Rassiger Rieslaner: Bocksbeutel-Jagd in Franken!

Die Weißwein-Rebsorte Rieslaner ist eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner. Sie wurde 1921 von August Ziegler in der Nähe von Würzburg gezüchtet und startete Ihr Leben unter dem Namen Mainriesling. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Rebsorte „wiederentdeckt“, vermehrt in Franken angebaut und 1957 amtlich anerkannt. 1963 die Umtaufung in Rieslaner und 1968 erfolgte dann die Freigabe für die Pfalz und Rheinhessen.

Der Rieslaner soll durch seinen hohen Säuregehalt und seine Fülle in guten Jahren zu sensationellen Ergebnissen im edelsüßen Ausbau führen. Seine Stärken liegen aber leider nicht im heutzutage so beliebten Bereich „trocken und frisch“. Die Anbaufläche in Franken liegt mal gerade noch bei ca. 30 Hektar mit fallender Tendenz. So weit die Theorie.

Vor meiner einwöchigen Reise nach Franken klapperte ich ohne große Illusionen die Weingeschäfte ab und fand zu meiner großen Überraschung in einer hinteren Ecke eines Kellergeschäftes im bergischen Land einen Bocksbeutel mit der Aufschrift Rieslaner Auslese Jahrgang 1990 (!?) vom Fürstlich Castell’schen Dömanenamt. Genau diesen Wein präsentierte ich im Familienkreis als Einstimmung auf die Woche in Bamberg. Nach Problemen mit dem Korken (Dank noch mal an A. für die filigrane Meisterleistung beim Ziehen des brüchigen Widerspenstigen!) wich die allgemeine Skepsis einer positiven Verblüffung, dass so ein alter Weißwein noch so auftrumpfen kann:

Braungoldene Farbe, Duft nach Walnüssen und Honig, am Gaumen Trockenfrüchte und Mandeln und eine immer noch spürbare Säure,  voller Körper, langer Nachhall, großartiger trockener Wein.

Mit diesem Wein im Rücken konnte ich entspannt auf die Bocksbeutel-Jagd nach Franken fahren, ein Foto in Bamberg und Spannung, ob sich noch weitere Treffer einstellen sollten.

Rieslaner Auslese 1990 Casteller Kugelspiel Fü.Ca. Domänenamt

Leider ging mir zunächst kein Bocksbeutel ins Netz, aber der kleine Torpedo von Fürst Centgrafenberg Auslese 2013 ist auch ein toller Rieslaner mit Reifepotential. Hier sollte eigentlich deutlich mehr Süße als beim ersten vorgestellten Wein zu schmecken sein, aber die Säure hält die Süße locker in Schach. Goldgelbe Farbe, Duft nach Honig und Zitrusfrüchten, Grapefruit-Bitterton, schöne Fülle, langer Abgang. Sollte sich bei Lagerung noch weiter harmonisieren, ein sehr guter Wein aus einem Weinladen in Nürnbergs Altstadt.

Rieslaner Auslese 2013 Centgrafenberg Wgt. Fürst

Und dann endlich der erwartete edelsüße Kracher im Bocksbeutel, eine 2006er Beerenauslese vom Bürgerspital aus der berühmten Lage Randersacker Pfülben bei Würzburg:

bersteinfarben, Duft nach Orangenschalen und Honig, im Mund  Mandarine mit fein unterlegter Säure und Süße, sehr frisch und mit Schmelz, betörend süffig, ausgewogen und lang. Tolle Beerenauslese!

Rieslaner Randersacker Pfülben Beerenauslese 2006 Bürgerspital Würzburg

Alle anderen verkosteten Rieslaner-Weine von anderen Erzeugern (eine Spätlese 2017, eine Auslese 2015 und eine Beerenauslese 2014) waren deutlich unharmonisch, extrem säurebetont oder mit eigenartigem Bukett ausgestattet und in dem Zustand nicht zu empfehlen. Wenn man nach Rieslaner Ausschau hält, sollte man nur gereifte Exemplare auswählen. Die 2013er Rieslaner Auslese von Fürst ist gerade mal am Beginn des Entwicklungszyklus. Das Exotendasein hat auch immer Vorteile, die 1990er Auslese vom Fürstlich Castell’schem Dömanenamt ist noch verfügbar.

Nun geht es von der Bocksbeutel-Jagd in Franken zur ProWein (Weinmesse) nach Düsseldorf.