Gute Noten für Exoten?

 

 

Stellt Euch vor, irgendwo in einer Stadt am Ende einer Fußgängerzone gäbe es einen Weinladen, der Euch immer mit Freundlichkeit, Neuigkeiten, seltenen Weinen und Inspiration beglücken würde. Der Laden hätte allerdings auch einen einzigen winzigen Nachteil: Preisaufschläge beim Wein wie im Restaurant! Würdet Ihr trotzdem hingehen bzw. dann auch kaufen? Da es ein Nerello Mascalese von Graci und vom Ätna  aus genau diesem Sortiment in meinen blog und die Siegerschankweinliste geschafft hatte, war ich hin und her gerissen und dabei fürchterlich neugierig! Zum Glück bekam ich von der Familie einen Gutschein für den Weinladen geschenkt und es ging wieder hin, gerade wurden Rotweine von der Domaine Jean Vullien et Fils vorgestellt, ein vigneron independant aus den Savoyen, da musste ich natürlich zugreifen! Die wunderschöne Region Savoyen in Westfrankreich an der Grenze zur Schweiz und dem Aostatal (Italien) ist wahrscheinlich noch unbekannter als das weiter nördlich gelegenere französische Weinanbaugebiet Jura und ab und an findet ein medaillengeschmückter Weißwein (z.B. Vin de Savoie Roussette oder Vin de Savoie Chignin-Bergeron A.O.C.) den Weg zu den Internethändlern in Deutschland. Sonst warten die Winzer vor Ort ganz entspannt auf Besuch! Und der kommt dann auch, Savoyen erfreut sich im Winter (Ski) und im Sommer (Wandern, Kulinarik) großer touristischer Nachfrage und die Weine werden fast ausschließlich vor Ort getrunken.

 

 

Freterive

Rebflächen im Besitz der Domaine Jean Vullien, wunderbar fotografiert von Bastien Taugis!

 

 

Die Weinregion Savoyen ist so groß wie das Bordeaux, erzeugt aber nur ein 1/50 der Weinproduktion des Bordeaux, mittlerweile sind 2300 Hektar bestockt, 70 % aller Weine sind weiß und es gibt eine große Rebsortenvielfalt, ein Eldorado für Entdecker und Genießer! Rotweine aus der Region waren mir völlig unbekannt, ich konnte gleich drei verschiedene Flaschen der Domaine Jean Vullien et fils erstehen. Die Domaine liegt im Süden der Region, zwischen Chambery und Albertville in einem Ort namens Freterive und besitzt 38 Hektar Rebfläche auf Kalkböden. Von denen sind 7,5 Hektar mit der einheimischen roten Mondeuse-Traube und 4,5 Hektar mit Pinot Noir bestockt. Auch hier gelten die altbekannten Appellationsregeln, je genauer und strenger die geographische Herkunft und die Spielregeln sind, je höher wahrscheinlich auch die Qualität, aber leider auch sicher der Preis!

 

 

Freterive

Domaine Jean Vullien et fils!

 

 

Der helle und rubinrote Pinot Noir Jeannine 2019 überzeugt mich mit seinem umwerfenden Duft nach Nelken, Leder und Laub, erinnert verblüffenderweise an einen Nebbiolo. Im Mund leicht, frisch, fein und für seine Jugend schon überraschend weich, Beerenaromen und Lorbeer, schöner würziger und schmelziger Abgang, sehr süffig, gefällt mir als Startwein richtig gut! Ein beruhigender erster Treffer!

 

Aber dann der erste Wein meines Lebens aus der autochthonen Rebsorte Mondeuse, ein Vin de Savoie Mondeuse 2018 Vieilles Vignes Prestige. Sehr dunkles Rot, super spannende pflanzliche Nase, Linsen, Veilchen, Estragon und Johannisbeere, im Mund ein wenig Schwarzkirsche, aber dann anrollende würzige und erdige Noten, dazu feine Säure und Tannine, alles überraschend ausgewogen und mit schönen Abgang! Ein Traum für Blindverkoster, aber ich fürchte kein Wein für Anfänger oder Leckerschmecker, auf jeden Fall eine großartige Überraschung!

 

Nicht minder spannend dadurch natürlich der zweite Mondeuse-Wein, aus einer höher eingeschätzten Appellation stammend und mit Ortsangabe versehen, ein Vin de Savoie Arbin Mondeuse AOC. Schwere Flasche mit einem schönen geprägten Savoie Wappen versehen, erinnerte mich sehr an die Flaschen aus der Appellation Châteauneuf-du-Pape AOC an der Rhone, ich erwartete nun Power ohne Ende, aber zum Glück blieb alles in feiner und unaufgeregter Harmonie. Kirschrote Farbe, wieder spannende Nase mit Pflaume, Pfeffer, Unterholz und Leder, im Mund sehr fein, rote Früchte in Verbindung mit Erdigkeit, süffig, schöner Abgang. Unterschied sich deutlich von seinem Vorgänger, nicht so extrem pflanzlich und erdig, dafür viel eleganter. Gefiel mir ebenfalls super, das dürfte ebenfalls ein wunderbarer Wein für food-pairing sein. Tolle Serie, Respekt!

 

 

 

Bochum

Ehemaliger italienischer Weinhotspot in Bochums Zentrum: da Concordio!

 

 

Durch meine sehr stark italienisch geprägte Weinanfangszeit vor fast 30 Jahren entdeckte ich bei der Suche nach Wein PLV-Krachern (das Geld war damals sehr knapp!) durch eine Schaufensterauslage ein großartiges Weinbistro in Bochum („da Concordio“), eine edle Rebsorte und den Süden Italiens! Der charismatische Concordio und seine hübsche Frau waren zu jener Zeit in Bochum richtig angesagt, gefühlt war die gesamte Kaufmannschaft vor Ort und probierte sich bei sehr guter Pasta-Küche nach Feierabend durch die berühmte Weinwelt Italiens und auch durch die unbekannte Weinwelt der Region Kampanien. Neben vielen italienischen Weinklassikern gab es auch die exotischen kampanischen Weißweine wie Greco di Tufo, Fiano di Avellino oder Coda di Volpe und sogar einen Rotweinstar aus Kampanien, den Taurasi DOCG, der „Barolo“ des Südens, blablabla, gemacht aus 100% der Rebsorte Aglianico. Statt des hochpreisigen Taurasi hatte Concordio für meine Bekannten und mich immer einen bezahlbaren Aglianico bereit, einer unserer Lieblinge war der Aglianico Fidelis von der Cantina del Taburno in Benevento, einer Genossenschaft mit 300 Mitgliedern aus dem Hinterland Neapels und dadurch mit wertvollem Besitz an den Hängen des erloschenen Vulkans Taburno ausgestattet.

 

 

Benevento

Monte Taburno, Weinbau rund um einen erloschenen Vulkan! Interessantes Foto von Mauro Pancaldi!

 

 

Immer ein Erlebnis, wenn irgendetwas zu feiern war und wir uns dann mal den Delius aus der nächsthöheren Appellation der Cantina gönnten, verblüffte und amüsierte Gesichter im Bistro, der Nachwuchs trinkt exotisch, aber wir waren glücklich und gehörten dann auch irgendwann dazu, es wurde angestoßen und geplaudert! Und natürlich legte Concordio noch einen drauf, die Cantina del Taburno hatte auch ein Spitzenprodukt aus damals über 150 Jahre alten Aglianico-Rebstöcken im Sortiment, den Bue Apis!, der Preis für uns damals zu heftig!, leider ist es dadurch nie zu einer Probe gekommen, obwohl wir sehr schwankend und neugierig waren! Die Zeit ist durchgerauscht, Familie Concordio ist wohlhabend in die Heimat der Väter nach Kampanien zurückgekehrt und führt eine schöne und aussichtsreiche Pension in Agropoli, der edle Aglianico ist als Rebsorte mittlerweile in Deutschland total in Vergessenheit geraten (der omnipräsente Primitivo aus Apulien ist wahrscheinlich schuld!) und der Weinschank wird alt und schwelgt immer häufiger in Erinnerungen! Also back to the roots und Aglianico der Cantina del Taburno ordern , gar nicht so einfach, leider in Deutschland nicht mehr zu bekommen, immerhin konnte ich über Instagram direkt eine Kiste aus Italien anfordern, das musste einfach sein. Ich war gespannt auf die Weine und der Bue Apis war auch dabei!

 

 

Benevento

Cantina del Taburno.

 

 

Und gleich der ehemalige Liebling Aglianico Fidelis aus der großen Appellation Sannio DOC als  Jahrgang 2017 merkwürdig ausgezehrt, kratzig und ruppig, Weinfehler oder schlechter Jahrgang? Bevor ich überhaupt den ersten Selbstmitleid-Gedanken fassen konnte, öffnete ich einfach die zweite mitgeorderte Flasche und siehe da, ein völlig anderer Wein präsentierte sich, der Plan mit der Absicherung ging wieder voll auf, nicht auszudenken, wenn ich den Aglianico wegen eines Weinfehlers verrissen hätte. Sehr dunkles Rot mit violettem Einschlag, in der Nase Kirsche und Pfeffer, im Mund süße Frucht und Würze, Säure und spürbares Tannin, ausgewogen und süffig, würziger Abgang, für mich eine gelungene Zeitreise, jetzt noch die tollen Pastagerichte aus dem „da Concordio“ dazu, kleiner Wein ganz groß!

 

Ambitionierter der Delius 2016, ein Aglianico aus der Appellation Taburno DOCG, an den Rändern im Glas etwas heller als der Fidelis, tolle Nase nach Kirsche, Pflaume, Tabak und Pfeffer, am Gaumen mit vollem fruchtigen Körper, geschliffenem Tannin und eingebundener softer Säure, sehr harmonisch und ausgewogen, langer und feinfruchtiger Abgang, sehr eleganter Wein, ein Aglianico in großer Form!

 

 

Benevento

Bue Apis 2015!

 

 

Aber jetzt der mit Spannung erwartete Bue Apis: auf dem Etikett die geheimnisvolle Statue aus ägyptischen Granit in Form eines Stieres, die 1629 am Fluss Sabato in Maccabei (bei Benevento) gefunden wurde und mittlerweile etwas unscheinbar vor einer Kirche in Benevento steht. Wahrscheinlich stammte die Statue wirklich aus Ägypten und war in einem römischen Tempel in Benevento aufgestellt. Im Zuge der Verbannung von heidnischen Kultgegenständen, wurde der Apis-Stier der ägyptischen Mythologie dann bei Maccabei „entsorgt“. Die Geschichte gefällt mir und erinnert mich ein wenig an einen Weingutsbesuch in Vipava (Slowenien), als ich gefragt wurde, ob ich schon den Sarkophag im Museum gesehen hätte, als Ort an einem Pass wäre in Vipava viel abgestellt worden.

Faszinierend auch die Hänge des Vulkans Taburno mit seinen uralten Aglianico-Anlagen, ein Weingarten beim Dorf Pantanielli mit ca. 200 Jahre (!!!) alten wurzelechten Rebstöcken und hingebungsvoller Pflege von schon sehr betagten Genossenschaftsmitgliedern, bringt die Trauben für die ca. 6000 Flaschen, die jedes Jahr in der Cantina del Taburno als Spitzenprodukt abgefüllt werden und schnell ausverkauft sind.

Der 2015er Bue Apis mit sehr dunklem Rot, in der Nase nach guter Belüftung im Dekanter Kirsche, Brombeere, Tabak, Süßholz und Waldboden, im Mund wieder Kirsche und Beeren, ein Hauch Würze und Bitterschokolade, voller Körper, konzentriert, aber kein Stier, wirklich eher auf der cool climate-Seite, alles bleibt harmonisch und ausgeglichen, feine Tannine und Säure, langer Nachhall und meines Erachtens viel Zukunftspotenzial, ein ganz großer Rotwein!

 

 

Bensheim

Drei Sekte der Griesel Compagnie von der Hessischen Bergstr.

 

 

Paradox: nach mehreren Reisen nach Süditalien (Apulien und Kampanien) ist plötzlich das deutsche Weinanbaugebiet Hessische Bergstr. für mich der viel größere Exot, obwohl es doch eigentlich viel besser erreichbar scheint. Aber entweder blieb ich im Rheingau oder an der Nahe hängen oder ich rauschte durch nach Franken. Beim einzigen Tagesbesuch in der Region kann ich mich nur noch an die grimmigen Kopfschmerzen am nächsten Tag erinnern. Deshalb beobachtete ich freudig den scheinbar unaufhaltsamen  Aufstieg eines erst 2013 gegründeten Weingutes, den großen Erfolg der Sektmanufaktur Griesel und Compagnie aus Bensheim. Nach Aufgabe der historischen und schönen Produktionsstätte von 1904 durch die Hessischen Staatsweingüter im Jahre 2010 in der Bensheimer Altstadt, kaufte die Familie Streit das Anwesen und verfolgte eine klare Strategie: hier sollte junge Innovation in alten Gemäuern zu völlig neuen Qualitäten in der doch sehr kleinen (ca. 450 Hektar), verschlafenen, vergessenen und immer nur durchschnittlich bewerteten Weinregion führen. Ein Sekthaus sollte es werden, 7,5 Hektar Rebfläche, ein großartiger Kreuzgewölbekeller und moderne technische Ausstattung standen bereit, aber wer sollte der Macher werden?  Die Wahl fiel auf den erst 30 jährigen Niko Brandner, Quereinsteiger (Banker), aber dafür dann mit Topumschulungsausbildung beim Sekthaus Raumland (Rheinhessen) und beim schon hier öfter erwähnten Weingut Fürst in Bürgstadt (Franken).  Wohl ein absoluter Glücksgriff, die Kritikermeinungen überschlagen sich mit höchstem Lob, es war endlich der Zeitpunkt gekommen, mal drei Sekte aus der Grundlinie zu verkosten!

 

 

Bensheim

Chardonnay Brut Nature 2017, Riesling Brut 2018 und Pinot Brut Nature 2017.

 

 

Vom Chardonay Brut Nature nur 2988 Flaschen, 100% Handlese, keine Dosage, goldgelbe Farbe, in der Nase Apfel, Hefe und etwas Mandel. Am Gaumen frisch, Apfel und Kräuter, etwas Herbe.

Der Riesling Brut 2018 ebenfalls aus 100% Handlese, mit 5g/Liter Dosage und 13% Reserve perpetuelle, also 13% Zugabe als Riesling-Grundwein aus dem Stückfass: goldgelbe Farbe, in der Nase Mandarine, Hefe und Blüten, im Mund feine Perlage, viel Zitrus und Säure, Herbe und Würze.

 

 

Bensheim

Drei Griesel-Sekte!

 

 

Vom Pinot Brut Nature 2017 3190 Flaschen, wieder 100% Handlese, 100% Pinot Noir, 0 g/Liter Dosage, 34 Monate Hefelager und 6% Reserve perpetuelle. Goldgelbe Farbe, in der Nase Johannisbeere, Brot und Mandel, im Mund sanfte Perlage, Apfel, Herbe und Würze.

Sehr schön gemachte Sekte mit Rebsortentypizität und Champagnerambitionen, aber wie soll ich das jetzt nach dieser superlangen und positiven Einleitung bloß schreiben? Es droht neues Ungemach, ich muss vieles vorbereiten und kann durch meinen Schichtdienst manchmal erst sehr spät probieren. Bei den drei Sekten habe ich auf mindestens einen Treffer gehofft,  mir haben die Sekte aber einfach alle nicht geschmeckt, das kommt in den besten Familien vor! Mich störten die herben Töne, die Holzwürze und  eine schnell nachlassende Straffheit der Perlage, die zu viel Breite und zu noch mehr Herbheit führte. Hatte einfach keine Lust mehr auf das nächste Glas! Sehr schade, ich war sehr geknickt, so läuft das manchmal, aber probiert bitte selbst und schreibt dann mal hier Kommentare. Die Geschmäcker sind ja zum Glück sehr verschieden!

 

 

Pfalz

Weinbau in der Pfalz, Gott erhalt’s!

 

 

Manchmal habe auch ich mal Glück, habe von meiner netten Madeira-Urlaubsbekanntschaft Christian, der mittlerweile aus Mainz in die Pfalz umgezogen ist, zwei Flaschen Rotwein geschenkt bekommen, ein Spätburgunder war klasse (dazu später!), die zweite Flasche war ein totaler Exot und passte wunderbar in diesen Beitrag: ein spanischer Tempranillo im Versuchsanbau in der Pfalz! Die Genossenschaft Weinwelt Herrenberg-Honigsäckel in Bad Dürkheim-Ungstein hat 105 Mitglieder unter Vertrag, die 185 Hektar an den Hängen des schönen Haardtgebirges bewirtschaften. Ist man in der Pfalz normalerweise recht bodenständig unterwegs, zeichnen sich hier einige Mitgliedsbetriebe mit großer Experimentierfreude aus. Es gibt Viognier, Hibernal und Soreli bei den weißen und Merlot, Syrah und eben auch Tempranillo bei den roten Rebsorten im Anbau, die dann sortenrein von einem erfahrenen Team im Genossenschaftskeller verarbeitet werden. Bin ja immer bei der Verkostung gespannt, aber ein spanischer Pfälzer machte mich besonders neugierig!

 

 

Bad Dürkheim

Exoten in der WG Weinwelt Herrenberg-Honigsäckel! (Erlaubnis zur Fotoverwendung kam direkt vom Vorstand der WG, tausend Dank vom Weinschank dafür!)

 

 

Ein dunkler Tempranillo-Rotwein 2019 vom Ungsteiner Honigsäckel, duftet nach Kirsche, Beeren und etwas Vanille, im Mund dann dem jungen Alter geschuldet noch zu viel Säure, aber auch saftig, fleischig und mit Würze, dazu voller Abgang, tolles PLV und toller Tipp von Christian, freundliche Menschen in der Verwaltung der Winzergenossenschaft, auf jeden Fall auch ein Anlaufpunkt beim nächsten Pfalzbesuch!

 

 

Pfalz

Drei Pfälzer Exoten

 

 

Irgendwie bin ich ja mit meinem weinblog selber ein Exot, ein Internet-Weinlesebuch mit wenigen täglichen Aufrufen und noch weniger Kommentaren (wenn man mal von den 10 Millionen Fake-Kommentaren absieht, die ich dann leider immer alle löschen muss!), am 01. Juli 2019 dann der Versuch, mit den Bildern aus dem blog, ein wenig Werbung für mein Geschreibsel bei Instagram zu machen. Und siehe da, ich wurde von einigen neuen und treuen Lesern gefunden! Tausend Dank dafür vom Weinschank, habe durch Zufall und zum ersten Mal überhaupt nun auch einen zum Thema passenden Wein bei Instagram gefunden, einen wirklich exotischen Grenache 2018 aus der Pfalz vom Weingut Reibold aus dem schönen Freinsheim in der Pfalz! Bis dorthin habe ich es mal von der Nahe aus bei sengender Hitze mit Rad und einem Kollegen geschafft, in der fast schattenlosen Weinlandschaft eine große Strapaze! Hätte ich da mal schon von der superschönen Wohlfühloase auf dem Musikantenbuckel gewusst, ein tolles Herzensprojekt von Vater Hans-Dieter Reibold. Seit 2012 sind die Söhne, Philipp und Johannes, ins Weingut eingestiegen und haben die Weinkritik aufhorchen lassen, ab Jahrgang 2017 ist man auch biozertifiziert.

 

 

Freinsheim

Eingang zum Paradies Mubu (Musikantenbuckel) der Winzerfamilie Reibold! (Das Bild wurde mir von Johannes Reibold von der sehr schönen Internetseite zur Verfügung gestellt!)

 

 

Auf dem Musikantenbuckel ist nicht nur dieser tolle Wohlfühlort der Reibolds, sondern so heißt auch eine extrem warme Quarzsandlage mit Kiesuntergrund. 2010 hat man hier die in der Welt weitverbreitete spanisch-französische Rebsorte Grenache gepflanzt, in Deutschland eine mutige Pionierleistung mit Alleinstellungsmerkmal, natürlich werden bald andere Weingüter nachziehen. Der 2018er mit rubinroter Farbe, in der Nase am Anfang ein verfliegender Muffton (kein Kork!), dann viel Kirsche, etwas Pfeffer und  ein Hauch Vanille, am Gaumen  frische Säure und wieder Kirsche, wirkt auf mich trotz guter Länge noch etwas zu ungestüm und jung, zur Zeit nicht mein Grenache-Favorit, aber abwarten!

 

 

Münster

Genuss-Hotspot mit eigener Bushaltestelle!

 

 

Mit dem Bus raus aus Münsters Altstadt, raus an der Haltestelle Ackermann und rein in das schöne Restaurant Ackermann. Dort haben wir dann eine nette Bedienung erwischt: zum Menü gab es auf Wunsch von mir blind eine Weinbegleitung, ich liebe dieses Format, auch wenn ich öfter daneben liege, aber nur so lernt man was dazu und schärft seine Sinne! Der angenommene Grauburgunder war ein Chardonnay, der Spätburgunder dann ein Treffer!, aber was kam da zum Hauptgang? Ein sehr üppiger und weicher Wein, hat mir zum Essen (Fleisch) sehr gut gefallen, mein Tipp Merlot wurde aber verneint und mit Cabernet Sauvignon gekontert. Nach Auflösung und Recherche „Minutenglück“ vom Weingut Ökonomierat Johannes Kleinmann aus der Pfalz, eine Cuvee aus Cabernet Sauvignon und Merlot. Matthias Kleinmann führt das traditionelle Weingut in Birkweiler (südliche Pfalz) „lagenhaft“ souverän, ich war auf die Nachprobe gespannt!

Dunkelroter Wein, in der Nase Beeren, Pflaume, etwas Holz und Schokolade, am Gaumen überraschend weich, die Säure vom Holz gezügelt, mit viel Körper und alkoholisch, dadurch schön langer und feuriger Abgang, Bordeaux-Stil rechtes Ufer, St. Emilion oder ähnliches, aber nach Auflösung dann südliche Pfalz. Ganz gut, dass ich schon mit meiner Antwort in Runde 1 auf die Bretter musste.

 

 

Castell

Albalonga Auslese 1990, Lage Schloss Frankenberg, Fürstlich Castellsches Domänenamt, Castell, Franken

 

 

Schon oft im Weinladen in Solingen gesehen, aber bisher noch nie rangetraut: ein gereifter Wein aus der Rebsorte Albalonga, eine Kreuzung aus den 50er Jahren aus Müller-Thurgau und Rieslaner, die in Würzburg gezüchtet wurde. Soll auch wunderbare edelsüße Weine liefern, hier aber eine trockene 90er Auslese mit 12% Alkohol. Da mich die Rieslaner Auslese aus dem gleichen Jahrgang und vom gleichen Erzeuger Fürstliches Castellsches Domänenamt schon vor längerer Zeit begeistern konnte, war ich mal wieder sehr auf diesen alten Exoten gespannt. Leider ist die Albalonga-Anbaufläche sehr geschrumpft (nur noch ca. 14 Hektar in Deutschland) und die Weine sind sehr selten geworden. Kleinere Bestände noch in Franken (2 Hektar), Rheinhessen und in der Pfalz.

Wie schon befürchtet, lieferte ich mir dieses Mal ohne Hilfe aus der Verwandtschaft oder des genialen Francois Audouze einen langen Kampf mit dem Korken. Dieses Mal bekam ich ihn gar nicht aus der Flasche, dafür konnte ich einen Teil aus der Mitte herausziehen und so hatte ich ein durchgehendes Loch. Musste den Wein dann durch einen Filter gießen, was für eine Ochsentour für den Wein, da träumt man sehr von Spezialwerkzeug. Habt Ihr Tipps, wo man das herbekommen kann? Transparente braune Farbe (der Rotschimmer auf dem Foto täuscht), aber der Wein scheinbar unverwüstlich und mit wunderbarer Nase: Grapefruit, kandierte Zitrusschale, Kumquats und Feige, im Mund durch schöne Säure (weniger als beim 90er Rieslaner) und Mandarine überraschend frisch, Mandeln, sehr konzentriert und voll, mächtige Mundfülle, köstlich, langer Nachhall, sehr überzeugender und spannender Wein. Toll, was hier für ein lagerfähiger Stoff in die Flasche gebracht wurde.

 

 

Fazit:

 

Sehr gute Noten für Exoten, probiert mal Rotwein (Pinot Noir oder Mondeuse) aus den Savoyen, Aglianico aus Kampanien, Exoten aus der Pfalz oder Albalonga aus Deutschland und berichtet hier in den Kommentaren. Ohne die Sekte wäre das hier eine 1+ geworden, leider hat mir da die Stilistik nicht gefallen, das kann man eigentlich mit Noten gar nicht bewerten, aber ich wollte die Beschreibung und Bewertung der Schaumweine auch nicht aus dem Beitrag herausnehmen. Trotz finsterer Zeiten hat die Verkostung sonst sehr viel Spaß gemacht und abgelenkt.

Veröffentlicht unter Aglianico del Taburno DOCG, Birkweiler Kastanienbusch, Deutschland, Frankreich, Hessische Bergstraße, Italien, Kampanien, Pfalz, Sannio DOC, Savoyen, Schloss Frankenberg, Ungsteiner Honigsäckel, Vin de Savoie AOC, Vin de Savoie Arbin AOC | Verschlagwortet mit , , , , , , | 7 Kommentare

Hattenheim, das Herz des Rheingaus!

 

 

Hattenheim

Hotel-Restaurant und Weinhotspot „Zum Krug“, Hattenheim

 

 

Viele wollen das Jahr 2021 so schnell wie möglich vergessen, ich kann dagegen hier einen letzten Rückblick und ein echtes highlight präsentieren: ich bekam einen Gutschein für ein Wochenende im „Zum Krug“ in Hattenheim (Rheingau) zum Geburtstag von meiner Freundin im April 2021 geschenkt und konnte ihn dann auch noch tatsächlich zum Ende des Jahres einlösen, was für ein Glück und was für Gastgeber, das Ehepaar Laufer und ihr wunderbares Team sind einfach nur großartig! Der wunderschöne und uralte Gasthof liegt direkt im historischen Zentrum Hattenheims und wurde liebevoll von innen auf einen sehr ansprechenden Wohlfühlstandard  modernisiert. Überall gibt es dazu Details aus vergangener Zeit zu bestaunen, aber natürlich war ich am ersten Abend auf das Essen und besonders auf die dazu empfohlenen Weine gespannt. Zum wunderbaren Mehrgang-Menü gab es vom jungen Sommelier zwei spannende Weine zu verkosten und Küchenchef und großer Weinkenner Josef Laufer ließ es sich nicht nehmen, einen Gang persönlich zu präsentieren und so einen kurzen Kontakt mit seinen Gästen aufzunehmen. Hier macht man vieles richtig und zeigt Herz!

 

 

Hattenheim

Aperitif, gespannte und entspannte Vorfreude, „Zum Krug“, Hattenheim!

