Betriebsarbeitsausflug aller drei Schichten der Kinosaal-Mitarbeiter aus Münster nach Karlsruhe, nach einer Fusion ist man ein Laden mit zwei Standorten geworden, soll aber zusammenwachsen bzw. zusammen wachsen. Natürlich hatte unsere Schicht die Nachtschichtwoche gezogen, auweia, nicht schon wieder, da sollte weintechnisch mal wieder nicht viel gehen! Aber immerhin hatten wir durch die frühe Anreise zum Hotel Blauer Reiter in Karlsruhe-Durlach einen ganzen Abend zum Aufdrehen und so trafen wir uns zu dritt nach einem Blick auf die Weinkarte zur Blindprobe in der Hotelbar. Kurz vor dem Start lärmte noch ein blauer Reiter von der benachbarten Brauerei durchs Bild und bestellte Kräutertee auf Spanisch (ein Hinweis auf einen Wein?, spoilern ist bei Blindproben immer eine bodenlose Frechheit und strengstens verboten!). Der Name des Hotels leitet sich übrigens nicht von torkelnden Trunkenbolden ab, sondern von der Künstlergruppe Blauer Reiter.
Der Blaue Reiter war eine Abspaltung (Secession) von der Neuen Künstlervereinigung München und wurde 1911 von Franz Marc (liebte blau und Pferde) und Wassily Kandinsky (liebte blau und Reiter) wegen stark abweichender Kunstauffassungen mit einer eigenen Ausstellung begründet. Weitere Künstler (Gabriele Münter, Marianne von Werefkin, August Macke, Alexej von Jawlensky, Paul Klee u.a.) sympathisierten und stellten auch Bilder bei weiteren Ausstellungen zur Verfügung. Im ersten Weltkrieg fielen 1914 die Genies Marc und Macke, die russischstämmigen Künstler gingen zurück in ihre Heimat, ohne seinen Freund Franz Marc wollte Wassily Kandinsky den Blauen Reiter nach dem Krieg nicht wiederbeleben, der Einfluss auf die Kunst und andere Künstler war trotzdem enorm, seid ihr mal in München, besucht die schöne Lenbach-Villa mit ihrer großartigen Ausstellung oder auch das fantastische Museum der Phantasie (die Schätze von L.G. Buchheim, dem Autor von „Das Boot“) in Bernried am Starnberger See.
Mittlerweile war der Störenfried ein zweites Mal in der Bar aufgetaucht und hatte als goldener Reiter und kurz vor der Raserei seinen zweiten Kräutertee bestellt. Danach verschwand er dann aber zum Glück beruhigt von der großen Bühne ins Reich der Träume (wahrscheinlich Rodeo-Reiten) und wir konnten endlich starten.
Zum Aufwärmen suchte ich für die Blindprobe die Cuvée No. 1 (Spätburgunder, Lemberger, St. Laurent und Cabernet Sauvignon) Jahrgang 2020 vom Weingut Klumpp aus dem Kraichgau in Baden aus der Weinkarte aus. Meine Arbeitskollegen überraschten, nach einem kleinen Abstecher nach Frankreich kam man mit Deutschland auf die richtige Spur und tippte dann auch eine der vier Rebsorten und den Jahrgang.
Rubinrote Cuvée, in der Nase dunkle Beeren, Kirschen, Würze und ein Vanillehauch, im Mund verspielt und sehr fruchtig und süffig, Kirsche und Holunder, mit leicht bissiger Säure, mittlerer Abgang. Sehr gutes Preis-Genuss-Verhältnis.
Das Weingut Klumpp ist hier im blog schon öfter mit Weinen positiv aufgefallen, Andreas und Markus Klumpp produzieren nördlich von Karlsruhe bei Bruchsal im Kraichgau biozertifiziert jährlich ca. 180 000 Flaschen. Die Cuvée 2020 schaffte es nicht ganz in die Siegerschankliste, aber dort sind schon einige andere Klumpp-Weine (Weiß-, Rosé- und Rotweine) vertreten.
