Letztes Jahr hat es uns trotz niedriger Temperaturen im Frühjahr so gut in Bamberg gefallen, dass wir unbedingt noch einmal im Sommer eine Woche in der Stadt und Umgebung verbringen wollten. Wir wohnten dieses Mal direkt am linken Regnitzarm in der Fischerei, „Klein-Venedig“, mit malerischem Ausblick. Bamberg wird von den noch existierenden acht historischen Brauereien und dem Thema Bier beherrscht (man muss das einfach mal erleben, fantastisch!), Wein wächst zwar oben am Michelsberg, spielt aber sonst eher eine untergeordnete Rolle. So dachte ich und war sehr überrascht, in unserer Straße die Weinwirtschaft Fischerei vorzufinden. Auf der Karte viele Silvaner-Schoppenweine und fränkische Kleinigkeiten und so beschloss ich, nach der letztjährigen Rieslaner-Bocksbeuteljagd dieses Mal ganz klassisch Silvaner zu testen. Und da ja einer meiner Leitsätze ist, dass bei einem guten Erzeuger auch die Grundweine typisch und gut sein müssen, war ich sehr auf die Silvaner aus der Literflasche gespannt. Auf zwei Silvaner war Verlass, die waren richtig süffig, dufteten nach Äpfeln und Kräutern, schmeckten würzig und besaßen eine milde Säure. Die Weine kamen von den Weingütern Wirsching und Luckert. Wie sich später herausstellte, füllt Luckert leider nicht mehr in Bocksbeutel ab und war dadurch für den Beitrag hier raus, neugierig auf seine Weine bin ich trotzdem geworden, da muss ich später noch mal ran. Weingut Wirsching ein Klassiker, diese Weine sollten doch im Weinhandel Bambergs aufzutreiben sein.
Am nächsten Abend nach Ankunftstag ging es in das großartige Restaurant Eckerts, einer ehemaligen Mühle, man sitzt praktisch über dem Fluss Regnitz und ich musste noch einmal spontan von meinem Silvaner-Plan abweichen, es gab nämlich Poxdorfer Ente. Ich entschied mich für den 2017er Spätburgunder Tradition vom Weingut Fürst aus Bürgstadt, eine sehr gute Wahl, immer wieder erstaunlich, wie gut sich ein superfeiner Spätburgunder gegen deftige Gerichte behaupten kann. Der helle rubinrote Wein roch nach Erdbeeren und floralen Noten, war absolut weich, seidig, elegant und trotzdem ganz leicht feurig, mit feiner Würze und Säure im Mund präsent, dazu ein langer Abgang, klasse!
Die ganze Woche über haben wir dann die Augen offen gehalten und auch die alten Bezugsquellen der Rieslaner-Siegerschankweine abgeklappert, Delikatessengeschäfte und Weinläden, dazu einige Restaurantbesuche, u.a. auch im tollen Edelfrei, die nun ganz aktuell in schönster und historischer Lage eine Vinothek eröffnet haben, sehr praktisch! Dadurch bot sich dann zur abschließenden Foto-Session auf dem Michelsberg folgendes Bild:
Das VDP-Weingut Hans Wirsching aus dem Weinort Iphofen in Franken ist ein alter Familienbetrieb (ab 1630), der mittlerweile auf 90 Hektar angewachsen ist und berühmte Lagen (z.B. Julius Echter-Berg und Kalb) in seinem Portfolio hat. Tochter Andrea führt gemeinsam mit Vater Heinrich den Betrieb und hier merkt man schon bei den kleineren Silvaner-Weinen die Sorgfalt und das Streben nach Typizität. Der gekaufte VDP.Ortswein Silvaner trocken 2018 Iphöfer überzeugt in der Nase mit Apfelduft, feiner Würznote und etwas Hefe, auch beim Geschmack eine Mischung aus Frucht und Würze, milde Säure, sehr angenehm und süffig. Erster Treffer! Noch ein Wort zur Flasche: ich liebe den Bocksbeutel sehr, auch wenn er mir durch seine Sperrigkeit im Keller oder beim Transport immer Probleme macht, habe jetzt sogar einen Bocksbeutel-Kühler, es wäre doch sehr schade, wenn diese fränkische Eigenart verschwände.
Das VDP-Weingut Horst Sauer in Escherndorf an der Bocksbeutelstraße (!) ist eine große Erfolgsgeschichte: als Horst Sauer das Weingut von seinem Vater übernahm, hatte es gerade mal 2,5 Hektar Rebfläche und betrieb keine Eigenvermarktung. Durch das unglaubliche Können Horst Sauers konnte das Weingut auf mittlerweile fast 20 Hektar vergrößert werden, überwiegend wachsen die Trauben in den Lagen Escherndorfer Lump und Escherndorfer Fürstenberg. Es sind berühmte Muschelkalk-Lagen mit Gipskeuper- und Lößlehm-Anteilen.
Uns wurde im Restaurant Edelfrei ein Silvaner S. 2019 Escherndorfer Lump VDP.Erste Lage von Horst Sauer empfohlen. Das S. steht dabei für die ehemalige Bezeichnung Spätlese trocken, die VDP.Qualitätspyramide von 2012 empfiehlt, dass die Prädikate nur noch im halbtrockenen und restsüßen Bereich verwendet werden, also ein kleiner Kunstgriff, um den Verbrauchern einen Orientierungspunkt aus der älteren Bezeichnung zu geben. Der Wein noch sehr frisch und fruchtig, in der Nase Birne, Melone, Apfel und leicht pfeffrig, im Mund lebhafte Säure, wunderbare Fülle, wieder viel Frucht, aber auch mineralische Anklänge, schmelzig, sehr lang, ein noch sehr junger, aber passender Begleiter zu Fisch und Geflügel, gefiel uns sehr gut!
