Reifeprüfung im Herbst (Teil 1: Barolo)

 

Nach den tollen letztjährigen Erfahrungen im Piemont-Urlaub in Neive (liegt in den Grenzen der Appellation Barbaresco DOCG) mit dem sehr zugänglichen und eleganten Nebbiolo-Jahrgang 2011, wollte ich unbedingt für eine Weinprobe auch einen schönen Nebbiolo aus der weltberühmten italienischen Appellation Barolo DOCG finden:

Die Vorprobe kostete mich im Endeffekt ein Vielfaches des geplanten Budgets(Taschengeldes) und viele Nerven, ich konnte es anfangs nicht glauben, wie überwürzt, tanninlastig und eindimensional die in meiner Stadt erworbenen Weine rochen und schmeckten, wirklich untrinkbar, so flossen ganze Ströme teuersten Rebsaftes den münsterländischen Kläranlagen entgegen, unglaublich, versnobt und sehr unschön!

Besserung endlich mit einem Barolo aus dem besagten Jahrgang 2011 (Barolo Marcenasco, Renato Ratti), aber gleich auch wieder ein Rückschlag mit dem Nachfolgejahrgang 2012 des gleichen Erzeugers.

Ein großer Treffer dann aber erst nach Verlassen meiner Stadt beim Weinhändler in Hagen-Vorhölle:

 

Dacapo

Barolo 2009 von Dacapo

 

Der superelegante Barolo 2009 von Dacapo, ein Wein, der meiner Meinung alles hat, was einen typischen Barolo ausmachen sollte:

Granatrote, durchsichtige Farbe, superkomplexes Bukett (der Herbstduft im Glas!: Laub, Moos, Pilze, Erde, Totholz, aber auch Veilchen und sogar Marzipan, zum Glück sind das hier nur meine Eindrücke (und die von den Teilnehmern der Blindprobe, in der er starten durfte, erkannt wurde er als Barolo übrigens auch, immer ein gutes Zeichen!), bei solchen großen Weinen kann sich jeder ganz nach Gusto bei Beschreibung des Geruches austoben!) und ein beerig feiner Geschmack, der von Herbe und feinen Tanninen umspült scheint. Extrem langer Abgang, ein Hochgenuss!

 

Dacapo

Barolo 2009 Dacapo

Barolo Barolo

 

Fühlte mich kurzzeitig wie im Langhe-Himmel, doch die mitgenommene Flasche des Nachfolgejahrganges 2010 entpuppte sich dann auch gleich wieder als Reinfall, wieder diese Maggi-Würznoten, dieser eindimensionale Rosenseifenduft und diese quälenden, beißenden Tannine, bäh!, natürlich schlummerte in mir schon lange der Verdacht, dass die Weine einfach unreif waren und noch Lagerzeit benötigten, für mich waren sie bei geöffneter Flasche aber ein totales Desaster, der Unterschied zwischen schlecht und unreif spielt bei den aufgerufenen Preisen (ab ca. 30 Euro die Flasche steil aufwärts!) nicht mehr so die entscheidende Rolle!

 

181 MGA

Ausblick von La Morra

 

Hier liegt eigentlich doch eine Daseinsberechtigung des Weinhandels, gereifte Weine anbieten oder wenigstens auf Erfahrungswerte hinweisen (Achtung!, noch unreif!, nicht vor Jahr YYYY öffnen!) und so die Kunden vor großer Enttäuschung und Geldverschwendung schützen, leider passiert in der Realität zu 90% gar nichts,
es wird immer gerne abverkauft („Ein ganz großer Barolo!, lecker!“), bei Beschwerden wird dann locker mit „Viel zu jung geöffnet!“ gekontert, Krönung war bisher ein vom Weinhändler verkaufter Nebbiolo d’Alba 2015 („so etwas läuft bei uns nicht!“) vom Traditionalisten Bruno Giacosa aus Neive, das kann doch zur Zeit einfach noch nichts sein, man verzweifelt manchmal am Weinhandel!

Zum Schluss stellt sich noch die Frage nach den schlechten Barolos, die niemals reif werden, Scharlatanen wären ja so alle Türen und Tore geöffnet, als deadline empfehle ich 2009 und älter, habe gerade einen Langhe Nebbiolo DOC 2010 von Gigi Bianco an der Angel, der sich deutlich öffnet und vom Krauter wegbewegt (im Jahrgang 2009 war er toll!, ein kleiner Beweis!), jüngere Jahrgänge Barolo sollte man weglegen oder nicht kaufen, geöffnete und unreife 2009er (oder ältere Jahrgänge) sollte man reklamieren und damit den Weinhandel sensibilisieren…

Wie schon geschrieben, große Ausnahme ist der zugängliche Jahrgang 2011, auch bei den Barolos liefert er eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit auf trinkreife Weine…

 

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2 Responses to Reifeprüfung im Herbst (Teil 1: Barolo)

  1. Bärbel Kemper sagt:

    Hallo Peter,deine alte Verwandtschaft ( Bärbel und Gisbert) haben deine Seite gefunden und mit Interresse gelesen. Deine Erfahrung mit dem Barolo können wir bestätigen, wir sind beim Kauf dieses Weines auch schon reingefallen. Obwohl der Wein in den höchsten Tönen empfohlen wird,schmeckte er mir überhaupt nicht und ich zweifelte schon an meinen Geschmacksnerven.Nun wissen wir Bescheid und werden beim nächsten Kauf auf den Jahrgang achten. Liebe Grüsse Bärbel

    • Weinschank sagt:

      Hallo, meine Lieben,
      Verwandtschaft und Weintrinker bleiben für mich immer jung! Aber der Barolo benötigt natürlich Reife und Alter, bevor Ihr wie ich ein Vermögen ins Klo schüttet, solltet Ihr Weine aus der Appellation „Langhe Nebbiolo“ 2009/2010 antesten, fällt hier ein Erzeuger positiv auf (Barolo und Barbaresco-Erzeuger stufen Weine als „Langhe Nebbiolo“ ab), könnt Ihr vom gleichen Weingut den „Barbaresco“ oder „Barolo“ 2011 oder älter probieren. Mein Tipp: Der „Langhe Nebbiolo 2010“ vom Weingut Giuseppe Mascarello! Danke für den Beitrag, bin immer sehr froh, wenn was kommt… Viele Grüße Weinschank

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