Die zweite Corona-Welle rollt unvermindert heftig heran und so man kann nur demütig sein, dass man bis jetzt mit relativ wenigen Einschränkungen so gut durchs Jahr 2020 gekommen ist. Auch hier im blog konnte ich unbehelligt weiter mein Unwesen treiben, von meinen Reisen profitieren und viele neue Weine entdecken und vorstellen. Damit könnte natürlich nach Infizierung mit dem Virus ganz schnell Schluss sein, einer der Corona-Symptome „Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns“ wäre der direkte „knock-out“ für den blog und so beschloss ich, über die Feiertage und den Jahreswechsel mal ein paar Hochkaräter aus meinem Keller zu öffnen, um die trüben Gedanken zu verscheuchen.
Die Appellation Manzanilla Sanlúcar de Barrameda DOP ist ca. 7000 Hektar groß und liegt in der Provinz Cadiz (Region Andalusien). Dort gibt es noch 23 Betriebe, die sich der Sherry-Herstellung widmen und den Manzanilla als besondere Variante eines Fino-Sherrys herstellen. Dabei soll das besondere Klima in der Hafenstadt Sanlúcar de Barrameda (Kühle und hohe Luftfeuchtigkeit) zu einer dickeren Florhefepilz-Schutzschicht sorgen und den Manzanilla von den anderen Fino-Sherrys aus der Appellation (DOP Jerez-Xeres-Sherry ) unterscheiden. Die Rebsorte für den Manzanilla ist aber genau wie beim Jerez-Sherry Palomino.
Wir waren schon durch die nette Beratung meines Solingers Weinhändlers (s. Reisen zum Wein – Bergisches Land) auf Salzigkeit vorgewarnt worden und hatten zur Verkostung des Manzanilla einige Kleinigkeiten besorgt. Der Wein links oben auf dem Bild im Sherry-Glas, ich bevorzuge aber weiterhin bei solchen Weinen meinen Burgunder-Bembel. Blassgelbe Farbe, florale Noten, Kräuter und Mandeln in der Nase (erinnerte mich an einen Sercial-Madeira), im Mund trocken, wirklich salzig, kühl und frisch, passte wunderbar zu Oliven, Mandeln, Antipasti und Käse, bei Pistazien hatte man dagegen dann wirklich salziges Meerwasser geschluckt. Ein wunderbarer Appetitanreger, sehr eleganter Stoff, hat uns sehr gut gefallen. Guter Tipp, Dank vom Weinschank nach Solingen!
Es macht mir immer besonders Spaß, Schaumweine außerhalb der übermächtigen und omnipräsenten Champagne zu probieren, hier drei Vertreter, bei denen ich mir große Hoffnung auf Siegerschankwein-Treffer gemacht habe:
Start mit dem Blanc de Noir-Sekt (aus Spätburgunder-Trauben) vom Demeter Weingut Eymann aus der Pfalz. Feine Perlage, Duft nach Nüssen, Brot und exotischer Frucht, guter Körper, mineralisch, aber eben auch sehr trocken, mit Säure und ganz leichter Bitternote, nicht pur genießen, leckere Häppchen auffahren, dann ein Durchstarter und Spaßmacher. Immer schön, wenn man auf Winzer trifft, die schon vor Jahrzehnten den gesunden Menschenverstand haben walten lassen und Ihre Welt (ca. 18 Hektar) schützen und erhalten wollten, der einfach nicht nur für Winzer logische Nachhaltigkeitsgedanke! Heute ist Rainer Eymann dadurch gefeierter Biowinzer-Pionier, Sohn Vincent profitiert und bringt geballtes Wissen und neue Ideen in den Betrieb, läuft!
Probiert unbedingt mal einen Cremant de Loire Rosé, eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit auf Treffer, nach der Domaine de Cray (Suchfunktion benutzen!) auch dieses Exemplar vom Weingut Vallet S. Père et Fils aus dem Dörfchen St. Leger de Montbrillais (Appellation Saumur) ein totaler Schmeichler und Spaßmacher, richtig Druck und wilde Perlage, tolle Erdbeer- und Himbeertöne, wunderbare schmelzige Frucht im Mund, so süffig und lecker, Vorsicht! Auch einfach nur pur ein Traum, ein großer Dank an unsere FW-Vermieter in den Rheingau, Ihr wisst wirklich was schmeckt!
