 8 Jahren!) von Düsseldorf nach Münster im IC-Bordbistro köpfen, hier der Link zum zweiten blog-Beitrag vom 9. Juli 2017, probiert habe ich aktuell aber den Jahrgang 2020.
Auch 2020 wieder toll in Form, strohgelb (Foto täuscht!), in der Nase Zitrusfrüchte, Kräuter, Honig und mineralische Töne, sehr feine und elegante Perlage, am Gaumen puristisch trocken, wieder mineralisch und elegant, langer würziger Abgang, sehr gelungener Riesling-Sekt, kann in seiner Preisklasse und auch drüber mit vielen Champagner mithalten! Klare Empfehlung!
Und noch ein vom Namen her bekanntes Weingut, Weingut Mehling aus Deidesheim, serviert zu einem Menügang vom großartigen Sommelier Stefan Echle im genialen Restaurant Lilly in Neupotz (s. letzten Pfalz-Beitrag). Die nette Winzerin Kathrin Otte erzählte ebenfalls begeistert von einer Mehling-Weinprobe im Restaurant Lilly, wünsche den Überzeugungstätern in Neupotz weiterhin viel Glück und komme bald zurück!
Die nächste Generation im Weingut Mehling mit Kathrin Otte und Christoph Knäbel ist seit 2014 an Bord, Bioweingut, etwas im Schatten der großen und berühmten Deidesheimer Weingutsnamen, aber mit ganz viel Energie und Elan, dazu Besitz in Spitzenlagen und den gelebten Nachhaltigkeitsgedanken, fokussiert auf Riesling, da sollte doch ein Treffer dabei sein!
Schon der 2022er Riesling Einstiegswein „Herr Mehling“ hat mir super gefallen, strohgelb, Duft nach Pfirsich, Limette und nassem Stein, im Mund für Riesling dezente Säure, sehr süffige Frucht und unkompliziert, jung und frisch, tolles Preis-Genuss-Verhältnis, ein schöner Sommerwein.
Und auch der Riesling-Ortswein „Deidesheimer“ überzeugt als 2021er Jahrgang, ebenfalls strohgelb, in der Nase mineralische Töne, Zitrusfrucht und Kräuter, im Mund verspielt und fruchtig, salzige Elemente, schmelzig, bei wieder dezenter Säure, würziger Abgang, mag ich sehr!
Der Eindruck auf der Weinmesse täuschte nicht, habe alle Weine, die mir positiv aufgefallen sind, noch mal von den Weingütern für die Nachverkostung zuhause nachbestellt, eine Kartonschlacht, aber lohnenswert, auch der 2021er Riesling-Lagenwein Musenhang aus Forst sehr gelungen, Zitrusmineralik in der Nase, auch im Mund sehr mineralisch, dazu Grapefruit, schmelzig und sehr schlank, cool climate, sehr gut eingebundene Säure, harmonisch mineralischer Abgang mit ganz feiner Bitternote, der Mehling-Stil hat mir super gefallen und auch die unterschiedliche Qualität der Weine durch die Klassifizierung passte!
Eine schöne Entdeckung auch das Weingut Lanz aus Nonnenhorn, spannender kleiner und feiner Bio-Mischbetrieb (Obst- und Weinanbau) vom bayrischen Teil des Bodensees, fälschlicherweise von den Organisatoren der Weinregion Baden zugeschlagen, aber nach Nachfrage bei Benjamin Lanz wurde mein Verdacht bestätigt, weintechnisch gehört man zur Weinregion Württemberg, toller verwirrender theoretischer Einstieg, aber es sollte praktisch noch besser werden. Ich wollte ja immer noch Schaumweine probieren, hier bekam ich auch ganz großartigen Stoff ins Glas, „Sprudel Dicke Dirn“ brut nature , 100 % aus der Piwi-Rebsorte Johanniter (Kreuzung aus Riesling und Ruländer/Gutedel von 1968), mind. 32 Monate Hefelager, handgerüttelt und degorgiert, Zero Dosage, goldgelb, feine Perlage, Hefe und feine Fruchtnoten, auch mineralische Töne, sehr lang, großartig, was man aus Piwi-Rebsorten machen kann.
