Pannobile Rot 2015 – Schatzkiste oder Mogelpackung?

 

Pannobile

Kindersarg oder Weinkiste?

 

Oh, was wurde denn da für eine schöne Weinkiste in Münster angeschwemmt?: Pannobile Rot 2015 aus Austria, eine Zusammenstellung der Rotweine der 9 Mitglieder des Weinverbundes Pannobile . Pannobile wurde schon 1994 an einem Winzerstammtisch in der Stadt Gols am nordöstlichen Ufer des Neusiedlersees gegründet. Die sieben Weingüter Achs, Beck, Gsellmann, Heinrich, Leitner, Nittnaus und Renner wollten gemeinsam die Weingegend um Gols fördern, Erfahrungen teilen und beweisen, dass man auch aus den heimischen Rebsorten Zweigelt, Blaufränkisch und St. Laurent große und eigenständige Weine erzeugen kann. Hans „John“ Nittnaus  ging mit gutem Beispiel voran und spendete der Gruppe den Namen einer seiner Weine, Pannobile, eine Anspielung auf die Gebietsbezeichnung Pannonien und das Wort nobile (edel, berühmt). Im Laufe der Jahre kamen dann noch die Weingüter Pittnauer und Claus Preisinger dazu. Einen weißen Pannobile gibt’s jährlich auch (Chardonnay, Weißburgunder), allerdings wird er nicht von jedem der neun Weingüter erzeugt.

 

Pannobile

Die neun Namen der Pannobile-Winzer!

 

Wie so oft spielt das Terroir beim Weinbau eine große Rolle: hier ist es eine hochgelegene Ebene, die Parndorfer Platte (bestückt mit hunderten Windrädern), diese bricht spektakulär zum Neusiedlersee ab und bietet ein ähnliches geologisches Schatzkästlein wie. z.B. die Nahe in Deutschland. Hier finden sich große Lagen und die optimalen Standorte für die einzelnen Rebsorten: der früh reifende Zweigelt mag die höher gelegenen Riede (Einzellagen) und da besonders Rotschotter- oder Kalkböden. In der Pannobile-Cuvee ist Zweigelt für die Frucht, Fülle, Säure und Saftigkeit verantwortlich. Der spät reifende Blaufränkisch benötigt die wärmsten Lagen, das sind die kalkhaltigen Sand- und Lehmböden der Hanglagen. Er bringt Frucht, Würze, Eleganz und Länge in die Cuvee. Der St. Laurent ist eine frühreifende und empfindliche Rebsorte und benötigt eisenhaltige Schotterböden in höheren, kühleren Lagen. Dann liefert er viel Struktur, Finesse und Säure für die Cuvee.

 

Gols

Von den roten Flächen dürfen die Trauben für den Pannobile kommen.

 

Meine Anmerkung zu den Verkostungsnotizen: ich habe lange überlegt, ob ich nur die Siegerschankweine herausstellen oder wirklich einmal im Zeichen des weichgespülten Internets einen Gegenpol bilden und alle neun Pannobile-Weine beschreiben und bewerten sollte. Natürlich sind meine Eindrücke subjektiv, vom Verkostungszeitpunkt abhängig (April 2020) und wahrscheinlich nicht immer fair der riesigen Arbeit und  Mühen der Winzer gegenüber, aber dafür unabhängig, einem gewissen Pannobile-Ideal hinterherjagend und dadurch auch sehr streng! Auch durch meine Zeit bei Instagram habe ich mich für klare Kante entschieden, es geht hier wie gesagt nur um den Jahrgang 2015, nur um einen speziellen Wein aus dem Sortiment der Winzer (andere Weine schmecken wieder völlig anders!) und eine Momentaufnahme, so ist es leider beim Wein, immer nur flüchtige Momente, ein paar Monate später sieht alles schon wieder anders aus, vielleicht aber auch nicht! Die Weinkiste mit den neun Weinen hat mich auch einfach dazu herausgefordert, vielleicht kommen jetzt ja auch mal mehr Kommentare, weil man die Weine einfach besser oder schlechter findet!