 

 

Und dann ging es los: zur Vorspeise kam ein weißer Mischsatz vom Weingut Hanka, Johannisberg! Auweia, natürlich ließ ich mir nichts anmerken! Mir kamen sofort meine ablehnenden Blindverkoster-Thesen aus meinem Oktober Beitrag Jahr 2017 „Gemischter Satz?: einwöchige Wienreise nach Wein...“ in den Sinn. In Wien erschien mir das Aufleben des historischen „Gemischten Satz“ zwar werbetechnisch genial und eine Trendchance zu sein, ich selber wollte in Wien aber lieber klassisch bleiben und Rebsortentypizität und Reintönigkeit verkosten. Schön, dass mich als manchmal zu starr und zu sehr in Kategorien denkender Mensch, meine alten Beiträge und Baustellen wieder einholen! Der „Gemischte Satz“ ist in Österreich nicht nur wiederbelebt, sondern mittlerweile auch äußerst erfolgreich, in Mode und nun auch als Begriff geschützt, so arbeiten die nachziehenden deutschen Winzer mit dem Begriff „Mischsatz“.

Beim „Mischsatz“ des 11 Hektar großen Familienweingutes Hanka (Vater Veit, Mutter Sigrid und Sohn Sebastian) handelt es sich um ein Herzensprojekt von Sebastian, das Traditionen und Ideen der Vergangenheit in die Zukunft überführen will. So heißt der Wein „Zurück in die Zukunft field blend 2020“: früher war es auch im Rheingau üblich, verschiedene Rebsorten wild durcheinander in den Rebgärten stehen zu haben und die Trauben gemeinsam zu verarbeiten. Nach viel Recherche und Überzeugungsarbeit bei den Eltern ging es nach Topausbildung in Wanderjahren für Sebastian Hanka 2015 mit der Mischneubepflanzung auf 0,2 Hektar im Familienbesitz der Toplage Oestricher Doosberg für den Traumwein los. Hier wurden sechs verschiedene, traditionelle Rebsorten neu gepflanzt, die nachweislich schon in vergangener Zeit im Rheingau zu finden waren. U.a. sind das Riesling, Traminer und Gelber Orleans, der Rest ist wohl Geheimsache! Spannend wird es auch durch die Festlegung eines gemeinsamen Lesezeitpunktes und die Verarbeitung von sehr unterschiedlichen Rebsorten. Wie so etwas wohl riecht und schmeckt?

 

 

Johannisberg

Zurück in die Zukunft: Ist das Rebenkunst oder kann das weg? Field blend 2020, Hanka

 

 

Vor allen Dingen wird der Wein auch wunderbar präsentiert, Rheingauer Schlegelflasche (Flöte), wunderbare Korkenqualität (nicht lachen!, das fällt mir wirklich sofort auf!), das Etikett aus feinstem Stoff (das habe ich gelesen!) und was liest man darauf im ausführlichen Text so?: Pressung aller an einem Zeitpunkt gemeinsam geernteten Trauben in einer historischen Korbpresse! Jetzt aber los, wie schmeckt das Zeug? Ganz ruhig!, erst einmal sieht es auch spektakulär aus: goldgelbe Farbe! Dann ein sensationeller Duft nach Quitten, tropischen Früchten und floralen Tönen! Im Mund Pampelmuse mit viel Säure und Bittertönen, große Konzentration, schmelzig, sehr lang, aber auch sehr jung. Bin auf das Alterungspotential gespannt, das kann ich leider überhaupt nicht einschätzen! Auf jeden Fall ein Freakwein für hippe Weinläden in Berlin oder Düsseldorf, einfach nur großartig, dass es den Wein auch noch ganz normal in der Straußwirtschaft (Öffnungszeiten beachten!) bei den Hankas in Johannisberg gibt, auch so ein Ort mit Herz!

 

 

Wuppertal

Exkurs nach Wuppertal, der Ölberg leuchtet!

 

 

Exkurs nach Wuppertal: mal wieder die Dunkelheit ausgenutzt und mich vom Luisenviertel steil zum Ölberg hochgequält, es soll ja keiner sehen, dass ich alt werde und schon leicht ins Japsen komme! Oben residiert seit über 40 Jahren der Weinhändler Stefan Klute in seinem genialen und sehenswerten Weinladen „Est Est Est“! Es gibt extrem viel zu entdecken, das Sortiment profitiert sehr von regelmäßigen Direkteinkaufstouren des Chefs ins Piemont, Burgund, zur Loire, in den Rheingau, zur Mosel oder sonst wohin. Eigentlich wollte ich wieder Klassiker aus alten blog-Beiträgen bei Ihm nachkaufen, doch plötzlich sah ich einige Hanka-Weine, Stefan Klute kennt auch den Krug in Hattenheim und empfahl mir u.a. einen Sauvignon blanc. Kommt mal vorbei, wenn es dunkel ist und der Ölberg leuchtet, es strahlt aus den Altbauten und Stefan Klute hat schon viel gesehen, erlebt und probiert! Obendrein soll er auch noch ein cooler Musiker sein!

 

 

Johannisberg

Sauvignon blanc 2020 trocken, Weingut Hanka, Geisenheim-Johannisberg, Rheingau

 

 

Volltreffer!, genau ein Wein, der mir noch fehlte, ein deutscher Sauvignon blanc, ganz weit weg von allen diesen übertriebenen Exemplaren, die ich schon im Glas hatte. Als Farbe zeigt er ein blasses Gelb mit grünlichen Reflexen. In der Nase ganz dezenter Duft nach Stachelbeere, Johannisbeere und grüner Paprika. Im Mund sehr ausbalanciert, schlank, frisch, süffig, tropische Frucht und  feine Säure, macht extrem viel Spaß, tolle Entdeckung, Dank vom Weinschank an Familie Hanka und natürlich an Stefan Klute, sein Weinladen heißt nicht zufällig „Est Est Est“, auf dem Ölberg herrscht eine sehr hohe Trefferwahrscheinlichkeit für tolle Weine!

 

 

Asmannshausen

Assmannshäuser Rotwein-Rasselbande: wunderbare Weine und ein starker Neuzugang: Pinot Noir 2016 Assmannshäuser vom Weingut Dr. Corvers-Kauter!

 

 

Aber wieder zurück zum Krug-Abend: der zum Hauptgang präsentierte rote Ortswein eine große Freude, Pinot Noir 2016 Assmannshäuser vom Weingut Dr. Corvers-Kauter, transparentes helles Rot, sehr komplexe Nase, Kirsche, Schlehe,  Gewürze, erdige Noten und Rauch, wow!, im Mund sehr elegant, schönes Spiel zwischen Frucht und Würze, weichen Tanninen und leichter Alkoholnote, dabei so elegant und ausgewogen, intensiv, schöner und langer Abgang, ein Bilderbuch-Burgunder in Bilderbuch-Idylle, der es trotz starker Konkurrenz (siehe Foto oben) locker in die Siegerschankwein-Liste schafft, Assmannshausen, ein Mythos lebt!

 

 

Oestrich-Winkel

Weingut Dr. Corvers-Kauter, Oestrich-Winkel

 

 

Das Weingut Dr. Corvers-Kauter aus Winkel (Oestrich-Winkel) kenne ich schon lange, ich habe schon im wunderschönen Garten gesessen (unbedingt besuchen!), tolle Weißweine getestet, Kleinigkeiten probiert und mich gewundert, warum man nicht schon viel berühmter und teurer ist. Eigentlich habe ich mich darüber auch sehr gefreut! Wie schon geschrieben, die Konkurrenz ist groß! Deshalb muss scheinbar immer eine Initialzündung oder ein besonderer Clou her, um seinen richtigen Platz in den Weinführern zu finden und besser wahrgenommen zu werden. Ab 2018 konnte man 15 Hektar hochwertige Rebflächen (u.a. auch Besitz in den Spitzenlagen Erbacher Marcobrunn, Hattenheimer Nussbrunnen und Rauentaler Baiken) langfristig vom traditionsreichen und wunderschönen Weingut Freiherr Langwerth von Simmern in Eltville anpachten. Die neu dazugekommenen Rebflächen sind in sehr guten Händen und die Philosophie des Weingutes Dr. Corvers-Kauter wurde auch hier mit Umstellung auf zertifizierten biologischen Weinbau sofort konsequent umgesetzt. Hier wird es in den nächsten Jahren sehr spannend, spannend aber auch, was der Freiherr Georg-Reinhard Langwerth von Simmern wohl mit seinem ehemaligen Weingut in Eltville vor hat. Es wurde in einem ersten Schritt viel Platz durch Abriss in der Nachbarschaft geschaffen.

 

 

Oestrich-Winkel

Rheingau-Idylle

 

 

Am nächsten Tag hatten wir noch einen Familienauftrag zu erfüllen, ein Teil der Familie war nämlich schon einige Zeit vor uns 2021 ins Rheingau gereist (nach Johannisberg) und hatte im Rahmen der Reise eine Vergleichsweinprobe mit vier Weinen von vier kleinen Weingütern durchgeführt. Stolzer Sieger hier ein Riesling Kabinett 2020 trocken, Hattenheimer Schützenhaus vom Weingut Stefan Molitor in Hattenheim, den wir am Weingut kaufen und nach Hause mitbringen sollten. Das Weingut Stefan Molitor gehört mit ca. 2 Hektar Anbaufläche sicher zu den ganz kleinen Familienbetrieben, hat diese 2 Hektar aber in sehr namhaften Lagen und gewinnt regelmäßig Preise in der Kategorie Weingüter mit Anbaufläche < 5 Hektar. Das Weingut liegt unauffällig und sehr versteckt in Bahnhofsnähe, wir machten erst mal unfreiwillig einen Gang durch die Gemeinde und konnten dadurch direkt auf die schon erwähnte Lage Schützenhaus schauen, Hattenheim ist neben dem historischen Teil viel größer als gedacht und Standort unzähliger Weingüter.

Spontananruf Handynummer, die auf der Tür des Weingutes stand, die Nachbarschaft fieberte gleich mit, Stefan Molitor meldete sich ganz nett direkt aus den Weinbergen und verwies auf seine Frau, die uns dann die Tür öffnete und sofort zu einer Weinprobe überredete. Der Charme einer dieser kleinen Familienweingüter, es hat uns super gefallen, ich war sehr gespannt auf die heimatliche Nachprobe der gekauften Probewein-Favoriten.

 

 

Hattenheim

Getestete Weine Weingut Stefan Molitor

 

 

Der Riesling Kabinett trocken 2020, Hattenheimer Schützenhaus, mit schöner mineralischer Pfirsichnase, im Mund für einen Kabinett unglaublich voll und kräftig, viel Frucht und Mineralik, ein würziger Abgang. Der Wein kommt von schweren Lehmböden, zeigt dabei ein unglaubliches PLV und ist ein toller Weinwert, hat nur für mich nichts mit einem klassischen Kabinett (Prädikatsstufe) zu tun. Die Weinstilistik geht nicht in Richtung tänzelnde Verspieltheit, Eleganz und Leichtigkeit, hier kommt pure Kraft und Fülle, bekommt man diese Information aber vorher, kann ich mit dem Wein sehr gut leben.

Der Riesling Classic 2020 kommt sehr frisch und jung daher, verhaltener Duft nach gelben Früchten, im Mund Zitrusfrüchte, leichte Bitternote und etwas Mineralik, unterlegt von einer mächtigen Säure, der Wein benötigt dringend noch eine längere Beruhigungsphase und ist nichts für säureempfindliche Genießer.

Wunderbar elegant dagegen die 2020er Riesling Spätlese halbtrocken, „Alte Reben“ aus dem Hattenheimer Rheingarten, die Wurzeln der Reben erreichen das Grundwasser des Rheins. In der Nase Pfirsich und Aprikose, im Mund sehr schlank, leicht mineralisch, sehr fein und süffig. Wunderschöne Spätlese!

Die Riesling Spätlese 2019 aus dem lehmigen Hattenheimer Schützenhaus wieder eher breit und voll, fruchtig und mit feiner Süße, mir fehlt etwas die von der Mosel bekannte Rassigkeit und das damit verbundene Süß/Säurespiel.

 

 

Oestrich-Winkel

Am Bahnhof in Hattenheim!

 

 

Nun sollte es nur mal kurz ins besagte und benachbarte und ebenfalls schöne Eltville gehen, Hattenheim gehört als Ortsteil ja zu Eltville. Hattenheim hat auch einen kleinen Bahnhof und profitiert von Tagesausflüglern aus Wiesbaden oder sogar Frankfurt, bei uns wäre schon die zweite Haltestelle der Hauptpreis gewesen. Leider kam der Zug nicht! Meine Geduld war als der ewige Pendler (siehe allerersten blog-Beitrag, Mai 2017, ein klitzekleines Trauma!) sofort am Ende, ich kam wieder in diese sehr gefürchtete Gewaltmarsch-Stimmung! An den Hattenheimer Weinfässern vorbei ging es am Rhein entlang bis zum schönen Schloss Reinhartshausen. Von dort am berühmten Erbacher Marcobrunn entlang durch das ebenfalls mit Weingütern gespickte Zentrum Erbachs bis zum Haltepunkt Erbach. Und wieder kam kein Zug!

 

 

Erbach

Weingut Schloss Reinhartshausen, Erbach

 

 

Nach Wutanfall meinerseits ging es per pedes wieder Richtung Rhein und  Eltville, wir hatten die Schnauze gestrichen voll, aber wie aus dem Nichts tauchte dann zur rechten Zeit das Cafe Gutshof – Patisserie Pretzel auf, eine Wohlfühloase, genau wie das angrenzende Gutshotel mit viel Landhaus-Stil und Charme, ein Schatz der Familie von Oetinger. Nach Stärkung mit Kaffee und Nervennahrung und deutlicher Beruhigung dann der Schlussspurt nach Eltville. Nach Besichtigung der schönen Rosenstadt und Einkauf von Sekt aus Hattenheim beim schon mal erwähnten Esskork-Service der Besuch des Bahnhofes Eltville. Und es kam wieder kein Zug!

 

 

Eltville

Rhein bei Eltville

 

 

Der Taxifahrer versuchte mich zeterndes und nervlich zerrüttetes Subjekt zu beruhigen und erzählte, dass der Betreiber der Zuglinie namens VIAS ein Segen für seine Branche wäre und regelmäßig Züge einfach ausfallen oder liegenbleiben würden und dann immer riesiges Chaos ausbräche. So kann man die wunderschöne Region Rheingau nachhaltig schaden und abhängen, eine Schande und Frechheit! Wenn ich daran denke, könnte ich mich schon wieder aufregen, nun aber mal endgültig runterkommen, ich hatte da ja noch was zum Nachverkosten mitgebracht!

 

 

Hattenheim

Drei Hattenheimer Sekte!

 

 

Hier kommen meine Silvester-Sekttipps, leider mal wieder total verspätet! Die erste Flasche Sekt vom Weingut Stefan Molitor kaputt, roch nach Kellergeister oder so, wie ich als Kind Kellergeister in Erinnerung hatte (habe da mal heimlich in Omas Kühlschrank an der Pulle gerochen!). Mein Silvester war übrigens sekttechnisch auch ein Desaster, Korkschmecker und Bohnenkraut pflasterten meinen Weg ins neue Jahr! Aber man muss auch mal ein Lob an einen meiner stationären Weinhändler (in Solingen) aussprechen, es wurde sofort eine Ersatzflasche versandt, großes Lob, das war richtig nett! Und ein wenig Erfahrung hat der Weinschank mittlerweile auch, er kauft nun immer zwei Probeflaschen ein, das macht den Aufwand für den blog zwar noch größer, bringt aber in Notsituationen auch echte Glücksgefühle! Die zweite Flasche Sekt Riesling Brut 2018 vom Weingut Stefan Molitor war nämlich in Ordnung und ein großer PLV-Kracher: in der Nase gelbe Früchte und grüner Apfel, im Mund fruchtig, frisch und süffig, schöne sprudelnde Perlage, ein Spaßmacher!

 

Der Barth-Sekt eine Scheurebe Brut, schon im 1. Versuch tadellos und spannend, mit einer extrem expressiven Nase nach Rosen, schwarzen Johannisbeeren und Grapefruit, im Mund sehr frisch, exotische Früchte, Stachelbeere, mir wurde es aber sehr schnell zu intensiv und viel, leider nicht mein Fall, ich hätte einen Riesling-Sekt probieren sollen, hier ist so viel Potential vorhanden, habe einfach die falsche Rebsorte erwischt, dabei mag ich Scheurebe eigentlich sehr. Das war wohl mal wieder Künstlerpech! Behalte das VDP-Weingut Barth aber im Blick und teste sofort wieder, wenn ich etwas finde!

 

 

Hattenheim

Weingut Irene Söngen

 

 

Der Riesling Sekt 2019 brut vom Weingut Irene Söngen dann wieder was für mich, schöne Zitrusnase, etwas Holunder, druckvolle, recht kräftige Perlage, trocken, aber mit Frucht, sehr süffig und schmelzig, schöner Sekt mit sehr gutem PLV! Das Etikett erinnert allerdings sehr an einen Zaubertrank aus der Apotheke, aber bitte nicht ändern, ist originell und hat Alleinstellungsmerkmal.

1994 gegründetes 8 Hektar-Weingut, das Ehepaar Söngen lieferte sogar in den Aufbaujahren an die örtliche Winzergenossenschaft, nun gilt man aber als ewiger Geheimtipp und produziert und vermarktet zum Glück selbst, auch hier muss ich unbedingt mehr vom Sortiment entdecken!

 

 

Oestrich-Winkel

Auch der Rheingau leuchtet!

 

 

Hattenheim

Pfaffenberg 53

 

 

Als Mensch mit früher eigentlich sehr guten Nerven benötigte ich nach der unendlichen Zuggeschichte nun noch  mal dringend Entspannung, es ging direkt in einen weiteren hotspot Hattenheims, uns war aufgefallen, dass sich was im Innenhof des altehrwürdigen Weingutes Schloss Schönborn getan hatte, hier war verblüffend viel los! Das bekannte Rheingauer VDP.Weingut Künstler, eigentlich weit im Osten am Main in Hochheim ansässig, hatte die Gunst der Stunde genutzt und wertvolle Lagen vom Grafen Paul von Schönborn langfristig gepachtet (schon wieder so eine Geschichte!, läuft da gerade Wein-Monopoly im Rheingau ab?). Und auch für den Innenhof des Weingutes mit spektakulärem Blick auf den Rhein wurde ein neues Konzept erarbeitet, eine wunderschöne location mit dem Abverkauf aller Schloss Schönborn Weine (es werden keine neuen Weine mehr produziert werden!) und natürlich auch mit vielen offenen Weinen vom genialen Weinmacher Gunter Künstler im Ausschank! Da war der Weinschank natürlich gespannt und aus nostalgischen Gründen voreingenommen, halbblinde Probe, ich hätte gerne einen Schloss Schönborn-Sieger gehabt, aber es gab für mich nur einen eindeutigen Sieger und der kam aus dem Hause Künstler!

 

 

Hattenheim

Tolle Chillout-Zone in Hattenheim!

 

 

Bei den verkosteten Weinen gewinnt für mich ein ganz starker Chardonnay 2020 „Kalkstein trocken“ vom Weingut Künstler, ein VDP.Gutswein, also Basis und eine immer vielbeachtete Visitenkarte des Weingutes, hier wirklich eindrucksvoll gelungen, aber leider preislich auch kein Schnapper mehr: strohgelbe Farbe, in der Nase Birne, Mandel und etwas Butter, im Mund wunderbare nussige Noten, sehr schmelzig, milde Säure und dazu mineralische Töne im Abgang,  wo ist man hier?, besonders wenn man weiter unten auf der Terrasse auf einer Liege liegt, Chablis?, Meursault?, tatsächlich Rheingau, die Lage heißt Hochheimer Herrnberg, liegt ganz im Osten am Main und ist für ihren hohen Kalkanteil im Boden bekannt. Ich war sehr begeistert und überzeugt, mein Favorit!

 

 

Hochheim

Toller Chardonnay 2020 Kalkstein von Künstler!

 

 

Fazit: Entdeckt doch mal 2022/23 den Rheingau und den Krug in Hattenheim, ein idealer Ort (nicht nur für Weintrinker), um alle Klassiker (z.B. Kloster Eberbach, Schloss Johannisberg und Vollrads, die berühmte Tour um Rüdesheim und auch die schöne Stadt Wiesbaden), wunderbare Gastronomie und viele Weingüter zu entdecken, vielleicht fährt sogar mal wieder ein Zug! Ich möchte da sofort wieder hin…

 

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Sachsen, ein Weinland ist erwachsen!

 

 

Dresden

Wunderschönes Dresden, erlebe Dein blaues Wunder!

 

 

Dieses Jahr ging noch ein großer Reisetraum von mir in Erfüllung, 12 Tage Dresden und die Umgebung mit einem kleinen, aber traumhaft schönen deutschen Weinanbaugebiet: Sachsen (518 Hektar, damit kleiner als das Weinanbaugebiet in Wien!)! Allerdings wirkt das Gebiet gar nicht so klein, weil es sich von Dresden am Elbtal entlang bis hinter Meißen zieht. Wir wohnten in der schönen Villa Freisleben im Villenvorort Blasewitz, gar nicht weit von der berühmten Brücke „Blaues Wunder“, dem Schillergarten (hier war wirklich öfter der geniale Friedrich Schiller zu Gast!), den Seilbahnen in Loschwitz und den Elbschlössern.

 

 

Blasewitz

Villa Freisleben, Blasewitz, Dresden

 

 

Am Ankunftstag waren wir von der langen Anreise geschlaucht und hatten einen Tisch im Restaurant „Villen-Colonie“ um die Ecke reserviert, weintechnisch erwartete ich da eigentlich  gar nichts, doch die Kellnerin war nett und kannte sich aus, unser Hinweis, dass wir auch Rosé mögen, wurde gerne aufgegriffen und es kam ein erster süffiger und überzeugender Wein: das „sächsische Gezwitscher“ vom 7 Hektar großen Familienweingut Matyas aus Coswig. Der Ungar Matyas Probosckai kam 1970 vom ungarischen Weinforschungsinstitut in Budapest in die Weinhauptstadt Sachsens und Nachbarstadt Dresdens, Radebeul, um im Staatsweingut Schloss Wackerbarth beim Aufbau einer Sektkellerei zu helfen. Dort lernte er seine Frau kennen und nach der Wende wollte sich das Paar den Traum von einem eigenen Weingut erfüllen. 1998 war es dann soweit. Coswig liegt westlich von Radebeul, seit 2014 liegt die Verantwortung nun bei Tochter Andrea und einem jungen Team.

 

 

Coswig

Rosé 2020, Sächsisches Gezwitscher, Weingut Matyas, Coswig

 

 

Die leuchtende lachsfarbene (mit kupferfarbenen Reflexen)  Rosé-Cuvee 2020 duftet nach Erdbeeren, Kirschen und etwas Honig, ist aber sehr schlank und feinfruchtig im Mund, etwas Pfirsich, frische Säure, süffiger Cool-Climate Rosé mit einem leichten Bitterton im Abgang. Sehr gelungen, aber leider wohl schon ab Weingut ausverkauft. Habe den Rosé nach langer Suche dann doch noch in einer Vinothek in Meißen gefunden.

 

 

Radebeul

Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth, Radebeul

 

 

In der Karl May-Stadt Radebeul liegt das sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth, hier arbeitete nicht nur Matyas, hier tauchte auch der Weinschank schon 1995 mit einem Studienkollegen zur Weinprobe auf und erlebte eine kleine Anekdote: die Weine wirkten doch etwas säuerlich und so erdreistete ich mich, bei der Kellnerin nach Knabbereien zu fragen. Das hätte ich besser nicht getan, ich bekam eine richtige Abfuhr, „wenn sie speisen möchten, dann besuchen sie doch bitte eine Speisewirtschaft!“ Kam mir damals etwas sehr unflexibel und unfreundlich vor, deshalb war ich umso überraschter, im Jahre 2021 ein strahlendes „Erlebnisweingut Schloss Wackerbarth“ vorzufinden, in dem es an der Weinausgabe reichlich Knabbereien, Brezel und Käsewürfel gab, eine späte aber großartige Genugtuung! Auch so hatte sich einiges getan, ein moderner Anbau sorgt für reichlich Platz, es gibt nun auch eine eigene „Speisewirtschaft“, Gäste können im herrlichen und zum Belvedere aufsteigenden Garten sitzen, bei Bedarf auch heiraten und die Weine und Sekte schienen mir von ganz anderer Klasse als vor 25 Jahren.

 

 

Radebaul

In der Mitte die Grau-/Weißburgunder-Cuvee 2019 vor dem Belvedere des Barockschlosses Wackerbarth

 

 

In einem sehr nördlichen Weinanbaugebiet spielt auch immer die Säure eine große Rolle (ich war schon vom Vorgänger-Beitrag Mosel speiseröhrentechnisch  angezählt!), ich mag eigentlich als Blindverkoster diese Weißwein-Cuvees nicht, wie soll man die denn auch erkennen?,  aber von allen offenen Weißweinen von Schloss Wackerbarth gefiel mir ausgerechnet eine Cuvee besonders gut: ein 2019er Grau- und Weissburgunder, den ich blind durch seine nussigen Aromen (hoffentlich) sofort als Grauburgunder identifiziert hätte! Duft auch nach Quitte und Pfirsich. Im Mund zitrische Noten, mineralisch, aber auch sehr süffig, herber Abgang mit gezähmter Säure. Wunderbar, dass es nun auch diverse Kleinigkeiten im fantastischen Ambiente gibt, dadurch sehr entspannender Weingenuss!

 

 

Radebeul

Radebeuler Johannisberg! Hoch und weg!

 

 

Über das Belvedere des Schlosses ging es steil hoch in die Weinberge und auf verschlungenen Wegen nach einiger Zeit an einer Nebenstelle der Sächsischen Vinothek in Dresden entlang, dem Weinschank an der finsteren Gasse (welch großer Name!).

 

 

Radebeul

Überall wird mein Künstlername verwendet, eine bodenlose Frechheit!

 

Radebeul

Dafür aber perfekte Ausschilderung!

 

 

Weiter ging es abwärts durch die berühmte Eisweinlage Paradiesgarten, über den Lößnitzgrund bis zur noch berühmteren Lage Goldener Wagen, um dann hunderte Stufen hoch zum Spitzhaus  zu steigen. Nach einer Erfrischung auf der aussichtsreichen Terrasse des Spitzhauses dann der Abstieg auf der anderen Seite, es ging spektakulär runter in die Weinkernzone Radebeuls, dort liegt auch das Weingut Aust. Eine unglaublich schöne Tour, kann ich jedem nur ans Herz legen, aber wie schmecken denn die gekauften empfohlenen Weine der Sächischen Vinothek in Dresden (an der Frauenkirche) eigentlich?