Ist man woanders noch im Testmodus oder pflanzt die Piwis neu nur auf Alibi-Lagen, weil die Nachfrage eigentlich immer noch nur nach den klassischen Rebsorten verlangt, zieht das Weingut Lanz die Piwi-Story voll durch, ausschließlicher 100 % Anbau, dadurch auch auf Toplagen, mit deutlich weniger Einsatz von Spritzmitteln und richtig starken Ergebnissen.
Der Kalimbula 2022 ist einen Weißweincuvee aus Johanniter, Solaris und Souvignier Gris (Kreuzung von Cabernet Sauvignon und Bronner aus dem Jahre 1983), interessante Nase nach Johannisbeere, Ingwer und Pfeffer, im Mund gelbe Früchte, Mandel, salzige Aromen, frisch und leicht, kaum Säure, schmelziger Abgang, Wein mit sehr gutem PGV, sehr gelungen!
Bei der Rebsorte Solaris (Kreuzung aus Merzling und Geisenheim 6493 aus dem Jahre 1975) habe ich mir selbst die Daumen gedrückt, dass mir der 2022er Wein schmeckt, habe natürlich sofort an den coolen SF-Klassiker „Solaris“ des polnischen Autors Stanislav Lem denken müssen. Strohgelbe Farbe, in der Nase feine exotische Aromen (Mango, Maracuja), auch Mandeln, im Mund schmelzige exotische Frucht, eingebundene Säure, viel Trinkfluß, macht richtig Spaß, schöner nussiger Abgang, tolle Entdeckung.
Stark auch der Nonnenhorner Rot 2021 aus der Piwi-Rebsorte Cabertin (Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Regent aus dem Jahre 1991), purpurrot im Glas, in der Nase grüne Paprika, pflanzliche Noten, Beeren, im Mund wieder Beeren, kühler Trinkfluß, spürbare aber gut eingebunden Säure, sehr elegant, langer und würziger Abgang, richtig klasse.
In der tollen Weinbar Konträr am Prenzlauer Berg in Berlin entdeckt, beim zweiten Besuch der Weinbar stand ich dann allerdings mit Kaufabsicht im Dunklen und zweifelte schon an meinem Orientierungssinn, alles verrammelt und zu, als wäre da nie eine Weinbar gewesen. Aber das Konträr existiert weiterhin und bei meinem Besuch des Weingutes Lingenfelder in der Pfalz war dann auch der Sohn Georg von Besitzer Karl Rainer greifbar. Ebenfalls super nett und für mich ein kleiner Naturwein-Star, nur sein voller Körpereinsatz mit Händen und Füßen führt zu diesen Weinqualitäten, ich konnte wirklich noch zwei Flaschen erwerben und mich für die Naturwein-Messe in Bochum ankündigen. Da wurde ich dann sogar erkannt (!!!) und konnte noch mal ganz in Ruhe die beiden Concubine-Weine verkosten und auch an der Diskussion um die Eignung der Literflasche für die Gastronomie mit einem Sommelier aus Düsseldorf teilnehmen.
Hätte geschworen, dass die Concubine weiß im Konträr in die Orange-Wein Richtung ging, in der Kirche aber eher zitronengelb, benötigte etwas Luft, schöne Nase nach grünem Apfel, Birne und Kräutern, im Mund dann sehr süffig, aber auch speziell, pflanzliche, erdige und herbe Noten treffen auf Frucht, auch mineralische Noten dabei, der Wein fordert heraus und verblüfft, macht aber ganz viel Spaß! Beteiligte Rebsorten sind Riesling, Sylvaner und Gewürtztraminer.
Aus 95% Spätburgunder und 5% Dornfelder der Concubine Rosé, transparentes Himbeerrot, schöne Nase nach Erdbeere, Kirsche und Kräutern, im Mund sehr saftig und süffig, elegant, fruchtige, pflanzliche und mineralische Töne, schöner Trinkfluß, hochinteressanter Wein!
Ich schimpfe ja immer gerne über Instagram, aber ich bekam während der Messe einen großartigen Tipp vom weinliebenden Goldschmied „Trimetallschmuck“ aus Köln mit fränkischen Wurzeln aufs Handy, drei fränkische Weingüter sollten vor Ort sein, unbedingt besuchen!, da wurde ich als Frankenfan natürlich sofort neugierig und hellhörig, im Nachgang ein unglaublich toller Tipp, tausend Dank an den Metaller, ich hoffe, man trifft sich mal bald in Köln oder Münster!
Da war z.B. die noch junge Winzerin Franziska Schömig aus Rimpar, Weinbau nördlich von Würzburg auf ca. 3 Hektar (ca. 15000 Flaschen jährlich) , was der Vater noch eher als ambitioniertes Hobby betrieb, wird nach Lehr- und Wanderjahren der Tochter im In- un Ausland nun professionell und mutig weiter geführt, Franziska hat sich dabei voll dem Naturweingedanken verschrieben, Ökologie first!, richtig gesunde Trauben reinholen und dann möglichst wenig im Keller eingreifen.
Zur Begrüßung gab es einen Pet Nat aus einem Gemeinschaftsprojekt mit der Winzerin Laura Seufert aus Iphofen. Eine Cuvee aus Kerner, Bacchus und Müller-Thurgau, Trauben aus letztgenannter Rebsorte steuerte Franziska zu. Im Glas trüb, für einen Perlwein überraschend straffe Perlage, in der Nase Apfel, Birne und Kräuter, sehr süffig und frisch, schmelzig, gelbfruchtig, spaßmachender Sommerwein, „Schaumweinlimo“ steht (unter anderem) auf dem Etikett. Eigentlich „Perlweinlimo“, der große Unterschied zwischen Schaumwein und Perlwein im Glossar.
Trüb auch der 2022er Silvaner“Herbstblut“, tolle Nase nach Apfel, Quitte, Kamille und auch etwas Vanille, im Mund elegante köstliche Frucht, sehr frisch und harmonisch, sehr viel Trinkfluss, trotzdem komplex, schöner Abgang. Der Silvaner hat mir super gefallen!
Die Domina 2020 Herbstblut tiefdunkel bis fast schwarz im Glas, opulente Nase nach roten Johannisbeeren, Sauerkirsche, Eisen und Paprika, im Mund kraftvoll, aber auch sehr weich und rund, fleischig, schokoladig, langer Nachhall, tolle Domina, reiner Essenswein, sehr gut denkbar zur Ente.
Tolle Naturweine aus Rimpar!
Und dann wurde es dunkel, der Hüne Christian Ehrlich (er ist wirklich größer als ich, sogar sehr viel größer, der Weinschank hat dann trotz großer Klappe immer sehr viel Respekt!) empfing mich mit seiner Frau Alexandra zur Verkostung der 3 Zeilen Weine. Richtig nette Leute, 2008 sind die Beiden als Quereinsteiger mit drei gepachteten Zeilen Rebstöcken in ihr ganz spezielles Weinabenteuer in Rödelsee (der Ort hier im blog bekannt durch das Weingut Weltner) eingestiegen, nachhaltig, respektvoll und natürlich sollte es sein. 2023 ist man nach viel Pionier- und Aufbauarbeit nun bei ca. 5 Hektar angekommen und steht vor dem letzten großartigen Schritt, die Berufung kann nun endlich Beruf werden. Auf der Messe fand ich die Weine super, war sehr auf die Nachprobe gespannt!
Der 2019er Silvaner aus der Paradelage Rödelseer Küchenmeister strohgelb, in der Nase Birne und exotische Früchte, im Mund sehr trocken, statt Frucht viel Würze, gut eingebundene Säure, schöner langer Abgang, kein easy drinking, eher für Abenteurer, die berühmten Ecken und Kanten, aber es wurde auch Wort gehalten, ehrlich anders!
Zugänglicher der Fränkische Satz 2021 trocken, zusammen geerntet und verarbeitet wurden Blauer Silvaner, Adelfränkisch, Gutedel, Weißburgunder, Grauburgunder, Riesling, grüner Silvaner, Muskat-Silvaner und Gelber Muskateller, strohgelb im Glas, spannende Nase mit viel Frucht (Apfel, Birne und Ananas), floralen Noten, Kräutern und mineralischen Eindrücken, im Mund schmelzig-süffig, aufregend und schwer fassbar, feine Frucht, komplex, dazu ein schöner mineralischer Abgang mit ganz feiner Bitternote, hat mir sehr gut gefallen!