Und dann der nächste Wein (von einem Arbeitskollegen heimlich geordert!) und eine sich herrlich aufbauende Drucksituation für den blind verkostenden und nun sehr einsamen Weinschank, sollte er ähnlich spektakulär wie ein weißbiertrinkender Sommelier bei der Wein-Blindprobe im Fernsehen untergehen und Syrah mit Spätburgunder verwechseln? Alle Ausreden würden dann nichts zählen, endlich der Beweis, was eh schon alle gedacht und gewusst hatten, Scharlatanerie, Weinschrank zu, Gorilla tot! Zu gewinnen gab es nichts, eigentlich nur zu verlieren: erste Antwort von mir: Italien! Richtig! Ungläubiges Staunen (besonders bei mir selbst!), hatte mit Hilfe der hellen Farbe des Weines schon mal einiges ausgeschlossen und stark auf Pinot Noir, Spätburgunder oder Nebbiolo getippt, in der Nase dann aber sehr viel süßliche Kirsche, etwas Pflaume und Würze. Im Mund dann wieder Kirsche und dunkle Beeren, ordentlich Säure, Tannine, bei mittellangen Abgang. Passte alles perfekt zu einigen Weinen meiner letzten Toskanaprobe , also Italien! Meine nächste Antwort dann Toskana! Wieder richtig! Und gleich hinterher: Sangiovese! Nun brachen die Diskussionen los, weil die Prüfer nichts auf der Flasche fanden, was auf Sangiovese hinwies. Aber ich konnte sie beruhigen: Rosso di Montalcino DOC ist die Appellation unterhalb der berühmten Brunello di Montalcino DOCG, etwas großzügigere Spielregeln und dadurch niedrigere Preise. Der Rosso di Montalcino wird auch als kleiner Bruder des Brunello bezeichnet, einzig zugelassene Rebsorte ein Sangiovese-Klon (Brunello genannt), meine Antwort konnte man also getrost als richtig durchgehen lassen!
Als letzter Teilnehmer kam nach späterer einstimmiger Abstimmung der stärkste Wein ins Glas, die Arbeitskollegen durften wieder raten.
Transparentes Rubinrot, in der Nase Kirsche und Johannisbeere, Gewürze und rauchige Noten, im Mund sehr seidig und weich, dabei aber auch voll und kräftig, endlos lang nachhallender Abgang, großartiger Wein und würdiger Abschluss der Reihe. Aber konnte auch etwas erraten werden? Ein Arbeitskollege machte mit Deutschland, Baden und Spätburgunder den Sack gleich zu, es war ein wirklich toller 2017er Alte Reben vom Weingut Fritz Waßmer aus dem Markgräfler Land.
Der Name Waßmer fiel hier im blog bisher durch gute Einstiegs-Weißweine des Weingutes Martin Waßmer aus Schlatt im Markgräfler Land auf. Fritz Waßmer ist der Bruder und Nachbar von Martin mit einem eigenen Weingut. In einem hoffentlich immer freundschaftlichen Konkurrenzkampf haben sich beide Weingüter auch mit Zukauf wertvoller Lagen bis in die Spitze Badens vorgearbeitet. Ich bin durch den tollen Spätburgunder Alte Reben 2017 total neugierig auf weitere Rotweine von Fritz und Martin Waßmer, aber auch die Weißweine sollte man wohl auf dem Schirm haben. Schöne Blindprobe und eine tolle Entdeckung.
Die erste Nacht konnte meine Schicht noch entspannt im Hotel schlafen, wir mussten erst am nächsten Tag um 23 Uhr im Kinosaal Karlsruhe starten, der nächste Morgen praktisch dann eine Generalprobe und richtig, man wurde stilgerecht mit der Bohrmaschine geweckt, irgendwo im Hotel musste wohl ein neuer blauer Reiter aufgehängt werden. Schwamm drüber, alles ja nur Probe, die nächsten Tage Radau im Hotel nach Nachtschicht-Wiederkehr und Frühstück wären dann schon sehr viel unangenehmer, jede Stunde, die man nicht schlafen kann, wirkt sich fatal auf die nächste Nachtschicht aus, diese Erfahrung durfte ich schon öfters zuhause in Münster durch die Baustelle in meinem Hinterhof machen.
Die freie Zeit am Tag nutzte ich unter anderem zu einem Besuch in der Oststadt, um mich bei zwei Weinläden mit badischen Rotweinen einzudecken. Natürlich wurden mir alle badischen Weine als Volltreffer angepriesen, zuhause sollten die Weine dann von mir kritisch verkostet werden. —> Und hier bin ich wieder und öffne gespannt Wein Nummer 1, den Blauen Spätburgunder 2018 vom Weingut Karl H. Johner aus Bischoffingen am Kaiserstuhl.
