Gibt es eigentlich auch roten Sancerre?

 

Sauvignon blanc

Blick auf Sancerre (hinten) im Nebelmeer, Bild von laurentgraphiste auf Pixabay

 

 

Die Appellation Sancerre liegt am linken Ufer des Oberlaufes der Loire im Département Cher, besteht aus 14 Gemeinden (am berühmtesten davon ist wohl Chavignol wegen des Ziegenkäses) und ist nach dem weithin sichtbaren Ort Sancerre auf einem Kreidekalkhügel benannt. Diese Kreidekalkböden (Kimmeridge) treten auch in den Appellationen Chablis und der Champagne an die Oberfläche und auch die Kreidefelsen von Dover und die Böden für den english sparkling wine gehören zu dieser gleichen geologischen Formation. Dazu kommen in Sancerre aber noch Böden mit hohem Mergel- und Kiesanteil sowie Feuer- und Flintsteinen. Das ist das Geheimnis für wunderbare frische Weißweine mit hoher Mineralität und Rauchigkeit,  laut Appellationsvorschrift zu 100% aus der Rebsorte Sauvignon blanc. In den 70er Jahren wurden diese damals einzigartigen Weine dann richtig zur Mode und lösten den Chablis (Rebsorte Chardonnay) zuerst in der Pariser Gastronomie als Begleiter zu Austern, Muscheln, Flussfischen und Käse   ab. Danach begann dann aber ein regelrechter Siegeszug und der Sauvignon blanc aus der Appellation Sancerre wurde weltberühmt.

 

 

Sauvignon blanc

Blick von Sancerre auf Saint-Satur, Bild von luctheo auf Pixabay

 

 

Heutzutage ist der damalige Ruhm leider stark verblasst, die bestockte Fläche in der Appellation hat sich vervierfacht (leider kein Qualitätszeichen!), der frühere Stil soll sich bei vielen Weinen stark in Richtung Primärfruchtigkeit verändert haben, Spitzenerzeuger sind mit ihren Lagenweinen sehr teuer (das macht für Neuentdecker den Einstieg in das Thema  sehr schwierig), dazu ist den letzten Jahrzehnten noch eine riesige Konkurrenz entstanden, die halbe Welt baut mittlerweile Sauvignon blanc an, aber auch die benachbarten Appellationen, z.B. Pouilly-Fumé auf der rechten Loire-Seite oder Menetou-Salon ganz im Westen von Sancerre haben sich extrem verbessert. Deshalb war ich so sehr auf meine Verkostungsergebnisse gespannt. Der erste getestete Sancerre war dann auch gleich der befürchtete Reinfall, eine blutjunge Prinzessin eines Platzhirschen (HB), sie hatte leider das falsche Parfüm aufgelegt (Cassis-Bombe!?), wir vergessen diesen Wein lieber schnell!

 

Sancerre

Domaine Fouassier, Clos Paradis, wunderbarer Wein, Glückstreffer!

 

Aber dann kam die große positive Überraschung, ein Sancerre 2016 aus der Lage „Clos Paradis“  von der Domaine Fouassier. Ein Familienbetrieb in der 10. Generation direkt aus Sancerre, mittlerweile auf stolze 59 Hektar Rebfläche angewachsen, schon fast genossenschaftliche Ausdehnungen, gekauft in der Vinothek am Theater in Münster und trotz großer Probenkonkurrenz ein Volltreffer!: die Lage Paradis liegt ansteigend direkt gegenüber des Fußballplatzes von Sancerre und ist einer dieser Kimmeridge-hotspots, weiße Böden aus Kreidemuschelkalk, das riecht und schmeckt man auch gleich in diesem Wein:  hellgelbe Farbe, Duft nach Birne, Honig, Blüten und nassem Stein, im Mund dann für mich Kreide (oder ist es Furz und Feuerstein?, die Gelehrten streiten sich, ob es überhaupt möglich sein kann, dass man mineralische Töne schmecken kann!), schöne Balance zwischen erfrischender Säure und Fruchtnoten nach grünem Apfel , mittlerer Körper, sehr süffig, der Abgang wieder mineralisch und mit Zitrusnoten, so einen Wein liebt man, auch gerne zum Chavignol-Käse!

 

 

Sancerre

Ziegenkäse nach Art Chavignol vom Wochenmarkt Münster.

 

Exkurs: jetzt schon zwei Mal beim Sancerre erlebt, die Weine können Weinfehler haben, Kork, Höhensonne (zu viel penetrantes Licht!), Desinfektionsschocks auf der Palette, Lagerung bei schwankenden Temperaturen und viele, viele  Weinfehler mehr,  ich hatte beim Sancerre dann nur noch laktische Noten, ein saures und milchiges „Vergnügen“ und damit ein  klares Zeichen: der Wein ist kaputt! Der stationäre Weinhandel tauscht bei Mitbringen der Flasche mit dem defekten Inhalt gerne um, der Internethandel weiß allerdings meistens von nichts!

