Kalk und Kreide, reif für die Insel!

 

Rügen

Villa Fernsicht, Sassnitz, Rügen

Es ging für zwei Wochen nach Sassnitz auf Rügen. Sassnitz hat noch viele Villen im Bäderarchitekturstil und nach viel Recherche meiner Freundin, konnten wir tatsächlich eine traumhafte und aussichtsreiche Ferienwohnung hoch über der Altstadt beziehen. 

 

Rügen

Ferienwohnung Nr. 3, Villa Fernsicht, Sassnitz

Die Altstadt ist sehr klein und ein Kopfsteinpflasterweg schlängelt sich steil abfallend runter zur Ostsee. Bei meinen Gastronomie-Recherchen war mir vor der Reise ein kleiner Laden in der Altstadt aufgefallen, der Weine von diversen Inseln anbot. Gar keine schlechte Idee und vielleicht der rote Faden für diesen Beitrag hier? Neben ein paar Inselweinen packte ich aber auch Weine der Genussbar aus der Kalkstadt Wülfrath ein, die ich endlich mal in Ruhe verkosten und beschreiben wollte. Es war also mal wieder alles weintechnisch angerichtet, ich war unabhängig von der Gastronomie und konnte entspannt nach vorne blicken.

 

Rügen

In der Altstadt von Sassnitz.

Ganz stolz war ich auf den korsischen Inselwein aus der Genussbar Wülfrath, mit diesem Wein wollte ich spektakulär eröffnen und eine Brücke zwischen den beiden Themen bauen. Ich hatte mich schon gewundert, Albarino aus Korsika?, beim zweiten Blick aufs Etikett stellte ich dann fest, manchmal liest man das, was man lesen will. Das 5 Hektar Bio-Weingut der Familie Fernandez heißt Corisca (von wegen Corsica) und kommt aus Galicien, D.O. Rias Baixas. Es liegt in Tui, Pontevedra, am Grenzfluss Rio Minho, der Portugal von Spanien trennt. Auf der spanischen Seite werden Albarino-Reben angebaut, die auf mineralischen Böden aus Sand, Kies oder Granit wachsen. Corisca ist galicisch und bedeutet „Orkan mit Regen und Hagel.“ Auf der anderen Seite des Rio Minho liegt ein paar Kilometer flussaufwärts das portugiesische Örtchen Moncao mit dem Weingut Solar de Serrade. Hier im blog wurde von mir schon ein toller Alvarinho 2018 vorgestellt. Nun also von der spanischen Seite ein Albarino.

 

Galicien

Albarino 2021, Bodegas Corisca, D.O. Rias Baixas, Tui, Pontevedra, Galicien

Zitronengelb im Glas, überzeugt der Albarino mit einer schönen Nase nach grünem Apfel, Melone, Blüten und etwas Honig, im Mund Zitrusaromen, bei feiner Säure, aber auch salzig und erdige Töne, die in einem langen mineralisch würzigen Abgang enden. Schöner Speisebegleiter zu Salaten mit Meeresfrüchten, Fisch oder auch Austern. 

 

Portugal

Zwei Weine von den Azoren, Tinto Vulcanico 2021 und Isabellla a proibida 2018,  Antonio Macanita, Azores Wine Company

Ich hatte zwei Weine von den Azoren besorgt, Weine vom Multitalent Antonio Macanita, der durch seine Projekte im Alentejo, Dao , Douro und eben auch auf den Azoren immer mehr Aufmerksamkeit findet und schon als Vierzigjähriger als ganz großer winemaker Portugals gilt. Er versucht, mit Trauben aus alten autochthonen Rebstöcken echte Terroirweine zu machen. Ich war sehr gespannt, wie er das raue atlantische Klima, die Vulkanböden und die Besonderheit der Rebsorten von den Azoren in seinen Weinen abbilden würde.