Transparente rubinrote Farbe, sensationelle Spätburgunder-Nase nach Süßkirsche, Erdbeere, Leder, Waldboden und einem Vanillehauch, im Mund trifft süße Frucht auf feine Säure und Würze, weich, samtig und seidig, sehr komplex und elegant, langer Abgang mit einer delikaten Bitternote und schönen Mineraltönen. Der nächste Volltreffer, was für ein unglaublich feiner Wein, erinnert ein wenig an Fürst (Bürgstadt, Franken), man soll so Vergleiche ja nicht machen!, aber ich bin so über den ultrafeinen Holzeinsatz begeistert und habe hier gleich den Marker für Proben im Hochpreis-Segment gesetzt! Super!
Nach zehnjähriger Tätigkeit im Ausland gründete 1985 Karl Heinz Johner zusammen mit seiner Frau Irene ein kleines Weingut in Bischoffingen, Ihrer Heimatgemeinde am Kaiserstuhl. Von Beginn an war klar, dass man kompromisslos Weine nach burgundischem Vorbild erzeugen wollte und konsequent auf Barrique-Ausbau setzte. Der Aufschrei der deutschen Weinszene verhallte und der Erfolg gab dem eigenwilligen Winzer recht: es konnten kraftvolle und trotzdem elegante Weine mit großem Lagerpotential erzeugt werden. Durch den Einstieg von Sohn Patrick, der seine Lehr- und Wanderjahre in Australien und auch eben im Burgund verbracht hatte, gab es noch einmal einen Qualitätsschub, die eigenwillige Kompromisslosigkeit scheint vererbt, mittlerweile werden alle Flaschen (auch die Spitzenweine) nur noch mit Drehverschluss angeboten. Das Weingut kann auf ca. 16 Hektar zurückgreifen und erzeugt dabei jährlich ca. 80 000 Flaschen.
Die erste Nachtschicht einer Woche ist normal immer die Schlimmste, der Rhythmus des Körpers ist noch nicht richtig umgestellt und man hängt dann öfter mächtig in den Seilen. Irgendwo im Hintergrund lief dazu im Kinosaal ganz leise „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ von Franz-Josef Degenhardt, das Lied hatte ich gefühlt zwanzig Jahre nicht mehr gehört. Nach Feierabend in der Früh ging es sofort ohne Frühstück in die Falle, so kaputt war ich schon lange nicht mehr! Nach Aufwachen konnte ich trotzdem einige Haudegen zu einem Spaziergang durch Durlach überreden. Durlach ist mittlerweile zwar nur noch ein schöner mittelalterlicher Stadtteil Karlsruhes, gilt aber als Keimzelle der Stadt, weil es Residenz der Markgrafen von Baden war, bis 1715 der absolutistisch herrschende und in Durlach geborene Marktgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach in das Schloss seiner neugegründeten Fächerstadt Karlsruhe umzog. Wir fuhren bei Marktgrafen-Wetter mit der Standseilbahn auf den Turmberg, wo sich uns aus dem Biergarten von Anders Hofbistro eine fantastische Aussicht über Karlsruhe bis zu den Vogesen bot. Durbach in der Ortenau war vom Turmberg in Durlach bestimmt auch zu peilen und schon sind wir beim nächsten Wein.
Seltsamerweise mochte ich den ersten probierten Weißwein (Siegerschankwein!) vom VDP-Weingut Andreas Laible damals sofort sehr, bei den probierten Weißweinen vom benachbarten Weingut Alexander Laible musste ich bisher wegen übertriebener exotischer Frucht immer passen! Nun also mal ein Rotwein, ich war sehr gespannt, da Vater Andreas und Sohn Andreas (Christian) Laible eigentlich als große Rieslingexperten mit weiterem großen know-how für Scheurebe, Gewürztraminer und weiße Burgundersorten gelten und jedes Jahr mächtig mit Auszeichnungen überschüttet werden. Der Betrieb ist seit 1672 in Familienbesitz, nie übermäßig gewachsen (ca. 8 Hektar, bei jährlich erzeugten ca. 45 000 Flaschen) und mit einer felsen- und sehr arbeitsreichen Steillage Durbacher Plauelrain versehen, aus der die besten Weine kommen. Die Weißweine stehen schon lange auf meinem Zettel, aber Geduld, hier erst mal ein Spätburgunder.