Aber noch eine ganz andere Kategorie ist der Franciacorta Emozione Brut 2014 von Villa! Am Westufer des Gardasees im wunderschönen Salò im Hotel Vigna entdeckt, fand ich den Prickler damals schon so gut, dass ich bis nach Monticelli Brusati (was für ein Name!) in die Franciacorta gefahren bin, um nachzuschauen, wie es da wohl so aussieht. Familie Bianchi besitzt dort ein wunderschönes Gebäudeensemble aus dem 15 Jahrhundert und 37 Hektar.
Die Geschichte des Weinbaus in der Franciacorta ist uralt, die der Appellation aber ist noch relativ jung, erst in den 60er Jahren löste das Weingut Berlucchi den Spumante-Boom aus, die sanft zum Iseo-See (floating piers – Christo!) abfallenden Hänge auf mineralischen Gletscherböden sind ideal zur Schaumweinherstellung geeignet. 1995 gab es dann das Gütesiegel Franciacorta DOCG und immer mehr Erzeuger kamen mit Ihren Schaumweinen groß raus. Auch Villa wird immer bekannter und teurer, es gibt ihn schon nicht mehr im Hotel Vigna in Salò, dieses Jahr habe ich aber durch Zufall eine Bezugsquelle in den Niederlanden entdeckt und mich mit dem Villa-Sortiment eingedeckt, wie großartig ist denn der 2014er Emozione?:
Goldgelbe Farbe, in der Nase Birne und toastige Noten, am Gaumen ganz feine Perlage, druckvoll und vibrierend, tief und harmonisch, fruchtige Töne (Pfirsich), ganz langer Abgang, fasziniert mich total, für mich auf Champagner-Niveau, aber eben nicht Extra Brut und keine übertriebenen Zitrusnoten, wir werden gleich sehen, was die Champagner können!
Bei Champagner geht es schnell preislich in sportliche Bereiche und so ist es besonders wichtig, vor dem Kauf schon einige Informationen zu haben, was einem besonders zusagen könnte. Ich habe drei Champagner ausgewählt, sog. Winzerchampagner von kleineren Häusern, und einen jahrgangslosen Blanc de Blancs Premier Cru (100% Chardonnay) gegen einen Jahrgangs-Champagner Premier Cru Chardonnay (Jahrgang 2016) und einen Blanc de Noirs (100% Pinot Noir) gestellt.
Der erste Champagner war der Longitude („Längengrad“) Extra Brut Premier Cru vom Bio-Produzenten Larmandier-Bernier aus der berühmten Cotes de Blancs und ein alter Bekannter hier im blog (Suchfunktion benutzen). Sofort präsent mit seiner feinen und schneidenden Perlage, schöner floraler und hefiger Duft, im Mund schöne Balance, keine Bittertöne, dafür viel Mineraltöne (Kreide) zwischen Limetten- und Zitrusfrucht, sehr elegant und druckvoll, sehr, sehr lang, ein wunderbarer Champagner und sofort mein großer Favorit.
Natürlich nach diesem Start schwer für die anderen beiden Champagner, beide brauchten viel mehr Zeit im Glas, um ihre vorhandene Klasse zu zeigen. Der Champagner Yuman (100% Chardonnay) 2016 Premier Cru Extra Brut von Benoit Marguet aus Ambonnay mit einer extrem schwierig zu beschreibenden Nase. Habe das zuerst mit Reifenoten abgetan, aber hier konnte man sich richtig abarbeiten, für mich Hefe, exotische Früchte, Gewürze, aber auch Kräuter, gewöhnungsbedürftiges und komplexes Durcheinander (gerne andere Vorschläge), im Mund dann wieder klassischer, neben eleganter Zitrusfrucht schöne steinige Noten, ebenfalls lang, für mich aber eher Essensbegleiter (Vorspeisen) als solo.
Eric Rodez ebenfalls in Ambonnay in der Montagne de Reims ansässig, ehemaliger Kellermeister von Krug und ein Meister des Verschneidens verschiedener Jahrgänge (hier 6 verschiedene Jahrgänge). Der Blanc de Noirs viel voller und tiefer als seine beiden Vorgänger, nach der feinen Eleganz der beiden Chardonnay-Champagner nun hier mit 100% Pinot Noir ein völlig anderer Stil, besonders am Anfang sehr breit und kräftig wirkend, dann zunehmende mineralische Töne und vielschichtig, auch Frucht, in der Nase Hefe und Zitrus, sehr langer Nachhall, Kraftpaket und schöner Essensbegleiter auch kräftiger Speisen.
Drei tolle Champagner, in dieser Preisklasse muss der eigene Geschmack schon voll getroffen werden, aber jeder muss selbst entscheiden, ob er lieber zu Chardonnay oder Pinot-Noir-Champagner tendiert oder vielleicht eine Cuvee bevorzugt. Ich konnte mich sehr schnell entscheiden, Larmandier-Bernier Longitude ist mein Liebling, ein feiner Klassiker, den ich auch nachkaufen werde.
Bei den Weißweinen wollte ich mal sehen, wie sich die Domaine Paul Pillot (Chassagne-Montrachet) mit einem ihrer Basisweine „Bourgogne Chardonnay 2017“ aus der untersten Stufe der Burgund-Qualitätspyramide, der in einer Blindprobe schon mal positiv aufgefallen war, gegen den Meursault „Les Durots“ 2013 aus der nächsthöheren Stufe Ortswein („Le Durots“ ist leider wie zuerst gedacht keine Premier Cru Lage, Grand Cru Lagen gibt es in Meursault übrigens gar keine!) der Domaine Bohrmann (Meursault) behaupten würde. Ist der „Les Durots“ wirklich doppelt so gut, weil auch doppelt so teuer?
Der underdog der Domaine Paul Pillot benötigt auf jeden Fall einige Zeit Ruhe im Burgunderglas, um nach einer Irritationszeit mit Zitrusnoten und Säureschwall immer feinduftender und runder zu werden. In der Nase neben Blüten und Butter auch Anis, im Mund Fülle, etwas Frucht, überraschend auch Säure und eine immer stärker wahrnehmbare mineralische Kargheit, dazu ein langer Abgang. Ich mag solche zurückgenommen Weine sehr, das Holz wurde sehr sorgfältig und minimal eingesetzt, der Chardonnay wirkt dadurch körperreich, bleibt aber durch die Säure und Mineraltöne aufregend und spannungsgeladen. Ein wunderbarer Wein und Essensbegleiter. Ich stelle mir da z.B. Rindercarpaccio mit geriebenen Parmesan, Edelfisch wie Zander oder Lachs im Blätterteig oder Rinderroulade mit dunkler Sauce vor.
Und nun der „Les Durots“ der Holzklopper? Hätte ich bei meinen bisherigen Erfahrungen mit weißen Burgundern so erwartet, war aber absolut nicht so. In der Nase pflanzliche Noten, auch gebrannte Mandeln, Anis und Butter, große Fülle im Mund, sehr schmelzig, wieder überraschend Säure, Zitrusfrucht, ganz wenig Holz, sehr lang. Vielleicht nicht ganz typisch, aber auf jeden Fall richtig gut! Auch bei dem Wein kamen mir sofort wieder begleitende Essensgerichte in den Sinn, Rotbarbe, Zander oder Steinbutt mit Mangold, Rosmarin oder Saubohnen, vielleicht auch mal was Getrüffeltes dazu oder einfach ein ausgefallener französischer Käseteller.
Leider hatte ich an Heiligabend Spätschicht. Es gab Bütterchen mit Käse.
Zwei schöne Weine aus der Cote de Beaune, die Weingüter aus Chassagne-Montrachet und Meursault liegen gar nicht so weit auseinander, die Weine haben Ähnlichkeiten, der wirklich minimale Holzeinsatz und die dadurch noch vorhandene Säure, beides keine überkonzentrierten Weine, dadurch aber sehr elegante Essensweine.
Das Weingut Paul Pillot wird in der 4. Generation betrieben, Thierry Pillot kann auf ca. 12 Hektar Rebfläche zurückgreifen, die allerdings sehr verstreut in den einzelnen Appellationen liegen. Neben Chassagne-Montrachet AOC gibt es auch Besitz in den Appellationen Santenay, Puligny-Montrachet, Saint-Aubin, Meursault und Volnay. Zum wiederholten Male hat der Weinhändler aus Wuppertal gelungene Einstiegsburgunder empfohlen, es wird Zeit, dass ich nun auch mal die Spitzenerzeugnisse der Weingüter Paul Pillot, Thomas Morey und natürlich Henri Boillot probiere.
Auch die Domaine Bohrmann kann auf ca. 12 Hektar Rebfläche in verschiedenen Appellationen zurückgreifen, zu nennen sind Meursault, Puligny-Montrachet, Saint-Romain, Gevrey-Chambertin, Monthelie, Pommard und Saint-Aubin. Der erfolgreiche und weinverrückte belgische Geschäftsmann Dieter Bohrmann erfüllte sich gleich mehrere Träume und erwarb neben der Domaine in Meursault auch die Quinta do Passadouro in Portugal und wohl auch Besitz an der Mosel. Nach seinem Tod sind die beiden Töchter im vollen Einsatz, Sofie Bohrmann im Burgund und Ans Bohrmann unterstützend aus Belgien für die Quinta do Passadouro. Die Rotweine der Quinta do Passadouro habe ich schon öfter im Portugal-Urlaub probiert und mehrmals für sehr gut befunden (besonders zur indischen Küche!) . 2019 ging das portugiesische Weingut dann aber an den Nachbarn Quinta do Noval. In Portugal läuft großes Wein-Monopoly, aber scheinbar erhält man die Strukturen und behält die Weinmacher.
Ich finde, auch der zweite Weinhändler aus Wuppertal hat das Thema Burgund sehr gut gelöst, dass „Les Durots“ keine Premier-Cru-Lage in Meursault ist, sei dabei zu verschmerzen, dafür blieb es preislich auch noch gerade im Rahmen. Ich fand den Wein sehr interessant und würde ihn auch nachkaufen, die Gleichung „doppelt so teuer = doppelt so gut“ passt hier aber nicht, trotz einiger Gemeinsamkeiten kann man die Weine nicht vergleichen, ich mag beide sehr, der „Les Durots“ ist auf seine Art auch ein Einstiegswein in die hochpreisige und faszinierende weiße Burgunderwelt.
Silvester wurde ein tolles Menü von einem unserer Lieblingsrestaurants (Scarpati, s. Reisen zum Wein -Bergisches Land) angeliefert und ich hatte gehofft, dass einer (oder mehrere Weine) aus den guten Jahrgängen 2005 und 2009 der ideale Begleiter zum Hauptgang Kalbsrücken würde.
Hocheleganter Barolo Acclivi aus dem Jahrgang 2009, tolle dunkelrote aber transparente Farbe, Duftwolke nach roten Kirschen,Tabak, Teer und Leder, im Mund immer noch gute Säure, sehr fein, ohne übertriebene Kraftmeierei, als Essensbegleiter zum Kalbsrücken fantastisch, pur allerdings immer noch deutliches unausgereiftes Tannin. Störte mich sehr, da bin ich zu deutsch, lieber noch weglegen, die Reifezeit des Barolo fordert immer wieder sehr viel Geduld und in dem Preissegment auch Nerven, eine Wissenschaft für sich, dass richtige Trinkzeitfenster zu erwischen. Ärgerlich, wenn dann nach aller Warterei der Barolo über den Zenit ist oder er ein ewiges Talent bleibt, alles schon erlebt. Trotzdem fasziniert mich die Rebsorte Nebbiolo und in zugänglichen Jahrgängen 2011 redet keiner mehr von Reifezeit-Problemen.
Ein Rioja-Klassiker vom Weinberg Tondonia am rechten Ufer des Ebros, die Cuvee aus Tempranillo, Garnacha und anderen Trauben wurde sechs Jahre in amerikanischer Eiche gereift, dann auf Flasche gezogen und noch mal lange Zeit (einige Jahre) unter Verschluss gehalten, bevor die ca. 250 000 Flaschen des Jahrganges 2005 dann in den Verkauf kamen. Rubinrote Farbe, in der Nase Vanille, Kirsche, Tabak und würzige Töne, im Mund Fruchtsüße, aber überraschend schlank, durch vorhandene Säure sehr ausbalanciert, wieder würzige Eindrücke und ein sehr langer Abgang. Auch als Essensbegleiter toll, musste für den Barolo einspringen, aber pur auch viel einfacher zu trinken.
Mein Favorit von diesen drei Rotweinen aber der Lacoste Borie 2009, Pauillac, linkes Ufer Bordeaux. Rubinrote Farbe, unglaublich intensiver Duft nach Johannisbeeren und Pflaume, Zedernholz, Pfeifentabak und Pfeffer. Nach dem Öffnen präsentierte sich der Wein erst sehr schlank am Gaumen, um dann mit Luftkontakt immer dichter und kraftvoller zu werden! Herrliches Spiel mit weicher Frucht, Würze und Bitterschokolade, dazu ein sehr langer Abgang. Man ist schon vom Schnuppern hin und weg, aber dieses Anziehen und Abtauchen Richtung Komplexität hat mich dann richtig begeistert! Hätte ich vorher nie gedacht, dass sich bei dieser Probe ein Bordeaux durchsetzt und nach Recherche im Internet habe ich dann auch noch gesehen, dass der Wein ein sog. Zweitwein eines der berühmten Weingüter der 1855er Bordeauxwein-Klassifizierung ist: 5èmes Crus Grand-Puy-Lacoste! Zweitwein hört sich immer so diskriminierend an, man kann es auch anders sehen, günstigerer Wein (naja!) von einem Spitzenerzeuger!
Bleibt gesund und neugierig, Wein bleibt dann auch 2021 ein faszinierendes Thema!