Der Tinto Vulcanico 2021 ist ein gemischter Satz aus den Rebsorten Aragonez, Castelao, Merlot, Touriga Nacional und Syrah, hellrote Farbe, dabei transparent, spannende Nase nach roten Früchten, Hagebutte, nassem Stein, Pfeffer, Jod und Tee, im Mund etwas Frucht, die von hoher Säure und viel Würze und Salzigkeit dominiert wird, sehr kühl, frisch und elegant wirkend, das Finale bildet ein sehr langer und mineralischer Abgang, ein besonderer Wein von vulkanischen Böden, den man auch blind dem Meer zuordnen würde. Vielleicht nicht gerade für den klebrigen Primitivo-Fruchttrinker geeignet, aber für mich absolut spannend und empfehlenswert.  

Sehr interessant auch der Rotwein „Isabella a proibida“ 2018, Isabella ist eine alte Hybridsorte, die von der EU offiziell für die Erzeugung von Qualitätsweinen nicht zugelassen ist. Deshalb das „a proibida“ (verboten) auf dem Etikett. Auf den Azoren (drei Inselgruppen, wusstet Ihr, dass die westliche und die östliche Gruppe 600 km auseinander liegen?) hängen an der Rebsorte aber viel Kultur, Folklore und Bräuche. Im Glas überraschend hellrot und transparent, in der Nase das volle Programm, Hagebutte, Pfeffer, Granatapfel, Rauch und Speck. (Habe lange gegrübelt, bei welcher Rebsorte oder bei welchem Wein ich schon mal einen ähnlichen Geruch wahrgenommen habe. Irgendwann bin ich dann auf die Piemont-Rebsorten Ruchè, Grignolino und Freisa gekommen). Auch im Mund bleibt es besonders, etwas Sauerkirsche, dann hohe Säure, sehr kühler Eindruck, viel Würze, sogar Schinken, der Wein erinnert mich ein wenig an das berühmte Schlenkerla-Rauchbier aus Bamberg, langer mineralischer Abgang, Freakwein!, Vorsicht!, aber absolut probierenswert. Wirklich ein besonderer Wein, ich mag ihn sehr! 

 

Rügen

Kreideküste Stubbenkammer, spektakuläre Wanderwege, oben wie unten!

Mittlerweile hatte ich den Laden mit den Inselweinen in der Sassnitzer Altstadt besucht und mich durch die offenen Weine aus Sardinien, Sizilien, Samos und anderen Inseln probiert, die Idee ist ja eigentlich super, die offenen Weine waren es weniger, es gab aber auch noch eine richtig große Flaschenauswahl zum Thema Inselwein für die Verkostung in der Ferienwohnung zu kaufen. Aber nach der ersten Wanderung an der Kreideküste wollte ich nur noch eines: Champagner von Kreideböden aus der Genussbar Wülfrath! Die nette Idee mit den Inselweinen auf der Insel verwarf ich, ich wollte endlich die mitgebrachten Weine probieren!

 

Champagne

Champagner Blanc de Blancs,2017, Robert Barbichon und Champagner Rosé Extra Brut 2019, Leclerc Briant

Das 9 Hektar Champagner-Gut Robert Barbichon liegt im südlichsten Teil der Appellation Champagne, der Cote des Bar, ca. 100 km von Epernay entfernt und stößt schon an die nördliche Grenze des Burgunds. Hier fließen die Flüsse Aube und Seine und die wunderschöne Landschaft hat mit der Departement-Aube-Hauptstadt Troyes eine lange Champagner-Vergangenheit, auch wenn Werbestrategen der nördlicher gelegenen großen Champagnerhäuser die Cote des Bar gerne als zweitklassig abtaten. Das war ungerecht und Erzeuger wie Robert Barbichon (mittlerweile ist die 3. Generation mit Thomas und Maxime am Steuer) treten immer mehr ins Rampenlicht. In Gujé-sur-Seine werden ca. jährlich 60 000 Flaschen produziert, seit 2005 ist man biologisch zertifiziert, teilweise arbeitet man mit Pferden in den Weinbergen, ein kleiner und feiner Musterbetrieb.