 

 

Dresden

Beuteflaschen nach Beratung in der sächsischen Vinothek und in der Weinhandlung Andrich (Radebeul) !

 

 

Der erste Wein vom Weingut Ricco Hänsch gleich ein Treffer, Rebsorte Kerner, eine Kreuzung aus Riesling und Trollinger, leider in Deutschland stark rückläufig im Anbau und unterschätzt, obwohl es in jedem Jahrgang bisher einige sehr interessante Weine gab (auch im edelsüßen Bereich!). Der 2020er Kerner Meißner Kapitelberg überzeugt mit einem Duft nach Aprikose, grünem Apfel und etwas Muskat, im Mund sehr ausgewogen, säurearm, mit deutlicher Fruchtsüße und mineralischer Würze, einfach schon toll jung zu trinken, ein großes Lob!

Erst 2005 gründete der gelernte Werkzeugmacher Ricco Hänsch mit eigener Maschinenbaufirma im Rücken sein eigenes Weingut in Meißen am Kapitelberg. Auf 2 Hektar erzeugt er ca. 8000 Flaschen im Jahr, Konzentration liegt auf Riesling, Müller-Thurgau, Kerner und Traminer.

Noch jünger das Weingut Kastler Friedland in Radebeul-Zitzschewig, erst 2013 gegründet. Bernd Kastler und Enrico Friedland setzen sich engagiert für den Erhalt der Weinberge mit ihrem großen Rebsortenspiegel ein. Ihr Motto „Elbtalweine für Entdecker“ kann gleich in der eigenen Vinothek oder in der Straußenwirtschaft im herrlichen Ambiente umgesetzt werden.

Der Riesling  2019 ebenfalls für mich sehr gelungen: schönes Bukett nach Aprikose und Zitrusfrüchten, Kräutertöne, im Mund schöne Fruchtsüße und klassische Riesling-Säure, alles sehr ausgewogen und süffig, alles in Balance, gefällt einfach! Schöne Entdeckung, habe leider zu spät mitbekommen, dass die Beiden auch Besitz in der Toplage Goldener Wagen in Radebeul haben, da muss wohl nachbestellt werden!

 

 

Radebeul

Goldener Wagen, Radebeul

 

 

Und dann noch Schloss Proschwitz und die Erfolgsstory des Dr. Georg Prinz zur Lippe, ein Adelsgeschlecht mit westfälischen Wurzeln und ein Mann, der die große Jahrhundert-Chance sah und dann beharrlich und mit viel Herzblut nutzte, um einen großen Traum umzusetzen. Die Rückkehr nach der Wende zum alten Familienbesitz nach Meißen. Nach der entschädigungslosen Enteignung 1945 in der Sowjetzone war es mit der Gebäudesubstanz und  auch den Weinbergen kontinuierlich bergab gegangen, eine unglaubliche Leistung, was  dann in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, eine gigantische Aufbauleistung, schaut Euch mal den Rundflug über Schloss Proschwitz auf der Internetseite des VDP-Weingutes an. Wunderschön und der Prinz setzt unermüdlich immer weitere Ideen um, Neubepflanzung verschwundener, ehemals berühmter Weinberge auf der anderen Elbseite, Expansion nach Weimar, Kulturprojekte und v.a.m.. Ein Glücksfall für Meißen und die ganze Region.  Mittlerweile ist man bei stolzen 90 Hektar und das größte Familienweingut im Osten, einige der ca. jährlich erzeugten 400 000 Flaschen kann man sogar in meiner Heimatstadt Münster in der Weinabteilung bei Karstadt erwerben.

Der Goldriesling, eine Kreuzung, die 1893 im Elsass aus Riesling und Früher Malingre entstand, gibt es heute in Deutschland nur noch nennenswert mit kleinen Anbauflächen in Sachsen. Bei Schloss Proschwitz überzeugt der VDP.Gutswein 2020 mit hellgelber Farbe, einem schönen Bukett nach Apfel, einer feinen Muskatnote und Würze, im Mund Grapefruit, deutliche Säure und ein ebenfalls würziger Abgang. Hat mir auch gut gefallen!  Damit alle drei Weine in der Siegerschankweinliste, wer hätte das gedacht?, nur richtige Schnapper waren leider nicht dabei. Habe in einem tollen Weinladen „Edelrausch“ in Dresden-Blasewitz die Bemerkung „Angebot und Nachfrage!“ gehört und den Verkäufer dabei grinsen sehen, aber Recht hat er!

 

 

Meißen

„Kleine“ Weine von Martin Schwarz, Meißen

 

 

Martin Schwarz war Kellermeister bzw. später dann beratender Kellermeister beim Schloss Proschwitz mit großen Erfolgen und entschied sich trotzdem oder gerade deshalb  2013 für die Selbstständigkeit in einem eigenen Weingut bei Meißen. Er ist in der Gastronomie in Dresden und Umgebung omnipräsent, ein echter Holzkünstler, in solchen Breitengraden ein riesiger Vorteil,  Zähmung der teilweise heftigen Säure, bei gleichzeitiger Herausarbeitung der Typizität der Rebsorte,  eine bewundernswerte  Gabe!

 

Der Müller-Thurgau 2019 ein wirklich starker Vertreter seiner Art, in der Nase florale Düfte (Blumenwiese?), Aprikose und etwas Muskat, im Mund sehr viel Schmelz, wenig Säure, sehr süffig und breit, etwas Würze und ein ordentlicher Abgang, unbedingt mal probieren, hat mich positiv überrascht! Ich weiß genau, was nun passieren wird, die Franken werden mich auf dem Kieker haben, sie lieben ihren Müller-Thurgau nämlich wirklich und reagieren bei Konkurrenz meistens allergisch. Bin gespannt!

 

Auch der „kleine Schwarz“ ein kleines süffiges Meisterwerk, jahrgangslos, aber nicht charmelos, hatte auf Holzeinsatz getippt, lag dabei aber völlig daneben, 100% Ausbau im Edelstahltank, in der Nase Zitrusfrüchte, Apfel, Birne, sehr viel Schmelz und perfekt eingebundene Säure, frisch und fruchtig, ein richtiger Spaßmacher! Aber was ist da drin? Riesling, Silvaner und Scheurebe? Netter Versuch, Herr Weinschank, sie werden aber immer ein Anfänger bleiben: Riesling, Weißburgunder und Müller-Thurgau! Ich schrieb ja schon. ich bin kein Freund von diesen Cuvees, aber auch hier habe ich gesündigt, in Dresdner Restaurants habe ich den wiederholt geordert, weil er mir wirklich super geschmeckt hat, als blogger natürlich auch ein grober Anfängerfehler, da nimmt man sich selber alle Chancen für Neuentdeckungen, ich muss wirklich an mir arbeiten!

 

 

 

Radebeul

Lößnitzgrundbahn

 

 

Findet man in Ostdeutschland großartigerweise noch öfter, Dampflokomotiven, die täglich noch nach einem regulären Fahrplan fahren, aber die Strecke der Lößnitzgrundbahn in Radebeul ist schon noch etwas ganz besonderes. Der Zug quält sich erst dampfablassend und tutend parallel zur Elbe durchs untere Radebeul-Ost, überquert dann eine Straße und damit auch eine Straßenbahnlinie und biegt dann rechts ab, um spektakulär auf die terrassierten Weinberge zuzuhalten, die steil links und rechts im Hintergrund als Sperrmauer emporragen. Man rechnet fest mit einem Tunnel, doch es geht durch ein tief eingeschnittenes, finsteres Wald-Bachtal kilometerweit leicht bergan. Man erreicht mit dem Bahnhof Moritzburg die wunderschöne Seen-Landschaft rund um das Schloss Moritzburg („Drei Nüsse für Aschenbrödel“), hier musste ich einfach die absolute Romantikkarte ziehen und noch für eine Kutschfahrt vom Schloss zur Churfürstlichen Waldschänke Moritzburg sorgen, eine empfohlene Adresse, die nicht enttäuschte.

 

 

Moritzburg

Schloss Moritzburg

 

Moritzburg

Kutschfahrt Moritzburg

 

 

Zwei sehr schöne Sekte , man lasse sich allerdings nicht durch die eigenartigen Bestimmungen der gesetzlichen Grundlagen für Sekt hinters Licht führen, „trocken“ bedeutet beim Sekt z.B. ein Restzuckergehalt von 17 bis  32g/Liter. Also alles andere als trocken. Die Cuvee Tradition von Wackerbarth scheint aber in der unteren Range zu liegen und wirkte nicht süß. Bei blassgelber Farbe duftet sie nach Apfel und Holunder, wirkt im Mund sehr fruchtig und süffig und besitzt eine sanfte, zurückhaltende Perlage. Empfehle ich als Kompromiss-Sekt für Silvester!

Die halbtrockene (wir sind hier im Bereich zwischen 32 und 50g Restzucker pro Liter)  Cuvee Tradition glänzt mit goldgelber Farbe, Duft nach reifen Früchten und Fruchtsüße im Mund, die durch eine straffe Perlage in Schach gehalten wird. Im Abgang etwas herbe Töne, auch diese Cuvee ist gelungen und wird ihre Liebhaber finden.

 

 

Churfürstliche Waldschänke Moritzburg

Sekte Cuvee Tradition trocken und halbtrocken.

 

 

Ich liebe einfach solche Urlaubstage, in denen scheinbar mühelos alle Pläne aufgehen. Dass die Tour dann doch nicht perfekt endete, war wohl meinem Übermut geschuldet, ich war aber auch sehr von Landschaft und der Bahnstrecke fasziniert und wollte einfach noch mehr sehen. Als wir zwischen zwei Seen hindurch unter Zeitdruck noch gerade den nächsten Halt Cunnertswalde erreichten, bemerkte ich auf der Abfahrtstafel, dass der Zug nur noch ab Moritzburg zurückfuhr. Das bedeutete einen langen ungeplanten Spaziergang auf den Schienen entlang bis nach Moritzburg. Von dort fuhr zum Glück ein Schnellbus direkt nach Dresden, ein Tipp von einem lokalen Busfahrer (tausend Dank vom Weinschank!), wir hätten sonst sehr lange auf den wirklich allerletzten Zug warten müssen.

 

 

Karl May Museum

Karl May

 

 

In Radebeul kommt man an Ihm nicht vorbei, dem sächsischen Lügenbaron Karl May, mit eigener Villa Shatterhand und Holz-Villa Bärenfett im Garten. Geächtet (warum eigentlich?, der Knastbesuch entstand wohl eher aus Verleumdung in seiner tiefsten Lebenskrise), aber zum Glück für seine überbordende (und super recherchierte) Fantasie millionenfach geliebt, interessanter Museumsbesuch, was da alles so gesammelt wurde und wie sich DDR-Bürger in die innere Emigration zurückzogen und plötzlich als Indianer leben wollten. Und gleich ein Anschiss im Museumsshop („Die Postkarten bleiben hier, die können sie nach der Besichtigung kaufen!“), die Frage nach den Knabbereien habe ich mir bei der resoluten Frau dann  doch lieber geklemmt. Aber was hat das alles mit Wein zu tun? Schaut doch, was es im Museums-Shop zu kaufen gab: Weine vom Weingut Karl May aus Rheinhessen! Super Idee, ich kannte das Weingut aus Rheinhessen schon vorher, aber da hat jemand Humor bewiesen und wahrscheinlich  damit auch große Synergieeffekte gehoben!

 

 

Osthofen

Karl May Weine, Osthofen, Rheinhessen

 

 

Der Exkurs nach Rheinhessen soll natürlich ganz kurz ausfallen, soso, Blutsbruder 2018, für immer vereint, wenn ich mich nicht irre!, ganz im Gegenteil, wir gehen mal lieber getrennte Wege, das ist so einer der Weine, mit der man mich jagen kann, dunkel, konzentrierter Beerenduft und brandig, man schmeckt den Alkohol deutlich durch, einfach zu viel des Guten, aber vielleicht wie die Bücher Karl Mays ein Liebling der Massen. Rebsorten Dornfelder und Merlot!

Viel besser, mit tollen Anlagen der Pinot Noir Geyersberg 2018, schöne helle transparente Farbe, feiner Duft nach Beeren, etwas Rauch, leider noch zu jung, dadurch eher kräftig als fein im Geschmack, noch etwas ruppig und kantig, weglegen!

Mein Favorit aber der Frühburgunder 2016 Vordere Mulde, sehr fein und kühl wirkend, Beeren, Mineraltöne, feine Tannine, frische Säure, schöner langer Abgang. Top!

 

 

Radebeul

Villa Shatterhand

 

 

Mit Leihfahrrädern ging es an einem anderen Tag an der Elbe entlang Richtung Meißen. Je mehr man sich dem Porzellanstädtchen näherte, um so mehr erinnerte das oft wechselnde und in immer wieder anderen Farben schimmernde Gestein an die Nahe. Um Meißen gibt es neben verwittertem Felsgestein wie Syenit und Monzonit, auch  Granit-/ rote Granit- und Riesensteingranitböden, dazu Vulkangestein wie Porphyr und Rhyolith. Genau wie an der Nahe ein geologisches Schatzkästlein auf engstem Raum. Nach schöner Einfahrt in Meißen besuchten wir das uralte und wunderschöne Weinrestaurant des Weinguts Vincenz Richter. Hier konnte man sich im verwinkelten und museumsähnlichen Ambiente glasweise durch das Sortiment verkosten, aber auch ganz toll essen. Auf den engen Stiegen konnte man sich allerdings auch ganz hervorragend den Hals brechen, mit ganz viel Glück blieb uns das noch so gerade erspart! Ich war gespannt, ob die beiden ausgesuchten Weine auch bei einer Nachprobe bestehen würden, ich hatte mich im „Weinladen“ Meißen eingedeckt.

 

 

Meißen

Dom zu Meißen

 

Meißen

Auxerrois feinfruchtig und Riesling 2020 Kapitelberg, Vincenz Richter

 

 

Der Auxerrois feinfruchtig vom Weingut Vincenz Richter völlig anders als sein geliebter Namensvetter trocken vom Weingut Klumpp aus dem Kraichgau (Baden): aber auf seine Weise auch besonders und spannend, in Sachsen selten zur Reife kommend und ohne Jahrgangsbezeichnung auf dem Etikett (aber wohl Jahrgang 2019?), in der Nase tolle Aromen von Birne und Quitte, im Mund schöne Fruchtsüße. dazu dezente, milde Säure, eine gewisse Würze im Abgang, super, hat mich sofort an asiatisches food-pairing denken lassen, damit hat man als Sommelier(e) die show im Kasten, da kommt keiner der Gäste drauf und bei Auflösung glänzt dann auch noch diese besondere bauchige  sächsische Flaschenform!

Der Riesling trocken 2020 vom Meissner Kapitelberg mit interessanter Kräuternase und Pfirsichnote, im Mund schon überraschend harmonisch, milde Säure, sehr fruchtig und breit, dadurch sehr süffig, leicht mineralische Noten im Abgang. Schöner sächsischer Einstiegswein!

 

 

Dresden

Evangelische Frauenkirche. Dresden

 

 

Zurück ging es auf der anderen Elbseite, mit meinem normalen Fahrrad hatte ich irgendwann Schwierigkeiten meiner Freundin auf ihrem e-bike zu folgen, die Strecke war nicht minder schön, auch die Fahrt auf Dresden zu (mit der herrlichen Silhouette) und an den vielen gastronomischen Elbgärten vorbei, einfach traumhaft! In Dresden spielt Wein wieder eine große Rolle, es gibt tolle Restaurants, Weinläden, die sächsische Vinothek an der Frauenkirche und auch einige Weinbars, zwei hochgelobte locations  musste ich unbedingt testen. Eindeutiger Sieger für mich die Weinzentrale in Dresden-Neustadt, hier gab es auf Empfehlung glasweise die Weißburgunder & Grauburgunder-Cuvee 2020 vom Radebeuler Weingut Karl Friedrich Aust, die einschlug. Schönes Ambiente, sehr entspannte Atmosphäre, leckere Kleinigkeiten, hier fühlte man sich sofort wohl!

 

 

Dresden

Großartige Weinzentrale, Dresden-Neustadt

 

 

Radebeul

Weißburgunder und Grauburgunder Cuvee 2020, Weingut Aust, Radebeul

 

Das Weingut Aust in Radebeul ist und liegt wunderschön, Und auch die Cuvee aus Weißburgunder und Grauburgunder 2020 hat mich sofort überzeugt: schöner floraler Duft und reife Birne, im Mund Zitrusfrüchte, kräftige Säure, Mineraltöne und langer, würziger Abgang. Einer meiner großen Favoriten, natürlich auch wieder Cuvee, da habe ich echt dazugelernt!

 

Beim Besuch einer anderen Weinbar versuchte man die doch sehr beliebige und qualitativ schwankende sächsische Weinauswahl mit endlos langem Werbegeplapper schön zu reden, ich kann so etwas einfach nicht leiden, erinnerte mich an Gehirnwäsche, ich war froh, als die Tortur vorüber war.

 

 

Weingut Klaus Zimmerling

Skulptur und Rysselkuppe

 

 

Und zum Abschluss besuchten wir noch zwei große Stars in der Nähe des Schlosses Pillnitz elbaufwärts, Richtung Sächsische Schweiz, aber noch auf Dresdener Stadtgebiet.. Hier haben sich der weintechnische Autodidakt Klaus Zimmerling und seine immer bekannter werdende Frau, die Bildhauerin Malgorzata Chodakowska, ein Paradies geschaffen. Nachdem man sich nach der Wende durch Glück und Geschick Weinbauflächen unterhalb der sog. Rysselkuppe von der ehemaligen Genossenschaft durch Kauf sichern konnte, begann eine tolle Erfolgsstory. Unterhalb des Weinberges wurde ein Stollen in den Berg getrieben, um optimale Voraussetzungen für die Verarbeitung der Trauben zu gewährleisten. Der Eingang wurde mit zwei Türmen „gesichert“ und mit viel Sandstein warm gestaltet. Im Internet erinnerte mich das Weingut an die Wohnung von Bilbo Beutlin aus dem Herr der Ringe.

 

 

Pillnitz

Gutsausschank Klaus Zimmerling

 

 

Doch als wir nun wirklich um die Ecke kamen, wurde in Hobbingen gerade gebaut, ein großer Rundbau entsteht (neue Vinothek) und auch an der kleinen Zufahrtsstraße wurde gewerkelt. Trotzdem schien sich niemand dem Zauber dieses Ortes entziehen zu können, man schaut von der Terrasse weit ins Auenland, äh Elbtal, hinein. Überall stehen die fantastischen Figuren der Bildhauerin, mal mit und mal ohne Wasseranimation. Dahinter der steil aufragende, an eine Stufenpyramide erinnernde Weinberg Rysselkuppe. Mittlerweile ist das Weingut Mitglied im VDP und konnte sich auch Flächen am ehemaligen königlichen Weinberg Pillnitz sichern. Erst in den 80er Jahren begannen Feierabendwinzer die brachliegenden Weinbergsflächen neu zu reaktivieren. Die Wanderung vom Weingut Zimmerling zum königlichen Weinberg über verschlungene Wege ist großartig und nur zu empfehlen.

 

 

Pillnitz

Pillnitzer Königlicher Weinberg

 

 

In die Flaschen des Weingutes konnte ich mich als Fan der Bildhauerin nur verlieben, weil in jedem Jahrgang ein anderes Werk der Künstlerin als Etikett auf die Flaschen kommt. Aber sollten uns die Weine auch blind überzeugen? Die Menge ist jedes Jahr knapp, Klaus Zimmerling füllt schon in 0,5 Liter Flaschen ab, mein Favorit vor Ort im Gutsausschank, ein Riesling R 2019, war schon käuflich nicht mehr zu erwerben. Immerhin konnten wir drei verschiedene Weine erwerben und zuhause blind verkosten.

 

 

Pillnitz

Drei Probierflaschen Zimmerling

 

 

Mein Lieblingswein der Spätburgunder 2019 Rosé Illusion, ein ganz heller und sehr feiner Wein, duftet nach roten Beeren und schmeckt sehr ausgewogen und harmonisch, im Mund Frucht und gut eingebundene Säure, schöne Länge. Der Rosé hätte sehr schön in meiner großen Rosé-Probe mitgemischt, eine Option auf den Sommer. Und als Blindverkoster schreibe ich es noch Mal nur ungern, ich liebe diese Etiketten!

 

 

Dresden

Ein Blindverkoster verfällt den Zimmerling-Etiketten!

 

 

Der Grauburgunder  2019 R  kommt mit goldgelber Farbe ins Glas, in der Nase viel Apfel, aber auch feine florale Noten, im Mund sehr voll und fruchtig, viel Schmelz, fein unterlegte Säure, auch Mineraltöne, langer Abgang. Genau wie der Rosé von der Sächsischen Prüfkommission als nicht typisch  zum „Sächsischen Landwein“ abgestuft, erinnert mich hier an die tollen Weine von Hans Peter Ziereisen aus dem Markgräfler Land, die teilweise ebenfalls dieses (erfreuliche) „Schicksal“ als „Badischer Landwein“ teilen. Was die Einen untypisch nennen, nennen die Anderen aufregend anders, mir gefiel der Wein sehr gut, ich konnte ihn allerdings blind auch nicht als Grauburgunder zuordnen.

Zum Schluss noch ein elegantes Flaggschiff aus VDP.Grosser Lage, ein trockener Gewürztraminer 2017 aus dem Pillnitzer Königlichen Weinberg. Das große Gewächs (GG) benötigt Luft!, in der Nase dann feine Rosen- und Muskatdüfte, im Mund sehr schlank, Birne und exotische Früchte, bei moderater Säure, die als Regulator im Hintergrund bleibt, ein sehr interessanter Wein und Exot!

 

Fazit: 

 

Schon 1995 habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie das Weinanbaugebiet Sachsen wohl sein Profil finden und schärfen könnte, voll auf Traminer oder Goldriesling oder Sekt setzen? Die vergangenen Jahre haben eine viel bessere Antwort gefunden, als nördliches Weinanbaugebiet spielt die Vielfalt der Rebsorten nämlich eine sehr große Rolle, Sachsen glänzt mit über 50 verschiedenen Rebsorten im Anbau, damit haben die Winzer bei manchmal wirklich widrigen Witterungseinflüssen alle Möglichkeiten spontan zu reagieren  und Vorteile bestimmter Rebsorten auch in Cuvees auszunutzen. Die Weingüter Klaus Zimmerling, Martin Schwarz oder das große Gut Schloss Proschwitz sorgen dabei für das überregionale Ansehen.

 

Wünsche Euch allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch nach 2022, auch ein oder mehrere schöne Gezwitscher, nehmt Euch mal 2022 vor, sächsischen Sekt oder Wein zu probieren und schaut hier wieder rein, es geht bald weiter, ich hab noch so viele Ideen und Themen! Danke fürs treue Lesen!

 

 

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Meine erste Weißweinliebe: Riesling von der süßen Mademoiselle Mosella!

 

Schon vor der ersten Rotweinprobe (siehe unter „Über 27 Jahre her, meine erste Rotweinprobe!“) hatte ich durch einen traumatischen Zwischenfall eine Top-Weißweinlage an der Mosel entdeckt: an den leider leeren geerbten Weinregalen meines verstorbenen und gemochten Latein-Doktor-Großvaters stand an der Seite noch sehr sorgfältig per Pflaster „Piesporter Goldtröpfchen Spätlese“ aufgeklebt, mein neugieriger erster Vorstoß zum Weißwein in Deutschland konnte daher eigentlich nur nach Piesport ins Weinanbaugebiet Mosel (damals noch Mosel-Saar-Ruwer) gehen. Aber erst 1999 ging es dann für eine Woche nach Trier und ich entdeckte u.a. durch die Weinprobierstube gegenüber vom Dom die Rieslinge des Weingutes Reichsgraf von Kesselstatt, in Ayl im Restaurant der Familie Lauer erste fantastische Saar-Rieslinge und im Cusanus-Stift (Weinprobierstube) in Bernkastel-Kues dann auch tolle Rieslinge vom Karthäuserhof und Maximin Grünhaus von der Ruwer.

 

 

Piesport

Piesport: Liebe auf der ersten Blick bzw. Schluck!

 

 

Aber so richtig überspringen sollte der Funke erst beim Besuch und  Probieren des Piesporter Goldtröpfchens auf der schönen Terrasse des Weingutes Hain direkt an der Mosel (lateinisch Mosella). Die Weine waren hier anders, goldene funkelnde Schmeichler mit betörender Frucht und einem immer wieder neu begeisternden Süß-Säure-Spiel. Süffige Spaßmacher, dabei elegant und mineralisch. Erst beim zweiten Besuch bei den Hains lüftete der damalige Senior-Chef Kurt Hain für mich das Geheimnis, mir hatten die frucht- bzw. restsüßen Weine so gut gefallen! Bis heute bin ich für diesen Einstieg in die faszinierende Mosel-Weinwelt dankbar, kein Platz für damalige weit vorherrschende Vorurteile gegen Süße im Wein (der Weinskandal, blablabla…), einfach Liebe vom ersten Schluck an und dadurch auch Eintrittstor zu den edelsüßen Weinen. Auf dem wertvollen Besitz an der Top-Lage und dem gelegten Fundament der Eltern (eigenes Restaurant Piesporter Goldtröpfchen) konnte der ehrgeizige und hochtalentierte Winzersohn Gernot mit seiner Frau Susanne spektakulär aufbauen. Mittlerweile gewinnen die Hains Preise ohne Ende (sogar „auch“ mit trockenem Piesporter Goldtröpfchen), wie z.B. den „Deutschen Riesling Cup 2016“ im Hotel Bayrischer Hof in München, noch vor Schloss Lieser, Dönnhoff und anderer namhafter Konkurrenz. Nach vielen Jahren der Ablenkung und des Herumtreibens endlich ein Schritt zurück zu den Anfängen und eine Blindverkostung meiner 2018er Hain-Wein Kellerbestände. Da war ich sehr gespannt:

 

 

Piesport

Probe Weingut Hain Jahrgang 2018 mit einem Piraten.

 

 

Entspannte Weinprobe (ohne Korkschmecker!) auf hohem Niveau. Wer einmal vorurteilsfrei in die Welt der fruchtsüßen Moselweine eingestiegen ist, der vermisst plötzlich bei den trockenen Weinen etwas. Dafür konnte mich aber das feinherbe Goldtröpfchen Alte Reben 2018 sehr begeistern. Blasses Gelb, in der Nase Pfirsichnoten und hefige Mineralik, im Mund feine Säure, Mineralik und Frucht, würziger Abgang, toller Wein.

Und dann die zwei goldenen Spätlesen, beide drehten nach einiger Zeit Belüftung immer weiter auf, der Domherr (Kernlage des Goldtröpfchens) wirkte durch zurückhaltende Säure sehr füllig und barock, süße Düfte von Honig, Birne und Pfirsich, Hefe, überbordene süße Frucht im Mund, dazu dezent Säure, die Klebrigkeit verhindert und ein langer, süffiger Abgang. Wunderbar!

