Eigentlich hatte ich schon ein ganz anderes Thema im Kopf, doch beim regelmäßigen Schlendern und Stöbern durch die diversen Weinläden im bergischen Land stand er da plötzlich im Regal: ein 2012er Frühburgunder von einem VDP-Weingut! Ich zögerte kurz, weil ich in diesem Weinladen schon sehr viele Höhen aber auch einige Tiefen mit älteren Weinen erlebt hatte, aber es siegte doch die Neugier und ich griff zu! Zuhause dann die Überraschung: der Frühburgunder war nicht nur trinkbar, der Wein war richtig klasse und genau so, wie ich mir einen typischen Frühburgunder vorstelle: wunderbar transparente rote Farbe, Geruch nach dunklen Beeren und erdigen Tönen, Fassnoten, im Mund spannungsgeladen, hochelegant, samtig und seidig, feine Frucht und Würze, angenehme Säure und ein schöner erdbeeriger Abgang!
Mir war sofort klar, ein Siegerschankwein! Aber was nun? Unauffällig im Weinladen alles aufkaufen, andere Frühburgunder auftreiben und testen, testen, testen! Das Ergebnis war sehr klar, der Wein gewann für mich gegen alle Konkurrenz aus meinen Quellen von der Ahr, von der Nahe, aus Rheinhessen, aus der Pfalz und aus Franken (allerdings war kein Frühburgunder vom Weingut Fürst dabei!). Was ja auch immer subjektive Geschmackssache ist, war hier ganz objektiv zu sehen bzw. zu schmecken: die Frühburgunder-Typizität war einfach bei so vielen Weinen nicht zu erkennen, die Farbe bei der Konkurrenz immer schon so dunkel, teilweise sehr viel Holz oder zu viel Säure, mächtige Brocken, nur Brombeere, Fruchtbomber, keine Seidigkeit und Eleganz, was soll so etwas? Traut man der Rebsorte nichts zu? Das erlebe ich mit meiner Blindverkostungsgruppe auch so oft: was soll denn das bloss sein? Alles wird gleichgespült, damit man den gerade vorherrschenden Modegeschmack bedienen kann, leider lässt das dt. Weingesetz diesen hanebüchenen Unsinn zu (20% Zugabe von Rebsorten erlaubt, die nicht auf dem Etikett gesondert ausgewiesen werden müssen) und so erinnert mancher Frühburgunder eben dann an einen süditalienischen Primitivo oder Südfranzösen!
Dabei ist der Frühburgunder wirklich sehr eigen und typisch, er ist eine natürliche Mutation des Spätburgunders und wird viel früher als er reif (deshalb der Name). Außerdem ist er auch eine noch größere Diva, superempfindlich, oft Beute der Wespen, auch eine logistische Herausforderung (die Ernteprofitrupps sind zu dem frühen Zeitpunkt noch gar nicht vor Ort!, auweia, was passiert bloß in diesem Jahr 2020, wenn die gar nicht kommen können?). Aus diesem Grund in Deutschland in den 60er Jahren fast verschwunden (weniger als 20 Hektar), aber besonders die Ahr hat sich für den Erhalt der Rebsorte eingesetzt (nun wieder bundesweit ca. 150 Hektar bepflanzt), deshalb herrschte große Vorfreude, dass ich meinen Champion mit zur Ahr bzw. nach Bonn zum Endkampf mitbringen konnte. Ach so, mein Frühburgunder kommt übrigens aus dem Rheingau, Hochheim, die östliche Ecke am Main, Domdechant Werner, uraltes Familien-Riesling-Weingut (seit 1780)! Besitzer Dr. Franz Werner Michel wurde gerade 2017 wieder als Weißweinmacher des Jahres ausgezeichnet. Deshalb eine doppelt große Überraschung, ein Frühburgunder aus dem Rheingau von einem Riesling-Spezialisten! Alles untypisch, dafür aber der Wein so typisch, und darauf kommt es an!
Nach meinen vielen getesteten untypischen Frühburgunder-Nieten brachte Weinfreund C.F. dann einen Frühburgunder C 2016 (der 2015er wurde hier im blog schon mal beschrieben, benutzt die Suchfunktion rechts) vom Weingut H.J. Kreuzberg, Dernau, Ahr zu einer Blindprobe mit! Da war die ernstzunehmende Konkurrenz, hell, seidig , fein, super, das sollte spannend werden! Wollte bei vier Übernachtungen in der schönen Villa Esplanade in Bonn noch mal intensiv nach Frühburgundern schauen und es dann bei einem Ausflug zur Ahr bei Kreuzberg zum Endkampf kommen lassen. Leider sollte es zu einem ganz anderen Endkampf kommen, die Corona-Schweinepest legte Tag für Tag mehr gewohnte Lebensqualität lahm (aktuell, 28.03., ist noch immer kein Ende in Sicht!), die Absage der Villa Esplanade kam dann auch (von höherer Stelle erzwungen)! Sehr traurig, unglaubliche Entwicklungen, was soll nun werden?, von diesem halb angefangenen Beitrag ganz zu schweigen…
Zum Glück durfte ich die vier Übernachtungen im bergischen Land verbringen und konnte mit meinem Mountainbike die Gegend erforschen. Es dauerte nur kurze Zeit, bis ich mich vom großen Absageschock Bonn erholt hatte und wieder im Thema war: Korkenziehertrasse?, genau meine Welt! Und dann kam auch noch über Instagram die Nachricht, dass der Weinhändler aus Solingen, der mir den großartigen Frühburgunder 2012 vom Weingut Domdechant Werner verkauft hatte, eine 12er Kiste von einem weiteren gereiften Lieblingswein von mir im Lager gefunden hatte: einen Pinot Noir Reserve 2009 von Andre Schmidt aus Mittelbergheim im Elsass!
Im Laden hatte ich eine letzte Flasche gekauft und war nach der Verkostung hin und weg: von der Farbe noch mal eine ganz andere Hausnummer als der Frühburgunder, ziegelrot mit granatroten Rändern (guckt mal oben beim ersten Foto rechts!), gereift, 11 Jahre alt, so seidig, elegant und süffig, immer noch schöne Säure, Frucht, in der Nase auch Leder und allerlei andere Tertiäraromen, so ist das bei gereiften Weinen, entweder sind sie kaputt bzw. ausgezehrt oder aber sie liefern unglaubliche Geruchs- und Geschmackserlebnisse. Anfahrt zum Weinlager theoretisch über Korkenziehertrasse möglich…
Auf jeden Fall ein großer Glückstreffer, über den Namen Andre Schmidt aus Mittelbergheim habe ich trotz Internet-Recherche und Instagram-Aufruf überhaupt nichts rausbekommen. Beim Abholen der Kiste im Weinlager in Solingen habe ich dann aber vom Chef erfahren, dass Andre Schmidt familiär mit dem Weingut Boeckel zu tun hat (Suchfunktion mit Eintrag Boeckel benutzen!). Was schlummern doch überall für großartige Kapazitäten, hochbegabte Weinmacher treffen auf die richtige Rebsorte und die passenden Böden, im Keller macht Mutti regelmäßig sauber, dann kann es ganz groß werden! Man muss die Weine dann nur noch finden! Der Preis für den Pinot Noir Reserve 2009 ist leider ganz knapp über der Preisrange für das €-Zeichen in der Siegerweinschank-Liste…
Nun heißt es, Ausdauer zu zeigen, um das verfluchte Virus zu besiegen, vielleicht kann ich ja während der Quarantäne ein wenig für Ablenkung sorgen, der nächste Beitrag ist schon wieder in Mache…
Also auf Rheingau, Domdechant Werner wäre ich nie gekommen. Muss ich mal probieren…
War selber auch sehr überrascht, kommt demnächst mal blind ins Glas! Das Weingut Domdechant Werner hat auf Instagram schon geschrieben, dass 2018 der nächste Jahrgang nach meinem vorgestellten 2012er war. Aufgrund der Empfindlichkeit des Frühburgunders sind alle Jahrgänge dazwischen nicht produziert worden. 2018 ab Weingut schon ausverkauft, versuche mir gerade die Reste vom 2012er zu sichern. Grüße Weinschrank