Blasses Strohgelb, der Champagner (85% Chardonnay und 15 % Pinot Blanc) mit feiner Perlage und schöner Nase nach Hefe, Brot, Apfel, Mandel und Mineralien, sehr klar und schlank, schöne Zitrusfrucht, die von viel Würze und Salzigkeit umgeben ist, langer würziger Abgang, alles sehr harmonisch und schmeichelnd, ein toller Champagner! 

 

Rügen

Königsstuhl, Rügen

1872 von einem Lucien Leclerc in Ay in der Champagne gegründet, etablierte sich Leclerc als angesehenes Winzerchampagnerhaus bis 1950. Dann erfolgte in 4. Generation durch Bertrand Leclerc und seiner Frau Jacqueline Briant eine spektakuläre Neuausrichtung. Man zog nach Epernay in ein stilvolles Haus mit noch stilvolleren und vor allen Dingen riesigen Kellern um (Platz für ca. 800 000 Flaschen) und firmierte nun als Champagnerhaus und Négociant (Handelshaus) Leclerc-Briant. Den gewonnenen Spielraum nutzte Bertrand Leclerc nicht für Gewinnmaximierung durch Massenproduktion, sondern startete schon in den 60er Jahren erste Versuche des biologischen Weinanbaus. Sein Sohn Pascal schaffte es in den 90ern dann, eigene Weinberge und Weinberge von verbundenen Winzern auf biodynamischen Weinbau umzustellen und die Biozertifizierung zu erreichen. Nach seinem plötzlichen Tod 2010 verkauften die Erben die Hälfte der eigenen Weinberge (fast ausschließlich Cru-Lagen), so dass die neuen amerikanischen Besitzer Mark Nunnelly und Denise Dupré mit ihrem französischen Generaldirektor Frédéric Zeimett nun noch auf ca. 13 eigene Hektar Weinberge zurückgreifen können. Zusätzlich liefern verbundene Winzer gemäß der Philosophie des Hauses Trauben oder werden exklusiv über Leclerc-Briant vertrieben.

Der Rosé-Champagner aus 93% Chardonnay und 7% Pinot Noir dunkelrosa im Glas, in der Nase schöner Hefeton, aber auch Erd- und Himbeere und florale Töne, im Mund feine Perlage, gute Struktur und Mineralität, angriffslustige Säure im Hintergrund, schöne Apfel- und Zitrusaromen, langer Abgang, schöner Champagner als Apertif oder auch als Essensbegleiter (z.B. Jakobsmuscheln, Austern, asiatische Gerichte aus dem Wok, Lachs).

 

Burgund

Bourgogne Aligoté Pariot 2021, Clément Lavallée und Bourgogne Aligotè 2020, Anne Boisson

Auf Ton-, Lehm- und Kalkböden im Burgund wächst die Rebsorte Aligoté, lange Zeit stand sie im Schatten von Chardonnay und Pinot Noir und wurde immer mehr verdrängt, bis Großmeister Aubert de Villaine (Romanée-Conti) und einige talentierte Jungwinzer sich ihrer annahmen und wieder großartige Qualitäten herstellten. Mittlerweile sind wieder ca. 2000 Hektar mit Aligoté bestockt und ich freute mich sehr, mal zwei vielversprechende Exemplare verkosten zu dürfen.

Nach Lehr- und Wanderjahren ist der junge Clement Lavallee in seine Heimat zwischen den Städten Chablis und Auxerre zurückgekehrt und bewirtschaftet nun rund um den Ort Saint-Bris le Vineux ca. 5 Hektar Rebflächen. 2019 war wohl sein Erstjahrgang, Verzicht auf Chemie und Insektizide, biodynamische Weinerzeugung, seine Aligoté-Rebstöcke sind um die 35 Jahre alt, 60% der Trauben kommen in den Stahltank, 40% in gebrauchte Holzfässer.

Der 2021er Bourgogne Aligoté Pariot von Clément Lavalée blassgelb im Glas, schöne Nase nach Apfel, Zitrusfrüchten, auch florale Töne, im Mund wieder Zitrusfrucht, umgeben von feiner Säure und mineralischen Nuancen, fruchtig-würziger Abgang. Sehr schöner Wein!

 

Rügen

Altstadt Sassnitz vom Wasser aus gesehen.