Und „Onkel Heiner Seiner“ ist auch meiner: ein 2019er Silvaner als Orangewein vinifiziert, trübes strohgelb, in der Nase Pfirsich, tropische Früchte, Kamille, Hefe und feine Würze, im Mund vollmundig, fruchtig, erfrischende Säure, beschwingter Abgang mit feiner Bitternote, sehr süffiger und harmonischer Orangewein, spannender Essensbegleiter, richtig toll! Glückwunsch und Respekt!
Der ökologische Land- und Weinanbau Krämer ist ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb mit ca. 70 Hektar Ackerbau und ca. 5 Hektar Steillagenweinanbau im fränkischen Taubertal. Der Familienbetriebssitz, auf dem drei Generationen leben, liegt im kleinen Dorf Auernhofen, ca. 15 Minuten vom Taubertal entfernt und hier im blog schon durch den Winzerhof Stahl aufgefallen. Stephan Krämer ist seit seiner Ausbildung zum Winzer treibende Kraft und damit recht allein in der Gegend beim Thema Naturweinanbau, unter ökologischen Grundsätzen werden Rebsorten wie Silvaner, Müller-Thurgau, Riesling, Bacchus, Johanniter, Schwarzriesling und Regent angebaut. Prunkstück soll eine erworbene Rebfläche mit einem neuangelegten Fränkischen Satz (aus 12 verschiedenen Rebsorten, u.a. mit Adelfränkisch und Vogelfränkisch) werden. Tolle Weinprobe in Bochum mit der sehr netten Simone Krämer.
Bei der Nachprobe zuhause ein umwerfend guter und ganz speziell interpretierter Naturwein Müller-Thurgau 2019 „Silex“ aus der Steillage, trübes Bernstein, in der Nase Kräuter, ganz fein auch tropische Früchte, Würze und Hefe, im Mund viel Schmelz, exotische Früchte, superfrisch und süffig, bei allem Feuerwerk herrlich harmonisch mit langem und salzigen Abgang, ein Lieblingsnaturwein!, schnell probieren, bevor alle Flaschen in den Restaurants und Weinbars in Berlin und Köln verschwinden. Da ich einige Liebhaber des klassischen und unterschätzten Müller-Thurgaus kenne, noch mal eine kleine Warnung, dieser MT riecht und schmeckt völlig anders als gewohnt, hat auch eine andere Farbe, ist aber eine tolle Naturwein-Erfahrung!
Auch die Piwi-Sorte Johanniter 2018 Muschelkalk Steillage ganz eigen als Naturwein interpretiert, goldgelbe Farbe, benötigt viel Luft, in der Nase dann Hefe, Holz, Rauch und Apfel, im Mund mostiger Apfel, etwas Holz, karg und schlank, hefig, leicht und frisch, mineralischer Abgang.
Der Silvaner Alte Reben 2018 leuchtend orange im Glas, benötigt viel Luft, süße gelbfruchtige Aromen in der Nase, dazu erdige Töne und Kräuter, im Mund für einen Silvaner überraschend viel Säure, dazu karg und sehr trocken, hefig, schöne Würze und langer Abgang, ein polarisierender Naturwein mit Ecken und Kanten. Mit Liebe und Mut hergestellt, aber ob diese Weine in Münster ankämen?, warten wir mal lieber 20 Jahre ab und sprechen trotzdem den Krämers ein großes Lob aus!
Nach 10 Jahren Erfahrung durch Arbeit in biodynamischen Weingütern und in der Gastronomie haben sich Karoline Linka und Max Frölich nun mit dem Weingut Makalié ihren persönlichen Traum erfüllt, Wein und Cidre aus dem Markgräfler Land am Schwarzwaldrand. Im Namen Makalié stecken nicht nur Teile der Vornamen der Beiden, sondern auch die Worte „Maka“ für indianisch Erde und lié für französisch verbunden. Hier werden Weine von höchster Qualität im Einklang mit der Natur erzeugt. Schöne Geschichte am Rande, Karoline hat wohl ein paar Jahre in Münster gelebt und erinnert sich gern an die Stadt zurück, ich hoffe, die Beiden machen mal einen Wochenendausflug nach Münster und stellen ihre Weine in einem heimischen Restaurant vor (z.B. Feldmann, Ackermann, Brust oder Keule oder Landhaus Eggert), das wäre genial!
