Ich bin einfach kein Nordlicht!, gerne hänge ich mir große Skandinavien Panorama-Kalender in den Flur und bewundere darauf die Landschaft, aber statt in den Norden ging es bisher immer nur in den Süden, nach Italien, Portugal, Kroatien, Griechenland oder sonstwo hin. Wahrscheinlich haben mich als Weintrinker auch immer die Horrorgeschichten über die exorbitanten Alkohol-Preise abgeschreckt, aber ich habe auch zugehört, wenn Leute über Stockholm geschwärmt haben, ich glaube fast, als echter Weintrinker ist man immer neugierig und tolerant, man springt sehr oft über seinen Schatten, man probiert sogar Naturweine oder fliegt nach Schweden! Klimaschützer kann ich beruhigen, meine Flugkarriere ist bald Geschichte, habe dieses Mal die Flugangst mit Selbsthypnose und Gehirnwäsche zu bekämpfen versucht, jeder gefühlte Flughuckel war wie ein großer Gong, der wieder mal kurzfristig um Stunden vorverlegte Flug im Morgengrauen sorgte trotzdem für große Irritationen, fast wäre ich auf großer Höhe mit Dauerfallangst durch autonomes Training eingeschlafen, reine Kopfsache!, ich habe es wieder ausgehalten, mag es aber immer weniger! Halbtot habe ich dann auch noch bei der Taxifahrt vom Flughafen nach Büllerbü meine Jacke im Taxi vergessen, es fehlte einfach die dentale Frische, aber der reservierte Platz mittags im tollen Restaurant Sjöpaviljongen (Seepavillon) in Alvik war Gold wert!
Manche Leute im Service können es einfach, wir waren um 12 Uhr mittags die ersten Gäste und klar als gestresste Touris mit Koffern und ohne Jacke zu erkennen, es wurde uns alles aus den Händen gerissen und getragen, wir bekamen einen traumhaften Tisch auf der Terrasse, die Weinkarte (!), einen Tipp, doch das Midsommar-Menü zu probieren und konnten durchatmen, angekommen und wunderbar aufgehoben im Seepavillon in Alvik. Warum Seepavillon?, Stockholm liegt auf 14 Inseln und der große und verfranste Mälaren-See mündet mit Süßwasser mitten in Stockholm an einer Schleuse in den Ostsee-Brackwasser-Bereich. Die ca. 30 000 Schären-Inseln muss man aber auch noch umfahren, bis man wirklich an der Ostsee ist. Richtig Glück gehabt, Blick auf eine der unzähligen Buchten des Mälaren-See und als erste offene Weine gleich Vergleich Albarino (Spanien) gegen Alvarinho (Portugal), das hat mich schon mal richtig inspiriert!
Das kleine Weingut Vale dos Ares („Tal der Lüfte“) von Senhor Miguel Queimado (seit 1683 in Familienbesitz) befindet sich in der Alvarinho-Kernzone, der Subregion Moncao und Melgaco, mit hochgelegenen Granitböden. Ich habe aus der Limited Edition Wein Nummer 380 von 1324 Flaschen probiert.
Sehr lehrreiche Aktion, habe trotz der DIN A4-Seite Weinbeschreibung des bekannten Bremer Weinhändlers nicht auf die Wörter „im Holz ausgebaut“ geachtet, goldgelbe Farbe und in der Nase sehr deutlich Vanille, Honig und Kräuter, im Mund dann der knockout, sehr unharmonisch und herb, dazu Holz, ein Desaster am Gaumen, auch nach Stunden keine Besserung, was ist denn hier passiert? Denke mal, hier wurde mit Holz experimentiert, um den höheren Preis der limitierten Serie zu rechtfertigen, der Charakter der Alvarinho-Traube wurde dabei leider total übertüncht. Das ist so schade!, Alvarinho kann so großartig sein ( Solar de Serrade ) , gerade auch im Bereich unter 11 Euro, aber Holzeinsatz ist so gefährlich wie die ausufernden Lobeshymnen der Internet-Weinhändler, lange Rede, kurzer Sinn, ich bin reingefallen und der Vergleich geht an Spanien, oder?
Das Weingut von Eulogio Pomares Zarate wurde 1920 in Galizien gegründet und kann mittlerweile auf 8,5 Hektar (ca. 50000 Flaschen Jahresproduktion) zugreifen. Ganzer Stolz sind dabei die drei Albarino-Einzellagen, El Palomar (Taubenschlag), Tras da Vina (hinter dem Weinberg) und Balado (Mauer), 0,5 Hektar mit uralten wurzelechten Albarino-Rebstöcken auf Granit- und Kalkböden und mit einer kleinen Granitmauer abgegrenzt.
Auch ohne Holzeinsatz geht es beim Albarino Balado 2020 von Zarate extrem zur Sache, die Farbe schon fast goldbraun, in der Nase Apfel, Hefe und Muschelschale, leider für mich von der unangenehmen Art, am Gaumen etwas Frucht und heftige Säure, macht einfach keinen Spaß und Lust auf den nächsten Schluck, ich bin einfach raus! Portugal – Spanien 0:0! Hier will man ebenfalls mit aller Macht ins Hochpreissegment und übertüncht meiner Meinung nach die allerbesten Anlagen der Rebsorte und des Terroirs, solche Übertreibungen hat es schon oft gegeben, zum Glück hat man sich meistens schnell beruhigt und sich wieder zu „normalen“ und köstlichen unaufgeregten Terroirweinen hingewandt. Ich selber habe mir ein großes Eigentor geschossen, mir waren die beiden Weine im Restaurant in Stockholm nicht komplex genug, gerechte Strafe!, das Hochpreissegment hat mich zuhause dann doch sehr leiden lassen! Hier hätte es schönere Alternativen gegeben…
Zum Fleisch-Hauptgang griff dann die goldene blog-Regel, gibt es einen offenen Wein von einem Siegerschankwein-Weingut auf der Weinkarte, wird gnadenlos geordert, Weingut Paul Prieur mit Pinot Noir von der Loire im offenen Ausschank, ich konnte mein Glück kaum fassen!, Schweden vielleicht doch ein Paradies für Weintrinker?, zur Begrüßung war das schon mal richtig gut, fast schon ein wenig unheimlich, aber was soll ich schreiben?, es blieb leider das einzige Siegerschankwein-Weingut aus dem blog, das auf den Weinkarten auftauchte. Tolles Begrüßungs-Menü im Restaurant Sjöpaviljongen in Alvik und in der Rückschau zuhause dann drei Weine vom Weingut Paul Prieur verkosten, solche Steilvorlagen nehme ich natürlich auf, auch wenn der junge Pinot Noir im Restaurant doch etwas rustikal wirkte!