Vater sein ist auch im Burgund nicht leicht, die beiden hochtalentierten Kinder von Bernard Boisson, Anne und Pierre, wollten schon sehr früh eigene Wein-Wege gehen, die elterliche Weinlinie des Weingutes Boisson-Vadot in Mersault spielte bei den Beiden immer mehr nur noch eine untergeordnete Rolle. Anne Boisson überzeugte schnell mit großartigen eigenen Rot-und Weißweinen in kleinen Auflagen, dabei glänzte sie auch mit Aligoté-Weinen.  2018 ging Vater Bernard endgültig in Rente und vererbte seine restlichen Anteile an Toplagen an seine Kinder. Die weitere Entwicklung bei den Boissons bleibt dynamisch und spannend, auch wenn die erzeugten Mengen sehr gering (und dadurch hochpreisig) bleiben werden.   

Der Bourgogne Aligoté 2020 von Anne Boisson strohgelb im Glas, verhaltende Nase, benötigt sehr viel Luft, um dann schöne Nuancen von  Apfel, Zitrone, Honig und Vanille zu zeigen, im Mund voller Körper mit mächtiger mineralischer Konzentration gepaart mit viel Säure,  viel zu früh geöffnet, viel zu jung und ungestüm, sehr trocken, zitrisch, langer Abgang mit etwas Bitterkeit, da benötigt man einfach noch Geduld, fantastische Anlagen, es fehlt einfach nur Zeit zur weiteren Harmonisierung. Kein Aligotè zum schnellen Verbrauch, gehört aber als Musterwein in jeden Keller und wird als mineralischer Essensbegleiter immer besser. 

 

Rügen

Geologische Besonderheit auf Rügen: die Feuersteinfelder. Ewiger Kampf gegen die Verbuschung.

Nach diesem geologischen Ausflug in die Feuersteinfelder wollte ich natürlich weitere Weine im aussichtsreichen Wintergarten der Villa Fernsicht verkosten, meine Freundin wollte aber endlich mal an die berühmten Strände Rügens. Und da bietet die Ostküste südlich von Sassnitz um Prora, Binz, Sellin und Göhren einiges.

 

Rügen

Strand bei Sellin

 

Rügen

Strand bei Prora

Weiter nördlich von Sassnitz und Königsstuhl ebenfalls kilometerweit Strand und eine ganz besondere Geschichte. Die kommt sofort, aber vorher noch ein schöner Rotwein aus der Genussbar Wülfrath, den ich im Garten der Villa Fernsicht fotografiert und im Wintergarten dann nach Strandbesuch verkostet habe. 

 

Frankreich

Pinot Noir 2018, Bourgogne AOC, Pascal Bouchard, Chablis, Burgund

Pascal Bouchard ist ein 33 Hektar Bioweingut mit Sitz in Chablis und dadurch natürlich auch Weißwein-Spezialist. Allerdings besitzt man auch Pinot-Noir bestockte Flächen Richtung Auxerre auf Kalkböden. Die Brüder Damien und Romain Bouchard profitieren als 5. Familiengeneration von der Einbringung von zusätzlichen Rebflächen durch Joelle Tremblay, der Ehefrau von Vater Paul Bouchard. 

Der Pinot Noir 2018 leuchtet rubinrot im Glas, transparent, feine Nase nach Erdbeeren, Kirschen und schwarzen Johannisbeeren, etwas Vanille und Rauch, dazu Pfeffer, im Mund wirkt er erst leicht, um dann tiefe Kirschfrucht und tolle Mineralspuren zu zeigen, feine Tannine und gut eingebundene Säure, schöne Länge mit fruchtig-würzigem Abgang, toller Basiswein, Erzeuger unbedingt merken und weitere Weine aus dem Sortiment probieren!

 

Rügen

Das Schlimmste blieb mir  zum Glück erspart!