Überraschend dunkler rubinroter Spätburgunder, in der Nase herrlicher Duft nach süßem Pfeifentabak, Leder, Vanillehauch, roten Früchten und Gewürzen, im Mund dunkle Früchte, weich, voll und schmelzig, Säure gut eingebunden, aber deutlich spürbar, schön langer Abgang mit Mineraltönen und einem ganz leichten Bitterton. Zeigt viel Potential und benötigt noch etwas Reifezeit, als Essensbegleiter schon ein ganz toller Wein, hatte insgeheim auf diesen Auftritt gehofft! Glückwünsche nach Durbach!
Nach einer weiteren Nachtschicht (dieses Mal glaubte ich, den Song Concrete Head von Mutt! auf der Arbeit leise im Hintergrund zu hören!) sollte tagsüber ein Traum für mich in Erfüllung gehen, ich konnte endlich auf dem Basketballplatz an der Pestalozzischule in Durlach gegen einen meiner Arbeitskollegen antreten. Nach einem verbissenen halbstündigen Duell auf einen Korb und auf Augenhöhe, musste ich mich knapp mit 3:5 geschlagen geben. Das Format lag mir dann doch nicht so, wie ich es durch manche spektakuläre Würfe mit zerknüllten Brötchentüten auf den Papierkorb im Kinosaal Münster angenommen hatte. Bei allem Ehrgeiz gab es dann noch ein friedvolles und leckeres Antipasti-Essen in der Durlacher Pestoria.
Um den ausgezeichneten Spätburgunder 2017 Alte Reben von Fritz Waßmer und den Blauen Spätburgunder Johner 2018 vielleicht doch noch überflügeln zu können, habe ich keine Kosten und Mühen gescheut und aus einem eigentlich immer interessanten Weinladen in Solingen ein Spätburgunder GG vom Weingut Bercher besorgt. Das Weingut taucht durch vorherige Besuche in Karlsruhe, auf der ProWein 2019 in Düsseldorf und auf meiner großen Rosé-Probe schon mit einigen Weinen in der Siegerschankweinliste auf. Martin und Arne Bercher haben das 27 Hektar VDP-Weingut aus Vogtsburg am Kaiserstuhl mit einem Flaschenausstoß von ca. 200 000 Flaschen auf ein sehr hohes Niveau gebracht. Deshalb war ich sehr gespannt auf den Rotwein.
Ich sehe beim Thema GG (VDP.Grosses.Gewächs) mittlerweile folgendes Dilemma: das Weingut ruft für seine besten trockenen Weine (aus der VDP.Grosse.Lage) hohe Preise auf und will dem Konsumenten natürlich etwas Einzigartiges bieten. Manchmal wird das mit sehr übertriebener Stilistik versucht, das mag ich leider gar nicht! Da der Burkheimer Feuerberg durch das leidige deutsche Weingesetz von 1971 stark vergrößert wurde und zu den großartigen Vulkanböden immer mehr Lössböden hinzu kamen, bezogen sich die Berchers bei den Vulkanboden-Kernlagen auf alte, historische Lagennamen, die sogenannten Gewanne. In diesem Fall der Kesselberg. Bei so viel Exklusivität und Besonderheit graute es mir bei den Vorlagen der Lagennamen vor zu viel brandigem Alkohol, zu viel Holz und Würze.
Die Berchers haben sich zum Glück für einen völlig anderen Weg entschieden (den Richtigen!): der transparente rubinrote Wein hat eine anfangs sehr zurückhaltende Nase, die dann bei zunehmenden Sauerstoffkontakt schön in Richtung Kirsche, etwas Vanille und Mineralität geht, im Mund zurückgenommene Frucht, durch präsente und feine Säure sehr frisch und kühl wirkend, aber auch Schmelz und ganz leicht angeholzt, superelegant, bei langem erdig, rauchigem Abgang. Wunderschöner Essenswein und Siegerschankwein
Vor der übernächsten Nachtschicht um 18 Uhr dann großes Grillen auf dem Campus vor dem Kinosaal Karlsruhe mit Blick auf den neu fertiggestellten Monumentalbau, es wurde mächtig Beton angerührt, aber auch ein Baum gepflanzt, beim letzten Besuch war dort nur eine große Baugrube. Von den in Karlsruhe gekauften Weinen hätte ich Zwei als besonders geeignet für die Begleitung zum Grillen eingeschätzt.