 

Sancerre AOC

Sancerre Rouge 2015, Paul Prieur et Fils, Verdigny (Cher)

 

Neben Sauvignon blanc darf in der Appellation Sancerre  nur noch Pinot Noir angebaut werden. Früher sogar vorherrschend, heute vom Sauvignon blanc weit zurückgedrängt. Die Rotweine aus Sancerre galten mal als dünn und langweilig, dies hat sich aber geändert, ich hatte auf jeden Fall einen wunderbaren Pinot Noir 2015 vom Weingut Paul Prieur et Fils im Burgunder-Glas. Ein Familienweingut in dritter Generation in Verdigny, nordwestlich von Sancerre, bekannt durch die berühmten Mergel- und Kiesböden (Les Caillottes). Ich fand den Wein so gut, dass mir durch ihn die Idee zu diesem Beitrag gekommen ist (siehe Überschrift). Kirschrote Farbe, transparent, in der Nase schwarze Früchte, Kräuter und Erdtöne, wirkt erst wie viele Burgunder am Anfang sehr leicht, entwickelt dann aber immer mehr Tiefe und Komplexität, intensive Fruchtigkeit mit hintergründigen, sich von der Intensität verändernden und faszinierenden mineralischen Anklängen, der Wein öffnet und verändert sich in Intervallen, die Säure bleibt immer im Hintergrund, ist trotzdem aber auch immer präsent, der Abgang lang mit würziger Note. Ein toller und bezahlbarer Wein und für mich ein Vorgeschmack auf die großen französischen Burgunder, hier geht es weg von Kraft, Eindimensionalität und plumper Frucht, hier geht es um Eleganz, Aromenvielfalt und vibrierende Mineralität. Unbedingt nach diesen Rotweinen aus Sancere Ausschau halten, ein Geheimtipp aus einer Appellation, die eigentlich nur für Ihre Weißweine berühmt ist!.

 

 

Sancerre

Sancerre Rosé 2017, Les Belles Vignes, Dom. Fournier, Verdigny (Cher)

 

Dadurch, dass Pinot Noir zugelassen ist, darf man unter dem Appellationsnamen Sancerre auch Rosé-Weine aus Pinot Noir herstellen, damit gibt es weißen, roten und Rosé-Sancerre! Die Vorstellung, einen besonderen  Rosé mit mineralischen Ton zu finden, hat mich angetrieben, verblüffenderweise habe ich dann sehr schnell meinen Liebling im Fachhandel in Solingen gefunden, bin immer sehr froh, wenn bei der immer stärker werdenden Internet-Konkurrenz (jetzt bekommt der völlig kommunikationslose Bereich auch noch Rückenwind durch das Corona-Schweinevirus!) der Fachhandel was für meinen blog liefern kann, ich liebe es einfach, in den Weinläden zu stöbern, Infos über die Weine zu erfahren, Inspiration für neue Beiträge zu bekommen, diese Welt darf nicht untergehen und wenn, dann erst nach meinem Ableben! Der Rosé 2017 ‚Les Belles Vignes‘ vom Weingut Fournier Père et Fils, zufälligerweise auch wieder aus Verdigny (scheint ein hotspot für gute Winzer zu sein!) , überzeugte sofort durch Farbe (lachsfarben, dabei durchsichtig, absolut klar), Geruch (Himbeere, Brennnessel und Salzwasserbrise) und Geschmack (im Mund schöne rote Frucht und auch wieder geheimnisvolle Mineraltöne). Dabei so süffig und mit guter Säure ausgestattet, so einen  Wein jetzt im Garten am Grill (ich habe weder Garten noch Grill!), zum Lieferdienst-Essen der Restaurants aus der Nachbarschaft oder zum  vollen Weinschank-Programm, Austern, Muscheln, Sushi, Lachs oder zu feinen crossover-Salaten, ein Hochgenuss!

 

 

Sancerre

Weiß, Rot, Rosé

 

 

Fazit: Spannende Region an der Loire, die mal in aller Welt in Mode war und nun vergessen wurde, unbedingt mal wieder was probieren, da gibt es neben meinen entdeckten Schätzen bestimmt noch viel mehr! Wenn Ihr was tolles gefunden haben solltet, schreibt doch mal einen Kommentar!

Dieser Beitrag wurde unter Frankreich, Loire, Sancerre AOC abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert