Mitte Dezember 2020 wurde nach gefühlter mehrjähriger Bauzeit ein fehlendes Teilstück der Bahnlinie S28 fertiggestellt und so gibt es nun eine neue Verbindung von Wuppertal HBF nach Mettmann (und weiter nach Düsseldorf). In Mettmann bin ich zwar schon ohne Zug zwei Mal auf Wein-Entdeckungstour gewesen (beim ersten Mal auf dem schönen Weinfest im historischen Zentrum mit VDP-Weingut Graf von Kanitz (Lorch, Rheingau) und beim zweiten Mal auf großem Weinladen-Orientierungslauf), doch die Busfahrt eher beschwerlich und sehr zeitaufwändig und so blieb es dann leider bei den zwei Besuchen.
Durch die Fertigstellung der neuen Strecke kann ich Mettmann nun aber bequem in zehn Minuten vom berühmten Verkehrsknotenpunkt Wuppertal-Vohwinkel (Voh=Fuchs) erreichen und ich hatte es nicht auf den Weinkeller einer berühmten und überregional agierenden Blondine abgesehen, sondern wollte in Mettmanns berüchtigten wilden Westen.
Dort hatte ich mir schon beim ersten Besuch die Nase am Schaufenster eines geschlossenen Ladens platt gedrückt, aber so kannte ich vom Bahnhof Mettmann-Zentrum wenigstens den ungefähren Weg und nach telefonischer Voranmeldung betrat ich nach längerem Fußmarsch am Mettmanner Bach eine neue Weinbezugsquelle, immer ein spannender Moment für mich!
Ein sehr netter pensionierter Geschichts- und Französischlehrer frönt seiner Leidenschaft und bereist Frankreich und importiert dabei Weine, die ein besonderes PLV versprechen. Die Weine werden dann in Paletten angeliefert und in den Räumlichkeiten des ehemaligen Schlecker-Marktes verstaut und in Kisten zum Verkauf angeboten, so dass man statt Weinladen doch eher von einem Weinlager sprechen sollte. Ich war sehr froh da zu sein und quetschte mich mit dem Monsieur durch die Gänge, er konnte zu jedem Wein eine Geschichte erzählen und begründen, warum gerade dieser Wein den Weg in die heilige Halle gefunden hatte. Überall klebten Ausschnitte aus Fachzeitschriften und es stapelten sich Kisten über Kisten, der Meister beherrschte das Chaos aber souverän und relativ schnell war mein mitgebrachter 9-er Weinbag gefüllt und ich schleppte die Beute tief beeindruckt und zufrieden zur Haltestelle der S28 zurück.Trotz Kälte stellten sich bei mir aber eher saunaähnliche Effekte ein.
Die Geschmäcker sind verschieden und mich interessieren keine Bewertungen von Fachzeitschriften, Medaillen oder Punkte, die Weine müssen mich blind überzeugen, es zählen Typizität, Ausgewogenheit (Übertreibungen sind mir ein Graus!) und Komplexität, nun wurden die neun Rotweine durchgegurgelt und danach würde ich durch die Trefferquote entscheiden, ob sich noch ein weiterer Besuch lohnen würde.
Die Weine wurden in wilder Reihenfolge getestet, nach der ersten Fahrkarte dann auch schon der erste Treffer und gleich so ein Wein, den man möglichst schnell nachkaufen sollte (auch beim späteren Blick auf den Preis!), alleine durch diesen Wein sollte sich schon ein Wiederbesuch des Weinlagers in Mettmann lohnen: in der Nase Amarenakirsche, Bleistift (Graphit) und etwas Pfeffer, im Mund viel Frucht und deutliche Würze, etwas Vanille, sehr fein und rund, schöne Länge und enormer Trinkfluß, toller Wein, der richtig Spaß macht! Nach Auflösung zeigte sich der Instinct Marin 2017 vom Chateau de Auzias aus der Appellation Cabardès AOC aus der Region Languedoc. Eine Cuvee aus 60% Syrah und 40% Cabernet Franc. Mit 160 Hektar Rebfläche eines der größten privaten Weingüter der Region Languedoc, nördlich der bekannten Stadt Carcassonne gelegen. In der Gegend um Pennautier ist Weinbau schon bis ins 12. Jahrhundert nachgewiesen, die heutigen Besitzer des Chateau de Auzias, Nathalie und Dominique Auzias, können auf das Gründungsjahr 1872 des Weingutes zurückblicken. Glückwunsch für Ihren Wein, bereitet großes Vergnügen!
Ebenfalls „sehr gut“ ein moderat bepreister Bordeaux Haut-Grelot 2017 vom rechten Ufer aus Blaye. Unter der Bezeichnung „Cotes de Bordeaux“ haben sich fünf Appellationen vom rechten Ufer zusammengefunden, um sich gegen das übermächtige linke Ufer und auch die berühmte Konkurrenz vom rechten Ufer (St. Emilion, Pomerol) zu positionieren. Das Weingut ist relativ jung (seit 1920), 62 Hektar Rebfläche, wenn die Besitzer der 4. Generation so weitermachen, dann wird sich weiterer Erfolg einstellen, so ein Wein in der Gastronomie würde für Furore sorgen: 100 % Merlot, benötigt Luft und eine Anlaufphase, aber dann in der Nase Pflaume, Schoko, Rauch und etwas Vanille, im Mund schöne Beerennote mit Würze, unterlegt mit frischer Säure, mittlerer Körper, die Länge ok, viel Wein fürs Geld!
Wieder was dazugelernt und ein weiterer Treffer: ein Wein aus der Appellation Graves de Vayres AOC (660 Hektar, 85% Rot) , man könnte jetzt raten und meinen, die Appellation würde direkt neben Graves und Pessac-Leognan in der Nähe der Stadt Bordeaux an der Garonne liegen, aber sie liegt am westlichen Ufer der Dordogne gegenüber der Stadt Libourne. Auch das macht das Thema Wein so faszinierend, man zoomt immer im Entdeckermodus in neue Maßstäbe hinab, im Idealfall bereist man die Gegend dann sogar später, auf jeden Fall fließen Garonne und Dordogne etwas weiter nördlich zusammen und bilden die breite Gironde. Der Wein Prestige rouge 2018 vom Chateau Cantlaudette (55 Hektar) und Besitzer Monsieur Jean-Michel Chatelier auch wieder zu 100% aus Merlot. Sehr typische Nase nach Pflaume und roten Beeren, Nuancen von Tabak und Vanille, im Mund schön voll und schmelzig, Anklänge von Schokolade und Beerenfrucht, moderate Säure, würziger Abgang, eine echte PLV-Granate!
Die Appellation Cahors AOC liegt im Weingebiet Süd-West und ist durch ihre dunkeln, manchmal fast schwarzen Weine aus der Rebsorte Malbec mit etwas Tannat oder Merlot-Anteil berühmt. 1971 wurde die AOC-Klassifikation erreicht, der Weinbau in der Gegend geht aber bis in die Zeit der Gallier und Römer zurück. Früher mussten die tanninreichen Weine sehr lange gelagert werden, heute scheinen sie früher trinkreif. Die Cuvee Particuliere 2015 (90% Malbec, 10%Tannat) des Chateau Lamartine (Familie Gayraud) bietet neben einem Duft nach Beeren, floralen Noten und etwas Vanille einen schönen Trinkfluss durch abgerundete Tannine, einen fruchtigen Körper und einen minzigen und würzigen Abgang. Wirkte auf mich verblüffend elegant, sehr schöner Wein!
Auch ein Treffer an der südlichen Rhone, in der Appellation Ventoux AOC (benannt nach dem 1912 Meter hohen Monte Ventoux). AOC seit 1973. Sebastian Vincentin führt die Domaine de Fondreche in Mazan und arbeitet nach Bio-Leitsätzen. Ausgrabungen bei Mazan belegen Weinbau seit 70 v. Christus. Der Wein ist eine Cuvee aus Grenache, Syrah und Mourvedre und überzeugt mit einem intensiven Duft nach Kirschen, Beeren, Kräutern und Pfeffer und im Mund mit voller Frucht, Würze und einem feurigen Abgang. Dem Winzer ist es eindrucksvoll gelungen, den Wein trotz aller Kraft in Harmonie zu halten und Trinkfluß zu erzeugen. Schöne Entdeckung aus einer Region (südliche Rhone), aus der ich bisher noch gar nichts vorgestellt habe.
Zwischenfazit:
Mit dem Chateau d’Auzias einen Lieblingswein gefunden, dazu noch vier weitere sehr gute Weine, der Rest war mir dann aber doch zu alkoholreich. Trotz Belüftung, Essensbegleitung und Nachprobieren am nächsten Tag wollte sich keine Begeisterung bei mir einstellen. Bei fünf Treffern sollte sich aber ein weiterer Besuch in Mettmann dennoch lohnen.
Ein Volltreffer ist der Cotes-du-Rhone AOC 2019 vom 2 Hektar Mini-Weingut „Le Bois des Dentelles“ des noch jungen Winzers David Gaugue. Er arbeitet eigentlich als Kellermeister für einen namhaften Betrieb, versucht sich aber parallel den Traum vom eigenen Weingut zu erfüllen. Alles noch in der Aufbauphase, deshalb seine Weine zur Zeit nur in kleinen Auflagen erhältlich (ca. 5000 Flaschen vom 2019er).
Der Wein aus 100% Grenache mit rubinroter Farbe und schönem Duft nach schwarzen Früchten, Kaffee und etwas Lakritz. Im Mund eine wunderbare Balance von Kirschfrucht und Würze, üppig, aber nicht schwer, schön unterlegte Säure, guter Trinkfluss, würziger Abgang. Hat mir äußerst gut gefallen, macht neugierig auf den auch produzierten Cotes du Rhone Villages.
Vom Etikett wird bestimmt nicht jeder begeistert sein (es gibt noch fünf ähnliche Blumenmotive in anderer Farbe, eine ganze Serie in einem Jahrgang, innovative Idee), aber der Cabernet Franc 2015 vom Chateau Penin ist untadelig. Chateau Penin (in Besitz der Familie Carteyron) liegt in Genissac westlich der Dordogne und ist wohl für Weine mit gutem PLV aus der untersten Bordelais-Appellation Bordeaux AOC bekannt.
Der Cabernet Franc überzeugt mit schöner Johannisbeer- und Kirschnase, dazu etwas Paprika und erdige Noten, im Mund Himbeere, sanfte Tannine, wirkt kühl, würziger Abgang. Kein schlechter Wein, werde auch ihn nachkaufen und zu griechischer Moussaka (Auberginenauflauf) testen. Ergebnisse dann hier.
Der Tipp eines Bekannten „Domaine Boudau“ hat mich den Weinhändler in Mettmann erst entdecken lassen (Dank vom Weinschank dafür!), umso schöner, dass mich dann auch gleich der erste probierte Wein des Weingutes überzeugen konnte. Das Geschwisterpaar Veronique und Pierre Boudau aus Rivesaltes (eigentlich bekannt für die langlebigen Süßweine) hat sich trotz starker Konkurrenz in der Region Languedoc seit 1993 und besonders nach Kellerrenovierung 2000, Schritt für Schritt weiter nach vorne gearbeitet. Die typischen Cuvees aus der Appellation Cotes-de-Roussillon-Villages AOC scheinen unwiderstehlich.
So auch der Tradition 2016 (Auflage ca. 20000 Flaschen jährlich), tiefdunkle Farbe, Duft nach schwarzen Johannisbeeren, Schokolade und etwas Vanille, im Mund fleischig und kräftig, aber auch harmonisches Spiel mit Frucht und Würze, leichte Röstaromen, würziger Abgang. Besonders in Kombination mit Fleischgerichten sehr gut vorstellbar. Sehr guter Wein.
Zum Abschluss noch ein ganz toller Visan Truffieres 2018 von der Domaine des Lauribert. Robert und Marie Sourdon gründeten ihr Weingut 1973, doch erst der heutige Besitzer, Laurent Sourdon, ein begabter Metallkünstler, schaffte es 1997, Unabhängigkeit in Produktion und Vermarktung zu erlangen und sich von der Cooperative zu trennen. Seitdem ist die Domaine des Lauribert scheinbar auf einem sehr guten Weg.
Der Visan Truffieres 2018 eine Cuvee aus 80% Syrah und 20% Grenache, ca. 30 000 Flaschen jährlich. Truffieres ist wohl eine Anspielung darauf, dass sich früher Trüffel auf der heutigen Weinhanglage finden ließen. Tiefdunkle Farbe, Duft nach schwarzen Früchten, Kräutern und Kaffee, im Mund pfeffrige Noten mit dunkler Frucht, vollmundig, weich und harmonisch, guter Körper und langer würziger Abgang. Unglaubliches PLV, großes Staunen, sehr typisch und schon groß in Form!
Fazit:
Das ist nicht mein letzter Besuch beim Monsieur in Mettmann gewesen, allein die drei PLV-Überflieger Visan Truffieres 2018 der Domaine des Lauriberts, der Instinct Marin 2017 der Domaine de Auzias und der Le Bois des Dentelles 2019 von David Gaugue sind die Reise wert. Auch die restlichen vorgestellten Weine mit gutem PLV. Leider war der Cahors Wein Chateau Pineraie 2014 korkig, muss ich noch nachprobieren und hier dann berichten.
Nachtrag:
War wieder in Mettmann und habe sofort eine Ersatzflasche Malbec 2014 Chateau Pineraie bekommen (ein Loblied auf den stationären Weinhandel!). Und rieche da: der Wein präsentierte sich ohne Korkschmecker von seiner wahren und typischen Seite und konnte mich sehr überzeugen. Sehr dunkle Farbe, Duft nach schwarzen Johannisbeeren und Holunder,im Mund sehr kühl wirkend, schöne Beerenfrucht mit Säure hinterlegt, deutliche Minznote, leicht pfeffriger Abgang, sehr schöner Wein. Einfach mal die Rebsorte Malbec probieren, wenn es schmeckt, kann es bis Argentinien gehen.
Chateau Pineraie aber ein klassisches Familienweingut in 5. Generation (Familie Burc et Filles) mit ca. 50 Hektar Besitz an den Hängen des Flusses Lot in der Appellation Cahors, Südwestfrankreich, fast wäre mir das tolle Weingut durch den Korkschmecker durch die Lappen gegangen, kleines Happy-End, freut mich sehr!
Ratlos zurück ließen mich hingegen aber einige sehr alkoholreiche und kräftige Weine, auf der einen Seite möchte ich ja möglichst in Frankreich in jeder Appellation hervorragende Weine vorstellen, auf der anderen Seite komme ich mit bestimmten Stilrichtungen nicht klar, gerade die kräftigen Bordeaux Superieur-Weine und die südlichen Rhone-Weine aus den berühmten Appellationen (wie z.B. Gigondas) machen mir schwer zu schaffen. Für die Beackerung dieser Themen benötigt man viel Toleranz, Vorstellungskraft, was andere Weintrinker im Wein suchen und dann müsste einfach auch mal wieder die ProWein oder eine andere Weinmesse stattfinden. Daumen drücken, dass sich die Zeiten bald wieder normalisieren.