 

Meine persönliche Bewertungsskala für die Pannobile-Probe:

0 Punkte – neuer Jahrgang, neues Glück!

1 Punkt – wenn im Weinladen auffindbar, dann eine Flasche nachkaufen!

2 Punkte – Siegerschankwein, 6 Flaschen nachbestellen!

3 Punkte – der absolute Wahnsinn, 12 oder 24 Flaschen nachbestellen!

 

Start mit Pannobile 2015 von Pittnauer (60% Zweigelt, 35% Blaufränkisch, 5% St. Laurent), auf einer Blindprobe angestellt : rubinrote Farbe, Duft nach Kirschen und florale Töne, sehr leichter Körper, im Mund deutliche zitronige Nuancen, gepufferte Säure, süße rote Beeren. Wurde in der Raterunde erst als Chianti eingestuft, dann aber tatsächlich noch als Pannobile erkannt, bei Auflösung und Nennung des Preises aber allgemeine Ohnmachtsanfälle! Habe noch mal nachprobiert, der Wein stand in der Blindprobe zwischen kräftigen Rotweinen und war dadurch schon auf verlorenem Posten (die Reihenfolge der Weine in einer Blindprobe ist nicht unwichtig, da wir schon seit geraumer Zeit versteckte Mitbring-Proben durchführen, kann es immer zu solchen Härtefällen kommen), aber cooles Etikett (bringt nur leider in der Blindprobe keine Punkte!), Glasverschluss, für mich kein guter Start in die Pannobile-Reihe, hatte große Bedenken (siehe Überschrift!), aber eigentlich konnte nur alles besser werden.  0 Punkte

 

Pannobile

Pittnauer, 8. Platz

 

Weiter ging es mit dem Pannobile 2015 vom Weingut Helmuth Renner (Zweigelt, Blaufränkisch). Dunkle rubinrote Farbe,  dunkle Fruchtnoten, etwas Würze, mittlerer Körper,  im Mund ungestüme Säure, wirkt dadurch etwas rustikal, Sauerkirsche, Schokonoten, zeigt nach Belüftung auch Länge. 1 Punkt

 

Pannobile

Renner, 6.Platz

 

Nun kam der erste richtig überzeugende Wein, Farbe wieder Rubinrot mit violetten Reflexen, in der Nase Kirschen, Rauch und mineralische Noten (Kiesel), im Mund spannungsgeladenes Spiel zwischen Kirschfrucht und Säure, saftig, elegant und rassig, große Länge, wunderbar, die erste große Hausnummer und absolute Benchmark für den Rest! Auflösung: Andreas Gsellmann, sein Pannobile mit 80% Zweigelt und 20% Blaufränkisch, wow! Habe sofort im Internet geschaut, ob man den 2015er noch irgendwo bekommen kann. So soll es sein! Ein echter Champion und das Gute: immer noch relativ unbekannt, wahrscheinlich auch, weil es das ähnlich klingende Weingut Gesellmann aus dem Mittelburgenland gibt. Das Weingut Andreas Gsellmann aus Gols, Neusiedler-See.  2Punkte

 

Pannobile

Gsellmann, Platz 1

 

Und weiter ging es: Farbe dunkles Rubinrot, Nase nach Sauerkirsche, Tabak, Zedernholz und Schokolade (könnte man tatsächlich im Bordeaux ansiedeln!), ausbalanciert, wieder Kirsche aber sehr dezente Säure, saftig, gute Länge, sehr guter Wein: es war der Pannobile vom Weingut Gernot Heinrich, Glasverschluss, 55% Zweigelt und 45% Blaufränkisch. 2 Punkte

 

Pannobile

Weingut Heinrich, Platz 4

 

Der nächste Wein dann extrem dunkel, dichtes Dunkelrubin, in der Nase Kirsche, Gewürze, geheimnisvolle Mineralik (wieder Kiesel?), im Mund dann dunkler Früchtemix, auch Schokoladentöne, schöne und fordernde Säure, sehr gute Länge, sehr stoffig und süffig, super! Hier handelte es sich um den Pannobile von Hans und Anita Nittnaus, 60% Zweigelt und 40% Blaufränkisch, für mich ein weiterer Favorit! Toll! 2 Punkte

 

Pannobile

Nittnaus, Platz 2

 

Bei immer weiter abnehmender Auswahl aus der Kiste, weiterhin schön blind probieren: wieder rubinrote Farbe mit violetten Reflexen, in der Nase auch Kirsche und Würze, aber im Mund dann wie bei Pittnauer andere Fruchtaromaeindrücke, rote Johannisbeeren, Himbeere, dabei sehr leicht und süffig, auch noch mineralisch und mit Röstaromen! Auflösung: Claus Preisinger mit seiner roten Pannobile-Cuvee aus 60% Zweigelt und 40% Blaufränkisch.  1 Punkt

 

Pannobile

Preisinger, Platz 7

 

