Eigentlich muss man es nur wissen, keine große Sache!, aber ich habe schon vor Jahren einen völlig misslungenen Artikel über das Thema in einer mittlerweile (wohl zu Recht!?) eingestellten Weinzeitschrift gelesen und auch der kleine Johnson warnt nun in den letzten Ausgaben ausdrücklich davor: Verwechslungsgefahr bei Montepulciano!

Toskana
Da gibt es einmal im Südosten der Toskana ein wunderschönes Örtchen auf einem Hügel, Montepulciano, Namensgeber für die Appellation Vino Nobile di Montepulciano DOCG. Vorherrschende Rotwein-Rebsorte in dieser Appellation wie auch in den anderen berühmten Toskana-Appellationen (wie z.B. Chianti Classico DOCG oder Brunello di Montalcino DOCG) ist die Rebsorte Sangiovese. Rund um Montepulciano wird ein besonderer Sangiovese-Klon namens Prugnolo gentile angebaut.

Damals in der Toskana
Weiter südlich ändert sich der Anbau der vorherrschenden Rebsorte dann, Sangiovese wird durch die Rebsorte Montepulciano abgelöst, etwas bekannter sind Montepulciano-Appellationen wie Montepulciano d’Abruzzo (Abruzzen), Rosso Conero (Marken), Biferno (Molise) und San Severo (Apulien). In der Toskana selber wird nur sehr wenig Montepulciano angebaut. Gemeinsam haben das Hügelstädtchen Montepulciano mit dem Wein aus seiner berühmten Appellation und die gleichnamige Rebsorte also nichts!

Sangiovese oder Montepulciano?
Nach der Theorie empfehle ich zur Vertiefung des Themas natürlich unbedingt die Praxis, man könnte z.B. einen sehr schönen Vino Nobile di Montepulciano 2015 vom Weingut Poderi Boscarelli probieren, ein bekannter Erzeuger neben den Platzhirschen Avignonesi und Poliziano, aber auch anderen sehr guten Weingütern wie z.B. Contucci oder Dei. Das Format Vino Nobile di Montepulciano („vornehmer Wein aus Montepulciano“) wird seit 1968 bei Boscarelli produziert, Marchese Egidio de Ferrari Corradi kaufte das Weingut 1962, Tochter Paola führt es heute mit den Söhnen Nicolo und Luca erfolgreich weiter.

In der Nähe von Montepulciano
Die Appellationsbestimmungen sehen mind. 70 Prozent Prugnolo gentile (Sangiovese) vor, erlaubt sind dann als Zugabe noch viele andere Rebsorten, der Wein von Boscarelli besteht aus 85% Prugnolo gentile plus Canaiolo, Colorino und Mammolo. Die kirschrote und transparente Rotwein-Cuvee duftet nach Amarenakirschen und Veilchen, im Mund Kirsche und eine gewisse Herbheit, langer Abgang, kraftvoll und doch elegant. Toller Wein, nur ein einziger Kritikpunkt: wo sind die typischen Pflaumenaromen (Prugnolo = pflaumig) des Vino Nobile geblieben, den ich von meinen beiden Toskanareisen abgespeichert hatte? Der Wein ist wirklich klasse, lässt er sich aber blind als Vino Nobile bzw. als Toskaner (Sangiovese) erkennen? Da habe ich leider wie bei vielen toskanischen Weinen so meine Zweifel, ich hätte Ihn verwechselt und ganz woanders verortet, für mich ein feiner Wein mit Identitätsproblem, irgendwann startet er in einer der schon berühmt berüchtigten Rate-Blindproben, die Ergebnisse dann hier im blog!

Der Ferrari Corradi unter den Vini Nobili.
Ein ganz anderer Wein kommt aus der Appellation Montepulciano d’Abruzzo DOC. Hier muss zu mindestens 85% die Rebsorte Montepulciano verarbeitet sein, bis zu 15% dürfen dann andere vorgeschriebene Trauben beigemischt werden. Die Appellation besteht zwar schon seit 1968, stand aber immer im Schatten anderer italienischer Weine. Statt zu versuchen, den internationalen Exportmarkt zu erobern , blieb man bescheiden, authentisch und bodenständig. Dadurch, dass so viele andere italienische Weine so teuer wurden, konnte man trotzdem später noch einen kleinen internationalen Siegeszug antreten, heute stehen die Weine als günstige Rotwein-Varianten auf vielen Weinkarten italienischer Restaurants in und außerhalb Italiens.

Im Zeichen des Hutes: Weingut Gianni Masciarelli
Der 2008 leider viel zu früh verstorbene Gianni Masciarelli galt als der große Qualitätspionier der Abruzzen. Heute profitiert die ganze Region von seinen Bemühungen, seine Frau Marina Cvetic führt das Weingut sehr erfolgreich mit Ihrer Tochter Miriam weiter. Neben Spitzenweinen außerhalb der Appellation gibt es auch einen sehr klassischen Montepulciano d‘ Abruzzo, dunkle rubinrote Farbe, Duft nach Beeren und süßem Pfeifentabak, vollmundig und fruchtig, durch die spürbare Säure nicht zu gefällig, würziger und erdiger Abgang. Übrigens 100% Rebsorte Montepulciano, kein ganz großer Wein, aber auch nicht banal, unbedingt zum Essen (z.B. zu Pastagerichten mit Ragout oder zu Käse) probieren. Sensationell gutes PLV! Solche „einfachen“ und ehrlichen Weine mag ich sehr (siehe z.B. auch bei Valpolicella Classico von Cottini), hier sind noch Ecken und Kanten zu erfahren, die wegen des extremen mainstream-Exportgeschäftes bei italienischen Weinen immer mehr verschwinden.

Verwechslungsgefahr gebannt!!?
Das Städtchen und sein Umland kann ich empfehlen. Beim Wein habe ich mich offenbar vergriffen: http://svenni-unterwegs.de/?p=416
Ich glaube auch, mein Guter, Weine aus der Appellation Vino Nobile di Montepulciano DOCG oder der Zweitappellation Rosso di Montepulciano DOC können wegen der laschen Spielregeln von Spitzenwein bis Schoppen alles sein, außerdem habe ich wie geschrieben immer Probleme, den Wein blind zu erkennen, aber Du machst ihn zu schlecht, außerhalb der Appellationen gibt es noch viele andere Weine! Der Vino Nobile di Montepulciano 2015 von Boscarelli ist ein Spitzenwein, sehr gelungen, ganz sicher! Viele Grüße und bis bald Weinschank