Nach so viel Strand hatte ich mir noch einen zweiten Probewein verdient, ich entschied mich aus den schmelzenden mitgebrachten Beständen der Genussbar Wülfrath für einen Pinot Noir 2019 vom 11 Hektar Weingut Francois Confuron-Gindre aus dem berühmten Wein-Örtchen Vosne-Romanée. Das Weingut (gehört zu den unabhängigen Winzern) besitzt viele ältere Rebstöcke zwischen 40 und 80 Jahren, in teilweise berühmten und sündhaft teuren Lagen um die Orte Vosne-Romanée, Gevrey-Chambertin und Nuits-Sant-Georges.

 

Burgund

Pinot Noir 2019, Bourgogne AOC, Francois Confuron-Gindre, Vosne-Romanée, Cote-d’Or, Burgund

Der Pinot Noir 2019 Basiswein des Weingutes kirschrot im Glas, transparent, in der Nase viel Kirsche, etwas Himbeere, dazu Pfeffer, erdige Töne und ein Hauch Vanille, im Mund fruchtig mit guter Säurestruktur, feinen Tanninen, elegant und warm, langer Abgang mit Mineraltönen. Ebenfalls ein sehr gelungener Einstieg in die Welt der Burgunder, Erzeuger auch unbedingt merken!

 

Rügen

Hotel Ostseeperle, Glowe

Besuch bei meinem ehemaligen Dortmunder Klassenkameraden und heutigen Hotelbesitzer Arne in Glowe und seine spannende Erfolgsstory: nach der Wende als junger und neugieriger Architekt auf den Spuren des Vaters (gebürtig aus Vorpommern) viel auf Rügen unterwegs, stieß er irgendwann auf das abrissgefährdete Objekt im Vordergrund des Bildes, das ehemalige Restaurant Ostseeperle des berühmten DDR-Bauingenieurs und Schalenbeton-Baumeisters Ulrich Müther. Mit seiner kühnen, materialsparenden und modernen Bauweise schuf Müther über 70 Objekte in der ehemaligen DDR und befreundeter Staaten, von denen leider 30 Objekte nicht mehr erhalten sind. Nach Bekundung seiner Kaufabsichten bei der Gemeinde Glowe hörte Arne monatelang erst mal nichts mehr und hatte das Objekt eigentlich schon gedanklich abgehakt, um dann von einem Angebot mit extrem kurzer Entscheidungsfrist überrascht zu werden. Trotz hoher finanzieller Risiken unterschrieb er den Kaufvertrag und schaffte es mit viel Eigeninitiative die „selbsttragende Hyparschale“ Ulrich Müthers für einen Besuch von Kreditgebern her zu richten. Der von mir selbst erlebte fantastische Sonnenuntergangsblick  aus der Fensterfront heraus und die Beharrlichkeit des neuen Besitzers überzeugte die zuerst skeptischen Geldgeber schließlich und der Weg für Arnes Pläne waren frei: ein sich behutsam anfügender Hotelneubau im Hintergrund und die Renovierung und Neueröffnung des „Sonnensegels“ als Restaurant. Eine neue Ostseeperle! Auch privat hat Arne sein Glück auf Rügen gefunden und wohnt mit Familie in Putbus. Dank vom Weinschank für die schöne Geschichte und ich merkte  dann erst einmal, wie viele Spuren Ulrich Müther an der Ostküste Rügens hinterlassen hat und wie viele Objekte des „Hyperbolischen Paraboloidschalen“-Pioniers wahrscheinlich durch den  Mut und Pioniergeist meines ehemaligen Klassenkamerades indirekt gerettet wurden.  

 

Rügen

Muschel von Ulrich Müther an der Kurpromenade, Sassnitz.

Aber nach Identifizierung der „Muschel“ in Sassnitz als echten Müther, Rückkehr  von der Architektur zum Weinthema und auf zur großen Fotosession am Eingang des spektakulären Uferweges Richtung Kreideküste. Immer wieder schön und spannend, wenn sich wandernde Passanten anstatt an Totholz an aufgestellten Weinflaschen festhalten wollen!

 

Rügen

Drei Beaujolais-Weine aus der Rebsorte Gamay am Kreideküsten-Ufer in Sassnitz.