 

 

Piesport

Domherr Spätlese 2018, Weingut Hain

 

 

Die Goldtröpchen Spätlese mit sehr ähnlicher Nase, aber mit viel mehr Säure und dadurch mit diesem faszinierenden Süß-Säure-Spiel, die üppige Fruchtsüße wird durch immer neu anlaufende Säurewellen im Mund in Schach gehalten, Faszination Mosel, Faszination Goldtröpfchen, tänzelnd, verspielt, viel Frucht, süffig. Daumen hoch!

Der Pirat entpuppte sich sogar für mich schnell als Hain-Traubensaft, allerdings ein besonders köstlicher, unbedingt probieren, reine Traubenfrucht,  sehr intensiv!

Auf die Spitze getrieben wurde das Thema Süß-Säure-Spiel von Gernot Hain mit dem großartigen Piesporter Goldtröpfchen Spätlese Felsterrassen 2018: ganz feine, messerscharfe Säure trifft am Gaumen auf klare, üppige Frucht, wie ein hochklassiger Boxkampf im Bantamgewicht, alles so fein und elegant, ein endloser Kampf, der im großem Genuss endet. Glückwunsch nach Piesport für solche Weine!

 

 

Piesport

Piesporter Goldtröpfchen

 

 

Dem Weingut Hain bin ich über die Jahre relativ treu geblieben, aber schon 2002 wollte ich über den Tellerrand schauen und sehen, was die Mosel sonst noch so zu bieten hat und buchte über Weinland Mövenpick (den Lagerhallen-Weinhändler aus der damaligen Gewerbegebiet-Nachbarschaft in Dortmund) eine Mosel-Saar-Ruwer Weinreise. Es ging per Selbstanreise für drei Übernachtungen ins schöne Romantikhotel Richtershof des Weingutes Max Ferd. Richter in Mülheim an der Mosel. Große Versammlung im Hotel, der charismatische Reiseleiter Götz Drewitz stellte sich vor und zum Kennenlernen ging es erst mal mit der ganzen Gruppe in die Remise des Hotels zum Verkosten der hauseigenen Weine.

Das Weingut besitzt Weinlagen in Mülheim (Helenenkloster, Sonnenlay) und Nachbarschaft (Brauneberger Juffer und Juffer-Sonnenuhr, Gracher Himmelreich und Domprobst, Wehlener Sonnenuhr) direkt an der Mosel und produziert spektakuläre feinherbe, fruchtsüße und edelsüße Rieslinge. Leider sind diese großartigen Weine in Deutschland verkannt und so gehen ca. 85% davon in den Export.

 

 

Mülheim

Wunderschöne Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Auslese 2015 Max Ferd. Richter

 

 

Sehr frische und schlanke Auslese, in der Nase Pfirsich, Apfel und Kräuterwürze, im Mund dann deutliche Süße aber auch gleich eine sehr deutliche werdende Säure, faszinierendes Süß-Säure-Spiel, lang anhaltender, fruchtig mineralischer Abgang. Solche Weine sind fantastisch, fallen aber meiner Meinung als Auslese zu schnell in die Schublade Dessertwein. Dadurch beraubt man sich beim food-pairing aber vieler Möglichkeiten und ich meine da nicht nur die asiatische Küche. Hier ist ein besonderer Auslese-Stil entstanden, da sollte man bei Kombinationsversuchen mit Essen ruhig  sehr experimentierfreudig sein.

 

 

Mosel

Er war mittlerweile auch schon da!

 

 

Morgens dann Start mit einem eigenen Bus, Diplom-Geograph Götz Drewitz besonders an der Geologie der Mosellandschaft interessiert, so kam der Bus auf der Fahrt zum ersten Weingut schon mehrmals zum Halten, einige Besonderheiten diverser Lagen mussten erläutert werden, mich faszinierten dagegen eher die weißen Buchstaben der Lagenbezeichnungen, die a la Hollywood in den Weinbergen standen. Nach einigen Sonnenuhren bogen wir in ein Seitental ab und besuchten das Weingut Markus Molitor, Haus Klosterberg. Schon damals wunderte ich mich über das große Lagenportfolio, Markus Molitor hatte frühzeitig trotz aller logistischen Herausforderungen den Weg nach vorn gewählt und sich wertvollen Besitz an namhaften Lagen verstreut über die ganze Mosel (und Saar) gesichert. Der Start begann als 20 Jähriger 1984 im elterlichen Weingut relativ bescheiden, heute ist er durch sein Können, Fleiß und auch Risikobereitschaft  ein berühmter Topwinzer mit ca. 50 Hektar Lagenbesitz geworden.

 

 

Molitor

Drei MM-Auslesen

 

 

Die Lage Ürziger Würzgarten schauten wir uns später mit der Gruppe noch genauer an, am Würzgarten bricht rote Erde aus dem Wittlicher Tal an der Mosel hervor. Das gibt es an der Mosel wohl nur zwei Mal. Die feinherbe Riesling Auslese** 2013 von Markus Molitor erscheint goldgelb und füllig, ist aber in Nase und Mund extrem schlank, fein und elegant. Würzige Kräuternoten, Pfirsich und nasser Stein, wunderbar süffig und ausgependelt, langanhaltender würziger Abgang, schöne Überraschung und ein ganz eigenständiger Wein.

 

 

Ürzig

Ürziger Würzgarten

 

 

Die ebenfalls goldgelbe Riesling Auslese** 2013 aus dem Erdener Treppchen deutlich süßer und fülliger, mit erst versteckter, dann aber sehr angriffslustiger Säure ausgestattet. Ein wirklich toller Wein, hoch bewertet, aber ich habe aus der Flasche an mehreren Tagen nachprobiert, Käse dazu gegessen, die Säure blieb krass, für mich in dem kein Zustand kein Genuss. Hier hilft nur eine sehr lange Lagerung im Weinkeller, um die Komponenten im Wein weiter zu harmonisieren.

 

 

Erden

Erdener Treppchen

 

 

Sehr schön die Riesling Auslese** 2012 Saarburger Rausch, etwas blassere goldgelbe Farbe, fantastische Nase nach Pfirsich, Mandarine, Kräuter und Tee, im Mund opulente süße Frucht, die von der Säure in Schach gehalten wird, dadurch schlank und elegant wirkend.  Der Abgang lang und trotz Süße ein Sieg für die rassige Säure, die mit vermischter Würzigkeit die Oberhand behält. Finde den Wein sehr gelungen, unbedingt noch Jahre weglegen und lagern, die Säure ist zur Zeit auch hier nichts für schwache Nerven.

 

 

Saarburg

Saarburger Rausch

 

 

Auf dem Rückweg stieg dann ein Hüne (über 2 Meter groß!) mit seinem kleinen Sohn direkt aus den Weinbergen kommend in den Bus zu. Martin Kerpen (Weingut Kerpen) war an Bord und wir besuchten mit ihm seine wunderschöne Jugendstil-Villa in Wehlen, in der der Sohn erst mal eine Hausführung mit uns machte und dabei zu großer Form auflief. Martin Kerpen besitzt ca. 8 Hektar auf der anderen Moselseite, darunter Besitz an der weltberühmten Wehlener Sonnenuhr. Er ist auch Vorsitzender vom Bernkasteler Ring, der ältesten Weinversteigerungs-Winzergemeinschaft (Gründungsdatum 29. April 1899) mit aktuell 35 Mitgliedern (u.a. auch Weingut Markus Molitor).

 

 

Wehlen

Wehlener Sonnenuhr

 

 

Die hellgelbe Riesling Spätlese 2020 Wehlener Sonnenuhr mit erdig-mineralischen Tönen und Apfel in der Nase, im Mund etwas Fruchtsüße in Verbindung mit Zitrusnoten, Pfirsich und einer lebhaften Säure, die zur Zeit noch dominant im Abgang ist. Schöner Wein, aber unbedingt noch lagern.

Die Auslese** 2017 aus dem Bernkasteler Bratenhöfchen fließt dicht goldgelb ins Glas, hat ein tolles Bukett nach Pfirsichen, Aprikosen und Honig, im Mund wunderbare Fruchtsüße und deutliche Säure, im Mund wechseln sich Eindrücke von Honig und Grapefruit ab, Säure behält beim langen Abgang noch die Überhand, wunderbarer Wein aber er gehört noch Jahre in den Keller.

 

 

Wehlen

Zwei schöne frische und fruchtsüße Rieslinge vom Weingut Kerpen.

 

 

Weiter ging es zur Ruwer, wo uns Dr. Carl-Ferdinand von Schubert etwas verspätet und in Eile sportlich aus seinem Jeep begrüßte und bei der Vollbremsung kleine weiße Steinchen über den Hof fliegen ließ. Das Anwesen ist eine wunderschöne eigene Welt und besitzt mit Abtsberg, Herrenberg und Bruderberg drei unterschiedliche Terroirs, die sich in Mikroklima, Bodenbeschaffenheit und Hangneigung deutlich unterscheiden. In guten Jahren kann hier großartiges entstehen. Auch die Kellerwelt absolut sehenswert. Ein großer Klassiker am Flüsschen Ruwer, das etwa 2 km später in die Mosel fließt. Auch hier war ich gespannt, wie neuere Jahrgänge schmecken würden.

 

 

Ruwer

Riesling Maximin Grünhaus

 

 

Die 2017er Riesling Spätlese „Abtsberg“ ein Favorit von mir, blasses Gelb, in der Nase Apfel, Zitrusfrüchte, Pfirsich, im Mund sehr feinfruchtig, ganz leichte Honignote, unterlegt mit feiner Säure, langer Abgang mit Mineraltönen. Wunderbar leicht und frisch, trotzdem mit Tiefe, toller Wein!

Die 2018er Auslese Nr. 89 aus dem Abtsberg ging mir dagegen zu sehr in die Karamell-Richtung, das entspricht einfach nicht meinem Geschmack. Wer möchte, kann sich gerne die Superlativ-Beschreibung bei einem bekannten Bremer Weinhändler durchlesen, 98 von 100 Punkten, was hilft das alles?, habe verblüfft festgestellt, dass bei der über eine DIN A4-Seite gehenden Bewertung nicht einmal das Wort Karamell fällt, dafür „die in feinem Honig kandierte Zitrusfrucht“ oder „feines Salz und Schieferwürze“. Ich hätte es lieber knapper und deutlicher, wie schon geschrieben, nicht mein Wein. Aber probiert selbst!

 

 

Saarburg

Menüfolge mit den damals verkosteten Weinen

 

 

Auf der Weiterfahrt zu einem Restaurant an der Saar (Hotel-Villa Keller) dann die Nachricht, dass irgendein weiteres Weingut abgesagt hätte, wir nun dafür aber das Weingut Egon Müller – Scharzhof besuchen würden. Ich konnte mein Glück kaum fassen, denn ich wusste schon damals, dass Egon Müller sensationelle rest- und edelsüsse Rieslinge produziert, die auf den VDP-Versteigerungen Rekordpreise erzielten. Das Vergnügen war aber nur von kurzer Dauer, weil wir den Bus nicht verlassen durften und nur einen Blick auf das schöne Weingut mit der dahinterliegenden Toplage Scharzhofberg werfen konnten. Das wirkte alles sehr aristokratisch und versnobt, es ist allerdings auch nur die eine Seite des Scharzhofs. Später im Restaurant tauchte Egon Müller dann nämlich plötzlich auf und präsentierte fantastische Prädikatsweine (Spätlesen und Auslesen) zum Menu.

 

 

Scharzhofberg

Berühmte Auslese aus dem Scharzhofberg von Egon Müller!

 

 

Die blassgelbe 2018er Riesling Auslese Scharzhofberger vom Weingut Egon Müller duftet nach Apfel und Pfirsich, im Mund dann deutliche Süße exotischer Früchte, fein unterlegte Säure und eine Mineralspur, schön langer Abgang mit deutlicher Süße. Finde die Auslese schon gelungen, hätte aber bei dem exorbitanten Preis mehr Finesse, Spiel und Zug erwartet.

 

Am nächsten Morgen wirkte die Gruppe beim Frühstück doch etwas angeschlagen und gerädert, es war wirklich ein extremer Vortag gewesen und Reiseleiter Götz Drewitz versprach, die Besuche auf Weingütern etwas einzuschränken. Dafür sollte es einen Besuch in Bernkastel-Kues und Besichtigungen weiterer interessanter Lagen geben. Gestartet wurde aber mit einem Besuch im Nachbarort von Mülheim, Brauneberg wurde angefahren und es ging zu Fuß über asphaltierte Wirtschaftswege in Richtung Brauneberger Juffer. Dort standen plötzlich Verkostungstische an einem aussichtsreichen Platz und es gab die ersten Weine vom Weingut Fritz Haag zu verkosten . Der freundliche Besitzer Wilhelm Haag beantwortete geduldig alle Fragen, Sohn Thomas Haag hatte als ehemaliger Kellermeister und Betriebsleiter von Schloss Lieser 1997 den Betrieb tatsächlich erwerben können und war mit gewaltiger Aufbauarbeit beschäftigt, Sohn Oliver sollte dagegen zukünftig in den elterlichen Betrieb einsteigen. Auch meine Frage, warum denn das Weingut den Zusatz Dusemonder Hof trüge, wurde beantwortet: Dusemond war der alte Ortsname von Brauneberg und wies schon damals auf die fantastischen Bedingungen der Weinberge hin: lateinisch mons dulcis, süßer Berg! Das Weingut ist berühmt für seine Konstanz, hier finden sich vom Guts-Riesling bis zu den Weinen aus den VDP.Grosse Lagen überdurchschnittlich viele Treffer. Wilhelm Haag ist dieses Jahr (2021) leider mit 83 Jahren verstorben.

 

 

Brauneberg

Zwei feine Kracher aus zwei großen Brauneberger Lagen.

 

 

Spannende Riesling Spätlese 2018 aus der VDP. Grosse Lage (Brauneberger) Juffer, hellgelb, geheimnisvolle Nase mit steinigen Noten, Grapefruit und etwas Blüten, im Mund schon wunderbar ausgewogen, fein und frisch, Süße und Säure haben angefangen sich zu verbinden, sehr elegant, im Abgang tauchen leichte Karamellnoten auf, die immer wieder versuchen, gegen die zitrischen Noten anzukämpfen, auch mineralische Töne, unbedingt noch lagern, ein schöner Schatz!

 

Eine wunderschöne Riesling Auslese 2019 aus der VDP.Grosse Lage (Brauneberger) Juffer Sonnenuhr: strahlendes Gelb, in der Nase Birne, exotische Früchte und ein Hauch Mineralik, im Mund ein unglaublich feines Süß–Säure-Spiel,  schon recht harmonisch, sehr schmelzig und süffig, wunderbar frische und schlanke Auslese, im Abgang treffen Grapefruit, Honig und etwas Würze aufeinander, macht schon großen Spaß und bietet großes Potential für die Zukunft. Nicht nur eine große Lage, sondern auch eine große Empfehlung, Oliver Haag ist ein würdiger Nachfolger und ein weiterer Topwinzer in der Familie Haag!

 

 

Weinspruch

Der Winzer ist ein großer Faktor!

 

 

Dann ein unvergesslicher Moment der Reise, Götz Drewitz wollte den Besuch des nächsten Weingutes ankündigen, doch der ganze Bus rief „Pause“ und „Feierabend“, so ging es ins benachbarte Städtchen Bernkastel-Kues und ich konnte einen Teilnehmer dort glücklich machen, der unbedingt seiner Mutter den berühmten Wein Bernkastler Doctor mitbringen wollte und bisher noch nicht fündig wurde. Im Weinkeller des Cusanus-Stiftes dann ein Treffer, ich staunte wieder über die breite Auswahl an Moselweinen in den Gewölben.

 

 

Bernkastel-Kues

Bernkasteler Graben, hinter dem Weinbergshäuschen beginnt der Doktor!

 

 

Die Reise war kein Kindergeburtstag und nach einer steilen Klettertour im Ürziger Würzgarten ging es weiter Richtung Leiwen, wir sollten da jemand abholen und mit zu unserem Abschiedsessen ins Restaurant unseres Hotels nehmen. Bei unserer Ankunft stand dieser Jemand allerdings noch in voller Arbeitsmontur in seinem Weingutskeller und pumpte mal schnell eben was für einen Winzerkollegen um,  der sympathische Tausendsassa Heinz Schmitt in Aktion, einer der Mitbegründer der Leiwener Jungwinzer. Dieses Bild werde ich nie vergessen, genau so wenig wie die Nachricht im schwarzen Moseljahr 2010, dass die Winzer Ulrich Franzen und Heinz Schmitt beide kurz hintereinander in Mosel-Steillagen mit Fahrzeugen tödlich verunglückt sind. Da zeigte die liebliche Mosella mal ein ganz anderes Gesicht, Respekt für alle Steillagen-Winzer, die sich bei aller schweren Arbeit täglich auch einem lebensgefährlichen Risiko aussetzen. Seit diesen schockierenden Nachrichten sehe ich auch noch mal die Flachland-Winzer mit ihren Vollerntern mit ganz anderen Augen. Silvi, die Frau von Heinz Schmitt, konnte mit Hilfe des treuen Kellermeisters Erich Clüsserath und anderer Winzerkollegen das Weingut solange weiterführen, bis Sohn Carlo in den Betrieb einsteigen konnte.

 

 

Leiwen

Alte Schätze und die Zukunft: Weingut Carlo Schmitt.

 

 

Back to the roots, fast 85 Jahre alte Riesling-Rebstöcke im Neumagener Rosengarten bilden nun die spektakuläre Basis für das neu aufgestellte Weingut Carlo Schmitt, viele zugepachtete Flächen in Top-Lagen der alten Mosel-Weinkarte wurden abgegeben, die Rebfläche sank von 22 auf 2 Hektar. Die Fläche im Rosengarten konnte noch von Heinz Schmitt selbst erworben werden, Carlo fühlt sich diesen alten Rebzeilen besonders verbunden. Irgendwo in der Nähe thront der Uhu. Die 2018er Auslese hat mir sehr gut gefallen, helles Gelb, in der Nase Birne, erdige Noten und Kräuterwürze, im Mund ein Hauch Karamell, zurückhaltende Süße und frische Säure, schönes Spiel, schmelziger Abgang.

Spektakuläre 2007er Beerenauslese aus dem Schweicher Annaberg, honiggelbe Farbe, intensiver Duft nach exotischen Früchten, Honig und Kräutern, im Mund überraschend fein, Mandarine, Honig und Würze, wunderschön unterlegt mit Säure, langer Nachhall, absolut begeisternder Süßwein!

Der 1998er Eiswein aus dem Leiwener Klostergarten mit unfassbarer Farbe, intensives bernsteinfarben mit orangenen und bräunlichen Reflexen, in der Nase Orangenzesten, Kräuterwürze und Mineralik, im Mund durch immer noch quicklebendige Säure überraschend schlank, Mandarine, Kräuter und im Hintergrund auftauchende Süße, sehr elegant und zurückhaltend, auch im Abgang sehr frisch und säurebetont, eine ganz eigene Erfahrung.

 

 

 

Mülheim

Letzter Abend im Ballsaal Weinromantikhotel Richtershof

 

 

Das große Finale im Restaurant „Ballsaal“ des Hotels Richtershof mit Reiseleiter Götz Drewitz, der netten Weingruppe und vielen Winzern wie Wilhelm Haag, Martin Kerpen, Heinz Schmitt und Überraschungsgast Thomas Haag von Schloss Lieser, es wurde noch mal ganz groß aufgetischt und ausgeschenkt.

 

 

Lieser

Sensationeller Kellerfund!

 

 

Obwohl die Moselreise nun schon so lange her ist, spuken mir immer noch viele Bilder im Kopf herum, vieles habe ich echt nicht vergessen, ein großartiger Impuls für meine Weinleidenschaft, zum Abschluss noch ein sensationeller Kellerfund: eine Riesling Auslese 2011 Lange Goldkapsel Niederberger Helden vom damaligen Überraschungsgast Thomas Haag von Schloss Lieser. Goldener Nektar, zähflüssig, wunderschöne Nase mit Aromen nach Honig, Orangenzesten, Pfirsich. Melone und Ananas, im Mund wunderbar füllig und dicht, Honig, Rosinen, Mandarine, grandioses Süß-Säure-Spiel, Mineraltöne, extrem langer Abgang, ganz großer Wein, ich hätte blind eine Beerenauslese vermutet, fantastisch!

 

Und noch letzte Gedanken zu den frucht- und edelsüßen Rieslingen von der Mosel. Hier ist nicht die Süße das Problem, die Säure des Rieslings ist manchmal zu heftig, hier hilft dann nur lange Lagerzeit. Habe schon selbst sehr oft erlebt, dass diese wunderbaren Weine in Weinläden in Deutschland von Verkäufern wie Sauerbier angeboten werden („Vorsicht, der ist aber lieblich!“). Durch den dauernden und hirnrissigen Verweis auf einen weit zurückliegenden Weinskandal (mit dem 99% aller Weingüter in Deutschland nichts zu tun hatten) diskreditiert man die aufregendsten und stärksten Weine und sorgt dafür, dass das Ausland dankend zum Zuge kommt. Vielleicht wissen nächste Weintrinker-Generationen diese Weine wieder mehr zu schätzen.

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Zwei Wochen Urlaub in Kappeln an der Schlei, da war für den Weinschank nichts dabei (oder?)…

 

 

Kappeln

Das war Urlaub pur: exotische Getränke und Sitzmöbel!

 

 

Nach den besonders ausufernden Proben für die letzten beiden blog-Beiträge hatte ich mir fest vorgenommen, im Urlaub mal etwas kürzer zu treten und das Thema Wein in den Hintergrund zu schieben. Da kam es mir ganz gelegen, dass das eigentliche Urlaubsziel (Amalfi-Küste in Kampanien, Süditalien) in den Corona-Wirren durch Kappeln an der Schlei in Schleswig-Holstein ersetzt wurde. Eine erste Recherche auf den Weinkarten der Restaurants vor Ort ließ mich dabei sehr zuversichtlich werden, Kappeln an der Schlei?, da ist für den Weinschank doch nichts dabei! Etwas Sorge machten mir dagegen auf der Hinfahrt die drei Übernachtungen in einem Hotel in Hamburg in der Nähe vom Isemarkt in Harvestehude, in den Altbau-Vierteln wimmelte es nur so von Weinläden, Weinbars und Restaurants mit guten Weinkarten, da war totale Selbstdisziplin angesagt! Am ersten Abend gab es ein familiäres Treffen in der „Ufer Restaurant Weinbar“ am Isebekkanal und ich musste eine erste Ausnahme machen, ein alter Bekannter aus dem blog als brandneuer Jahrgang 2020 war zu haben, der Auxerrois (Rebsorte) vom Weingut Klumpp aus dem Kraichgau (Baden), da konnte ich nicht widerstehen.

 

 

Auxerrois

Auxerrois 2020, Weingut Klumpp, Kraichgau, Baden

 

 

Gute Wahl, kam bei meinen beiden Spezis gleichmäßig gut an, was ja schon mal das Wichtigste ist. Strahlende gelbe Farbe, Bläschenbildung im Glas. In der Nase Aprikose und Kräuter, am Gaumen schön fruchtig, feine und milde Säure, sehr frisch und schmelzig, im Abgang eine mineralische Würze. Sehr guter und süffiger Wein, der richtig Spaß machte und perfekt den Urlaub einläutete. Solche Weine wie der 2020er hier von Klumpp schaffen es vielleicht sogar, den Kraichgau zur Auxerrois-Spezialregion in Deutschland zu machen, ich drücke die Daumen!

 

 

Alster

Lautloser Gleiter: der Ü70 Vierer mit Steuermann!

 

 

In den Altbauvierteln rund um die Außenalster, Kanälen und an der Alster selber ist es herrlich, man staunt über die Gebäude, die Gastronomie am Wasser und das Licht, was für eine Lebensqualität in Hamburg! Kaum hat man das für sich positiv abgespeichert, liest man in der Zeitung, dass die Anwohner vom Lärm auf dem Wasser in der Nacht im Sommer schlaflos bleiben, verrückt werden und ultrastrenge Regeln fordern, wer überhaupt noch die verzweigte Wasserlandschaft betreten bzw. befahren darf.    Wir waren natürlich völlig unschuldig und zu  dritt am nächsten Tag auf Fahrradtour an der Alster entlang Richtung Quelle unterwegs, tolle Tour zum Entspannen und alles viel weiter als gedacht, wir schafften es statt zur Quelle nur bis zum Gasthaus Quellenhof im NSG Rodenbeker Quellental (immerhin auch eine Quelle!), dann  ging es nach Stärkung mit Tempo zurück, unser family-guide kannte zum Glück den Weg durch die Innen(Alster)-Stadt, immer cool, wenn Großstädte in die Fahrradweg-Infrastruktur investieren. Aber liegt Hamburg wirklich an der Alster? Ja, auch, aber es war Zeit für die Elbe und es ging am nächsten Tag auf die Süllberg-Terrassen in Blankenese, tolle Aussicht, tolles Essen und dazu ein toller Chenin Blanc aus Südafrika.

 

 

Blankenese

Ausblick Süllberg-Terrassen auf die Elbe in Blankenese

 

 

Blankenese

Gutes Team: Chenin Blanc 2020 von Beaumont aus Südafrika und leckerer Fisch.

 

 

Bot River

Chenin Blanc 2020, Beaumont Family Wines, Bot River, Walker Bay

 

 

Ein 2020er Chenin Blanc vom Weingut Beaumont Family Wines aus dem  Küsten-District Walker Bay (975 Hektar) und der Unterregion Bot River. Hier denkt man sofort an frische Meeresbrise und Cool-Climate-Weine. Blassgelbe Farbe, in der Nase reife Birne und Honigmelone, im Mund dann sehr schlank und frische Säure, Ananas und Limette, im Hintergrund eine ganz leichte herbe Note und auch mineralische Eindrücke. Bei aller Jugendlichkeit schon sehr gut trinkbar, toller Essensbegleiter zum Fisch, hat mir sehr gut gefallen.

1994 verließen die Eltern Jayne und Raoul Beaumont die lokale Kooperative und füllten eigene Weine ab, Sohn Sebastian hat sich mittlerweile einen sehr guten Ruf für außergewöhnliche Chenin blancs erarbeitet. Das Motto „Elegance Over Power“ trifft beim probierten Wein voll zu.

Wunderbarer Zufallstreffer, ein großes Lob auch an das Restaurant unter Leitung vom Sterne-Koch Karl-Heinz Hauser, hier wird sich nicht auf die tolle location verlassen, sondern man setzt voll auf Qualität! Aber von diesen Wein-Zufällen wollte ich ja unabhängig sein und hatte deshalb sechs Flaschen von zuhause mit in den Urlaub genommen.