Auch bei der Nachprobe in der Heimat der Pinot Noir Grains de Pinot 2022 zu jung, kratzig und rustikal, erspare mir weitere Beschreibungen und versuche es lieber mit langer Kellerlagerung. Zum Essen (Fleischgericht) ging gleicher Jahrgang in Schweden noch so gerade, hatte erst das Restaurant in Verdacht, die Flasche tagelang geöffnet irgendwo rumstehen zu lassen, aber es lag an der Jugend des Weines. Hier deshalb die Mahnung, auch bei vermeintlichen Lieblingsweingütern nie blind nachbestellen, bei der Weinbereitung spielen viele Unsicherheitsfaktoren mit, unbedingt immer vorher probieren, nie die Katze im Sack kaufen!
Zum Glück sprang ein wunderbarer Sancerre „Pieuchaud Silex“ 2020 in die Bresche, nicht nur der beste Sancerre, den ich bisher verkosten durfte, sondern wahrscheinlich auch der bisher beste Sauvignon blanc! Expressive Nase nach weißen Pfirsichen, Mirabellen, Stachelbeeren, Zitrus, ein Hauch Vanille und Feuersteinnoten , auch im Mund die perfekte Balance zwischen einem vollen Körper mit gelber Frucht und sehr viel mineralischen Anklängen (kalkig-kreidig), mit etwas Zeit immer runder und harmonischer werdend, dezente Säure, dazu ein super langes leicht salziges Finale, ein toller Wein!
Und auch der elegante Pinot Noir „Les Pichons“ ein großartiger Wein, transparent rubinrot im Glas, herrliche und ausdrucksstarke Nase nach Kräutern, dunklen Beeren, etwas Kirsche und Mineraltönen, im Mund voluminös aber trotzdem seidig elegant, Pflaume und dunkle Beeren, etwas Würze, frische spürbare Säure, weiche Tannine, langer und für die Jugendlichkeit des Weines schon beachtlich geschliffener Abgang, unbedingt lagern, der Wein legt noch an Harmonie zu.
Das Familienweingut Paul Prieur wurde von Paul und Jacqueline Prieur gegründet. Die Beiden waren echte Pioniere in der Appellation Sancerre, da Sie als erste Produzenten ihre gesamte Ernte selbst abfüllten und vermarkteten. Heute führt Enkel Luc das Weingut, mittlerweile 18,5 Hektar Rebfläche, ca. 145 000 Flaschen Jahresproduktion, edle Böden mit Lehm, Kalk- und Feuerstein, Besitz auch in der berühmten Lage Monts Damnés.
Leicht beschwingt suchten wir dann unsere Straßenbahn in Alvik, alles nicht so einfach, Linie 12 einfach nicht zu finden, dafür ein Bus nach Äppelviken und ich mit der Stockholm-App auf dem Smartphone ganz vorne!, Generation X doch gar nicht so blöd, piep! und ab ging es! Genau eine Haltestelle weiter, waren wir schon am Ziel, Ferien auf Sagrotan, schöne Ferienwohnung in einem freundlichen Haus, idyllische Umgebung, Klimaanlage im Sommer auf 26 Grad, so mag man es! Natürlich nicht!, meine Freundin wurde genötigt, die Vermieterin anzurufen und bekam zu hören, dass die Klimaanlage aus wäre, die Anzeige nichts bedeutete und wir vielleicht mal die Fenster aufmachen sollten. Großes Gelächter auf unserer Seite, bei mir auch Erleichterung dabei, ich war wirklich mal wieder völlig am Ende! Das war hier zwar nicht Anreise Amalfiküste, aber auch nicht ganz ohne!
Ein kleiner Spaziergang war trotzdem noch drin, sehr idyllische Umgebung, bunte Häuser aus Stein oder Holz, Straßenbahnlinie 12 fuhr doch und Haltestelle direkt vorm Haus, das Geheimnis wollten wir am nächsten Tag lösen, beim Gang zum Mälarensee spazierten wir durch eine ruhige parkähnliche Landschaft mit Felsen, schönen Buchten, hohen Brücken und immer neuen Ausblicken aufs Wasser, wohl nur 6 km von der Innenstadt entfernt, aber eine Welt für sich!
Am nächsten Tag stiegen wir dann ganz entspannt in die Linie 12 und fuhren neugierig Richtung Alvik, wieso hatten wir gestern den Haltepunkt nicht gefunden?, ganz einfach, er lag viel weiter oben, Parallelgleis zur Tunnelbana, an dieser Stelle eher eine Hochbahn wie in Hamburg (Grüße an den weltbesten Zugführer Andreas in Hamburg, den Bruder meiner Freundin!), dadurch aber auch direkter Anschluss und Aussicht, Minigolfplatz, viel Wasser, hohe Brücken und Ausstieg in Fridhemsplan in Kungsholmen. Kungsholmen sollte später noch mein Lieblingsviertel werden, viele schöne Altbauten, Parks , Restaurants, Weinbars und eine Uferpromenade Richtung Stadthaus, richtig toll!
Natürlich nach Viertelrundgang Kungsholmen dann schlimmer Hunger und alle Restaurants mit Mittagspause, um 17 Uhr standen wir als erste Gäste beim schönen Restaurant Spisa hos Helena auf der Matte, wieder superfreundlicher Service, tolles Menü und ein inspirierender Weißwein aus dem Trentino, der mich zuhause zur autochthonen Rebsorte Nosiola brachte.
Leuchtendes Goldgelb, ausdrucksstarke Nase, florale Noten, Zitrusfrüchte, etwas Klebstoff und Salbei, im Mund trotz nur 12.5% Alkohol voluminös wirkend, cremig, herbe Frucht (Quitte) und aufkommende nussige Würze, dazu Bienenwachs und ein schöner mineralisch-kalkiger Abgang, die autochthone Rebsorte Nosiola aus dem Trentino im biologischem Anbau in minimalen Erträgen geerntet und mit viel Aufwand (Ausbau in Akazienholz, Amphore und Betonei) in Richtung Naturwein-Style getrimmt, hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich beim pairing etwas ratlos war, vielleicht fällt Euch ja was ein, gerne hier einen Kommentar!
Der Pinot Grigio Fuoripista 2022 fließt leuchtend kupferrot mit orangen Rändern transparent ins Glas, aufregende Nase nach Himbeere, Hagebutte und Kräutern, im Mund kühle Frische, zarte Frucht, elegant und süffig, viel Schmelz, langer Nachhall mit viel salziger Mineralität und einem feinem Bitterton. Toller Naturwein mit Amphoreneinsatz, sehe ich als starken Essensbegleiter zu Austern, Jakobsmuscheln oder gegrilltem Fisch, sehr gerne auch Sushi.
Mit dem Einstieg der charismatischen und visionären Elisabetta in das elterliche Weingut Foradori 1985, veränderten sich unglaublich viele Dinge, es wurde ein konsequenter Weg Richtung Qualität eingeschlagen, Ertragsbeschränkungen, Umstellung der Reberziehung, Fokussierung auf autochthone Rebsorten und starke Einflüsse der ganzheitlichen und biodynamischen Wirtschaftsweise durch die Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiners, die Elisabetta über ihren Partner, Prof. Rainer Zierock, kennenlernte. Eine steile Erfolgskurve begann, besonders mit der roten Teroldego-Rebsorte konnte sie mit „Granato“ oder Lagenweinen wie „Sgarzon“ oder „Morei“ große Erfolge erreichen, aber auch die weißen fast vergessenen autochthonen Rebsorten wie Manzoni oder Nosiola feierten ein glanzvolles Comeback. Das konsequente Qualitätsstreben und die Experimentierfreude ist auch auf die nächste Generation übergesprungen, seit 2013 ist Sohn Emilio Zierock für die Weinbereitung verantwortlich, weg vom Barrique, dafür mehr Amphore, Ganztraubenpressung, immer weiter Richtung Naturwein.Volle Unterstützung durch Bruder Theo und Schwester Myrta. Mittlerweile ist man im Besitz von ca. 28 Hektar wertvoller Berglagen.
Erster Einkauf im Supermarkt und tatsächlich, kein Alkohol über 3,5% zu bekommen. Ein paar Leichtbiere (habe ich probiert, würg!), alkoholfreie Weine und Schaumweine und viel Limonade und Säfte, die riesigen Regale mit Weinindustrieplörre fehlten komplett, um es mal positiv zu sehen. Alkoholhaltige Getränke über 3,5% gibt es im Einzelhandel ausschließlich in sog. Systembolagets, ein staatlich kontrolliertes Unternehmen mit Monopolstellung und vielen Filialen in den einzelnen Stadtteilen. Natürlich musste ich da sofort hin, aber was ist in Schweden so schief gelaufen?, dass man auf so ein System setzen muss. Schweden war mal ein Land der Schwarzbrenner und der Alkohol hat viel Leid und Tod über die Bevölkerung gebracht, nach dem Aufkommen einer starken Abstinenzbewegung auf dem Lande, hat man den Alkohol immer weiter besteuert und verbannt. In den letzten Jahren hat man die strengen Verbotsregeln etwas gelockert, Schweden ist statistisch mittlerweile das Land mit dem höchsten weltweiten Verbrauch an Tetra-Pak-Wein. Also auch beim Wein Rausch statt Genuss?, ein gefundenes Fressen für meine Arbeitskollegen, dabei sollte Wein doch ein reines Genussmittel sein. Auf der einen Seite finde ich die Idee ja sehr gut, den Zugriff auf hochprozentigen Alkohol zu erschweren und ihn durch hohe Steuern fast unerschwinglich zu machen, das Teufelszeug macht in Deutschland auch so viele Menschen kaputt, sehr traurig! Aber Wein in den gleichen Topf werfen?, nur über Weinschanks Wasserleiche…
Beim Betreten eines Systembolagets greifen sofort ein paar Restriktionen, jünger aussehende Menschen müssen sich ausweisen (Eintritt erst ab 21 Jahren), Masseneinkäufe (z.B. mit meinem 9er bag) sind absolut unerwünscht (habe dann peinlich berührt nur drei Flaschen gekauft!), härterer Alkohol steht weit hinten in den Tiefen und dunklen Ecken der Läden. Das Weinangebot ist aus einer ersten Sicht durchdacht, es werden schon die wichtigsten Weinländer, Regionen, Appellationen und Rebsorten angeboten, allerdings ist das Angebot wohl in allen Filialen gleich, stark begrenzt und überschaubar, bei gut laufenden Weinen wird auch schon mal ein 2. Erzeuger dazu genommen. Auf den 2. Blick hat mich das System dann doch abgeschreckt, wahrscheinlich kauft ein staatliches Konsortium ein, mir fehlt hier die herrliche Weinvielfalt, auch wenn einiges abgedeckt wird (für die Mosel stand z.B. eine Riesling Spätlese von Dr. Loosen im Regal). Weinblogger wäre ich in Schweden wohl nicht geworden. Man muss sich mal vorstellen, es fehlt die Weinexpertise von tausenden unabhängigen Weinhändlern in Deutschland. In Schweden gibt es dann nur noch die Chance, Restaurants oder Weinbistros zu besuchen, die einen eigenen Einkauf betreiben und nicht dem Systembolaget angeschlossen sind.
Zur Zeit ist wohl auch die weiße autochthone Rebsorte Assyrtiko aus Griechenland in Schweden beliebt, eine Rebsorte von der Vulkaninsel Santorini, die sich mittlerweile über ganz Griechenland verbreitet hat und als der Star griechischer Weißweine gilt, die gekauften Weine im Systembolaget konnten mich leider nicht überzeugen, habe den Besuch aber als Inspiration genommen und die Expertise von Profis aus Berlin (Inofilos) genutzt.