Ganz besonders der Gutedel 2021 von Makalié, leicht trübes Zitronengelb, benötigt Luft, duftet dann nach Steinobst, etwas Zitrone und Nüssen, im Geschmack sehr karg und zurückgenommen, frische und feine Säurestruktur, wieder Zitrusnoten, viel Schmelz, langer Abgang mit hauchfeiner Bitternote, extrem spannender Wein! Um diesen Wein zu erzeugen, werden neben einem Drittel alter Gutedel-Reben aus eigenem Anbau von Mergelböden noch zwei Drittel zugekaufte Trauben von einem Demeter-Betrieb aus der Region verarbeitet. Es wird mit Sandstein-Amphoren und alten Holzfässern gearbeitet, der ganze Aufwand lohnt sich sehr, ein Wein mit nur 10% Alkohol, aber voller Spannung und puristischer Eleganz!
Richtig toll auch der Spätburgunder 2020 Chapelle, benannt nach der Kapelle oberhalb der nicht flurbereinigten Ölberg-Lage im Naturschutzgebiet in Ehrenstetten. Überraschend dunkles Rubinrot, in der Nase herrliche süße Noten von schwarzen Kirschen, Pflaumen und Pfeifentabak, im Mund dann kühl und trocken, schöner Schmelz, noch zu jung, spürbare frische Säure, viel Potential Richtung seidiger und ultrafeiner Entwicklung, karger Abgang mit hauchfeiner Würze, spitze!, ich habe Nummer 225 von 450 Flaschen probiert.
Sensationell der Spätburgunder Bleuwen 2021, habe Flasche 87 von 624 (!!!) probiert, transparentes Rubinrot, intensive Spätburgunder Frucht in der Nase, Kirsche Johannisbeere, Kräuter und eine feine Würze, sehr elegant im Mund, weich, frisch und würzig, Mineraltöne, cool climate, druckvoller und unendlich langer Abgang, noch sehr jung, aber schon antrinkbar , viel Potential, ein Hochgenuss! Wow! Die Trauben stammen von der Toplage Römerberg in Badenweiler, hier stehen die Spätburgunder-Reben auf Kalkstein und Kalkmergel mit dünner Lehmauflage und sind am Abend auf der Höhenlage kühlen Fallwinden aus dem Schwarzwald ausgesetzt. Top!
Von diesem Weingut wird man noch viel hören, so elegante Weine und voll mein Geschmack! Alles klassifizierte Badische Landweine, Erklärung im Glossar!
Auch aus dem Markgräfler Land, weiter südlich als Müllheim, das Weingut der sehr netten Besitzer Dirk Brenneisen und seiner Frau Ronja Herr aus Egringen. In der wunderschönen Landschaft mit Fernblick nach Basel und noch viel intakter Natur, gründete Dirk Brenneisen als Quereinsteiger das Weingut im Jahre 2000 und gab seinen damaligen Beruf Werkzeugmacher auf. Auch Ronja Herr macht beruflich eigentlich etwas anderes (Kinderchirurgin), liebt aber ebenfalls das Thema Wein und stellt mittlerweile sogar einen eigenen Rotwein des Sortimentes her. Die Weine auf der Probe waren puristisch, elegant und tiefgründig, hatten manchmal aber etwas zu viel Holz für mich, ich war auf die Nachprobe und meine Auswahl gespannt.
Supereleganter Sekt der Chardonnay 2016, Zero Dosage, 24 Monate auf der Hefe gereift, helles Goldgelb im Glas, straffe Perlage, ganz feine Nase mit Andeutungen nach Brioche, Hefe, tropischen Früchten, Mineralik und Würze, im Mund sehr elegant und harmonisch, viel Schmelz und Trinkfluß, betörende Frucht, Hefezopf, aber auch gegenhaltende rassige Säure und salzige Elemente, dazu ein sehr langer und schöner fruchtig-salziger Abgang, das macht richtig Spaß und schreit praktisch nach Vergleichen mit Champagnern in der Preisklasse in Blindproben.
Als „Brot und Butter-Wein“ fand ich den Gutedel 2020 „Lädde“ (alemannisch für Letten (Tonkalkboden)) richtig schön, goldgelbe Farbe, aber kein spürbares Holz in der Nase, dafür Apfel, Birne, pflanzliche Töne, im Mund ausgewogen, fruchtig und süffig, milde Säure, hat auch Nachhall, ein tolles Preis-Genuss-Verhältnis, die Rebsorte Gutedel auch hier in sehr guten Händen!