 

 

Kappeln

Fischräucherei Föh seit 1911

 

 

Und dann Ankunft in Kappeln an der Schlei, Ferienwohnung in einem kleinen Haus direkt neben der traditionsreichen Fischräucherei Föh mit den berühmten Fischbrötchen (gingen weg wie die Leberkäs-Brötchen von Max Liebold in Bamberg!). Was mich an der schönen und gemütlichen Wohnung im Häuschen besonders begeisterte, war das kleine eingebaute Flaschenregal, das ich schnell mit meinen mitgebrachten Flaschen auffüllte, ich wollte mich ja im Urlaub nur auf eine klitzekleine Themenweinprobe beschränken und hatte sogar dazu noch zwei Weine in  Hamburger Weinläden gefunden.

 

 

Kappeln

Sollte in keiner FW fehlen, ein fest eingebautes Weinregal!

 

 

Bevor es an die Probe ging, stellte sich nach einer Niete beim zweiten Restaurantbesuch in Kappeln auch noch ein Treffer ein. Völlig unerwartet tauchte ein hochklassiger Silvaner 2019 Frickenhäuser Kapellenberg VDP.Erste Lage auf der Weinkarte auf, VDP-Weingut Bickel-Stumpf aus Frickenhausen am Main. Den hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm und ich musste ihn unbedingt probieren, das sind immer die schönsten und unvergesslichsten Momente: blassgoldene Farbe, in der Nase betörender Birnenduft, etwas Honig und Graphitnoten, im Mund Grapefruit- und Apfelaromen, frische Säure, cremig und schmelzig, toller Trinkzug, dazu eine ganz feine herbe Note, im Abgang dann mineralisch-würzig, dazu ein superfeines Dorschfilet, ich saß da wie ein Gorilla im Nebel!, was für ein Wein (reiht sich mühelos in die Gruppe meiner Silvaner-Siegerschankweine ein (Suchfunktion benutzen!)) und auch tolles Essen im Pierspeicher in Kappeln, hätte ich doch vorher besser mal den Mund gehalten, toller Abend in Kappeln an der Schlei!

 

 

Frickenhausen

Silvaner 2019, VDP.Erste Lage Kapellenberg, Weingut Bickel-Stumpf, Frickenhausen am Main, Franken

 

 

Und nach langer Einführung nun endlich die Auflösung, ich wollte meine gesammelten Chablis-Bestände im Urlaub testen. Chablis gehört weintechnisch zum Burgund, ist aber nicht mit der restlichen Region verbunden und man spricht daher von einer Satelliten-Appellation. Als einer dieser Kimmeridge-Boden hotspots, die in Frankreich an verschiedenen Stellen an die Oberfläche treten (Loire, Chablis, Champagne), ist das Chablis berühmt für seine feinen, mineralischen Chardonnays. Eine über Jahrzehnte bewährte Chablis-Qualitätspyramide mit vier Appellationen (Petit Chablis AOC, Chablis AOC, Chablis Premier Cru AOC und Chablis Grand Cru AOC) sorgt für den Qualitätsrahmen, die Weine genießen weltweit einen hervorragenden Ruf. Besonders die Grand Cru-Lagen, die weiß rund um das gleichnamige Dorf Chablis durch die grünen Rebzeilen leuchten, sind teilweise unbezahlbar geworden und tauchen in dieser Probe nicht auf. Ich war trotzdem auf die Probe gespannt!, was sollte da eigentlich schief gehen?

 

 

Chablis

Mittelalter,  Chablis Jahrgänge 2015/2016!

 

 

Eine ganze Menge, bei den aufgerufenen Preisen sind Weinfehler besonders ärgerlich und traurig! Auf jeden Fall der Chablis 2015 Premier Cru Fourchaume von Gerard Trembly mit heftiger Salmiaknote und der Chablis 2015 Vent d’Ange von der Domaine Pattes Loup mit laktischen (Milch-) Noten, sehr schade, vielleicht hat ja schon mal jemand diese Weine (Jahrgang 2015!) probiert und kann für Rehabilitation sorgen, dann gerne einen Kommentar schreiben! Was für ein Albtraum-Start in die Probe, jetzt sollte aber etwas von den beiden restlichen Chablis kommen!

 

 

Chablis

Chablis 2015 Premier Cru Les Vaudevey, Domaine Julien Brocard

 

 

Und es kam was: goldgelbe Farbe, in der Nase deutliche Vanille- und Karamelltöne, benötigte viel Luft, um unter der betörenden Vanilleschicht weitere komplexe Duftaromen freizusetzen,  später dann auch Apfel, florale Töne und Mineralien, im Mund sehr wuchtig und voll, buttrig, klar erkennbarer angeholzter Chardonnay aus dem Burgund mit einem würzigen Abgang. Kann man so machen, muss man aber nicht! Die Frage ist, ob man ein einzigartiges Terroir mit besonderen Lagen wie z.B. auch „Les Vaudevey“ mit starkem Holzeinsatz bearbeiten sollte. Holz frisst Säure und macht den Chardonnay so herrlich fett und schmelzig, die Liebhaber solcher Weine werden jubeln,  aber die Gefahr ist immer, dass die eigentlichen feinen Nuancen und besonderen Aromen durch die Bearbeitung übertüncht werden und nicht mehr wahrnehmbar sind. Hier wollte man für mich zu viel, ich verstehe schon, dass man sich bei dem Namen „Chablis Premier Cru“ und der damit verbundenen Preisstruktur im Zugzwang sieht, aber diese Art verbinde ich nicht mit dem Namen Chablis und bevorzuge sie auch nicht. Aber wie seht Ihr das?

 

 

Chablis

Chablis 2016, Les Grands Terroirs, Samuel Billaud,

 

 

Und auch bei der nächsten Flache großes Rätselraten, der Chablis zwar trinkbar, aber völlig ohne Charme und irgendwie ausgezehrt. Nicht, dass wir uns missverstehen, die Primärfrucht verschwindet im Laufe der Jahre, was völlig normal ist, aber statt stärker durchkommender Sekundär- und Tertiäraromen, verharrt der Wein in einem spröden und belanglosen Zustand. Ist das Trinkfenster geschlossen (wie ein geschätzter Instagram-Kollege es immer beschreibt)? Oder vielleicht doch ein Weinfehler? Kann man etwas ableiten, dass mich keiner der Chablis aus den Jahrgängen 2015/2016 überzeugen konnte? Sehr schwierig bei Einzelflaschen-Verkostung, da bin ich alleine überfordert, auch noch in Schockstarre und sehr vorsichtig, da muss zusätzliche Expertise her, erwarte hoffentlich hier oder bei Instagram Kommentare, die vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

 

 

Wagram

Grüner Veltliner 2017, Ried Fumberg, Weingut Soellner, Gösing, Wagram, Austria

 

 

Trübe Gedanken wurden gleich beim nächsten Restaurantbesuch in der benachbarten, winzigen und sehr schönen Stadt Arnis an der Schlei weggeblasen: großartiges Essen auf der Außenterrasse des Restaurants Specht und interessante und mutige Weinkarte mit auch gereiften Weinen. Der Grüne Veltliner 2017 Ried Fumberg vom Weingut Soellner am Wagram hat mich sofort eingenommen und begeistert, schöner Duft von Apfel, Birne, Blüten und etwas Pfeffer, im Mund überraschend voll und kräftig, aber mit schönem Schmelz, süffiger Struktur und einem würzig mineralischen Abgang! Habe mich zuhause auf die Suche gemacht und den 2017er nicht bekommen, aber dafür den 2019er gefunden und bin ebenfalls begeistert! Ich liebe das Reisen, wenn es solche Weintreffer gibt, bin auf weitere Weine vom Weinmacher Toni Soellner gespannt, auch noch alles Bio, der Weinschank zollt schon Dank! Restaurant und Weingut unbedingt probierenswert!

Leider gab es auch ein paar gastronomische Unstimmigkeiten und Enttäuschungen im Urlaub, eigentlich hatte ich das ja erwartet, aber es blieben zum Glück nur Ausnahmen: ob man z.B. in einem sonst sehr guten Fisch-Restaurant einen Mosel-Riesling Kabinett (zugegebenermaßen sehr gut, ab Weingut 8 Euro) für 36 Euro verkaufen muss, ist eine rhetorische Frage! Der Wein überzeugte trotzdem mit schönen Pfirsich-Aromen, einer schönen Säure und einem langen würzigen Abgang. Toller Begleiter zum Fisch!

 

 

Kinheim

Riesling Kabinett feinherb Alte Reben 2018, Weingut Ames, Kinheim, Mosel

 

 

Auch der Weinhandel vor Ort glänzte nicht unbedingt, der Rose-Champagner war ungenießbar und der Barolo 2011 Riserva (stilvoll im Strandkorb probiert!) sehr gewöhnlich. Dafür gab es auf dem Markt in Kappeln feine griechische Spezialitäten und in Arnis besonderen Gin.

 

 

Bürgstadt

Spätburgunder Tradition 2019, Weingut Fürst, Bürgstadt, Franken

 

 

Und der Spätburgunder Tradition (mittlerweile Jahrgang 2019) vom Weingut Fürst aus Bürgstadt (in einem Weinladen in Hamburg erworben!) enttäuscht scheinbar nie, 2017, 2018 und nun eben auch 2019 spitze: sehr helles, transparentes Rot, in der Nase rote Beeren, etwas Kirsche und Rauch, im Mund Sauerkirsche, wirkt leicht und kühl, feine Herbe, sanfte Tannine, noch etwas zu jugendliche, ungezügelte Säure, schöne Länge mit einem würzig-pfeffrigen Abgang, wieder super gemacht und tolles PLV, Glückwunsch zu solchen „Basisweinen“, die Visitenkarte und das Eingangstor in die faszinierende Burgunderwelt des Weingutes Fürst!

 

 

Chablis

Junges Gemüse: Chablis-Jahrgänge 2018 und 2019!

 

 

Und nun noch die jugendlichen Chablis-Jahrgänge, der erste Wein sofort mein großer Favorit, Chablis 2018 von Billaud-Simon: blassgelbe Farbe und beim Geruch und Geschmack ein Wechselspiel zwischen Zitrusnoten und Mineralität, dazu sehr schmelzig und frisch, gut integrierte, nicht zu heftige Säure und lang im Abgang. So stelle ich mir einen idealtypischen Chablis vor, ruht in sich selbst und ist schon jugendlich sehr gut zu genießen und ein guter Essensbegleiter. Top!

Das Weingut Billaud-Simon ist ein großer Klassiker im Chablis mit wertvollen Lagenbesitz (mit jeweils vier Grand Cru- und Premier Cru-Lagen). Bei aller Tradition ist man aber mit der Zeit gegangen, der neue Kellerbau 1991 eröffnete noch mal neue Möglichkeiten und  der Erfolg und klassische Stil von Bernard Billaud und seinem Neffen Samuel gipfelte 2014 im Verkauf des Weingutes an die Domaine Faiveley. Hier hat man frühzeitig versichert, den Stil des Hauses konsequent weiterzuführen,

 

 

Chablis

Chablis 2018, Domaine Billaud-Simon

 

 

Nach einer Niete dann der Premier Cru Fourchaume 2018 von der Genossenschaft La Chablisienne. Zum Glück war nur das Gewicht der Flasche übertrieben, der Inhalt sehr frisch und fein, in der Nase Zitrus, Apfel und florale Noten, benötigt Luft und entwickelt dann im Mund neben Frucht und Honigtönen seine mineralische Rallye bei dezenter Säure, hocheleganter Wein mit schöner Länge, wunderbar! Auch gerne als Essensbegleiter!

Hochgelobte Genossenschaft (Gründungsjahr 1921), soll schon mit dem Basiswein Petit Chablis regelmäßig überzeugen und einen ebenfalls schlanken und mineralischen Stil pflegen. Der PC Fourchaume 2018 bestätigt meiner Meinung nach die Vorschußlorbeeren. Unbedingt die Augen nach Weinen von La Chablisienne offen halten.

 

 

Chablis

Ins Netz gegangen: Chablis 2018 Premier Cru Fourchaume von La Chablisienne

 

 

Zum Abschluss noch ein mustergültiger Vertreter für alle Liebhaber des sehr mineralischen Chablis-Stils oder die, die Mineralität im Wein leugnen: in der Nase noch Zitrusnoten, Apfel, Pfirsich und Kräuter vorherrschend, gibt es im Mund eine kreidig-kalkige Explosion, dabei verblüffend gut ausbalancierte Säure und mit gutem Körper ausgestattet, langer Abgang, straff, elegant und mineralisch, wunderschöner Wein, unbedingt mit Meeresfrüchten oder Fisch testen, super!

Die Domaine Alain Gautheron gehört zum Verband der unabhängigen, französischen Winzer und ist einer dieser relativ unbekannten Stars. Aufhalten kann diese Winzer nur der Klimawandel, immer früherer Austrieb der Reben verbunden mit Wetterextremen (z.B. Frost und Hagel) haben 2021 für heftige Ernteausfälle gesorgt. Leugner des Klimawandels sollten mal die immer stärker auftretenden Probleme des Weinbaus beobachten, hier zeigt sich die verhängnisvolle Entwicklung schon ganz deutlich. Auch die Flut-Katastrophe an der Ahr gehört leider in diese Reihe.

 

 

Chablis

Chablis 2019 Premier Cru l’Homme Mort, Domaine Gautheron

 

 

Am Abschiedsabend ging es noch mal ins Lieblingsrestaurant unseres Urlaubes, Speisewirtschaft Specht in Arnis, und ich riskierte mal einen gereiften Sauvignon blanc 2014 vom Weingut Weedenborn: meine Freundin war sofort raus und bestellte sich sofort ein Glas Riesling nach, ich muss sagen, das sind mir die liebsten Weine, so ganz für mich allein: blassgelbe Farbe mit grünlichen Reflexen, in der Nase nur ein Hauch von Gras und Stachelbeere, im Mund sehr trocken und karg, aber noch deutlich lebendig und von Mineralität geprägt, voller Abgang, noch etwas Säure, schöner Essensbegleiter, erinnerte mich stark an einen mineralischen Sancerre, mochte ich sehr!

 

 

Monzernheim

Sauvignon blanc 2014, Terra Rossa, Westhofen, Weingut Weedenborn, Monzernheim, Rheinhessen

 

Fazit: endlich spielte der Wein im Urlaub mal nicht die Hauptrolle!

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Stark verzögerte Saisoneröffnung: leuchtende Rosé-Probe!

 

 

Rosé-Probe

Unglaublich vielfältiges Rosé-Angebot: Münster leuchtet!

 

 

Es war bis in den Anfang des Mais richtig kalt, in Frankreich hat der Frost trotz riesigen Einsatzes der Winzer wahrscheinlich 50% der Traubenernte 2021 vernichtet (in manchen Regionen sogar bis zu 80%), im Weinanbaugebiet Sachsen ging es auch noch mal weit unter Null, Wahnsinn, auf der einen Seite treiben die Reben immer früher aus (und sind dann besonders empfindlich!), auf der anderen Seite häufen sich Wetterkapriolen mit heftigem Frost und Hagelschlag, keine gute Kombination, eine Katastrophe für die Winzer! Aber immerhin verzögert sich durch die Kälte die Garten- bzw. Balkonsaison und ich werde mit diesem Beitrag über Roséweine mal nicht wie sonst üblich Monate zu spät dran sein! Wie man sieht, ist die Auswahl zum Thema Rosé in den Weinläden gigantisch, jeder Geschenkartikel-Laden verkauft heute Wein, aber welcher Rosé hat wirklich Potential und kann es in die Siegerschankwein-Liste schaffen?, immerhin habe ich in den letzten Jahren einige wunderbare Roséweine gefunden. Das Niveau und die Klasse nachfolgend abgebildeter Weine muss erst mal erreicht bzw. im Bestfall überboten werden.

 

 

Rosé

Alle bisherigen Siegerschankweine Rosé

 

 

Die Rosé-Stile sind sehr verschieden, in der Vergangenheit bildeten bis jetzt die  mineralischen Vertreter des Sancerre- und des Rhone-Rosés und auf der anderen Seite der kräftige Rosé nach der Saignée-Methode aus Österreich und der Rosé aus Baden die positiven Extreme. Dazwischen fruchtig verspielte Rosés aus der Provence, vom westlichen Gardaseeufer und Portugal, dazu ein spannungsgeladener Rosé von der Ahr.

 

 

Rosé

Die drei französischen Gralswächter: Sancerre Rosé von Fournier, Provence Rosé von Rimauresq und Rhone Rosé von Caillou.

 

 

Rosé

Die neuen französischen Rosé-Bewerber leuchten auch bei Regen.

 

 

Rosé

Domaine de Pellehaut, Harmonie de Gascogne Rosé 2020

 

 

Fast wäre mir dieser tolle Rosé 2020 Domaine de Pellehaut der Familie Béraut aus der Gascogne durch die Lappen gegangen. In meiner Nachbarschaft in Münster wird Unmengen an Gummibärchen-Gletscherbonbon Wein aus der Gascogne und der Rebsorte Colombard verkauft und ich hatte schon einmal das zweifelhafte  Vergnügen, diese übertriebenen Weine probieren zu dürfen. Seitdem habe ich immer einen großen Bogen um Gascogne-Weine gemacht. Aber hier habe ich der Expertise des scheinbar verlässlichen Weinhändlers aus Mettmann vertraut und zugegriffen: Cuvee aus fünf Rotweinrebsorten, Merlot, Tannat, Cabernet, Malbec und Syrah. Und der Zusatz auf dem Etikett „Harmonie de Gascogne“ stimmt, hier kommt was tolles für ganz kleines Geld ins Glas: kupferfarbend, in der Nase Zitrusfrüchte und Blüten, im Mund köstliche üppige Frucht, die perfekt von der Säure in Schach gehalten wird. Sehr süffig, keinerlei Bitternoten, leicht würziger Abgang, für mich ein wunderbarer Volltreffer und eine echte Empfehlung für die hoffentlich bald anstehende Rosé-Garten-Grillsaison!

Die Brüder Martin und Mathieu Béraut besitzen mittlerweile 550 Hektar (davon 250 Hektar mit Reben bepflanzt) in der Bas-Armagnac, Gascogne, und können auf eine Familienweinbautradition bis 1750 zurückblicken. Nach diesem Rosé (IGP Cotes de Gascogne) bin ich schon sehr auf weitere Weine aus ihrem Sortiment gespannt. Toller Einstieg ins Thema, toller Rosé der Domaine de Pellehaut!

 

 

Rosé

Domaine de la Verrière, Rosé 2020, Ventoux AOP

 

 

Von der Farbe ist der Rosé 2020 von der Domaine de la Verrière ein völlig anderer Wein als sein Vorgänger, sehr hell und blass, in der Nase dann aber auch Ähnlichkeiten, Blüten und Zitrusaromen, im Mund frische Säure, Grapefruit und ein schöner und langer Abgang mit mineralischen Noten. Gefällt mir ebenfalls richtig gut, dürfte sich aber erst im nächsten Jahr in Topform befinden!

Das Weingut in Goult (im Naturpark Luberon gelegen), das als Gebäude eine Vergangenheit als  Glasbrennerei hat, wurde 1969 von der Familie Maubert übernommen. Der heutige Besitzer Jacques Maubert erzeugt auf ca. 26 Hektar Weine von ockerfarbenen Sand- und Tonkalkböden unter den Appellationsvorschriften der AOP Ventoux. Für den Rosé 2020 hat er die Rebsorten Grenache, Cinsault und Mourvedre verwendet. Auch hier bin ich sehr gespannt auf das restliche Sortiment. Chapeau!

 

 

Rosé

Chateau Fontvert Rosé 2020, Luberon

 

 

Im schönen Dorf Lourmarin erzeugt die Familie Monod auf 20 Hektar Bio-Weine nach den Appellationsvorschriften der AOP Luberon mit Demeter- Zertifizierung. Der Chateau Fontvert Rosé 2020 besteht aus 75% Grenache, 15% Mourvedre und 10% Cinsault.

Erinnert in der Farbe eher an einen Weißwein, in der Nase Pfirsich und  weiße Blüten, im Mund dann eine feine und deutliche Anisnote, etwas Grapefruit und ein mineralisch langer Abgang. Ein ganz toller Wein, der schönes Potential z.B. bei der Kombination mit fantasiereichen Salaten, feinen Fischgerichten oder Käseplatten in der Gastronomie bieten sollte.

 

 

Rosé

Rosé 2020, Domaine la Suffrene, Bandol AOC

 

 

Eigentlich wollte ich aus Zeitgründen schon längst beim nächsten Land sein, aber Frankreich bietet scheinbar auch beim Rosé eine unglaubliche Konstanz der Qualität und auch dieser Bandol Rosé AOC glänzt und funkelt nicht nur nur durch seine lachsfarbende Farbe. Tolle Nase nach roten Beeren, Blumen und Gewürznoten. Im Mund dann ein harmonischer Auftritt von Frucht und Mineralität, voll, aber trotzdem elegant und vielschichtig, dazu ein langer Abgang mit ultrafeiner Bitternote. Bis zu diesem Zeitpunkt mein großer Favorit, nach Auflösung dann aber auch klar: kein Schnäppchen! Für mich trotzdem gutes PLV, ein sehr interessanter und wunderbar trinkbarer Wein, den ich auf jeden Fall nachbestellen werde! Ich war sehr gespannt auf die Macher!

Da ist Senior Fortuné Piche, der sich kurz nach der Manifestierung der Appellation Bandol im Jahre 1941 für den Weinbau als Haupterwerbszweig in der wunderschönen Landschaft nahe am Mittelmeer entschied. Hier schlummerte auch für Roséweine ein riesiges Potential an alten Mourvedre-, Cinsault-, Grenache- und Carignan-Rebstöcken auf steinigen Sand-, Kalk- und Lehmböden, aussichtsreich (Mittelmeer) und hoch gelegen. Trotzdem lag bis 1995 scheinbar alles im Dornröschenschlaf, man war zufrieden, die hochwertigen Trauben verschwanden bei der Genossenschaft. Erst die Rückkehr des Enkels Cedric Gravier aus Marseille zum Großvater voller Ideen, Tatendrang und Kenntnis des riesigen Potentials, führte zu der großen Initialzündung. Zusammen mit dem hochbegabten Kellermeister Damien Dupret und großen Investitionen in ein neues Kellereigebäude wurde ab 1996 der Weg in die Selbstständigkeit eingeschlagen, man ist mittlerweile bei 55 Hektar, wohl auch bei Rot- und Weißweinen eine echte Hausnummer und wird ab 2021 biozertifziert sein.

 

 

Rosé

Meine bisherige deutsch/österreichische Referenz: Rosè von Klumpp, Meyer-Näkel und Umathum!

 

 

Rosé

Die deutschen Rosé-Bewerber

 

 

Schiersteiner Hölle

Spätburgunder Weissherbst 2019, Schiersteiner Hölle, Weingut Meilinger, Rheingau

 

 

Das Weingut Meilinger aus Wiesbaden-Schierstein (Rheingau) steht hier stellvertretend für die tausenden unbekannten Weingüter in Deutschland, die wahre Edelsteine in ihren Sortimenten versteckt haben. Aber wer will sich da  überall durchverkosten und dann zwischen den Nieten den großen Schatz finden? Das kann zur Tortur werden und deshalb bin ich immer froh, wenn andere Weintrinker schon eine erste Vorauswahl getroffen haben. In diesem Fall strahlte uns der Spätburgunder Weissherbst Schiersteiner Hölle 2019 halbtrocken beim Betreten unser Ferienwohnung als Begrüßungsgeschenk unser netten Gastgeber an.

 Die Flasche wirkt in vielen Belangen ein wenig hausbacken und aus der Zeit gefallen, das Etikett, der Begriff Weissherbst, die Silbermedaille und zum Glück auch der fantastisch niedrige Preis! Ein echter Glückstreffer, lachsfarbend, in der Nase Erdbeere und Himbeeren, im Mund süße Frucht, die durch Säure und einen Bitterton in Schach gehalten wird, sehr süffig und leicht, ein echter Spaßmacher!

 

 

VDP.Ortswein Burkheimer

Spätburgunder Rosé 2019, VDP.Ortswein Burkheimer, Weingut Bercher, Baden

 

 

Martin und Arne Bercher führen Ihr 25 Hektar VDP-Weingut in Burkheim (Kaiserstuhl, Baden) mittlerweile in der 10. Generation und konnten mich schon mit mehreren Weißweinen überzeugen. Treffer in Restaurants, auf der ProWein 2019 und in einem meiner Lieblingsweinläden in Solingen. Da war ich natürlich auch auf den Spätburgunder Rosé 2019 VDP.Ortswein Burkheimer gespannt. Und tatsächlich, souveräner Einzug in den blog, die Liste der Bercher-Weine hier wird immer länger.

Der Ortswein (VDP.Qualitätspyramide) Spätburgunder Rosé 2019 von Vuilkanverwitterungsböden zeigt sich in schöner und leuchtender himbeerroter Farbe. In der Nase Quitte, Himbeere und etwas Mandel, im Mund viel Frucht, gut eingebundene Säure, elegant und frisch, guter Nachhall.

 

 

Bechtheim

Rosé 2020, Ökonomierat Johann Geil Erben, Bechtheim, Rheinhessen

 

 

Für mich eine große positive Überraschung der Rosé 2020 trocken vom Weingut Ökonomierat Johann Geil Erben aus Bechtheim (Rheinhessen). Auf 32 Hektar erzeugen das Ehepaar Karl und Monika Geil-Bierschenk unterstützt vom talentierten Sohn Johannes (Geisenheim-Absolvent) ein breites Sorten-Spektrum. Ein Glückstreffer, der auch wieder Lust macht, sich das restliche Sortiment mal genauer anzusehen.

Der 2020er Rosé (eine Cuvée aus Spätburgunder, St. Laurent und Merlot) mit kupferbrauner Farbe, einem herrlichen Geruch nach Erd- und Himbeeren in der Nase, am Gaumen sehr saftig fruchtig, harmonisch eingebundene Säure, im langen Abgang mineralische und kräuterige Noten.  Kam aus dem Nichts und überzeugte mich sehr,  wunderbar trinkfertiger Wein für den nun hoffentlich anbrechenden Sommer!

 

 

Chiaretto

Italienische und portugiesischer Kellerwächter!

 

 

Rosè

Alle wollen in meinen blog: Bewerber aus Italien, Kroatien und Portugal!

 

 

 

Cerasuolo

Cerasuolo d’Abruzzo 2020, Cantina Zaccagnini, Abruzzen

 

 

Eine erst 1978 gegründete Kellerei in den Abruzzen, die Cantina Zaccagnini, die sich sehr schnell vergrößern konnte und mittlerweile auf 150 Hektar und einen jährlichen Ausstoß von ca. 1,2 Millionen Weinen angewachsen ist. Wenn man bei aller Quantität die Qualität wie beim kirschroten Cerasuolo d’Abruzzo 2020 (aus 100% Montepulciano) so halten kann, dann dürfte man noch einiges von dem Betrieb hören. Nettes „Trattoria“-Etikett und ein am Flaschenhals befestigtes Rebholzstückchen können mich als Blindverkoster erst ganz zum Schluß begeistern. Aber der Wein überzeugt bei der Probe durch Erdbeer- und Melonenduft und bleibt trotz sehr intensiver Farbe dann im Mund wunderbar harmonisch, erwartete übertriebene Gummibärchen-Aromen erweisen sich zum Glück als Fantasievorstellung, die schöne Frucht wird durch Säure in perfekter Harmonie gehalten, sehr süffig, toller Wein für leichte Speisen auf Terrasse, Balkon, im Garten oder am See.

 

 

Apulien

Rosato Negramaro 2019, Cantina Rosa del Golfo, Salento IGP, Apulien

 

 

Eine Entdeckung meiner Apulien-Reise aus dem Jahre 2000 und nun plötzlich genau wie der Cerasuolo d’Abruzzo in Münster in der Nachbarschaft (Aegidiistr.) erhältlich, da war ich natürlich neugierig und musste zugreifen. Die südlichste Region Apuliens, das Salento, bildet den „Absatz des italienischen Stiefels“ und besitzt eine vielfältige Landschaft mit den berühmten Trulli, nie weit entfernten schönen Stränden, Tropfsteinhöhlen und malerischen Städtchen mit großartiger Gastronomie wie Gallipoli, Ostuni oder Lecce, um nur einige zu nennen. Weit südlich der Sandsteinstadt Lecce führt mittlerweile Damiano Caló das traditionsreiche Weingut Rosa del Golfo. Der Vater, Mino Caló, kreierte in den 60er Jahren einen Rosè aus der traditionellen apulischen Rebsorte Negramaro (Negroamaro) von eisenhaltigen Lehm-Kalkböden nach der Saignée-Methode, der so erfolgreich wurde, dass man kurzerhand das Weingut nach seinem erfolgreichsten Wein unbenannte: Cantina Rosa del Golfo!

Der 2019er überzeugt durch eine schöne Nase nach Rosenduft, Beeren und Kirschen, im Mund schöne Harmonie der Komponenten Frucht, Frische, Säure und leichter Bitternote. Schöner Abgang mit etwas Würze. Sehr gelungener Wein, den ich vor 21 Jahren ein oder zwei Mal im Urlaub in der Bullenhitze Apuliens probiert habe und den ich damals schon sehr mochte.

 

 

Serra da Estrela

Vinho Rosé 2018, Antonio Madeira, Dao, Portugal

 

 

Kräftiger Rosé aus ca 15 verschiedenen Rebsorten, der mit dem Aufeinandertreffen von Frucht und ungewöhnlich deutlicher Mineralität spielt. In der Nase dominieren noch Beeren und Orange, im Mund wird die Frucht dann aber von der intensiven, geheimnisvollen Mineralität (Stein) zurückgedrängt, dabei spürbare Säure, feine Tannine, langer Abgang. Erfolgreich zu Pastrami/Roastbeef getestet. Ungewöhnlicher und faszinierender Wein, schöne Entdeckung aus Dao, einer ehemals berühmten, nun aber etwas durch den Aufstieg anderer portugiesischer Weinregionen in Vergessenheit geratenener Hotspot. Riesiges autochthones Rebsortenpotential auf hochgelegenen Granithängen im Gebirge Serra da Estrela. Daumen drücken, dass diese paradiesische Spielwiese für Winzer erhalten bleibt und nicht durch EU-Aushauprämien zerstört und gleichgeschaltet wird. Antonio Madeira konnte nach Wanderjahren und Topausbildung in Frankreich eben im elterlichen Betrieb auf diese ca. 50 Jahre alten gemischten Sätze zurückgreifen. Das Ergebnis ist für mich absolut begeisternd. A saude!

 

 

Teran

Rosé 2019, Weingut Fakin, Motovun, Istrien, Kroatien

 

 

Aus Istrien (Kroatien) kommt dieser hochelegante Rosé aus 100% Teran (Rebsorte) vom Weingut Fakin. Lachsrosa Farbe, in der Nase Erd- und Himbeere, florale Düfte, im Mund dann wunderbar ausgependelt zwischen Frucht und Mineralität, superelegant und mit schöner Länge. Winzer Marko Fakin aus dem wunderschönen Motovun (Hügelstädtchen) hat mich schon mit seinem großartigen 2018er Weißwein Malvazija Istarska verblüfft und überzeugt, mag scheinbar seinen Stil und auf jeden Fall auch seinen Rosé, das Motto „Fakin, good wines!“ kann ich mal wieder voll bestätigen.

 

 

Terrano

Rosé XTRIAN 2019. Weingut Veralda, Buje, Istrien, Kroatien

 

 

 

Noch ein Rosé aus Istrien, Luciano Visintin vom Weingut Veralda aus Buje ist der Pionier und der erste Winzer, der ab 2008 einen Rosé nur aus Teran-Trauben hergestellt hat. Der 2019er von Mergelböden ist sehr gelungen, in der Nase Beeren und florale Düfte, im Mund richtig volle Frucht, Erdbeere, Himbeere und Kirsche, dezente Säure, schöner Nachhall. Toller üppiger Sommerwein, pur sehr gut genießbar, aber auch gut vorstellbar zur leichten, mediterranen Küche.

 

Fazit:

 

Spektakulär zum vierjährigen Bestehen des blogs im Mai 2021 keinen Beitrag veröffentlicht, das Thema Rosé ist mir echt über den Kopf gewachsen, musste die Notbremse ziehen und konnte aus Zeitgründen keine Rosé-Weine mehr aus Österreich verkosten, auch spannende Exoten (z.B. aus Moldawien!) und auch wieder Übersee blieben komplett auf der Strecke! Hatte extrem viel mit dem Rest zu tun, habe jeden Rosé-Wein so gut ich konnte „objektiv subjektiv“ geprüft, gegen die benchmark-Weine verglichen und nach Ausgewogenheit, Trinkfluß und Typizität bewertet. Ich empfehle ausdrücklich alle neu aufgenommenen Rosé-Siegerschankweine, freue mich aber auch über jeden Kommentar, zu den nicht berücksichtigten Weinen. Manchmal waren auch echte Härtefälle dabei. Nach dieser Mammutprobe bin ich nun urlaubsreif, werde die Proben wieder viel kleiner anlegen müssen. Schaut trotzdem mal ab und zu  rein, Ideen und Themen habe ich noch genug. Bis später, Weinschank Peter!

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Über 27 Jahre her: meine erste Rotweinprobe!

 

 

Leider liegen die genauen Anfänge meiner Weinleidenschaft in den 90er Jahren schon zu weit zurück, ich habe vieles vergessen: das ist tragisch aber auch komisch, konnte ich mir doch damals schon mühelos zu jeder verkosteten und für gut befundenen Flasche die wichtigsten Infos vom Etikett merken und dann im Selbststudium vertiefen (dafür benutzte man früher noch Bücher!). Ich war begeistert von der unglaublichen Vielfalt, den geographischen Einordnungen und den verschiedenen Sprachen und Regelungen. Ein totaler Informationsüberfluss!, alles so bunt und fremd, ich wollte alle Infos nur aufsaugen, dabei spielte die eigentliche Weinverkostung aber lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Das sollte sich ändern, als ich einen Tipp von einem damaligen Kollegen bekam, dass man im Gewerbegebiet Indupark in Dortmund-Oespel ohne Ende Wein für lau probieren könnte. Schnell stand ich auf der Matte, Weinland-Keiler präsentierte in einer Lagerhalle im rauhen Hochregallager-Style Weine aus aller Welt und man konnte in jedem Gang ca. 5 Weine verkosten und mit vielen Leuten ins Gespräch kommen. Ein weiteres Faszinosum, Weintrinker wollen sich (normalerweise) immer austauschen und gegenseitig helfen, ich genoss es sehr, mit so vielen unterschiedlichen Weinfans ins Gespräch zu kommen. Da waren der Familienvater, der 12 Flaschen spanischen Castillo Ygay Gran Reserva kaufte (auch damals schon zu DM-Zeiten (Deutsche Mark) ein kostspieliges Vergnügen!)  und der ambitionierte Hobbykoch, der den Verkäufer anraunzte, weil er sich den Braten versaut hatte, da er den  teuren empfohlenen Barolo in die Sauce gekippt hatte. Und dann kam auch ganz schnell  der Tipp, einmal im Monat oben im 1. Geschoss große Themenprobe, die ganz großen Weine der Welt für kleines Geld probieren. Nächstes anstehendes Probe-Thema: Toskana!

 

 

San Gimignano

In der Toskana bei San Gimignano

 

 

Da war ich natürlich gespannt und begeistert, hatte ich bis dahin ausnahmslos italienische Weine für kleines Geld probiert. Man musste eine Wertkarte kaufen und je nach Wein wurden Felder zu 2, 4, 6 oder 12 Mark für eine Minipfütze abgestrichen. Die Toskana war damals schwer in Mode, die Veranstaltung deshalb auch total überfüllt, es gab schon einen Rückstau von Käufern an der Kasse, die kistenweise Wein abtransportierten. Ich kann mich noch an einige der damaligen Weine erinnern und möchte nun hier nach ca. 27 Jahren mit aktuellen Jahrgängen die Probe nachstellen.

 

 

Weinprobe

Toskana-Weinprobe: damals wie heute begeisternd und beeindruckend?

 

 

Die Supertuscans waren die großen Stars der Probe! Sündhaft teure Tropfen, die an den Appellationsvorschriften berühmter Toskana-Weine wie Brunello di Montalcino DOCG, Chianti Classico DOCG oder Vino Nobile di Montepulciano DOCG (alle mit Hauptbestandteil Rebsorte Sangiovese) vorbei erzeugt wurden. Man verwendete plötzlich statt Sangiovese in der Toskana angebaute ausländische Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und noch viele weitere und setzte den Barriqueausbau ein. Die Pioniere in der Erzeugung der Supertoskaner waren die Weingüter Antinori (mit Tignanello und Solaia), Frescobaldi (mit Ornellaia und Masseto) und Incisa della Rocchetta (mit Sassicaia). Der gewaltige Erfolg mit den astronomisch hohen Flaschenpreisen (damals ca. 100 Mark) führte zu einer Revolution. Gesetzlich wurden diese Luxusweine zwar unterhalb der DOCG-Richtlinien als IGT-Weine abgestuft. Aber immer mehr Weingüter führten Supertoskaner ein und damit stand dann preislich ein IGT-Wein im Bordeaux-Stil an der Spitze fast jedes Toskana-Weingut-Sortiments. Deshalb fand ich es faszinierend, dass auf der Probe auch ein Supertoskaner aus 100% Sangiovese angeboten werden sollte, die Antwort auf den Bordeaux-Rebsorten Boom. Weingutsgründer Sergio Manetti von der Societa Agricola Montvertine wollte in dem kleinen Ort Montvertine bei Radda beweisen, dass man auch aus Sangiovese Weltklasseweine in der Toskana keltern konnte. Le Pergole Torte, schon von den jährlich wechselnden Etiketten des Künstlers Manfredi unverwechselbar, auf der Probe aber leider bei meinem Erscheinen tatsächlich schon ausgetrunken! Vielleicht hatte das im Rückblick auch etwas Gutes, keine verfälschten Erinnerungen und ich kann mir nun nach über 27 Jahren einen Traum erfüllen und einen Le Pergole Torte öffnen.

 

 

Le Pergole Torte

Ob durch die Probe meine leicht eingerostete Toskana-Weinbegeisterung zurückkehrt?

 

Le Pergole Torte im Dekanter!

 

 

Ich höre schon wieder das Geschrei bei Instagram, wenn ich obiges Bild hochladen werde: wie kann man so einen jungen (Jahrgang 2017) und extrem hochpreisigen Wein öffnen?, der totale Wahnsinn, wegen seiner Jugendlichkeit beraubt man sich doch eines Großteils des Genusses. Was hat der Weinschank zu seiner Verteidigung zu sagen?: ich hätte auch gern dem vierjährigen Mozart beim Klavierspiel zugehört, ich wollte den Kauf solch einer Flasche bei einem meiner Lieblingsweinhändler tätigen (da gab es nur diesen Jahrgang!) und nicht noch mehr Geld in die Rachen der stummen Internetweinhändler werfen, außerdem kann man auch bei so einer Wahnsinnstat schon einiges erkennen:

1. Gefällt mir die Farbe des Weins? Ja, wunderbar, leuchtendes, funkelndes Rubinrot, von  der Farbe ein echter Edelstein!

2. Gefällt mir der Duft des Weins? Ja, sehr intensiv und typisch Sangiovese, Amarenakirsche und Pflaume, ganz leichte pflanzliche Noten und Tabak, strömt schon aus dem Dekanter in die noch entfernte Nase, großartig!

3. Gefällt mir der Geschmack? Ja, aber hier kommt der Knackpunkt, die riesigen Anlagen eines großen Weines sind da, tolle Konzentration, tolle Frucht, frische Säure,  leichte Bitternote, geschliffene Tannine, hier geht es in Zukunft noch mehr Richtung Eleganz, Feinheit und Seidigkeit, schon jetzt begleitet von einem unendlich langen Abgang, aber es wird eben noch viel mehr gehen, ganz bestimmt!

4.Gefällt mir der Preis? Nein, aber das war ja klar! Aber bessere Frage, werde ich den Le Pergole Torte nachkaufen? Bin noch unentschlossen, ich verfüge nicht über die besten Lagermöglichkeiten, aber man sollte den Wein noch mal in 5 Jahren mit Freunden probieren, hoffentlich lässt das die Corona-Pandemie dann zu.

 

 

Toskana

Toskana

 

 

Lest mal etwas über das spannende Leben des gemäßigten Demokraten Barone Bettino Ricasoli in unruhigen Zeiten in der Toskana im 19. Jahrhundert. Das Land am Apennin (das spätere Italien) war damals in mehrere Unabhängigkeitskriege gegen die Habsburger Herrschaft verwickelt und irgendwann zog sich Ricasoli vollständig aus seinen politischen Ämtern auf den schönen Familiensitz Castello di Brolio zurück. Hier blieb er nicht lange untätig und entwickelte dass für viele italienische Winzergenerationen prägende „Chianti-Rezept“. Hauptbestandteil im Chianti sollte die edle Rebsorte Sangiovese sein, Beimischung von Canaiolo nero und etwas weißer Malvasia wurde erlaubt. Diese sich in Jahrzehnten lang als zuverlässig herausstellenden Regeln wurden in der Neuzeit immer mehr untergraben, es entstanden neben der eigentlichen Chianti-Kernzone „Chianti-Classico“ weitere Chianti-Anbauzonen und der Aufbau des Chianti-Wein als fast reine Exportmarke begann. Leider wurde unter dem weitgefassten Namen „Chianti“ mit sogenannten Fiasco-Flaschen und viel Masse statt Klasse das Ansehen der Sangiovese-Rebsorte nachhaltig beschädigt. Erst mit dem Erscheinen der Supertoskaner und den ausländischen Rebsorten begann wieder ein Umdenken und die Appellationen Chianti Classico DOCG, Chianti Rufina DOCG und andere versuchten verlorenes Renommee zurückzugewinnen. Bis heute habe ich das Gefühl, dass man auf den Weltmärkten zwar Weine aus der Toskana liebt, aber dabei den Sangiovese-Anteil und eigentlichen Stil nicht schätzt. Gerade auch Chianti Classico wirkte und wirkt auf mich wie ein Chameleon, ein Wein der hundert Spielarten.

 

 

Chianti Classico Riserva

Chianti Classico Riserva 2017, Castello di Brolio, Barone Ricasoli

 

 

 

Chianti Classico Riserva vom Castello di Brolio, Barone Ricasoli, damals eine echte Hausnummer, wunderbare Erinnerungen, auch an den späteren Toskana-Besuch vor Ort und auch noch später an mehrere eindrucksvolle Begegnungen in italienischen Restaurants in Düsseldorf. Aber was würde  wohl der Jahrgang 2017 bringen?: leider für mich nur große Ratlosigkeit, zwar schöne rubinrote Farbe mit Transparenz zum Rand hin, aber in der Nase deutliche pflanzliche Noten, dazu Holz und Brei, im Mund sehr kühl, dazu Würze und rustikale Säure, überhaupt nicht mein Chianti-Stil! Auch als Essensbegleiter besserte sich die Lage nur wenig, bei mir schon echte Verzweifelung, wenn die nostalgischen Hochgefühle in sich zusammenstürzen. 80% Sangiovese, Zugabe von 15% Merlot und 5% Cabernet Sauvignon.

 

 

Chianti Classico Riserva

Chianti Classico Riserva 2017, Castello di Monsanto

 

 

An das Etikett des von Fabrizio Bianchi 1961 gegründeten Weingutes Castello di Monsanto auf der Probe kann ich mich noch gut erinnern. Beim Verkosten des Supertoskaners Nemo des Weingutes entfuhr einem Besucher der Ausruf „Boah, der riecht ja wie Omas Regentonne!“ Das kann man vom Chianti Classico Riserva 2017 vom Castello di Monsanto nicht behaupten, der transparent rubinrote Wein riecht herrlich nach Kirschen, etwas Pfeifentabak und Vanille, er wirkt durch die schöne Frucht im Mund sehr leicht, verspielt und süffig, eine sehr unkomplizierte Riserva, mit etwas Belüftung zeigen sich dann auch mineralische Noten, mir gefällt der feine und traditionelle Stil sehr (90% Sangiovese, 10% Canaiolo und Colorino)! Als reiner Exportwein (ca. 98% des Chianti Classico gehen ins Ausland, Italiener trinken ihn also schon lange nicht mehr und sind auf Morellino di Scansano umgestiegen, bis auch der zu teuer wurde!) wird es der Wein aber sehr schwer haben, im Ausland will man auch beim Chianti Classico hohe Alkoholwerte, Kraft und Parker-Stierblut im Glas haben.

 

 

Chianti Classico

Chianti Classico Riserva 2017, Castellare di Chianti

 

 

 

Der schwarze Hahn (Gallo nero) ist das Wappentier für Chianti Classico, auch wenn man bei den auffälligen Etiketten von Castellare di Castellina auf andere Vögel kommen könnte. In der Nähe von Castellina in der Herzzone des Chianti Classico werden auf 24 Hektar berühmte Weine erzeugt. Der Chianti Classico Riserva 2017 bezaubert mit strahlend leuchtendem Rubinrot und einem sehr komplexen Duft nach Süßkirschen, Beeren, Tabak und etwas Pfeffer. Im Mund dann neben Himbeertönen eine etwas ungestüme Säure, würzig und kühl wirkend, etwas Schokolade, ein leicht herber Abgang. 95% Sangiovese und 5% Canaiolo, benötigt noch dringend Ruhezeit zur weiteren Harmonisierung, noch lagern.

 

 

Chianti Clasico DOCG

Chianti Classico 2017, Castello dei Rampolla

 

 

Ein sehr dunkler Chianti Classico 2017 aus der berühmten Conca D’Oro, einer herrlichen Talsenke unterhalb des Ortes Panzano mit  ganz besonderen Böden (kalkhaltige Tonböden und verwitterter Sandstein), in der einige berühmte Chianti Classico-Erzeuger Besitz haben. Duft nach Pflaume und Vanille, im Mund aber sehr kühl und streng, kaum Frucht, dadurch sehr trocken und edel, spürbare Säure, langer Abgang,  ein zuverlässiger Essensbegleiter für viele Speisen. Aber bei mir wollte der Funke nicht überspringen, so einen Wein nennt man wohl modernen Chianti Classico, es ist fast so, als würde man sich für die dunkle Chianti-Vergangenheit schämen und dadurch die helle Farbe und die Kirschfrucht der Sangiovese ausmerzen wollen. Ein seriöser und ernster Wein, aber leider blind für mich nicht als Toskaner zu erkennen, ein Wein mit Identitätsproblem! Die Familie Di Napoli stört das aber bestimmt wenig, ist sie doch mit Supertoskanern wie Sammarco und D’Alceo schon längst weltberühmt geworden.

 

 

Chianti Classico Annata

Chianti Classico Ama 2017, Castello di Ama

 

 

Ein sehr schöner und typischer Chianti Classico DOCG „Ama“ 2017 vom Castello di Ama  mit mittlerweile erlaubten 4% Merlot und 96% Sangiovese. Hätte es nur solche Weine gegeben, dann wäre die ganze Diskussion über Zugabe von ausländischen Rebsorten im Chianti Classico DOCG schnell beendet gewesen. Tolle, transparente rubinrote Farbe, Duft nach Kirschen und Rhabarber, sehr weich und kirschfruchtig im Mund, hochelegant, irgendwo entschärfte Säure und weiche Tannine, Mensch, vor langer Zeit war da mal was, Chianti Classico Lieblingswein, hier ist wieder einer, so lange ist es her, ich könnte heulen!

Castello di Ama ist ein magischer Ort und Weiler, westlich von Gaiole und dem Castello di Meleto im Herzen der Chianti-Region gelegen und wäre auf einem meiner vielen Gewaltmärschen im Chianti fast von mir erreicht worden. In den 60er Jahren von mehreren Familien erworben, doch erst von der 2. Generation um Lorenza Sebasti und dem begnadeten Weinmacher Marco Pallanti ins Rampenlicht der Weinszene geführt. Wenn der „normale“ Chianti Classico schon so meinem Geschmack und Chianti-Ideal entspricht, sollte sich auch ein Blick auf das weitere Sortiment lohnen, der Supertoskaner L’Apparita „natürlich“ ein Merlot, aber es werden aus vier malerischen Talhanglagen (ca. 80 Hektar) weitere interessante Weine im traditionellen Stil mit hohem Sangiovese-Anteil erzeugt.

 

 

Brunello di Montalcino

Brunello di Montalcino 2015, Tenuta CastelGiocondo, Marchesi de Frescobaldi

 

 

Schon damals einer der großen Stars der Probe: Brunello di Montalcino! Der Wein zählt neben Barolo (Piemont) und Amarone (Venetien) zu den drei großen italienischen Rotweinen. Die Marchesi de Frescobaldi  aus Florenz (seit 30 Generationen im Qualitätswein-Geschäft tätig) haben mittlerweile ein wahres Weinimperium aufgebaut, das immer weiter ausgebaut wird. Nach meinen Informationen gehören ihnen mittlerweile 8 Weingüter in ganz Italien (darunter mit Attems nun auch ein traditionelles Gut im Friaul). Tenuta CastelGiocondo  in der südlichen Toskana im aussichtsreichen Ort Montalcino gehört als Brunello-Erzeuger zu den Frescobaldi-Klassikern. Der Jahrgang 2015 ist für mich hier äußerst gut gelungen: der Brunello präsentiert sich mit funkelnder rubinroter Farbe und transparenten Rändern. In der Nase sehr deutlich Kirsche, aber auch Paprika, Leder, Tabak und ein Hauch Pfeffer, im Mund sehr elegant und druckvoll zugleich, viel Beerenfrucht mit perfekt eingebundener Säure, wirkt ausgewogen und endet mit einem feurigen und sehr langen Abgang. Bravo und Respekt, so fantastisch hatte ich Brunello (so nennt man übrigens in Montalcino einen Sangiovese-Klon) früher gar nicht in Erinnerung.

 

 

Vino Nobile di Montepulciano

Vino Nobile di Montepulciano 2016, Terra della Famiglia, Poliziano

 

 

Damals wie heute leider etwas im Schatten des übermächtigen Brunello stehend (ähnlich wie der Barbaresco beim Barolo): der Vino Nobile di Montepulciano aus dem ebenfalls wunderschönen Ort Montepulciano! Hier hat es Federico Carletti, der Sohn des Weingutsgründer Dino Carletti, in den letzten Jahrzehnten geschafft, Weine aus Prugnolo Gentile (einer lokalen Sangiovese-Spielart) zu erzeugen, die wieder eine echte Konkurrenz zu Chianti Classico und sogar Brunello di Montalcino geworden sind. Aber auch die anderen Weine des Weingutes Poliziano (benannt nach einem in Montepulciano geborenen Renaissance-Lyriker) lassen aufhorchen, mittlerweile bewirtschaftet man 140 Hektar und erzeugt ca. 600 000 Flaschen.

Der Vino Nobile di Montepulciano 2016, Terra della Famiglia, fließt erst sehr dunkel ins Glas, bei kleiner Menge Wein sieht man dann deutliche Transparenz. In der Nase Süßkirsche, Tomate, Leder und etwas Minze, im Mund schöne Beerenfrucht, sehr elegant und schmelzig, feuriger Abgang mit etwas Vanille. Sehr, sehr schöner Wein, hat mir super gefallen. Auch der Test zu Lammfleisch war sehr erfolgreich!

 

 

Bolgheri Superiore DOC

Ornellaia 2017, Bolgheri Superiore DOC, Tenuta dell’Ornellaia, Marchese de Frescobaldi Toskana

 

 

Damals auf der Probe für 12 Mark eine Minipfütze probiert (heute würde die Pfütze wahrscheinlich 48 Euro kosten!) und seltsame Eindrücke abgespeichert: der Ornellaia, ein italienischer Supertoskaner aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und etwas Petit Verdot aus dem Westen der Toskana. In meiner Erinnerung war der Wein erdbeerduftig und sehr leicht, mit deutlicher Süße, damals für mich eine Enttäuschung, aber es war halt auch meine erste Weinprobe, es roch im überfüllten Proberaum nicht nur nach Wein, dazu die Mikromenge, deshalb nach langem Zögern und Überwindung (Sparsamkeit war ein Teil meiner Erziehung!) nach dem Le Pergole Torte die nächste Weininvestition: Ornellaia Jahrgang 2017 für den Weinschank!

 

Vorneweg ein Tipp für Blindverkoster: diese teuren, hochkonzentrierten Weine erkennt man am Geruch, schon beim Dekantieren des dunklen Weines steigt eine unglaubliche Duftwolke empor: neben Kirsche und Brombeere auch etwas Vanille, Eukalyptus, süßer Pfeifentabak, Printen, Rosinen, Schokolade usw., usw., eine Superlative, man bekommt immer wieder neue Eindrücke in die Nase und könnte die Liste immer länger werden lassen, Bravo!, Glückwunsch zu dieser Vielschichtigkeit und Komplexität, das ist große Klasse! Im Mund ebenfalls sehr gut, beerige Frucht gepaart mit geschliffenem Tannin und feiner Säure, schon sehr weich und rund, etwas Würze, extrem langer und feuriger Abgang. Mit 15% Alkohol aber auch hart an der Grenze zur Brandigkeit, hier muss die Zeit noch heilen, auf jeden Fall ein Erlebnis und Urknall, der meine seltsamen 27 Jahre alten Eindrücke hinwegfegt.  Bin genau wie beim Le Pergole Torte beim Thema Nachkauf noch unentschlossen, die beiden Weine ziehen locker in meinen Weinolymp ein und unter die Top5 meiner besten jemals verkosteten Weine! Aber sind deshalb auch solche exorbitanten Preise gerechtfertigt? Kann man über den Preis etwas ableiten? Ist der Le Pergole Torte achtmal besser als der CC Ama, weil achtmal teurer? Ich glaube nicht, da ist was preislich aus dem Ruder gelaufen, das PLV stimmt einfach längst nicht mehr, vom Ama habe ich dagegen sofort nachgeordert. Aber bei solchen Luxusprodukten spielen auch noch andere Faktoren mit, da muss wohl jeder selbst beurteilen, wo er seine Schwerpunkte setzen will.