Mein bisher einziger Besuch auf Santorini war 1988, beim dreiwöchigen griechischen Inselhüpfen mit einem Azubikollegen besuchten wir damals auch die berühmte Vulkaninsel. Mit dem Esel ging es stilgerecht vom Hafen aufwärts, leider interessierte ich mich damals noch überhaupt nicht für Wein und so gingen mir die spektakulären Weinlagen mit Assyrtiko durch die Lappen. Immerhin genoss man damals schon das frische Essen (der arme Kollege D. vertrug das Olivenöl nicht und hatte bestimmt zwei Wochen Durchfall, auf den Stehklos der Campingplätze besonders unangenehm!), die schwarzen Strände und eine spektakuläre Bootsfahrt zum „bloody vulcano“ und den heißen Quellen.
Die Wurzeln des Weinguts Artemis Karamolegos im Inselort Exo Gonia reichen bis zum Jahr 1952 zurück, man schreibt eine schöne Erfolgsgeschichte und ist mittlerweile drittgrößtes Weingut (von 21) auf Santorini geworden. Die Geschichte des Weinbaus auf der Insel ist uralt, leider sind aufgrund des Baubooms von ehemals 4800 Hektar nur noch 1200 Hektar erhalten. Karamolegos produziert einen interessanten Wein nach Appellationsvorschrift P.D.O. (Protected Designation of Origin), eine Cuvee aus den zugelassenen weißen Reben Athiri und Aidani mit Gewichtung (mind. 75%) von Assyrtiko.
Der Assyrtiko 2020 von Karamolegos auf Santorini hell zitronengelb mit goldenen Reflexen im Glas, benötigt unbedingt Luft, dann komplexe Nase nach Zitrus- und Steinobstaromen, schönen floralen Noten und nassem Stein, im Mund wieder Zitrus, frische und feine Säure und ein langer schmelziger Abgang mit salzigen Aromen und Grapefruitnote, richtig toller Assyrtiko! Idealer Essensbegleiter zu griechischen Vorspeisen, Fisch- oder Tintenfischcarpaccio oder gegrilltem Fisch.
Die Mylonas Winery aus Keratea, Attika, nur 40 km südlich von Athen, wurde 1917 von Antonis Mylonas gegründet. Die jetzige Generation, ein Brüder-Trio, bringt das Weingut seit 2006 mit rundum erneuertem und modernen Auftritt nach vorne, ich war sehr auf den Assyrtiko gespannt.
Der Wein fließt blass zitronengelb ins Glas, zeigt leicht grünliche Reflexe, in der Nase viel Zitrusfrüchte, dazu florale Noten, Kräuter, etwas Apfel und Mineralnoten, im Mund wieder viel Zitrus, sehr lebendig frische Säure, feiner Schmelz und schöner Grapefruitabgang, Assyrtiko macht auch außerhalb von Santorini viel Spaß und bietet ein umwerfendes PGV!
Die Brüder Andreas und Konstantinos Patistis betreiben nachhaltigen Weinbau rund um Argalasti (Pilion-Halbinsel) und profitieren von den großartigen Kalksteinböden, der guten Belüftung vom Pagasistischem Golf und konsequenten Bioweinanbau. Der Assyrtiko wurde in der Tonamphore ausgebaut, es gibt vom Jahrgang 2021 mal gerade 500 Flaschen und ich habe Flasche Nummer 104 vor mir. Wie es der Zufall so will, habe ich 2005 zwei Wochen die Ecke besucht, ich habe in einem wunderschönen alten Archontiko im Dorf Vyzitsa gewohnt, alle Tavernen um den schönen Dorfplatz waren geöffnet, doch wegen des kühlen Wetters blieb man meistens allein. Ich fand es herrlich, tolle Wanderstrecke an einer alten Bahnlinie, wunderschöne Dörfer mit fantastischer Architektur und tollen Ausblicken, und auf der Ägäis-Seite wunderbare Strände, etwas weiter südlich von Vyzitsa Argalasti mit einem beeindruckendem Glockenturm und großartiger Gastfreundschaft. Leider vermutete ich damals keinen Weinanbau am Pilion, man probierte sich aber durch die Bestände des höherwertigen Griechenland-Wein-Sortiments eines Supermarktes gegenüber dreier Luxus-Archontikos, die Regale waren nach zwei Wochen sehr geplündert.
Großartig gelungener Amphoren-Naturwein, leuchtet goldgelb im Burgunderglas und funkelt dazu noch orangen, irre Nase nach Kamille, Tee, Mandarine und Brot, im Mund unglaublich weich und schmelzig, sanfte Säure, voller Körper bei perfekt eingebundenem Alkohol (14,2%), trotzdem kühl und elegant wirkend, langer Abgang mit salzig-kalkiger Mineralik und etwas getrockneter Aprikose. Der Wein ist voller Spannung, sehr komplex, eine Werbung für das Amphoren- und Naturwein-Thema, Glückwünsche in den schönen Pilion!
Aber zurück nach Schweden: mit der Straßenbahn vor unserer Haustür konnten wir auch Schloss Drottningholm erreichen, teilweise Museum, aber auch privater Wohnsitz von Kung Carl XVI Gustaf und Königin Silvia. Die Fahrt durch die südlichen Dörfer der Gemeinde Bromma schon mal ein Erlebnis, diese reizende Gegend wollten wir uns auf jeden Fall auch noch genauer ansehen, aber das Schloss Drottningholm großzügig in den Ausmaßen, majestätisch und nicht umsonst UNESCO-Weltkulturerbe.
Man hätte das Schloss sogar über den Mälarensee per Schiff erreichen können, nächstes Mal, unsere Straßenbahn brachte uns wieder zügig zu unserer Ferienwohnung zurück, wir hatten nämlich die Rache des königlichen Äppelmust erwartet, es blieb aber alles ruhig. Wir brachen sogar noch mal auf und fuhren Richtung Stockholm zu einer großen Bucht, an der Hornbergs Strand liegt. Ein heftiger Kontrast zu den lieblichen Vierteln in Bromma, hier alles supermodern, unzählige Glas-Beton-Blöcke mit Luxuswohnungen und vorne am Wasser eine Schlendermeile mit ganz vielen Restaurants. Und hier war mir bei der Recherche vorher das „Naviero“ aufgefallen, ein hoch bewertetes spanisches Restaurant. Am Nachbartisch gab es eine schwedische Feier mit eigenartigen Lauten, die klar an das Wikingererbe erinnerten, für uns viele köstliche Tapas und auch glasweise Cava und Weißwein. Uns hat es super gefallen und mich inspirierte der schöne Abend zu nachfolgenden Weinen.
Ein Schaumwein aus dem Corpinnat-Tal mit verhaltener und feiner Perlage, helles Goldgelb, in der Nase Zitrusnoten, weiße Blüten und etwas Mandel, am Gaumen cremig und fruchtig (Zitrusfrucht, Mandarine), schöner langer Abgang mit Mineralnote. Sehr elegant und easy drinking, hat sehr viel Spaß gemacht.
Das Weingut Recaredo kann auf eine 100 Jahre alte Geschichte zurückblicken, es ist Firmengründer Josep Mata Capelladas zu verdanken, dass man mit der Familientradition Keramik brach und sich lieber auf die Herstellung von Schaumweinen konzentrierte, Josep war ein begnadeter und begehrter Hersteller und Degorgierer, der sich schnell selbstständig machen konnte. Unterstützt von seiner Frau Paquita Casanovas, die ihm sehr viel „Männer-Arbeit“ abnahm, konnte er sogar noch parallel eine passable Fußballerkarriere starten, die ihn nach Aufstieg bis in die 2. Liga führte. Leider zerstörte der spanische Bürgerkrieg alle Träume und Ambitionen, mit viel Arbeit und Mühe schaffte man dennoch einen zweiten Anlauf und gründete das Weingut Recaredo, das nach dem Spitznamen von Joseps Vater benannt wurde. Mit Zähigkeit und Verbissenheit konnte der nächsten Generation die Basis übergeben werden, die im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert wurde. Die Rebsorte Xarel-Lo auf kostbaren Böden im historischen Corpinnat-Tal bringt in Verbindung mit langer Lagerzeit großartige Qualitäten.
O-Ton im Weinladen, „die Txakoli-Weine müssen gebrochen werden!“, schönes Spektakel, wenn die Weine aus großer Höhe im Baskenland ins Glas geschüttet werden, Riesensauerei im Wohnzimmer in Münster, wenn man unbekannte Kultur nachstellen will, von der man keine Ahnung hat, dann lieber die Weine in Karaffen füllen, Luft tut gut!
Der 2022er Txakolina Doniene aus der autochthonen Rebsorte Hondarribi Zuri wahrscheinlich auch ohne Luft in Topform, strahlendes Gelb im Glas, ausdruckstarkes Bouqet nach Apfel, Birne, Zitrusfrüchten und Fenchel, im Mund sehr frisch und kühl, schmelzig und süffig, etwas Quitte und Kräuter, feine Würze, mineralisch und langer Abgang mit einem Mandelfinale, die Vorurteile zum „einfachen Apertifwein“ lösten sich sofort in Luft auf, Superwein!, bestimmt ein Bringer, auch zur baskischen Vorspeisenplatte oder ähnlichen Genüssen, unbedingt probieren!
Der Txakoli 2020er XX ebenfalls auch aus der autochthonen Rebsorte Hondarribi Zuri, aus dem Ort Bakio, höherpreisig, dadurch schon etwas unter Druck, strohgelbe Farbe mit grünen Reflexen im Glas, in der Nase Brot, florale Töne, Birne, Quitte und Fenchel, im Mund fruchtige Herbheit, sehr schmelzig und süffig, aber auch mit sehr ausgeprägten salzigen Anklängen im Abgang, toller Wein und ebenfalls ein Schmeichler zu Vorspeisen! Sehr ernst zu nehmende Weine, Glückwünsche in das Baskenland!
Seit 1996 existiert etwa 30 km nordöstlich von Bilbao das Weingut-Projekt Doniene Gorrondona mit dem Ziel, aus alten autochthonen Rebsorten den historischen Aperitif-Wein Txakoli endlich auf den Platz zu führen, der ihm trotz vieler früherer enttäuschender Massenqualitäten gebührt. Die Eigentümer besitzen ca. 15 Hektar Rebfläche mit Lehm-, bunten Mergel- und Gipsböden, neu hinzugekommen sind auch noch Flächen mit Sandstein- und Schieferböden. Man gilt als ein Pionier der D.O. Bizkaiko Txakolina, die für einen großen Qualitätsschub gesorgt hat.
Am nächsten Tag dann der schon lang ersehnte Ausflug in Stockholms Altstadt (Gamla Stan), sehr idyllisch und mit teilweise deutschen Spuren (Kirche, Straßennamen, Gasthaus) auf einer der 14 Inseln.
Nachdem wir die Altstadt mehrmals durchstreift hatten, begannen wir den Rückzug über Königliche Oper und stießen auf ein wunderbares portugiesisches Restaurant, das Botica. Hier gab es fantastisches portugiesisches Essen und auch einen Blick in einen Weinraum mit noblen Flaschen, mich inspirierte der Besuch zu den drei folgenden Weinen.
Die Quinta dos Avigados mit 19 Hektar alten und seltenen Rebbestand ist die Zentrale der Familie Nunes de Matos, deren Wurzeln im Weinbau bis ins Jahr 1757 zurückreichen. Man startete damals auf der uralten Quinta da Varanda (heute 15 Hektar) und breitete sich im 5 km Radius um Regua am Douro aus. Durch Heirat erwarb man noch die Quinta do Torrao (15 Hektar) und durch Kauf später die Quinta da Firvida (14 Hektar).
Der Wein ist für einen Douro-Wein überraschend hell und transparent im Glas und auch sonst ganz anders, die seltene autochthone Rebsorte Alvarelhao sorgt für eine spannende Nase mit Beeren, floralen Noten, Waldboden, Leder, Pfeffer und mineralischen Eindrücken, im Mund sehr feinfruchtig, wieder mineralisch, bei guter Säure und runden Tanninen überzeugt auch der lange würzige Abgang, ein ganz toller und eleganter Wein, verblüfft und überzeugt!