Jean-Guillaume und Jean-Philippe Bret sind die „Bret Brothers“, nach der Übernahme des elterlichen Weingutes „La Soufrandière“ in Vinzelles (Burgund) starteten sie ab 2013 ein zweites Projekt, bei dem es um die möglichst natürliche Weinbereitung geht. Bei der Weinlinie mit dem  Zusatz „Zen“ wird auf Schwefel verzichtet, es werden nur handgelesene Trauben aus biozertifizierten Anbau verarbeitet, es wird das Verfahren Macération semi-carbonique genutzt und die Trauben werden 9 Monate in gebrauchten Eichenholzfässern ausgebaut. Die Brüder sind mittlerweile mit 20 Cuveés aus den Appellationen Macon, Viré-Clissé, Saint-Véran, Pouilly-Loché und seit 2013 auch dem Beaujolais unterwegs.

Der „Men in Bret“ 2021, Cuvee Zen, Auflage 3002 Flaschen, enthält Gamay aus den Rebflächen von vier verschiedenen Beaujolais-Dörfern. Im Glas hellrot und transparent, in der Nase Erdbeere, Kirsche, Kräuter, Zimt, Pfeffer und flüchtige Säure, am Gaumen viel Frucht, animierende Säure, weich und seidig, spannungsgeladen, aber auch viel Trinkfluß, Freakwein, den ich sehr mag! Leicht angekühlt macht der Wein  gleich noch mehr Spaß! 

 

Rügen

DLRG-Häuschen, Ulrich Müther, Binz auf Rügen

Und nun zu einem anderen „alten Bekannten“, ein Beaujolais Morgon vom Weingut Jean Foillard, hier vor Jahren schon mal als 2016er vorgestellt. Die Infos zum Weingut über die Verlinkung auffindbar. Auch der 2020er wieder ein toller Wein (siehe unten), aber eine viel wichtigere Erkenntnis, der junge Weinbarbesitzer Herr Florian der Genussbar Wülfrath hat meine verknöcherte und negative Meinung über das Spitzenprodukt des Hauses Cote de Py mit einem neuen Jahrgang korrigiert, ebenfalls fantastischer und supereleganter Wein, Irrungen und Wirrungen des Weinschanks lasse ich hier natürlich gerne weg, aber der Wein wird hier in einem nachfolgenden Beitrag beschrieben, versprochen!

Der Morgon 2020 von Jean Foillard blass purpurot und transparent im Glas, schnell verfliegende Spontinase, dann viel Erdbeere und Kirsche, Kräuter und florale Noten, leichte Erdigkeit, Leder, im Mund wieder Sauerkirsche, Brombeere, feine Säure und geschmeidige Tannine, seidig und elegant, dabei Tiefe, schöner fruchtig-samtiger Abgang, bin wieder sehr begeistert! 

 

Rügen

Inselparadies von Ulrich Müther, Baabe, Rügen

Und da war da noch ein Beaujolais-Cru Chiroubles von der erst 2019 gestarteten Domaine de Vernus, 12 Hektar-Gemeinschaftsprojekt von Frédéric Jametton (Besitzer und Manager) und Guillaume Rouget (Weinmacher) aus Régnié-Durette, Die Trauben kommen von 55 bis 60 Jahre alten Rebstöcken größtenteils aus Cru-Bereichen, man hat verschiedenen Besitz an Régnié, Morgon, Chiroubles, Fleurie und Moulin-à-Vent.  

Von diesem 100% Gamay 7030 Flaschen, im Glas dunkles Purpurrot, in der Nase Erdbeere, Kirsche, etwas Pfeffer, dazu pflanzliche und erdige Noten, im Mund dunkle und tiefe Fruchtfülle. sehr weich, ausbalanciert und elegant, gut eingebundene Säure und begleitende Mineraltöne im Hintergrund, langer fruchtiger Abgang, großartiger Wein, wiederhole mich, aber auch diesen Erzeuger unbedingt im Auge behalten bzw. probieren!

 

Rügen

Überfahrt Hafen Baabe.

Am Hafen Baabe ging es mit Steuermann Charon und Fahrrädern über den Styx, um das Restaurant „Zum Anleger“ in Seedorf zu erreichen, die netten Empfehlungen im Netz und die Worte „Champagner“ und „Austern“ zogen mich magisch an. 

 

Rügen

Nette Gastgeber, Zum Anleger, Seedorf

 

Rügen

Zum Anleger: Champagner und Austern, wie versprochen!

Wohlfühlatmosphäre, superfreundliche Gastgeber, kleine Essenskarte, sehr viel Wein, so muss es sein! Was mich aber besonders beeindruckte, war die Möglichkeit, den Wein eines der beiden Pionierweingüter Rügens glasweise zu verkosten. Eine Piwi-Rebsorte, Souvignier Gris 2021, vom Weingut Hohmann aus Lancken-Granitz kam ins Glas. Rügen wurde auf der Weinkarte nicht vergessen! Der Wein gefiel mir sehr gut (Beschreibung weiter unten) und wir machten uns nach dem Essen gleich mit den Rädern auf die Suche, Weinreben auf Rügen?, das wollten wir sehen.

 

Rügen

4100 Stöcke Piwi-Rebsorte Souvignier Gris im Rügener Hügelland. Weingut Hohmann!

2018 wurden mit Hilfe das Weingutes Apel aus Nittel (Obermosel) und vielen Freunden 4100 Stöcke der Piwi-Rebsorte Souvignier Gris, die für das feuchtwarme Klima im Biosphärenreservat Südost-Rügen sehr geeignet scheint, vom Weingut Hohmann  gepflanzt. Die gebürtige Brandenburgerin Simone Hantke und der Sachse Mario Hohmann, die sich in der Schweiz kennen lernten, erfüllten sich einen spektakulären Lebenstraum auf der Insel Rügen, die sie seit Ihrer Jugendzeit kennen. 2020 war der Erstjahrgang, zur Zeit werden die Trauben noch an der Obermosel bei Apel verarbeitet (Weingut kenne ich übrigens auch, manchmal erscheint die Weinwelt sehr klein, ist sie aber nicht!), Daumen drücken, dass das Weingut Hohmann weiter Erfolg hat und die Aufbauarbeit in ein komplettes Weingut mit eigenem Keller mündet.

 

Rügen

Souvignier Gris trocken, 2021, Weingut Hohmann, Lancken-Granitz, Rügen

Blassgelb im Glas, schöner Duft nach Birne, Honig und Lavendel, im Mund harmonisches Zusammenspiel von süßer Frucht, Nussigkeit und Säure, dazu schöner langer  Abgang mit Salznoten, toller Essensbegleiter (Fisch), eine echte Überraschung! Großes Lob auch an „Zum Anleger“, ohne deren Mut den Wein auf die Karte zu nehmen, hätte ich die Entdeckung nicht machen können. 

 

Rügen

Die Hiddensee-Rückfahrt-Untergangssonne.

Ein traumhafter Urlaub!, Rügen bietet so viel, ich konnte auch endlich trotz meines dominanten weinblogs zeitweise mal abschalten, dafür ein ganz großer Dank an diesen jungen Herrn Florian von der Genussbar aus der Kalkstadt Wülfrath. Das war eine großartige Auswahl an Weinen, leider wird die Weinbar zum Jahresende geschlossen und der junge Weinexperte jagt lieber Zertifikaten (WSET 3) hinterher und will in die gehobene Gastronomie wechseln. Er macht das alles super, wünsche ihm Erfolg und Glück! Der olle Weinschrank hingegen geht hier bald ins verflixte 7. weinblog-Jahr, warum sollte man Klischees erfüllen und im Alter nachlassen? Da greife ich doch auch lieber 2024 wie die Jungspunde voll an, lasst Euch überraschen und guckt hier mal ab und zu rein!

 

Rügen

Der Mond bei Sassnitz!

Habe es wirklich noch geschafft, vor dem 24.12. zu veröffentlichen, ein zäher Kampf neben meiner Schichtarbeit und jetzt genieße ich einfach nur die Worte: frohe Weihnachten und einen guten Rutsch für Euch!

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