Der Spätburgunder Herrreos 2017 mit strahlend hellem Rot und transparent im Glas, intensives Bukett, das mich an Holunder, schwarze Johannisbeere, Kirsche und etwas Pfeffer erinnert, im Mund sehr schlanke Frucht mit noch spürbarer Säure unterlegt, dadurch kühler und eleganter Eindruck, viel Schmelz und Zug, sehr feiner mineralisch-salziger Abgang mit einem Hauch Würze, ein masterpiece und wieder genau mein Geschmack, Glückwunsch nach Egringen!
Top-Weine, unbedingt probieren, schaut aber auch wegen des tollen Brenneisen-Gutedels (bemerkenswerte Weine unter 11 Euro mit dem Zeichen € gekennzeichnet) mal auf die Seite Siegerschankweine! Nach sechs Jahren blog ist da einiges mit € markiert, ich hoffe, die Preise stimmen noch und die Weine sind auch noch erhältlich…
Ein besonderer Clou der Veranstalter, auch das weltberühmte und traditionsreiche Weingut Dr. Bürklin-Wolf (seit 1597 ununterbrochen in Familienbesitz) aus Wachenheim (Pfalz) einzuladen. Seit 2005 wird der 87 Hektar Betrieb von Bettina Bürklin-von Guradze biodynamisch bewirtschaftet, es gehören berühmte Lagen aus Forst (Kirchenstück, Pechstein, Ungeheuer und Jesuitengarten), Deidesheim (Hohenmorgen, Langenmorgen und Kalkofen) und Ruppertsberg (Gaisbohl Monopol und Reiterpfad) zum Portfolio. Eine ab 1990 vorgestellte und an das Burgund-Prinzip angelehnte Terroir-Klassifikation (Grand Cru, Premier Cru, Village und Gutswein) war der Anstoß für die 2012 vom VDP entwickelte Qualitätspyramide. Bei so viel richtigen und visionären Entscheidungen wundert es nicht, dass seit 2012 ein junger italienischer Kellermeister, Nicola Libelli, an Bord ist und es wohl tatsächlich geschafft hat, spektakulär seinem berühmten Vorgänger, Fritz Knorr, nachzufolgen.
Wie schon geschrieben, ich kam zu spät, auf mich warteten nur noch die leeren Flaschen, aber es kam kein Frust auf!, ich habe so viel neue Weine entdeckt und unglaublich lange und intensiv verkostet, dazu viele Gespräche mit vielen Infos und da war doch noch was? Richtig, in meinem Keller lag noch die letzte Flasche Riesling 2008 Pechstein vom Weingut Dr. Bürklin-Wolf, ein Überraschungsfund im Lieblingsweinladen in Solingen. Eine Stammkundin hatte wohl 12 Flaschen Pechstein 2008 bestellt und ist dann verstorben. So konnte ich mir noch einige Flaschen aus dem Weinladen sichern, zwei Flaschen waren schon Teilnehmer in meinen berüchtigten Blindproben. Dort kam der Wein auch immer ganz gut an und das Weingut wurde erraten, der feine Wein hatte aber auch Mühe gegen kräftige, alkoholreichere Konkurrenz, das typische Probierschlückchen-Dilemma. Nun also die letzte Flasche, 15 Jahre alt: mittleres Gelb mit grünen Reflexen, in der Nase keine Petrolnoten, dafür viel Kräuter und erdige Töne, dahinter noch etwas Pfirsich und Zitrusfrüchte, Feuerstein, im Mund kräftig und schmelzig, Karamelltöne, Honig und feine Orange, trotzdem trockener Eindruck, immer stärker aufkommende Mineralik, dazu sehr lang und anhaltend, mit feiner Würze. Toller Wein, damals für 35 Euro gekauft, der aktuelle Pechstein 2021 schon ab Weingut für 150 Euro die Flasche ausverkauft. Ich musste das hier erwähnen, möchte aber den Preissprung eigentlich nicht weiter kommentieren!
Lieber noch ein abschließender Kommentar zu der Messwine in Bochum, unglaubliche location, tolle Winzer und Naturweine, hat sehr viel Spaß gemacht, die Veranstaltung nicht überlaufen, richtig großartig, schaut nächstes Jahr mal selber vorbei, es lohnt sich sehr!