Der Spätburgunder Pieper Basler aus der Ortenau transparent und rubinrot im Glas, nach etwas Luft faszinierende Nase nach süßer Kirsche, Tabak, Leder und einer immer stärker werdenden feinen mineralischen Komponente, dazu Rauch und Würze. Im Mund dunkle Früchte, voll, noch sehr spürbare Säure trotz Holzeinsatzes, schmelzig, da ist wieder großes Potential nach weiterer Schlummerphase im Keller vorhanden, feiner Abgang! Ist zur Zeit ein schöner Essensbegleiter, wird mit den Jahren noch ein seidig samtiger Charmeur! So macht das Probieren Spaß, ich feiere das Burgunderglas und auch die Familie Pieper-Basler!
Traditionsreiches Weingut mit Anfängen von 1797, ein Matthias Basler verdingte sich überliefert als Rebmann (Winzer) in Zell-Weierbach in der Ortenau. Von den Weinbergen soll man einen fantastischen Fernblick über die Rheinebene haben und auf der anderen Seite des Flusses sogar das Straßbourger Münster sehen können. Es dauerte bis zum Jahr 2015 bis sich Jochen Basler und Kirsten Pieper ein Herz fassten und sich endlich von der Genossenschaft lossagten und Ihr eigenes 5 Hektar Weingut gründeten. So langsam wird man wohl von den einschlägigen Weinführern entdeckt (und nun auch vom Weinschank!). Ich war besonders auf die Bodenbeschaffenheit neugierig, die Steillagen (z.B. der Zeller Abtsberg) am westlichen Hang des Schwarzwaldes sind Granitverwitterungsböden. Die Nähe zu Frankreich wird auch sehr schön in der gutseigenen Klassifikation umgesetzt, es gibt vier Weinlinien, „Plaisir“ für den unkomplizierten Weingenuss, „Saveur“ für das anspruchsvolle Geschmackserlebnis , „Idee“ für Inspiration und ganz neu „Nature“ für Naturweine. Kirsten Pieper ist wohl auch Buchhändlerin mit eigener Buchhandlung , man renoviert gerade ein denkmalgeschütztes Haus, um 2023 eine Ferienwohnung anbieten zu können und hat einen kleinen Weinberg in Riquewihr (Elsass) erworben, wo man Gewürztraminer anbaut. Gefällt mir alles super, habe erst einen Wein probiert, aber möchte dort schon auftauchen, so kann es gehen!
Ein rubinroter Lemberger aus dem Kraichgau, wirkt durch den Drehverschluss erst einmal eher einfach, begeistert aber sofort mit einer extrem mineralischen Nase (Heilquelle in Bad Soden?, mir fällt dann sofort der Schioppettino von Dario Coos ein, diese fest abgespeicherten Eindrücke werden noch zu tollen und peinlichen Verwechslungen in Blindproben führen, da wird mir wahrscheinlich noch von manchem Wein-Alphatier richtig übel mitgespielt werden!) und dunklen Beeren, im Mund voll, fast süßliche Frucht, sehr süffig, gut eingebundene Säure, spannungsgeladen, dazu ein pfeffriger Abgang, mano, das wäre ein perfekter Grillwein gewesen! Finde den Wein und besonders das Preis-Genuss-Verhältnis klasse, der Kraichgau hat neben Auxerrois scheinbar noch andere Möglichkeiten zur Profilschärfung, wieder war ich sehr auf die Hintergrundinfos zum Weingut gespannt!
Weingut Klenert ist ein Bio-Weingut aus dem Kraichgau, zum Glück wagen immer wieder sehr talentierte, gut ausgebildete und in Lehrjahren weit rum gekommene Jungwinzer wie David Klenert den Schritt in die Selbstständigkeit! Er stammt gebürtig aus dem Schwarzriesling-Dorf Kürnbach, was mich auch schon wieder neugierig macht! Als Bachelor of Weinbau und Önologie (erworben in Neustadt an der Weinstraße in der Pfalz) greift er gleich mit Familie und Team mit 21 Hektar und sehr viel Selbstbewusstsein an, ich fand den Lemberger spitze!, werde nachbestellen und nach den Bodenbeschaffenheiten fragen, wieder eine echte Entdeckung!
Die Zeit verging nun wie im Fluge, plötzlich war man im Rhythmus, hörte keine Musik und Stimmen mehr, blieb am Ball, konnte sogar noch nach Nachtschichtende frühstücken und die Münsteraner Frühschicht ärgern, um dann selber wie ein Stein unter der beigen Pferdeherde ins Bett zu sinken und von alten Kinoklassikern zu träumen! Nach Aufwachen war nach Spaziergang um 18 Uhr ein gemeinsames event, es ging zum amerikanischen Kegeln Richtung Karlsruhe-West. Als ehemaliger halbprofessioneller „Großer Fredenbaum-Kegler“ im Zivildienst war ich von den extrem schwierigen Bedingungen, der Masse an Menschen und dem eigenartigen Essen beeindruckt, trotz Löcher in den Kugeln konnte ich in Durchgang 1 stoisch jede Kugel auf der Bahn halten, in Durchgang 2 ging es dann aber steil abwärts. Wahrscheinlich hätte mir in fremden Schuhen ein Gläschen Schumann weitergeholfen.