 

 

Mövenpick Weinland

Rückkehr nach 27 Jahren zum Ort der ersten Rotweinprobe.

 

 

Schon in den 90er Jahren wurde Weinland Keiler übernommen und in Weinland Mövenpick umfirmiert. 2011 dann die Generalrenovierung, aus der Lagerhalle mit dem rauhen Charme wurde ein freundlicher, sehr großer Weinladen mit viel Holzeinsatz. Der Verkostungsplatz wurde fast schwebend in die Mitte der Halle verlegt und ist nun über Treppen von zwei Seiten erreichbar. Der etwas anrüchige Hinterzimmer-Eindruck bei den Proben damit für immer Vergangenheit! Das Sortiment weiterhin großartig vielfältig, ein Paradies, ich wollte es mir einfach machen und mal eben die Weine aus der legendären Probe abgreifen, leider war gerade das Italien-Sortiment im Umbruch und Umbau (natürlich!), ich bekam „nur“ noch Frescobaldi und Poliziano.

 

 

Mövenpick Weinland

Bald mal wieder neue Monatsproben im neuen Ambiente? Zur Zeit Corona-Pause!

 

Mövenpick Weinland

Stairway to heaven!

 

 

Und auch von den vielen einfachen italienischen Weinen, die mir damals so gefallen hatten, war nur noch ein einziger Wein vor Ort, der Chianti (mittlerweile DOCG und Jahrgang 2018) von der Fattoria di Basciano + Renzo Masi, Rufina. Auch heute noch preislich sehr interessant, aber auch trinkbar?

 

 

Chianti

Chianti 2018, Fattoria Basciano + Renzo Masi, Rufina

 

 

Der Wein aus 95% Sangiovese und 5% Colorino sehr dunkel, in der Nase Kirschen und Veilchen, im Mund verblüffend kühl wirkend, Johannisbeere, einfach, aber sehr süffig, vorhandene Säure, leider aber etwas kurz im Abgang. Zu dem Preis wirklich gut. Auch der 2018er wie vor 27 Jahren ein Charmeur und ein Einsteigerwein, unbedingt probieren.

 

Fazit: Die Probe hat mich damals fasziniert und durch die schon vorhandene Italienbegeisterung das Thema Wein weiter befeuert. So ging es dann später zwei Mal für zwei Wochen in die Toskana (Standort Traumstadt Siena!) und auch andere Teile Italiens wurden mit Blick auf Wein bereist, die Begeisterung sollte dann auch auf Weine anderer Länder überspringen und noch mehr Weinreisen nach sich ziehen, dafür verschwanden die Toskana-Weine durch viele Rückschläge in der Gastronomie irgendwann dann wieder ganz aus meinem Fokus. Ich hatte sie in die Schublade „nicht rebsortentypisch“ abgelegt. Sehr gutes Gefühl, nun teilweise solche schönen Weine zu verkosten und sogar einen roten Faden zu finden.Die leicht angerostete Begeisterung ist zurück, werde mich gerne später noch mal dem Thema zuwenden, auch in der Toskana gibt es noch sehr viel zu entdecken.

 

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Mit dem Samba-Express nach Mettmann!

 

Samba

Samba-Express auf neuer Fahrt!

 

 

Mitte Dezember 2020 wurde nach gefühlter mehrjähriger Bauzeit ein fehlendes Teilstück der Bahnlinie S28 fertiggestellt und so gibt es nun eine neue Verbindung von Wuppertal HBF nach Mettmann (und weiter nach Düsseldorf). In Mettmann bin ich zwar schon ohne Zug zwei Mal auf Wein-Entdeckungstour gewesen (beim ersten Mal auf dem schönen Weinfest im historischen Zentrum mit VDP-Weingut Graf von Kanitz (Lorch, Rheingau) und beim zweiten Mal auf großem Weinladen-Orientierungslauf), doch die Busfahrt eher beschwerlich und sehr zeitaufwändig und so blieb es dann leider bei den zwei Besuchen.

 

 

Mettmann

Durchgang zum historischen Zentrum Mettmann.

 

 

Durch die Fertigstellung der neuen Strecke kann ich Mettmann nun aber bequem in zehn Minuten vom berühmten Verkehrsknotenpunkt Wuppertal-Vohwinkel (Voh=Fuchs) erreichen und ich hatte es nicht auf den Weinkeller einer berühmten und überregional agierenden Blondine abgesehen, sondern wollte in Mettmanns berüchtigten wilden Westen.

 

 

Hahnenfurth/Düssel

Aussicht aus dem Zug auf dem neuen Streckenabschnitt.

 

Schöller

Immer neue Ausblicke: Schöller und Tafelberg!

 

 

Dort hatte ich mir schon beim ersten Besuch die Nase am Schaufenster eines geschlossenen Ladens platt gedrückt, aber so kannte ich vom Bahnhof  Mettmann-Zentrum wenigstens den ungefähren Weg und nach telefonischer Voranmeldung betrat ich nach längerem Fußmarsch am Mettmanner Bach eine neue Weinbezugsquelle, immer ein spannender Moment für mich!

Ein sehr netter pensionierter Geschichts- und Französischlehrer frönt seiner Leidenschaft und bereist Frankreich und importiert dabei Weine, die ein besonderes PLV versprechen. Die Weine werden dann in Paletten angeliefert und in den Räumlichkeiten des ehemaligen Schlecker-Marktes verstaut und in Kisten zum Verkauf angeboten, so dass man statt Weinladen doch eher von einem Weinlager sprechen sollte. Ich war sehr froh da zu sein und quetschte mich mit dem Monsieur durch die Gänge, er konnte zu jedem Wein eine Geschichte erzählen und begründen, warum gerade dieser Wein den Weg in die heilige Halle gefunden hatte. Überall klebten Ausschnitte aus Fachzeitschriften und es stapelten sich Kisten über Kisten, der Meister beherrschte das Chaos aber souverän und relativ schnell war mein mitgebrachter 9-er Weinbag gefüllt und ich schleppte die Beute tief beeindruckt und zufrieden zur Haltestelle der S28 zurück.Trotz Kälte stellten sich bei mir aber eher saunaähnliche Effekte ein.

Die Geschmäcker sind verschieden und mich interessieren keine Bewertungen von Fachzeitschriften, Medaillen oder Punkte, die Weine müssen mich blind überzeugen, es zählen Typizität, Ausgewogenheit (Übertreibungen sind mir ein Graus!) und Komplexität, nun wurden die neun Rotweine durchgegurgelt und danach würde ich durch die Trefferquote entscheiden, ob sich noch ein weiterer Besuch lohnen würde.

 

 

Mettmann

Fette Beute nach der ersten Fahrt?

 

 

Pennautier

Instinct Marin 2017, Chateau d’Auzias, Pennautier, Cabardès AOC, Languedoc

 

 

Die Weine wurden in wilder Reihenfolge getestet, nach der ersten Fahrkarte dann auch schon der erste Treffer und gleich so ein Wein, den man möglichst schnell nachkaufen sollte (auch beim späteren Blick auf den Preis!), alleine durch diesen Wein sollte sich schon ein Wiederbesuch des Weinlagers in Mettmann lohnen: in der Nase Amarenakirsche, Bleistift (Graphit) und etwas Pfeffer, im Mund viel Frucht und deutliche Würze, etwas Vanille, sehr fein und rund, schöne Länge und enormer Trinkfluß, toller Wein, der richtig Spaß macht! Nach Auflösung zeigte sich der Instinct Marin 2017 vom Chateau de Auzias aus der Appellation Cabardès  AOC aus der Region Languedoc. Eine Cuvee aus 60% Syrah und 40% Cabernet Franc. Mit 160 Hektar Rebfläche eines der größten privaten Weingüter der Region Languedoc, nördlich der bekannten Stadt Carcassonne gelegen. In der Gegend um Pennautier ist Weinbau schon bis ins 12. Jahrhundert nachgewiesen, die heutigen Besitzer des Chateau de Auzias, Nathalie und Dominique Auzias, können auf das Gründungsjahr 1872 des Weingutes zurückblicken. Glückwunsch für Ihren Wein, bereitet großes Vergnügen!

 

Blaye - Cotes de Bordeaux

Coteaux de Methez 2017, Chateau Haut-Grelot, Cotes de Bordeaux – Blaye AOP

 

 

Ebenfalls „sehr gut“ ein moderat bepreister Bordeaux Haut-Grelot 2017 vom rechten Ufer aus Blaye. Unter der Bezeichnung „Cotes de Bordeaux“ haben sich fünf Appellationen vom rechten Ufer zusammengefunden, um sich gegen das übermächtige linke Ufer und auch die berühmte Konkurrenz vom rechten Ufer (St. Emilion, Pomerol) zu positionieren. Das Weingut ist relativ jung (seit 1920), 62 Hektar Rebfläche, wenn die Besitzer  der 4. Generation so weitermachen, dann wird sich weiterer Erfolg einstellen, so ein Wein in der Gastronomie würde für Furore sorgen: 100 % Merlot, benötigt Luft und eine Anlaufphase, aber dann in der Nase Pflaume, Schoko, Rauch und etwas Vanille, im Mund schöne Beerennote mit Würze, unterlegt mit frischer Säure, mittlerer Körper, die Länge ok, viel Wein fürs Geld!

 

 

Graves de Vayres AOC

Chateau Cantelaudette 2018, J.M. Chatelier, Graves de Vayres AOC, Bordeaux

 

 

Wieder was dazugelernt und ein weiterer Treffer: ein Wein aus der Appellation Graves de Vayres AOC (660 Hektar, 85% Rot) , man könnte jetzt raten und meinen, die Appellation würde direkt neben Graves und Pessac-Leognan in der Nähe der Stadt Bordeaux an der Garonne liegen, aber sie liegt am westlichen Ufer der Dordogne gegenüber der Stadt Libourne. Auch das macht das Thema Wein so faszinierend, man zoomt immer im Entdeckermodus in neue Maßstäbe hinab, im Idealfall bereist man die Gegend dann sogar später, auf jeden Fall fließen Garonne und Dordogne etwas weiter nördlich zusammen und bilden die breite Gironde. Der Wein Prestige rouge 2018 vom Chateau Cantlaudette (55 Hektar) und Besitzer Monsieur  Jean-Michel Chatelier  auch wieder zu 100% aus Merlot.  Sehr typische Nase nach Pflaume und roten Beeren, Nuancen von Tabak und Vanille, im Mund schön voll und schmelzig, Anklänge von Schokolade und Beerenfrucht, moderate Säure, würziger Abgang, eine echte PLV-Granate!

 

 

Cahors AOC

Chateau Lamartine Cuvee Particulaire 2015, Famille Gayraud, Soturac, Cahors AOC (grüne Fläche im Buch)

 

 

Die Appellation Cahors AOC liegt im Weingebiet Süd-West und ist durch ihre dunkeln, manchmal fast schwarzen Weine aus der Rebsorte Malbec mit etwas Tannat oder Merlot-Anteil berühmt. 1971 wurde die AOC-Klassifikation erreicht, der Weinbau in der Gegend geht aber bis in die Zeit der Gallier und Römer zurück. Früher mussten die tanninreichen Weine sehr lange gelagert werden, heute scheinen sie früher trinkreif. Die Cuvee Particuliere 2015 (90% Malbec, 10%Tannat) des Chateau Lamartine (Familie Gayraud)  bietet neben einem Duft nach Beeren, floralen Noten und etwas Vanille einen schönen Trinkfluss durch abgerundete Tannine, einen fruchtigen Körper und einen minzigen und würzigen Abgang. Wirkte auf mich verblüffend elegant, sehr schöner Wein!

 

 

Cotes de Ventoux

Domaine de Fondreche, Ventoux Rouge 2015, südl. Rhone

 

 

Auch ein Treffer an der südlichen Rhone, in der Appellation Ventoux AOC (benannt nach dem 1912 Meter hohen Monte Ventoux). AOC seit 1973. Sebastian Vincentin führt die Domaine de Fondreche in Mazan und arbeitet nach Bio-Leitsätzen. Ausgrabungen bei Mazan belegen Weinbau seit 70 v. Christus. Der Wein ist eine Cuvee aus Grenache, Syrah und Mourvedre und überzeugt mit einem intensiven Duft nach Kirschen, Beeren, Kräutern und Pfeffer und im Mund mit voller Frucht, Würze und einem feurigen Abgang. Dem Winzer ist es eindrucksvoll gelungen, den Wein trotz aller Kraft in Harmonie zu halten und Trinkfluß zu erzeugen. Schöne Entdeckung aus einer Region (südliche Rhone), aus der ich bisher noch gar nichts vorgestellt habe.

 

Zwischenfazit:

Mit dem Chateau d’Auzias einen Lieblingswein gefunden, dazu noch vier weitere sehr gute Weine, der Rest war mir dann aber doch zu alkoholreich. Trotz Belüftung, Essensbegleitung und Nachprobieren am nächsten Tag wollte sich keine Begeisterung bei mir einstellen. Bei fünf Treffern sollte sich aber ein weiterer Besuch in Mettmann dennoch lohnen.

 

 

 

S28

Fette Beute auch bei der 2. Fahrt?

 

 

Cairanne

Le Bois des Denthelles 2019, David Gaugue, Cairanne, Cotes du Rhone AOC

 

 

Ein Volltreffer ist der Cotes-du-Rhone AOC 2019 vom 2 Hektar Mini-Weingut „Le Bois des Dentelles“ des noch jungen Winzers David Gaugue. Er arbeitet eigentlich als Kellermeister für einen namhaften Betrieb, versucht sich aber parallel den Traum vom eigenen Weingut zu erfüllen. Alles noch in der Aufbauphase, deshalb seine Weine zur Zeit nur in kleinen Auflagen erhältlich (ca. 5000 Flaschen vom 2019er).

Der Wein aus 100% Grenache mit rubinroter Farbe und schönem Duft nach schwarzen Früchten, Kaffee und etwas Lakritz. Im Mund eine wunderbare Balance von Kirschfrucht und Würze, üppig, aber nicht schwer, schön unterlegte Säure, guter Trinkfluss, würziger Abgang. Hat mir äußerst gut gefallen, macht neugierig auf den auch produzierten Cotes du Rhone Villages.

 

 

Genissac

Cabernet Franc 2015, Chateau Penin, Genissac, Bordeaux AOC

 

 

Vom Etikett wird bestimmt nicht jeder begeistert sein (es gibt noch fünf ähnliche Blumenmotive in anderer Farbe, eine ganze Serie in einem Jahrgang, innovative Idee), aber der Cabernet Franc 2015 vom Chateau Penin ist untadelig. Chateau Penin (in Besitz der Familie Carteyron) liegt in Genissac westlich der Dordogne und ist wohl für Weine mit gutem PLV aus der untersten Bordelais-Appellation Bordeaux AOC bekannt.

Der Cabernet Franc überzeugt mit schöner Johannisbeer- und Kirschnase, dazu etwas Paprika und erdige Noten, im Mund Himbeere, sanfte Tannine, wirkt kühl, würziger Abgang. Kein schlechter Wein, werde auch ihn nachkaufen und zu griechischer Moussaka (Auberginenauflauf) testen. Ergebnisse dann hier.

 

 

Cotes-du-Roussillon-Villages AOC

Tradition 2016, Domaine Boudau, Rivesaltes, Cotes-du-Roussillon-Villages AOC, Languedoc

 

 

Der Tipp eines Bekannten „Domaine Boudau“  hat mich den Weinhändler in Mettmann erst entdecken lassen (Dank vom Weinschank dafür!), umso schöner, dass mich dann auch gleich der erste probierte Wein des Weingutes überzeugen konnte. Das Geschwisterpaar Veronique und Pierre Boudau aus Rivesaltes (eigentlich bekannt für die langlebigen Süßweine) hat sich trotz starker Konkurrenz in der Region Languedoc seit 1993 und besonders nach Kellerrenovierung 2000, Schritt für Schritt weiter nach vorne gearbeitet. Die typischen Cuvees aus der Appellation Cotes-de-Roussillon-Villages AOC scheinen unwiderstehlich.

So auch der Tradition 2016 (Auflage ca. 20000 Flaschen jährlich), tiefdunkle Farbe, Duft nach schwarzen Johannisbeeren, Schokolade und etwas Vanille, im Mund fleischig und kräftig, aber auch harmonisches Spiel mit Frucht und Würze, leichte Röstaromen, würziger Abgang. Besonders in Kombination mit Fleischgerichten sehr gut vorstellbar. Sehr guter Wein.

 

 

Cotes-du-Rhone-Villages

Visan Truffieres 2018, Domaine Lauribert, Cotes-du-Rhone-Villages AOC, südl. Rhone

 

 

Zum Abschluss noch ein ganz toller Visan Truffieres 2018 von der Domaine des Lauribert. Robert und Marie Sourdon gründeten ihr Weingut 1973, doch erst der heutige Besitzer, Laurent Sourdon, ein begabter Metallkünstler, schaffte es 1997, Unabhängigkeit in Produktion und  Vermarktung  zu erlangen und sich von der Cooperative zu trennen. Seitdem ist die Domaine des Lauribert scheinbar auf einem sehr guten Weg.

Der Visan Truffieres 2018 eine Cuvee aus 80% Syrah und 20% Grenache, ca. 30 000 Flaschen jährlich. Truffieres ist wohl eine Anspielung darauf, dass sich früher Trüffel auf der heutigen Weinhanglage finden ließen.  Tiefdunkle Farbe, Duft nach schwarzen Früchten, Kräutern und Kaffee, im Mund pfeffrige Noten mit dunkler Frucht, vollmundig, weich und harmonisch, guter Körper und langer würziger Abgang. Unglaubliches PLV, großes Staunen, sehr typisch und schon groß in Form!

 

 

Fazit:

 

Das ist nicht mein letzter Besuch beim Monsieur in Mettmann gewesen, allein die drei PLV-Überflieger Visan Truffieres 2018 der Domaine des Lauriberts, der Instinct Marin 2017 der Domaine de Auzias und der Le Bois des Dentelles 2019 von David Gaugue sind die Reise wert. Auch die restlichen vorgestellten Weine mit gutem PLV. Leider war der Cahors Wein Chateau Pineraie 2014 korkig, muss ich noch nachprobieren und hier dann berichten.

Nachtrag:

War wieder in Mettmann und habe sofort eine Ersatzflasche Malbec 2014 Chateau Pineraie bekommen (ein Loblied auf den stationären Weinhandel!). Und rieche da: der Wein präsentierte sich ohne Korkschmecker von seiner wahren und typischen Seite und konnte mich sehr überzeugen. Sehr dunkle Farbe, Duft nach schwarzen Johannisbeeren und Holunder,im Mund sehr kühl wirkend, schöne Beerenfrucht mit Säure hinterlegt, deutliche Minznote, leicht pfeffriger Abgang, sehr schöner Wein. Einfach mal die Rebsorte Malbec probieren, wenn es schmeckt, kann es bis Argentinien gehen.

Chateau Pineraie aber ein klassisches Familienweingut in 5. Generation (Familie Burc et Filles) mit ca. 50 Hektar Besitz an den Hängen des Flusses Lot in der Appellation Cahors, Südwestfrankreich, fast wäre mir das tolle Weingut durch den Korkschmecker durch die Lappen gegangen, kleines Happy-End, freut mich sehr!

 

 

Malbec

Malbec 2014 Chateau Pineraie – wie Phönix aus der Asche!

 

 

Ratlos zurück ließen mich hingegen aber einige sehr alkoholreiche und kräftige Weine, auf der einen Seite möchte ich ja möglichst in Frankreich in jeder Appellation hervorragende Weine vorstellen, auf der anderen Seite komme ich mit bestimmten Stilrichtungen nicht klar, gerade die kräftigen Bordeaux Superieur-Weine und die südlichen Rhone-Weine aus den berühmten Appellationen (wie z.B. Gigondas) machen mir schwer zu schaffen. Für die Beackerung dieser Themen benötigt man viel Toleranz, Vorstellungskraft, was andere Weintrinker im Wein suchen und dann müsste einfach auch mal wieder die ProWein oder eine andere Weinmesse stattfinden. Daumen drücken, dass sich die Zeiten bald wieder normalisieren.

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Rotweine in kleiner Auflage aus Spanien?

 

Als glühender Portugalfan hatte ich lange Zeit ein gestörtes Verhältnis zu Spanien, zu riesig und unübersichtlich, im Gegensatz zum geliebten Portugiesisch eine sehr harte und gewöhnungsbedürftige Sprache und  beim Wein schreckten mich die gigantischen Weinfabriken ab (mehrfache Millionenauflagen sind hier keine Seltenheit!). Volle und lange Regalwände in den Supermärkten mit spanischem Wein, früher viel zu viel Holz im Wein und Knoblauch im Essen, überall stand Gran Reserva drauf, aber fast immer nur Masse statt Klasse! Natürlich auch alles nur Vorurteile und Unwissen, beim Besuch einer meiner Lieblingsweinhändler in Wuppertal habe ich dann die nachfolgende Flasche Rotwein Jahrgang 2015 mit dem Aufdruck „Botella 2129/2689“ gefunden. Sollte es doch kleine und feine Erzeuger in Spanien geben?, meine Neugier war erwacht, es hing nun alles am ersten Wein:

 

 

Ribera Sacra

Azos da Vila 2015, Daterra Viticultores, Laura Lorenzo Dominguez,, Manzaneda, Galizien

 

 

2689 Flaschen einer Cuvee 2015 aus Rebsorten wie Garnacha Tintorea (Grenache), Gran Negro, Mencia und Merenzano aus dem Hinterland Galiziens in Spaniens Nordwesten. Aus ca. 4 Hektar Steillagen mit hohem Granit- und Schieferanteil, die erst sanft und dann steil vom Kleinstädtchen Manzaneda Richtung Tal des Flusses Bibei und seiner Zuflüsse abfallen, erzeugt die noch junge aber schon erfahrene Winzerin Laura Lorenzo Dominguez unter dem Namen Ihres Weingutes Daterra Viticultores den Azos da Villa. Genau der richtige Wein, um mich in die Welt dieser besonderen Rotweine abtauchen zu lassen, nach guter Belüftung schöner Duft nach Himbeere und Kirsche, Graphit (Bleistift), Leder und etwas Pfeffer, im Mund sehr fruchtig (wieder Kirsche) bei mittlerem Körper, weich und elegant, schön eingebundene Säure und sehr gute Länge mit erdigen Noten.  Richtig toller Wein! Die Entdeckungstour konnte also beginnen!

 

 

Ourense

Portela do Vento 2016, Daterra Viticultores, Laura Lorenzo Dominguez, Manzaneda, Galizien

 

 

Auch der Portela do Vento 2016 von Daterra in kleiner Auflage (6052 Flaschen), eine Cuvee aus 90% Mencia und 10% Garnacha von teilweise sehr alten Reben aus 500 Meter Höhe von den granithaltigen Steilhängen der Flüsse Sil und Bibei. Die Appellation in dieser abgelegenen und sehr schönen Gegend in der Provinz Ourense (benannt nach der Provinzhauptstadt) nennt man Ribeira Sacra D.O.. Der Wein aber ohne Appellationsbezeichnung. Im Duft nur verhalten etwas Himbeere, dafür unglaubliche Anklänge an Eisen, Graphit und Lakritz, Thymian, Eukalyptus und Pfeffer, im Mund viel Kühle, balsamisch, wunderbare Würze, wieder wunderbar eingebundene Säure bei sehr guter Länge, diese Weine fordern, machen aber unglaublich viel Spaß und bieten viel Komplexität.

 

 

Rioja DOCa

Escondite del Ardacho, El Abundillano 2018, Tentenublo Wines, Lanciego, Rioja DOCa

 

 

Nun machen wir einen Sprung in die berühmte Rioja: hinter Tentenublo Wines steht der hochveranlagte Winzer Roberto Olivan, von seinem Escondite del Ardacho, El Abundillano 2018, wurden genau 1333 Flaschen von 90 bis 105 Jahre alten Reben erzeugt. Garnacha (Grenache), Tempranillo und etwas Malvasia von sandigen und kalkhaltigen Böden ergeben einen völlig eigenständigen und spannenden Wein, den ich blind niemals in diese Gegend verortet hätte. Unbedingt dekantieren, die Eidechse im Versteck schnappt geradezu nach Luft, ein intensiver Wein mit 15,5% (!!!) Alkohol, der es trotz meiner Bedenken nach stundenlanger Belüftung schafft, eine spektakuläre Kurve vom brandigen MonCherie-Kraftmonster zur finessenreichen, joghurtliebenden Primaballerina hinzubekommen. Spannender und hochkonzentrierter Freakstoff, mit etwas Zeit (nach ca. 7 Stunden im Dekanter, aber vorher lieber noch einige Jahre in der Flasche reifen lassen!) kann man dann der Metamorphose live beiwohnen und immer neue Duft- und Geschmackseindrücke auf sich wirken lassen, tolle Aromen von Himbeeren und Brombeeren, Lakritz, Veilchen, geröstetes Brot, auch leichte Holznote, nach Stunden dann auftauchende laktische Noten (Joghurt), im Mund sehr soft, elegant, leichter brandiger Kitzel, der nach Zeit immer mehr mineralischen Noten Platz macht, sehr langer Abgang, verblüffender und unglaublicher Stoff, Respekt!

 

 

Rioja

Paranormal 2018, Maturana Tinta y Tempranillo, Bodegas Baron, Juan Carlos Sancha, Banos de Rio Tobia, Rioja DOCa

 

 

Die aus Andalusien stammende Bodegas Baron (eigentlich Sherry-Hersteller aus Sanlúcar de Barrameda, Manzanilla-Appellation auch hier vor kurzem Thema!) hat sich nachhaltig in die Rioja eingekauft und liebevoll Weinberge mit altem Rebbestand restauriert. Zum Portfolio gehört auch der rote Paranormal 2018 (50% Maturana Tinta und 50% Tempranillo) mit einer jährlichen Auflage von ca. 4000 Flaschen, der nach dem Escondite del Ardacho und trotz seines Namens herrlich unkompliziert trinkbar und „normal“ daherkommt. Weinmacher Juan Carlos Sancha zeigt hier eindrucksvoll, dass mit der schon fast ausgestorbenen Rebsorte Maturana Tinta noch zu rechnen ist, besonders wenn es sich um sehr alte Rebstöcke handelt: hier geht es für Rioja eigentlich untypisch in die Cool Climate-Richtung, im Duft rote Beeren, Würze, leichte Holznote und Rauch, im Mund Frucht, aber auch viel Mineralität und kühle Eleganz, langer, etwas pfeffriger Abgang, trotz seiner Jugend schon ein sehr gut trinkbarer Wein. Wieder ein schöner Treffer, so eine Serie hier dann vielleicht doch „Paranormal“! Das Weingut wurde bisher für seine Etiketten von Design-Instituten mit „Gold“ ausgezeichnet, ich gebe auch für den Inhalt der Flasche Edelmetall!