M.O.B. steht für das Gemeinschaftsprojekt der drei Douro-Starwinzer Moreira (Quinta da Poeira), Francisco Olazabal (Quinta do Vale Meao) und Jorge Borges (Wine and Soul). Ein spektakulärer Ausflug vom Douro in die älteste Appellation Portugals, Dao D.O.C., mit ganz speziellem Terroir und vielen autochthonen Rebsorten.
Der 2017er Wein aus der autochthonen Dao-Rebsorte Alfrocheiro sehr dunkel und schwarzrot im Glas, in der Nase Kirsche, dunkle Beeren, Pfeifentabak, ein Hauch Pfeffer und Vanille, im Mund sehr frisch, weich, vollmundig und elegant, dunkle Beerenfrucht, gut eingebundene Säure und geschliffene Tannine, dazu eine schöne Länge mit feinen Mineraltönen. Begeisternder Wein!
Der Önologe Jorge M. Nobre Moreira wirkte jahrelang erst spektakulär bei anderen Adressen, bevor er sich 2001 zum Schritt in die Selbstständigkeit entschloss und alte Rebanlagen in einem Seitental des Douros kaufte. Blog-Leser kennen diese Ecke schon von der Quinta Foz Torto. Beim ersten Besuch seines Weinberges war es sehr windig und eine Böe überraschte Moreira frontal mit Blättern, viel Staub und kleinen Steinchen. Nach dieser Begrüßung benannte er sein Weingut Poeira (Staub). Moreira ist sich in der Douro D.O.C. immer der Gefahr bewusst, dass sich die extrem aufheizenden Schieferhänge negativ auf die Feinheit der Weine auswirken können und hat mit verschiedenen Faktoren entgegen gesteuert, ich war sehr gespannt.
Der 2013 „38 barricas“ schwarzrot im Glas, keine Alterungsnoten an den Rändern, in der Nase dunkle Beeren, Kirsche, Lorbeer, Pfeffer und ein Hauch Vanille, im Mund feine Beerenfrucht, etwas Würze, noch ausreichend vorhandene Säure, langer Abgang mit Mineralkick, sehr schöner Wein!
Jetzt hatten wir eine gewisse Grundorientierung und am nächsten Tag fanden wir dann das Nordische Museum und auch das Vasamuseum auf der Insel Djurgarden. Wieder mal eine erschreckende Geschichte mehr von einem königlichen Gewaltherrscher. Er wollte mit dem Bau eines riesigen Schiffes Angst und Schrecken auf der Ostsee verbreiten. Dazu verlangte er von den verantwortlichen Schiffsbauern den Einbau unzähliger Kanonen und niemand wagte ihm zu widersprechen. Und so kam es nach Jahren Bauzeit kurz nach dem Stapellauf zur Katastrophe, das prächtige und schwer bewaffnete Schiff Vasa sank, unzählige Matrosen ertranken, eine eingesetzte Kommission konnte später keinen Schuldigen ermitteln. Immerhin ein ganz kleiner Trost, das Schiff konnte Jahrhunderte später mit modernster Technik aus dem schlammigen Untergrund geborgen und extrem aufwändig restauriert werden, man baute später eine Hülle drum herum und schon hatte Stockholm ein magisches Museum, einen Publikumsmagneten.
Nach so viel Kultur fuhren wir zurück nach Bromma Richtung Ferienwohnung Äppelviken, allerdings fuhren wir mit der blauen Tram 12 dann einfach mal weiter, weil wir uns den Ort Alsten auf Bromma anschauen wollten. Neben einer tollen Eisdiele gibt es hier eine 1932 vom Architekten Paul Hedqvist erbaute Reihenhaussiedlung, die sogenannten „Per Albin“-Häuser. Für die modernen Häuser fanden sich erst keine Käufer, bis der damalige schwedische Ministerpräsident Per Albin Hansson selbst in ein Haus einzog und dort bis zu seinem Tode, 1946, wohnen blieb. Die Häuser mit den großzügigen Gärten an einer schönen Allee mit zentraler Lage zwischen Straßenbahn und Mälarensee haben für eine Preisexplosion gesorgt, heute zahlt man ca. 450000 Euro für ein Haus.
Am Anfang der Siedlung die „Il Bicchiere Vinbar“, ausschließlich Produkte aus der Toskana, schöne Idee, da kehrten wir ein und der Besuch inspirierte mich zu zwei Weinen vom Weingut Montenidoli.
Der Vernaccia di San Gimignano (100% Rebsorte Vernaccia) vom Weingut Montenidoli ist ein Klassiker für mich. Der namensgebende Ort der DOCG, San Gimignano, ist schön, sogar wunderschön, aber auch fast immer schön voll. Zwischen den Geschlechtertürmen schieben sich die Massen durch die Gassen, biegen die Lemminge links ab und man selber geht rechts, kann man aber überraschende Entdeckungen machen. Z.B. qualitätsorientierte Restaurants oder eine uralte Drogerie, in der ich 1999 bei meinem ersten Besuch in der Toskana den Weißwein von Montenidoli entdeckte. Den Vernaccia di San Gimignano von Montenidoli probiere ich unregelmäßig, bisher hat er mir immer gut gefallen, nun also Jahrgang 2022 im Glas. Ein Tipp noch: Panoramawanderung um San Gimignano auf der Via Francigena, Bilderbuch-Toskana mit tollen Blicken auf das Manhattan des Mittelalters.
Im Glas mittleres Goldgelb, in der Nase Birne, Mandel, florale Noten und eine gewisse erdige Komponente, im Mund saftige Frucht, schön ausbalanciert mit einer mineralischen Note, dazu dezente Säure, schöner Trinkfluss, dazu langer und eleganter Abgang. Feiner Wein!
Der rote Spitzenwein des Hauses, der Rosso „Sono Montenidoli“ 2017, 100% Sangiovese von einer kleinen Parzelle mit sehr alten Rebstöcken auf exponierter Kalksteinlage mit Muschelbank, läuft als abgestufter IGT-Wein, da er die Spielregeln der eigentlich hier ausgewiesenen DOCG Chianti Colli Senesi um ein vielfaches unter- bzw. überbietet, ein Überqualifizierter, der überhaupt nicht in seine Rubrik passt und einfach aus den gesetzlichen Regelungen ausbricht und freiwillig in der 3. Liga startet. Ein Supertoskaner, immer sehr gut über den exorbitanten Preis zu erkennen, eigentlich immer eher als Cuvee von frankophilen Rebsorten (Cabernet Sauvignon, Merlot oder ähnliches) bekannt, sehr selten auch als 100% Sangiovese, wir hatten hier aber echt genau schon mal so einen 2017er-Supertoskaner im blog, erinnert Ihr Euch? Richtig, den Pergole Torte! Der Preis des Montenidoli relativiert sich dadurch plötzlich sofort, immer alles relativ, der Pergole Torte 2017 wird mittlerweile ab 250 Euro die Flasche gehandelt.
Aus (Un)Sicherheitsgründen mit längerer wöchentlicher Unterbrechung zwei Flaschen des Montenidoli-Supertuscan verkostet, hört sich banal an, aber der Wein benötigt extrem viel Luft, sehr gerne Karaffe, er ist ein echter Leisetreter und Sauerstoff-Junkie, zeigt dann aber bei rubinroter Farbe mit leuchtenden transparenten Rändern seine ganze Klasse: in der Nase Kirschen, Beeren, Kräuter, Leder, erdige und mineralische Noten, im Mund zum Start sehr trocken, dann Sauerkirsche mit einem vergehenden Tick brandigem Alkohol, dazu ausgewogene Säure, geschliffene Tannine, nach etwas Zeit zur Harmonie findend, der Abgang lang und mit unaufdringlicher Würznote. Schöner und feiner Essensbegleiter zu Pasta mit oder ohne Fleisch, ein Wein für geduldige Genießer, die nicht den großen Fruchtknall suchen und ja, ich hätte blind wahrscheinlich auf Brunello di Montalcino getippt!
Das Weingut Montenidoli von Signora Elisabetta Fagiuoli kann auf ca. 200 Hektar Landbesitz in der wunderschönen Landschaft rund um San Gimignano zugreifen, davon auf ca. 27 Hektar Weinbaufläche mit großem Muschelkalkvorkommen und sehr alten Rebstöcken. Nach fast 50 abgefüllten Jahrgängen unter Signora Fagiuoli hat man zur Zukunftssicherung 2019 den talentierten Nachwuchswinzer Alessio Cecchini ins Team geholt, der für weitere Qualitätssprünge sorgen soll.
Zurück nach Stockholm, am nächsten Tag ging es mit Bahn und Bus zum schönen Schloss Gripsholm in der Peripherie Stockholms, noch am Mälarensee, Idylle pur, viel Grün und Wasser, eine alte Eisenbahn und eine geplante Schachpartie gegen Kurt Tucholsky, der aber leider nicht erschien.
Abends ging es nach Rückkehr wieder ins schöne Stadtviertel Kungsholmen, es zog uns magisch an und wir sollten dort sogar ein paar Tage später in einer Fußballkneipe voller trinkfester und lautstarker Dänen das Spiel Deutschland gegen Dänemark überleben. An diesem Ausflugstag ging es aber eher ruhig zu, wir saßen draußen vor dem tollen Restaurant Agnes und genossen interessante Küche und Weine.
Ich hatte als offenen Wein den weißen SP68 Jahrgang 2022 von Occhipinti im Glas und war so begeistert, dass ich zuhause noch mal SP68 weiß und rot nachprobiert habe.
Der weiße SP68 Jahrgang 2022 ist eine Cuvee aus 60% Zibbibo (Muscat d’Alessandria) und 40% Albanello und fließt strohgelb ins Glas. In der Nase intensive Kräuteraromen und schöne florale Töne, dazu etwas Mandarine und Birne, im Mund Zitrusnoten, sehr cremig und süffig, milde Säure, überraschend salzig-mineralischer Abgang, spannender Essensbegleiter bei 11% Alkohol, fantastico und bravo!
Hinter den Weinen steht die charismatische sizialianische Winzerin Arianna Occhipinti mit ihrem 22 Hektar Weingut in der Nähe des Borgo „Fossa di Lupo“ (Höhle des Wolfes) an der uralten Weinstraße SP68 zwischen Vittoria und Pedalino. Hier gibt es besondere Böden aus rotem Sand, Kreide und Kalkgestein, autochthone Rebsorten (wie Zibbibo, Albanello, Grillo, Frappato und Nero d’Avola) und eine mutige Winzerin, die von Anfang an biologisch in den Weinbergen gearbeitet und auch im Keller möglichst wenig eingegriffen hat und klar Richtung Naturwein-Style arbeitet.
Der SP68 Rosso ist ein Verschnitt aus 70% Frappato und 30% Nero d’Avola, strahlend Kirschrot im Glas, in der Nase Kirsche, rote Beeren, etwas Orange, florale Töne, im Mund Sauerkirsche, Kräuter, frische Säure, sehr elegant, sanft und zart, filigran und kühl, langer Abgang mit salzig-würziger Note. Schöner Einstiegswein mit 11% Alkohol in die Welt der roten Naturweine.
Von Stockholm ging es mit dem Ausflugsschiff ein paar Tage später in den berühmten Schärengarten. Auf dem Weg zur Ostssee liegen ca. 30 000 bewohnte und unbewohnte Inseln, nah an Stockholm teilweise auch mit hässlichen Glasbetonkästen verbaut, etwas weiter draußen dann immer schöner und idyllischer werdend. Ein Paradies für viele Stockholmer mit hoher Lebensqualität und wohl ein Grund, warum mir die Großstadt Stockholm (fast eine Million Einwohner) trotz einiger Touristen immer so herrlich leer und entspannt vorkam. Viele schwedische Städter zieht es im Sommer wohl zum Ferienhaus oder zur Ferienwohnung auf die Schären.
Nach Ende der langen Fahrt schlenderten wir vom Hafen natürlich wieder Richtung Kungsholmen und meine Freundin entdeckte dort ein vielversprechendes französisches Restaurant, das Bergamott. Hier gab es auf Tafeln ein tolles Angebot an Speisen und dazu eine ausführliche Weinkarte mit vielen Klassikern aus der Champagne, dem Burgund und der Loire.
Champagner probiere ich viel zu selten, deshalb das Bergamott ein Glücksfall, Inspiration zu dem Champagner Effloraison Extra Brut 2020 von Sebastien Guenin aus Essoyes, Cote des Bar. 17 Hektar Weingut mit stolzen 92% Anbauanteil von Pinot Noir.
Der Champagner aus 70% Pinot Noir und 30% Chardonnay von kalkigen Parzellen, nur 5253 Flaschen, ich war sehr gespannt, ob ich als überzeugter Champagner-Chardonnay-Jünger auch die Pinot-Noir lastige Cuvee mögen würde.
Der Champagner fließt schäumend und blass zitronengelb ins Glas, feine Perlage, in der Nase Brioche, Apfel und Zitrus, am Gaumen viel Schmelz und Cremigkeit, neben Frucht (Apfel, Limette), floralen Noten auch viel Mineralik (Kiesel), alles sehr harmonisch ohne störende Übertreibungen, dazu ein sehr langer Abgang mit einem Hauch Grapefruit-Bitterkeit und ausgeprägter Salzigkeit. Genau richtiger Champagner für mich, gleich das Vorurteil „ich mag nur 100% Chardonnay-Champagner“ (blanc de blancs) ganz edel weggespült, großes Lob an Erzeuger und weindealer Florian!
Inspiriert wurde ich auch zu einem Macon-Villages 2020 vom Winzer Pierre Boisson aus Meursault. Boisson?, aufmerksame blog-Leser erinnern sich, die Schwester von Pierre, Anne Boisson, wurde hier schon mit einem tollen Aligoté vorgestellt. Die beiden Geschwister haben nach vielversprechenden Anfängen 2018 das Weingut Boisson-Vadot ihres Vaters Bernard mit wertvollen Lagen und altem Rebbestand geerbt und produzieren jetzt jeweils unter eigenem Namen.
Pierre Boisson bewirtschaftet 3,5 über die gesamte Cote de Beaune und das weiter südlich gelegene Maconnais verstreute Hektar und schafft es, von teilweise sehr alten Rebstöcken und guten und sehr guten Lagen besondere Weine mit eigener Handschrift zu erzeugen.
Der Macon-Villages 2020 goldgelb im Glas, untrügerisches Zeichen für Holzeinsatz und bei mir nach den aktuellen Erfahrungen mit den Iberern am Anfang des Beitrages eher Sorge auslösend, komplexe Nase nach Apfel, Quitte, Honig, Tee und etwas Vanille, im Mund sehr voll und schmelzig, das Holz hat Frucht und Säure nicht erschlagen, äußerst gelungen und harmonisch, Zitrone und wieder Apfel, Vanille, wirkt bei alle Kraft trotzdem kühl und elegant, dazu endloser Abgang mit salziger Note und ganz feiner Würze. Großes Glück und die beiden Winzer Anne und Pierrre Boisson unbedingt im Auge behalten, beide können mit dem Holzeinsatz umgehen und machen spannende Weine.
Mit Bus, U-Bahn, Fähre und zu Fuß erforschten wir immer mehr Stadtviertel Stockholms, sehr schön Östermalm und Södermalm, auf der Freizeitinsel Djurgarden eher zermalm. Auch überraschend viel Weinangebot, nicht immer unser Fall, aber am vorletzten Tag (natürlich!) entdeckte meine Freundin unseren absoluten Favoriten, Weinbar und Restaurant Portal in der Nähe der U-Bahn-Station Sankt Eriksplan. Sehr viele seltene offene Weine, die Bar inspirierte mich zu zwei Weinen aus dem Jura.
Die Domaine Berthet-Bondet wurde 1984 durch Chantal und Jean Berthet-Bondet gegründet und gehört zur Vereinigung der unabhängigen französischen Winzer. Seit 2013 ist auch die älteste Tochter Helene in den Betrieb eingestiegen, man bewirtschaftet 15 Hektar, 4,5 Hektar in der Appellation Chateau-Chalon und 10,5 Hektar in der Appellation Cotes du Jura. Man besitzt schroffe und steile Lagen mit hohem Kies- und Mergelanteil. Angebaut werden die autochthonen Rebsorten Savagnin, Trousseau und Poulsard, aber auch Pinot Noir und Chardonnay.
Der 2016er Tradition eine Cuvee aus den Rebsorten Savagnin und Chardonnay fließt goldgelb ins Glas, in der Nase viel Hefe, geröstete Nüsse, Dörrobst, Bohnenkraut und Bienenwachs, erinnert an Sherry und trockenen Sercial-Madeira, im Mund sehr herb, Quitte, Liebstöckel und Jod, langer würzig salziger Abgang. Puh, Überraschung gelungen!, der Wein ist sehr speziell, er reift wohl wirklich unter einer Florhefe-Schicht, ähnlich wie Sherry. Tradition im Jura, bricht aber völlig mit der Tradition unserer gewohnten Geschmackserlebnisse, deshalb vielleicht einen Versuch wert, Toleranztrinker ran!, aber bitte vorher anschnallen!
Der 2019er Savagnier (aus einer gleichnamigen kleinen besonderen Parzelle, auf französisch „lieu-dit“) aus der Appellation Cotes du Jura aus 100% der Rebsorte Savagnin hat mich richtig begeistert: strohgelb im Glas, bietet er ein sehr komplexes und verblüffendes Bouqet nach Kamille, Akazie, Nüssen, Quitte, Algen und Harz, im Mund sehr frisch und klar, feine Säure, Jod und Salzmandel, dazu ein langer, leicht herber und mineralischer Abgang. Richtig toll und spannend!
Zum Abschluss ging es noch mal mit dem Boot durch die Stadt, Wasser beruhigt und man konnte noch mal in Ruhe ein Fazit ziehen. Wir kommen auf jeden Fall wieder, mögen Stockholm sehr und ich war sehr froh, dass wir einfach mal den Norden ausprobiert haben. Neuesten Gerüchten zufolge gibt es mittlerweile durch den Klimawandel über 100 schwedische Weingüter, ich hab keine Flaschen gesehen und probiert, aber sicher auch ein Grund zurück zu kommen. Fantastischer Urlaub und Weinschank in Hochstimmung, lest im nächsten Beitrag, was dann passiert ist, das Schicksal im verflixten 7. blog-Jahr hat dann doch gnadenlos zugeschlagen!
Frohe Weihnachten, guten Rutsch und bis bald!