Ein sehr herausfordernder Wein, dieser Blaue Spätburgunder 2017 vom Weingut Schumann: die Farbe noch sehr typisch, transparentes Rubinrot, in der Nase dann ein leichter Spontistinker, aber auch rote Früchte, Leder und Pfeffer, im Mund sofort lebendige und bissige Säure spürbar, nach viel Luft beruhigt sich der Wein und zeigt eine schöne Sauerkirsch-Note, Schmelz, kühle Eleganz und feine Mineraltöne bei einem sehr langen Abgang, kein Einstiegswein für Anfänger in die faszinierende Spätburgunder-Welt, eher ein Wein für fortgeschrittene Nerds und Freaks, die immer auf der Suche nach neuen Überraschungen sind (und mich manchmal so nerven, weil jeder Bezug zur Geschmacksbasis des normalen Weintrinkers verloren gegangen scheint und das Herausfordernde normal sein soll!). Mir persönlich hat der Wein aber auch sehr gut gefallen, ich würde ihn jetzt nicht kistenweise nachbestellen, aber ihn sofort im Restaurant zum Essen ordern. Die Gegend um den Kaiserstuhl ist übrigens eine tolle Feinschmecker-Ecke!
Bettina Schumann bezieht sich natürlich fleißig bei der Benennung Ihres Wein-Sortiments auf Ihren Namen (Schuhe, arrrggghhh, da hätte ich auch drauf kommen können!) und ihre Berliner Herkunft, „Haute Volaute“ sagt der Berliner wohl zur feinen Gesellschaft statt „Haute Volée“, und der Schwabe bestellt am Prenzlauer Berg in Berlin Wecken statt Schrippen. Aber Bettina zog es nicht zum Gegenbesuch nach Schwaben sondern an den erloschenen Vulkan Kaiserstuhl in Baden, nach Königschaffhausen. Parallel zur Ihrer Arbeit als „flying winemaker“ in Deutschland und im Ausland hat Sie es 2015 gewagt, Ihr eigenes Weingut zu eröffnen. Unterstützt von Ihrer kongenialen Frau Melanie Panitzke, einer ausgezeichneten und langjährig tätigen Sommelière in Köln, sind noch viele besondere Weine mit Ecken und Kanten erwartbar, ich finde es immer wieder fantastisch, was für Menschen und Geschichten ich durch die richtigen Weine entdecke, scheinbar ein eigener Kosmos mit unendlichen Welten!
Karlsruhe macht mir immer sehr viel Spaß, dieses Mal war es mit der großen Gruppe besonders toll, ich erschließe mir nebenher auch immer mehr die Weinregion Baden, das war eine rundum gelungene Sache! Aber nun sollte ich es beim nächsten Mal schaffen, auch privat die umliegenden Weinregionen in der Umgebung von Karlsruhe zu besuchen, im Norden der Kraichgau und im Nordwesten die Pfalz, im Süden Ortenau, Kaiserstuhl, Markgräfler Land und mehr, im Südwesten das Elsass (Bas-Rhin) und im Osten Württemberg, Karlsruhe ist ein richtig guter Standort für viele weitere Weinentdeckungen. Die Weine haben mir alle durch die Bank richtig gut gefallen (das gibt es hier im blog auch nicht so oft!), großes Lob an die Weingüter und auch an die Karlsruher und den Solinger Weinhändler!
Schöne badische Rotweine! 👍
Die Hälfte etwa kenne ich und schätze sie auch sehr. Ein paar sind auf der Wunschliste.
Aber da sind auch noch ein paar unerwähnte 😉.
Wie immer gilt: Es gibt mehr Wein (-güter), als man sich in den Keller legen kann.
Und natürlich auch mehr rote Rebsorten 😉.
Hallo Michael,
ich stimme Dir mal wieder 100%ig zu, leider gibt es auch viele Probleme mit dieser Software hier, ich bin jetzt erst mal wieder froh, dass alles wieder läuft…
Grüße Dein Weinschrank