Was etwas Reife ausmachen kann, zeigte dann der 2017er Silvaner Escherndorfer Lump vom Weingut Rainer Sauer: aufregender kräutrig-pflanzlicher Duft, auch Birne und Quitte, im Mund sehr ausgewogen und harmonisch, tolle saftige Frucht und auch Mineraltöne, Säure perfekt eingebunden, sehr langer Abgang mit leicht nussigen Aromen, wow!, wunderbarer Wein!
Auf 14 Hektar (davon 5 Hektar Steillagen) rund um Escherndorf erzeugen Vater Rainer und Sohn Daniel schwerpunktmäßig Silvaner, die regelmäßig ausgezeichnet werden und zur Spitze in Deutschland gehören. Sie profitieren dabei sehr von den Muschelkalkböden und der windgeschützten Kessellage Escherndorfes.
Gespannt war ich auch auf das Weingut Schmitt’s Kinder, Randersacker (bei Würzburg), dort weder Kinderarbeit noch irgend so ein neumodischer Umbenennungswahn, um Aufmerksamkeit zu erheischen, im Gegenteil, Tradition pur, Weinbau seit 1712, 14 Hektar und eine glückliche Fügung: statt das Weingut wie früher in Franken üblich aufzuteilen, zogen alle Erben an einem Strang und so blieb das Ganze erhalten. Nutznießer aus dem Genpool ein gewisser Martin Schmitt, weltbeste Eltern (Renate und Karl, dadurch ist er auch ganz schön in der Welt zu Ausbildungszwecken rumgekommen!), beste Lagen (das relativ neue Weingut liegt direkt an der Lage Sonnenstuhl), viel Heimatverbundenheit (die Räumlichkeiten des alten Weingutes in Randersacker wurden der Kunst gewidmet!) und auch beste Ergebnisse beim Wein?:
Oh ja!, auch dieser Silvaner aus der VDP.Erste Lage Sonnenstuhl (Randersacker) ist klasse, Duft nach Birne, Mineraltönen und auch leicht nussige Noten, richtig verspielt und filigran im Mund, sehr elegant und süffig, langer Abgang, sehr schöner Wein, wir waren schon wieder begeistert!
Und dann noch den Sylvaner Rödelseer Küchenmeister 2016 trocken vom Weingut Weltner aus der tollen Vinothek Edelfrei in Bamberg getestet: staubtrocken und mineralisch, erinnerte mich sofort an typischen und richtig guten Sancerre, irgendwo im Hintergrund wohl auch versteckte Frucht, aber dann die geballte Ladung Kreide im Mund, sehr puristisch und karg, ganz eigene Interpretation der Rebsorte, aber richtig gut, unbedingt probieren!, gerade auch als vielseitiger Essensbegleiter denkbar, halt ein echter Küchenmeister!
Fazit: So etwas erlebt man selten, alle getesteten Silvaner in großer Form, hier wird eine lokale Spezialität scheinbar mit Hingabe gepflegt und ist dadurch wirklich mal eine echte Alternative zu den immer gleichen Zitrusaromen mit heftiger Säure, die der trockene König Riesling so bietet. Dazu ein fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis. Also mal wieder ganz klassisch einen guten Silvaner aus dem Bocksbeutel probieren!
Am Abschiedsabend ging es noch mal ins Eckerts, ich freute mich insgeheim schon wieder auf den Spätburgunder von Fürst, aber da muss ich mich mal sehr bei meiner Freundin bedanken, die auf der Auswahl eines anderen Weines bestand. Im blog soll ja auch eine gewisse Vielfalt herrschen, also widmeten wir uns (zum Glück!) der roten Rebsorte Domina! In den 1920er Jahren in der Pfalz aus Portugieser und Spätburgunder gezüchtet, steht ein Großteil der Reben der noch ca. 400 Hektar in den 13 dt. Anbaugebieten in Franken und dort sollen auch die bisher besten Ergebnisse erzielt worden sein. Es kam dann auf Empfehlung des engagierten Service eine Flasche Rotwein Domina 2017 Spätlese trocken vom Weingut Meintzinger im Bocksbeutel.
Spannender Wein, aber auch bestimmt für Profi-Blindverkoster eine harte Nuss, dunkle tiefrote Farbe, in der Nase Schokolade, leicht rauchige Aromen und Johannisbeere, im Mund dann überraschende Säure, dadurch nicht zu üppig, mineralisch, saftig und feurig, warmer Abgang. Die große Überraschung der Bamberg-Reise, beim Nachforschen sind wir auf ein aufstrebendes, sehr altes Weingut (seit 1790) mit wunderschönem Hotel gestoßen, seit 2005 zeigt hier Jochen Meintzinger mit Frau und Team auf 26 Hektar immer mehr das Potential der Muschelkalkböden um Frickenhausen auf, unbedingt mal eine Domina von Meintzinger oder ähnlich ambitionierten Winzern aus Franken probieren. Einfach nur großartig!
Beim Nachbestellen gemerkt: Meintzingers Domina ist immer schnell ausverkauft und ab Jahrgang 2018 gibt es von allen Weinen des Weingutes nur noch den Silvaner im Bocksbeutel. Sehr schade, ist doch auf diesem Niveau auch die rote Domina eine echte fränkische Spezialität!