 

 

Envinate

Migan Tinto 2018, Vinos Atlanticos, Envinate, Teneriffa

 

 

Hinter Envinate stehen die vier Winzer und Freunde Roberto Santana Moralez, Laura Ramos Jiminez, Jose Angel Martinez Marchanda und Alfonso Torrente Solana, die sich beim Weinbaustudium in Alicante kennengelernt haben. Angetrieben von der einfachen aber auch genialen Idee, möglichst terroirgeprägte Weine zu erzeugen,  agierte man ab 2005 als Weinberatungsgruppe und füllte dann ab 2009 unter dem Namen Envinate auch selber Weine ab. Dabei konzentrierte man sich auf vier Ecken (Teneriffa, Ribeira Sacra, Almansa und Extremadura), die Einbringung der Stärken aller vier Winzer bei jedem Projekt, alte Rebstöcke, Handlese und traditionelle Arbeitsweisen ohne Chemie im Weinberg und im Keller, Herausarbeiten der Rebsorte und des Standortes in Duft und Geschmack. So entstanden einige eigenständige „Avantgarde“-Weine, einer davon ist der extrem spannende Migan Tinto 2018 aus Teneriffa aus bis zu 120 jährigen Listan Negro-Rebstöcken in einer Auflage von ca. 8000 Flaschen.

Rubinrote Farbe, sehr komplexe Nase nach roten Beeren (Himbeere und Erdbeere), Kirsche, Rauch, erdigen Noten, Leder, Pfeffer und Rosen, im Mund Frucht und Würze, frische Säure, feine Tannine, wirkt leicht und tänzelnd, bietet aber auch eine tiefgründige Mineralität und einen sehr langen Abgang. Extrem feiner und spannender Wein, den ich blind mal ins Burgund, ins Beaujolais oder ins Piemont verortet hätte, ohne von meiner Einschätzung zufrieden bzw. überzeugt zu sein, neben der besonderen Rebsorte spielen hier wohl die Vulkanböden Teneriffas den ausschlaggebenden Faktor. Auch dieser Wein hat mir unglaublich gut gefallen!

 

 

D.O.Valle de la Orotava

La Solana 2012, Vino de Parcela, Suertes del Marques, D.O. Valle de la Orotava, Teneriffa

 

 

Auch aus dem Norden Teneriffas der Einzellagen-Wein La Solana 2012 vom Weingut Suertes del Marques unter Appellationsvorschriften der D.O. Valle de la Orotava aus der autochthonen Rebsorte Listan Negro erzeugt. Das Weingut füllt erst ab 2006 seine eigenen Weine ab, vorher verschwand das wertvolle Traubengut als Aufpepper in irgendwelchen dünnen Genossenschaftsweinen.  Mit dem hochtalentierten Weinmacher Roberto Santana Moralez startete man schnell durch, bis sich Roberto lieber seinen eigenen Projekten (bei Envinate) widmen wollte. Als Ersatz verpflichtete Besitzer Jonatan Garcia einen weiteren Überflieger, den Portugiesen Luis Seabra (ehemalig Niepoort). Die Weinmacher haben im Weingut Suertes del Marques relativ freie Hand, die Philosophie (sämtliche Schritte in Weinberg und Keller erfolgen per Handarbeit, biodynamische Grundsätze, Spontanvergärung, keine Schönung und Filterung) ist von Ihnen eh verinnerlicht. Die Reben kommen von 80 bis 150 Jahre alten Listan Negro-Rebstöcken aus ca. 500 Meter Höhe aus der ca. 2 Hektar großen Vulkangestein-Einzellage La Solana. Es werden jährlich ca.  10 000 Flaschen erzeugt.

 

Kirschrote Farbe, in der Nase Rauch, erdige Töne und Würze, im Mund viel Frucht (Kirsche), aber auch mineralische Töne und süße Würze, erfrischende Säure, mittlerer Körper und schön lang. Macht ebenfalls richtig Spaß, ein toller Wein!

 

 

Mil Cepas 2015, Vino de Parcela, Vinos de la Tierra de Castilla IGP, Manuel Manzaneque Suarez, EA Vinos, Pozoamargo

 

 

Zum Schluss das spannende Projekt vom Weinmacher Manuel Manzaneque Suarez, der nach Ausbildung, Wanderjahren und 10 Jahren Arbeit im elterlichen Betrieb (Bodega Pago Finca Elez!!!) 2011 das eigene Weingut EA Vinos in Kastilien/La Mancha gründete und ab 2014 jährlich diesen reinsortigen Cencibel (Tempranillo) von sandigen Böden mit Kalkstein- und Tonanteil als rotes Flagschiff seiner Kollektion kreiert. Die ca. ein Hektar große Parzelle Mil Cepas liegt am Fluss Rio Zancara unweit des Städtchens El Provencio. Die Rebstöcke sind ca. 35 Jahre alt, Jahresproduktion ca. 2000 Flaschen.

 

Violetter Farbeinschlag, balsamischer Duft , dunkle Früchte, Lakritze, Joghurt. etwas Holz, weich und rund, schöne Beerennote, frische Säure, sehr lang, fantastischer Wein. So einen Wein hätte ich auch nie aus der Ecke La Mancha vermutet, wirklich überraschend!

 

Fazit: 

was für eine Serie, was für spannende Weine! Die Verkostung hat so viel Spaß gemacht, ich hätte immer weiter machen können, das hat bei mir echte Weinglücksgefühle ausgelöst, das gab es schon lange nicht mehr!

Der Weinhändler hat sich spektakulär auf diese besonderen Weine Spaniens spezialisiert, auch auf die Gefahr hin, dass in seinem Online-Shop wieder öfter das kleine Männchen mit dem „Ausverkauft“-Banner zu sehen ist, dort sind neben den vorgestellten Weinen noch viel mehr besondere spanische Weine zu entdecken. Ein großes Lob für dieses Angebot, ohne großes Engagement, eine gewisse Besessenheit, Leidenschaft und Begeisterung des Weinhändlers ist so etwas nicht möglich! Davon sollten sich andere Weinhändler mal etwas abschauen, die mich mit ihren Standard- oder Hochpreissortimenten von den bekannten Groß- und Zwischenhändlern langweilen, es muss ja nicht Spanien sein, Hauptsache man brennt für sein Thema und zeigt eigenständigen Entdeckergeist!

Nach diesem Thema fällt es mir besonders schwer, einfach weiterzuziehen und die nächste Baustelle zu beackern, es wird um Weine mit besonders gutem Preis-Leistungs-Verhältnis (PLV) gehen,  so viel kann ich schon verraten.

 

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Düsterer Jahresausblick 2021: Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns?

 

Die zweite Corona-Welle rollt unvermindert heftig heran und so man kann nur demütig sein, dass man bis jetzt mit relativ wenigen Einschränkungen so gut durchs Jahr 2020 gekommen ist. Auch hier im blog konnte ich unbehelligt weiter mein Unwesen treiben, von meinen Reisen profitieren und viele neue Weine entdecken und vorstellen. Damit könnte natürlich nach Infizierung mit dem Virus ganz schnell Schluss sein, einer der Corona-Symptome „Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns“ wäre der direkte „knock-out“ für den blog und so beschloss ich, über die Feiertage und den Jahreswechsel mal ein paar Hochkaräter aus meinem Keller zu öffnen, um die trüben Gedanken zu verscheuchen.

 

 

Sanlucar de Barrameda

Zeit und Muße für ein Manzanilla (Sherry)-Tasting!

 

 

Die Appellation Manzanilla Sanlúcar de Barrameda DOP ist ca. 7000 Hektar groß und liegt in der Provinz Cadiz (Region Andalusien). Dort gibt es noch 23 Betriebe, die sich der Sherry-Herstellung widmen und den Manzanilla als besondere Variante eines Fino-Sherrys herstellen. Dabei soll das besondere Klima in der Hafenstadt Sanlúcar de Barrameda (Kühle und hohe Luftfeuchtigkeit) zu einer dickeren Florhefepilz-Schutzschicht sorgen und den Manzanilla von den anderen Fino-Sherrys aus der Appellation (DOP Jerez-Xeres-Sherry ) unterscheiden. Die Rebsorte für den Manzanilla ist aber genau wie beim Jerez-Sherry Palomino.

Wir waren schon durch die nette Beratung meines Solingers Weinhändlers (s. Reisen zum Wein – Bergisches Land) auf Salzigkeit vorgewarnt worden und hatten zur Verkostung des Manzanilla einige Kleinigkeiten besorgt. Der Wein links oben auf dem Bild im Sherry-Glas, ich bevorzuge aber weiterhin bei solchen Weinen meinen Burgunder-Bembel. Blassgelbe Farbe, florale Noten, Kräuter und Mandeln in der Nase (erinnerte mich an einen Sercial-Madeira), im Mund trocken, wirklich salzig, kühl und frisch, passte wunderbar zu Oliven, Mandeln, Antipasti und Käse, bei Pistazien hatte man dagegen dann wirklich salziges Meerwasser geschluckt. Ein wunderbarer Appetitanreger, sehr eleganter Stoff, hat uns sehr gut gefallen. Guter Tipp, Dank vom Weinschank nach Solingen!

 

 

Schaumwein

Vier feste Türme: Deutscher Sekt, Kirchturm, Cremant de Loire, Franciacorta

 

 

Es macht mir immer besonders Spaß, Schaumweine außerhalb der übermächtigen und omnipräsenten Champagne zu probieren, hier drei Vertreter, bei denen ich mir große Hoffnung auf Siegerschankwein-Treffer gemacht habe:

 

 

Gönnheim

Blanc de Noir, Extra Brut, Weingut Eymann, Pfalz

 

 

Start mit dem Blanc de Noir-Sekt (aus Spätburgunder-Trauben) vom Demeter Weingut Eymann aus der Pfalz. Feine Perlage, Duft nach Nüssen, Brot und exotischer Frucht, guter Körper, mineralisch,  aber eben auch sehr trocken, mit Säure und ganz leichter Bitternote, nicht pur genießen, leckere Häppchen auffahren, dann ein Durchstarter und Spaßmacher. Immer schön, wenn man auf Winzer trifft, die schon vor Jahrzehnten den gesunden Menschenverstand  haben walten lassen und Ihre Welt (ca. 18 Hektar) schützen und erhalten wollten, der einfach nicht nur für Winzer logische Nachhaltigkeitsgedanke! Heute ist Rainer Eymann dadurch gefeierter Biowinzer-Pionier, Sohn Vincent profitiert und bringt geballtes Wissen und neue Ideen in den Betrieb, läuft!

 

 

Cremant de Loire

Cremant de Loire, Vallet S. Pere et fils, St. Leger de Montbrillais, Saumur

 

 

Probiert unbedingt mal einen Cremant de Loire Rosé, eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit auf Treffer, nach der Domaine de Cray (Suchfunktion benutzen!) auch dieses Exemplar vom Weingut Vallet S. Père et Fils aus dem Dörfchen St. Leger de Montbrillais (Appellation Saumur) ein totaler Schmeichler und Spaßmacher, richtig Druck und wilde Perlage, tolle Erdbeer- und Himbeertöne, wunderbare schmelzige Frucht im Mund, so süffig und lecker, Vorsicht! Auch einfach nur pur ein Traum, ein großer Dank an unsere FW-Vermieter in den Rheingau, Ihr wisst wirklich was schmeckt!

 

 

Franciacorta

Franciacorta Emozione brut millesimato 2014, Villa, Monticelli Brusati, Lombardei

 

 

Aber noch eine ganz andere Kategorie ist der Franciacorta Emozione Brut 2014 von Villa! Am Westufer des Gardasees im wunderschönen Salò im Hotel Vigna entdeckt, fand ich den Prickler damals schon so gut, dass ich bis nach Monticelli Brusati (was für ein Name!) in die Franciacorta gefahren bin, um nachzuschauen, wie es da wohl so aussieht. Familie Bianchi besitzt dort ein wunderschönes Gebäudeensemble aus dem 15 Jahrhundert und 37 Hektar.

Die Geschichte des Weinbaus in der Franciacorta ist uralt, die der Appellation aber ist noch relativ jung, erst in den 60er Jahren löste das Weingut Berlucchi den Spumante-Boom aus, die sanft zum Iseo-See (floating piers – Christo!) abfallenden Hänge auf mineralischen Gletscherböden sind ideal zur Schaumweinherstellung geeignet. 1995 gab es dann das Gütesiegel Franciacorta DOCG und immer mehr Erzeuger kamen mit Ihren Schaumweinen groß raus. Auch Villa wird immer bekannter und teurer, es gibt ihn schon nicht mehr im Hotel Vigna in Salò, dieses Jahr habe ich aber durch Zufall eine Bezugsquelle in den Niederlanden entdeckt und mich mit dem Villa-Sortiment eingedeckt, wie großartig ist denn der 2014er Emozione?:

Goldgelbe Farbe, in der Nase Birne und toastige Noten, am Gaumen ganz feine Perlage, druckvoll und vibrierend, tief und harmonisch, fruchtige Töne (Pfirsich), ganz langer Abgang, fasziniert mich total, für mich auf Champagner-Niveau, aber eben nicht Extra Brut und keine übertriebenen Zitrusnoten, wir werden gleich sehen, was die Champagner können!

 

 

 

 

Bei Champagner geht es schnell preislich in sportliche Bereiche und so ist es besonders wichtig, vor dem Kauf schon einige Informationen zu haben, was einem besonders zusagen könnte. Ich habe drei Champagner ausgewählt, sog. Winzerchampagner von kleineren Häusern, und einen jahrgangslosen Blanc de Blancs Premier Cru (100% Chardonnay) gegen einen Jahrgangs-Champagner Premier Cru Chardonnay (Jahrgang 2016) und einen Blanc de Noirs (100% Pinot Noir) gestellt.

 

 

Cote de Blancs

Champagner Longitude, Blanc de Blancs (100% Chardonnay), Extra Brut, Premier Cru von Larmandier-Bernier

 

 

Der erste Champagner war der Longitude („Längengrad“) Extra Brut Premier Cru vom Bio-Produzenten Larmandier-Bernier aus der berühmten Cotes de Blancs und ein alter Bekannter hier im blog (Suchfunktion benutzen). Sofort präsent mit seiner feinen und schneidenden Perlage, schöner floraler und hefiger Duft, im Mund schöne Balance, keine Bittertöne, dafür viel Mineraltöne (Kreide) zwischen Limetten- und Zitrusfrucht, sehr elegant und druckvoll, sehr, sehr lang, ein wunderbarer Champagner und sofort mein großer Favorit.

 

 

Montagne de Reims

Champagner Yuman 2016 Premier Cru Extra Brut, , Benoit Marguet, Ambonnay, Montagne de Reims

 

 

Natürlich nach diesem Start schwer für die anderen beiden Champagner, beide brauchten viel mehr Zeit im Glas, um ihre vorhandene Klasse zu zeigen. Der Champagner Yuman (100% Chardonnay) 2016 Premier Cru Extra Brut von Benoit Marguet aus Ambonnay mit einer extrem schwierig zu beschreibenden Nase. Habe das zuerst mit Reifenoten abgetan, aber hier konnte man sich richtig abarbeiten, für mich Hefe, exotische Früchte, Gewürze, aber auch Kräuter, gewöhnungsbedürftiges und komplexes Durcheinander (gerne andere Vorschläge), im Mund dann wieder klassischer, neben eleganter Zitrusfrucht schöne steinige Noten, ebenfalls lang, für mich aber eher Essensbegleiter (Vorspeisen) als solo.

 

 

Montagne de Reims

Champagner Blanc de Noirs (100% Pinot Noir), Eric Rodez,, Ambonnay, Montagne de Reims

 

 

Eric Rodez ebenfalls in Ambonnay in der Montagne de Reims ansässig, ehemaliger Kellermeister von Krug und ein Meister des Verschneidens verschiedener Jahrgänge (hier 6 verschiedene Jahrgänge). Der Blanc de Noirs viel voller und tiefer als seine beiden Vorgänger, nach der feinen Eleganz der beiden Chardonnay-Champagner nun hier mit 100% Pinot Noir ein völlig anderer Stil, besonders am Anfang sehr breit und kräftig wirkend, dann zunehmende mineralische Töne und vielschichtig, auch Frucht, in der Nase Hefe und Zitrus, sehr langer Nachhall, Kraftpaket und schöner Essensbegleiter auch kräftiger Speisen.

 

Drei tolle Champagner, in dieser Preisklasse muss der eigene Geschmack schon voll getroffen werden, aber jeder muss selbst entscheiden, ob er lieber zu Chardonnay oder Pinot-Noir-Champagner tendiert oder vielleicht eine Cuvee bevorzugt. Ich konnte mich sehr schnell entscheiden, Larmandier-Bernier Longitude ist mein Liebling, ein feiner Klassiker, den ich auch nachkaufen werde.

 

 

Burgund

Hinter Gorillas Po steht Domaine Paul Pillot!

 

 

Bei den Weißweinen wollte ich mal sehen, wie sich die Domaine Paul Pillot (Chassagne-Montrachet) mit einem ihrer Basisweine „Bourgogne Chardonnay 2017“ aus der untersten Stufe der Burgund-Qualitätspyramide, der in einer Blindprobe schon mal positiv aufgefallen war, gegen den Meursault „Les Durots“ 2013 aus der nächsthöheren Stufe Ortswein („Le Durots“ ist leider wie zuerst gedacht keine Premier Cru Lage, Grand Cru Lagen gibt es in Meursault übrigens gar keine!) der Domaine Bohrmann (Meursault) behaupten würde. Ist der „Les Durots“ wirklich doppelt so gut, weil auch doppelt so teuer?

Der underdog der Domaine Paul Pillot benötigt auf jeden Fall einige Zeit Ruhe im Burgunderglas, um nach einer Irritationszeit mit Zitrusnoten und Säureschwall immer feinduftender und runder zu werden. In der Nase neben Blüten und Butter auch Anis, im Mund Fülle, etwas Frucht, überraschend auch Säure und eine immer stärker wahrnehmbare mineralische Kargheit, dazu ein langer Abgang. Ich mag solche zurückgenommen Weine sehr, das Holz wurde sehr sorgfältig und minimal eingesetzt, der Chardonnay wirkt dadurch körperreich, bleibt aber durch die Säure und Mineraltöne aufregend und spannungsgeladen. Ein wunderbarer Wein und Essensbegleiter. Ich stelle mir da z.B. Rindercarpaccio mit geriebenen Parmesan, Edelfisch wie Zander oder Lachs im Blätterteig oder Rinderroulade mit dunkler Sauce vor.

 

 

Cote de Beaune

Oben „Les Durots“ 2013 Domaine Bohrmann, unten Bourgogne Chardonnay 2017 von Paul Pillot

 

 

Und nun der „Les Durots“ der Holzklopper?  Hätte ich bei meinen bisherigen Erfahrungen mit weißen Burgundern so erwartet, war aber absolut nicht so. In der Nase pflanzliche Noten, auch gebrannte Mandeln, Anis und Butter, große Fülle im Mund,  sehr schmelzig, wieder überraschend Säure, Zitrusfrucht, ganz wenig Holz, sehr lang. Vielleicht nicht ganz typisch, aber auf jeden Fall richtig gut! Auch bei dem Wein kamen mir sofort wieder begleitende Essensgerichte in den Sinn, Rotbarbe, Zander oder Steinbutt mit Mangold, Rosmarin oder Saubohnen, vielleicht auch mal was Getrüffeltes dazu oder einfach ein ausgefallener französischer Käseteller.

 

Leider hatte ich an Heiligabend Spätschicht. Es gab Bütterchen mit Käse.

 

Zwei schöne Weine aus der Cote de Beaune, die Weingüter aus Chassagne-Montrachet und Meursault liegen gar nicht so weit auseinander, die Weine haben Ähnlichkeiten, der wirklich minimale Holzeinsatz und die dadurch noch vorhandene Säure, beides keine überkonzentrierten Weine, dadurch aber sehr elegante Essensweine.

 Das Weingut Paul Pillot wird in der 4. Generation betrieben, Thierry Pillot kann auf ca. 12 Hektar Rebfläche zurückgreifen, die allerdings sehr verstreut in den einzelnen Appellationen liegen. Neben Chassagne-Montrachet AOC gibt es auch Besitz in den Appellationen Santenay, Puligny-Montrachet, Saint-Aubin, Meursault und Volnay. Zum wiederholten Male hat der Weinhändler aus Wuppertal gelungene Einstiegsburgunder empfohlen, es wird Zeit, dass ich nun auch mal die Spitzenerzeugnisse der Weingüter Paul Pillot, Thomas Morey und natürlich Henri Boillot probiere.

Auch die Domaine Bohrmann kann auf ca. 12 Hektar Rebfläche in verschiedenen Appellationen zurückgreifen, zu nennen sind Meursault, Puligny-Montrachet, Saint-Romain, Gevrey-Chambertin, Monthelie, Pommard und Saint-Aubin. Der erfolgreiche und weinverrückte belgische Geschäftsmann Dieter Bohrmann erfüllte sich gleich mehrere Träume und erwarb neben der Domaine in Meursault auch die Quinta do Passadouro in Portugal und wohl auch Besitz an der Mosel. Nach seinem Tod sind die beiden Töchter im vollen Einsatz, Sofie Bohrmann im Burgund und Ans Bohrmann unterstützend aus Belgien für die Quinta do Passadouro. Die Rotweine der Quinta do Passadouro habe ich schon öfter im Portugal-Urlaub probiert und mehrmals für sehr gut befunden (besonders zur indischen Küche!) . 2019 ging das portugiesische Weingut dann aber an den Nachbarn Quinta do Noval. In Portugal läuft großes Wein-Monopoly, aber scheinbar erhält man die Strukturen und behält die Weinmacher.

Ich finde, auch der zweite Weinhändler aus Wuppertal hat das Thema Burgund sehr gut gelöst, dass „Les Durots“ keine Premier-Cru-Lage in Meursault ist, sei dabei zu verschmerzen, dafür blieb es preislich auch noch gerade im Rahmen. Ich fand den Wein sehr interessant und würde ihn auch nachkaufen, die Gleichung „doppelt so teuer = doppelt so gut“ passt hier aber nicht, trotz einiger Gemeinsamkeiten kann man die Weine nicht vergleichen, ich mag beide sehr, der „Les Durots“ ist auf seine Art auch ein Einstiegswein in die hochpreisige und faszinierende weiße Burgunderwelt.

 

 

Bordeaux, Rioja und Piemont

Drei Rotweine aus den beiden großen Jahren 2005 und 2009.

 

 

Silvester wurde ein tolles Menü von einem unserer Lieblingsrestaurants (Scarpati, s. Reisen zum Wein -Bergisches Land) angeliefert und ich hatte gehofft, dass einer (oder mehrere Weine) aus den guten Jahrgängen 2005 und 2009 der ideale Begleiter zum Hauptgang Kalbsrücken würde.

 

 

Barolo

Barolo 2009 Acclivi, Commandante G.B. Burlotto, Verduno, Piemont

 

 

Hocheleganter Barolo Acclivi aus dem Jahrgang 2009, tolle dunkelrote aber transparente Farbe, Duftwolke nach roten Kirschen,Tabak, Teer und Leder, im Mund immer noch gute Säure, sehr fein, ohne übertriebene Kraftmeierei, als Essensbegleiter zum Kalbsrücken fantastisch, pur allerdings immer noch deutliches unausgereiftes Tannin. Störte mich sehr, da bin ich zu deutsch, lieber noch weglegen, die Reifezeit des Barolo fordert immer wieder sehr viel Geduld und in dem Preissegment auch Nerven, eine Wissenschaft für sich, dass richtige Trinkzeitfenster zu erwischen. Ärgerlich, wenn dann nach aller Warterei der Barolo über den Zenit ist oder er ein ewiges Talent bleibt, alles schon erlebt. Trotzdem fasziniert mich die Rebsorte Nebbiolo und in zugänglichen Jahrgängen 2011 redet keiner mehr von Reifezeit-Problemen.

 

 

Haro

Vina Tondonia Reserva 2005, Lopez de Heredia, Haro, Rioja

 

 

Ein Rioja-Klassiker vom Weinberg Tondonia am rechten Ufer des Ebros, die Cuvee aus Tempranillo, Garnacha und anderen Trauben wurde sechs Jahre in amerikanischer Eiche gereift, dann auf Flasche gezogen und noch mal lange Zeit (einige Jahre) unter Verschluss gehalten, bevor die ca. 250 000 Flaschen des Jahrganges 2005 dann in den Verkauf kamen. Rubinrote Farbe, in der Nase Vanille, Kirsche, Tabak und würzige Töne, im Mund Fruchtsüße, aber überraschend schlank, durch vorhandene Säure sehr ausbalanciert, wieder würzige Eindrücke und ein sehr langer Abgang. Auch als Essensbegleiter toll, musste für den Barolo einspringen,  aber pur auch viel einfacher zu trinken.

 

 

Pauillac

Lacoste Borie 2009, Pauillac

 

 

Mein Favorit von diesen drei Rotweinen aber der Lacoste Borie 2009, Pauillac, linkes Ufer Bordeaux. Rubinrote Farbe, unglaublich intensiver Duft nach Johannisbeeren und Pflaume, Zedernholz, Pfeifentabak und Pfeffer. Nach dem Öffnen präsentierte sich der Wein erst sehr schlank am Gaumen, um dann mit Luftkontakt immer dichter und kraftvoller zu werden! Herrliches Spiel mit weicher Frucht, Würze und Bitterschokolade, dazu ein sehr langer Abgang.  Man ist schon vom Schnuppern hin und weg, aber dieses Anziehen und Abtauchen Richtung Komplexität hat mich  dann richtig begeistert! Hätte ich vorher nie gedacht, dass sich bei dieser Probe ein Bordeaux durchsetzt und nach Recherche im Internet habe ich dann auch noch gesehen, dass der Wein ein sog. Zweitwein eines der berühmten Weingüter der 1855er Bordeauxwein-Klassifizierung ist: 5èmes Crus Grand-Puy-Lacoste! Zweitwein hört sich immer so diskriminierend an, man kann es auch anders sehen, günstigerer Wein (naja!) von einem Spitzenerzeuger!

 

Bleibt gesund und neugierig, Wein bleibt dann auch 2021 ein faszinierendes Thema!

 

 

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