Nur noch drei Flaschen in der Kiste und der nächste Wein zunächst völlig ungestüm im Glas: eine heftige Säureattacke! Nach Beruhigungszeit zeigte er dann aber seine große Klasse: wieder rubinrote Farbe mit violetten Reflexen, in der Nase Sauerkirschen, Schokolade und mineralische Töne, die Säure dann mit der Frucht versöhnt , rassig, immer besser werdend, dunkel, cool climate, richtig guter Stoff, Liebe auf den zweiten Schluck! Auflösung: Judith Beck, Pannobile aus Zweigelt, Blaufränkisch und St. Laurent, das volle Programm, nach kurzer Irritationszeit ein echter Liebling! 2 Punkte

 

Pannobile

Judith Beck, Platz 3

 

Und dann für mich das größte Durcheinander der ganzen Probe: Farbe noch wie gewohnt, aber dann in der Nase blumige Töne (Veilchen), auch Holunder und Heidelbeere, im Mund dann auch Röstaromen und Nusstöne, sehr leicht, süße rote Früchte, dabei aber gute Länge, eigenartig, ließ mich ratlos zurück! Auflösung: Paul Achs, 60% Blaufränkisch, 20% Zweigelt und 20% St. Laurent. 0 Punkte

 

Pannobile

Paul Achs, 9. Platz

 

Der letzte Wein aus der Kiste musste nun Leitner sein, bekannte Farbe, nach den Experimenten nun wieder klassischer, in der Nase Kirsche und Lakritz, am Gaumen wieder Kirsche, schön eingebundene Säure, langer Abgang, gefiel mir sehr gut, ehrlicher Wein, aber wahrscheinlich durch die Probierreihenfolge (Zufall) etwas zu hoch bewertet, aber es sei den Leitners gegönnt! 65% Zweigelt, 28% Blaufränkisch und 7% St. Laurent. 1 Punkt

 

Pannobile

Leitner, 5. Platz

 

Zusammenfassung:

Warum eigentlich die Überschrift „Schatzkiste oder Mogelpackung?“ Ich hatte vor der Probe Sorge, dass das Projekt Pannobile nach so vielen erfolgreichen Jahren langsam an Fahrt verlieren und dann auch irgendwann eingestellt würde. Zum einen sind die Preise für diese Weine stark gestiegen (mittlerweile haben sie sich bei ca. 25 Euro die Flasche eingependelt), zum anderen haben die Winzer die Aufmerksamkeit für Ihr Terroir genutzt und immer mehr Lagenweine aus dem Pannobile-Gebiet produziert, mit denen sie noch ganz andere Preise aufrufen können, so kostet z.B. der Salzberg (Blaufränkisch/Merlot) von Gernot Heinrich 75 Euro oder der Blaufränkisch Bühl von Claus Preisinger 60 Euro. Die Gefahr, dass dadurch der Pannobile ausblutet, bewahrheitete sich nach dieser Probe zum Glück nicht: alle Weine mit Tiefe, Substanz und Länge.

Neben einem roten Faden (bestehend aus den Komponenten Farbe, Geruch und Geschmack nach Kirsche und Schokolade, Mineralität, schöner Säure, Saftigkeit und Länge) konnte ich zwei große Stilrichtungen erkennen:

Auf der einen Seite der dunkelfruchtige Stil. Hier gab es ausgezeichnete Vertreter mit rassigem Frucht/Säure-Spiel wie Gsellmann oder Judith Beck. Nittnaus und Gernot Heinrich mit zurückgenommener Säure, dafür noch dunkler und tiefer, Bordeaux-Nase. Diese Weine begeisterten mich im Jahrgang 2015 in beiden Ausprägungen, Vorzeige-Pannobile!

Nicht so leicht tat ich mich dagegen mit der zweiten Stilrichtung, florale Nase, hellfruchtig, leicht, teilweise mit zitronigen Noten und Röstaromen, wärmerer Stil! Einfach mal Preisinger, Pittnauer oder Achs Pannobile 2015  probieren, um zu testen, ob dieser spezielle Stil zusagt. Meiner ist es bestimmt nicht!

Die Zusammenstellung so einer Kiste bringt für den Konsumenten einen schönen Überblick, man findet seine Lieblinge und kann dann mit diesen Namen noch tiefer ins Thema einsteigen. Es sei noch mal darauf hingewisen, dass es sich um meine subjektive Eindrücke handelt. Der Eindruck der Nachhaltigkeit dann aber in der Kiste selbst: eine Bauanleitung, um aus der leeren Holzkiste ein Vogelhäuschen zu machen, sehr lobenswert, großartige  Burgenländer!

 

Pannobile

Anleitung Vogelhäuschen-Bau

 

Dieser Beitrag wurde unter Burgenland, Neusiedlersee, Oesterreich, Weinland Oesterreich abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert