Wusstest Ihr, dass das Städtchen Ingelheim in Rheinhessen (Rheinland-Pfalz) ein traditionelles Rotwein-Zentrum ist?
Ingelheim (Rheinhessen) liegt direkt auf der anderen Rheinseite gegenüber vom ebenfalls weintechnisch bedeutsamen Örtchen Oestrich-Winkel mit seinen vielen berühmten Winzern im Rheingau (Hessen) und ist eine Welt für sich! Es geht vom Rheingau nur von Mittelheim (zwischen Oestrich und Winkel) mit der Fähre über den Rhein und bei der letzten Überquerung hatten mein netter Umschulungskollege Peter R. und ich nur Augen für den kleinen Fluss Selz, den wir mit dem Rad von der Mündung in den Rhein bis zur Quelle verfolgen wollten und konnten.
Dabei hat Ingelheim einiges zu bieten, eine Kaiserpfalz (von der früher schon immer die Reife der Rheingau-Trauben auf der anderen Rheinseite beobachtet wurde!) und alte Gassen, einen berühmten Sohn der Stadt, Sebastian Münster mit seiner Cosmographia (erster Druck 1544) und einen berühmten Pharmakonzern (Boehringer-Ingelheim). Und eben Muschelkalkböden auf denen neben Weißweinen auch Spätburgunder, St. Laurent und Frühburgunder besonders gut wachsen können. Wirklich totaler Zufall, dass ich in Rüdesheim in der weltschönsten Zapfanlage „RheinWeinWelt“ plötzlich einen Piraten im Glas hatte und den auch noch richtig stark fand: einen Frühburgunder aus Ingelheim vom VDP Weingut J. Neus 1881. Das wunderschöne Weingut-Ensemble (Kulturdenkmal) ist seit 2012 in den Besitz der Unternehmerfamilie Schmitz aus Mainz übergangen.
Der Frühburgunder 2018 wurde schon am 20. August 2018 gelesen. Transparente rote Farbe, in der Nase rote Beeren und Kaffee, deutet zuerst auf einen Fruchtbrummer hin. Im Mund dann aber wunderbar kühl und karg, zurückgenommene Frucht, herb, mineralisch, Säure im Hintergrund, langer Abgang: toller und noch junger Wein mit großen Anlagen, ein würdiger Nachfolger für meinen langsam zur Neige gehenden Frühburgunder 2012 vom Domdechant Werner aus dem Rheingau! Probiert unbedingt mal einen Rotwein aus dem Rotwein-Hotspot Ingelheim!
Glaubt Ihr, dass es ein Spätburgunder aus dem berühmten Assmannshäuser Höllenberg (ein weiterer Rotwein-Hotspot!) im Rheingau für unter 11 Euro in die Siegerschankliste schafft?
Der Name der Lage Assmannshäuser Höllenberg ist in der Weinwelt bekannt und berühmt, Spitzenerzeuger sorgen mittlerweile sogar dafür, dass weitere Lagen in der Umgebung von Rüdesheim und Lorch zu Toplagen für Spätburgunder werden. Keine guten Vorzeichen für Schnäppchen, trotzdem gibt es tatsächlich noch einige Winzer, die Ihre Weine aus Toplagen zu kleinen Preisen verkaufen, teilweise auch, weil es sich um sehr rustikale Tropfen mit zu viel Cassisduft, Süße und Säure handelt, die (wenn überhaupt!) nur reine Essensbegleiter sind. Aber es gibt auch wunderbare Weine für kleines Geld, wie z.B. den Assmannshäuser Höllenberg 2016 vom Weingut Klaus König aus Lorchhausen. Entdeckt haben wir den Wein im Restaurant „Die Wirtschaft – Basting-Gimbel“ in Winkel (s. Reisen zum Wein – Rheingau). Der Wein aus der Rheingauer Flöte (bestimmte Flaschenform) überzeugte sofort mit toller Farbe, einem schönen Duft nach roten Beeren, Eleganz und Harmonie. Wirkt als 2016er noch eher jung und ist ein toller Essensbegleiter. Das PLV ist fantastisch, das Weingut Klaus König aus Lorchhausen aber bitte nicht mit dem (übrigens auch interessanten!) Weingut Robert König aus Assmannshausen-Aulhausen verwechseln!
Wusstet Ihr, dass nur in zwei von den dreizehn deutschen Weinregionen mehr Rotwein- als Weißweinreben angebaut werden?
Da wäre einmal die Ahr, viertkleinstes Weinanbaugebiet in Deutschland (559 Hektar) am Fluss Ahr mit großer Rotweintradition (Rotwein-Hotspot!). Der Fokus der Winzer liegt auf Spätburgunder, immer bessere Ergebnisse auch beim Frühburgunder (dem man hier auch in sehr schwierigen Zeiten immer die Treue gehalten hat!), die Portugieser-Traube spielt dagegen allerdings eine immer kleiner werdende Rolle.
Ein guter Zeitpunkt, um auf das noch junge Weingut (2011) von Josten und Klein in Remagen zurückzukommen. Nach der Trennung von Mitgründer Torsten Klein produziert Marc Josten nun allein weiterhin Weißweine, die zur Weinregion Mittelrhein gehören, aber auch Rotweine von der Ahr. Unvergessen die Probe mit Ihm auf der ProWein2019, bei der ich seine roten Spitzenburgunder 2016 verkosten durfte (s. ProWein2019-Beitrag). Aber auch die Basis ist probierenswert, z.B. der 2014er Pinot Noir „vom Schiefer“.
Unglaublich helles, leuchtendes, transparentes Rot, schöner Duft nach roten Beeren und Mandeln, sehr sanft und schmeichelnd, frische Säure und viel Frucht, sehr süffig, Abgang mit schöner Mineralnote. Toller Wein für kleines Geld!
Noch so ein leuchtend und transparent hellroter Schmeichler, die Trauben wurden Ende Oktober 2014 am Laacherberg geerntet, noch komplexere Nase als der „vom Schiefer“, Kirsche, rote Beeren, Mandel, Nougat und Würze, im Mund wunderbare Frucht und Spannung durch vibrierende Säure, Mineraltöne, langer Abgang, ein Vorgeschmack auf die großen Weine von Josten und Klein 2016, ich mag diese Stilistik sehr! Bei aller Euphorie habe ich dann auch einen 2015er Pinot Noir Mayschoss gefunden und probiert, der ließ mich dann aber im Regen stehen! Deshalb merke, beim Wein helfen keine Pauschalurteile, „das Weingut XYZ ist spitze!“, jeder Wein aus jedem Jahrgang muss probiert und bewertet werden, um eindeutige Urteile fällen zu können. Neben vielen Faktoren spricht auch immer noch die Natur ein gewichtiges Wort mit. Pauschalurteile sind meistens nur dummes Gelaber mit Verkaufsabsicht!
Württemberg (11421 Hektar) ist die zweite deutsche Weinregion mit hohem Rotweinreben-Anteil, ca. 70%, dabei ist die häufigste angebaute rote Rebsorte Trollinger gefolgt von Lemberger, Schwarzriesling (Pinot Meunier) und Spätburgunder und Exoten wie Samtrot, Clevner und Muskattrollinger. Ebenfalls ein Rotwein-Hotspot!
Ich wollte mal eben im Vorbeigehen das Thema Rotwein aus Württemberg mit der Rebsorte Lemberger (in Österreich Blaufränkisch) abhandeln, doch beim Probieren fiel mir wieder ein, dass ich auch mit Blaufränkisch bei Blindproben immer so meine Probleme gehabt hatte und nun ging es auch schon wieder beim Lemberger los: zu dünn, unangenehme Säure, teilweise Zechwein-Niveau und auch Kirschdrops-Süße. Immerhin habe ich so einen trinkbaren Wein für den Liebhaber von Rotweinen mit Süße gefunden (ich kenn da jemanden!), für mein Thema musste ich jetzt doch noch mal vom Fachhändler aus Stuttgart nachbestellen, das ließ mir einfach keine Ruhe.
Sollte Württemberg mein Waterloo werden? Alle anderen Themen im Beitrag waren schon lange abgehandelt und hier wartete ich immer noch auf eine bestellte Kiste! Alles hatte sich halt so ergeben und nun zeigte es sich mal wieder, wie schwer es werden kann, unter Zeitdruck einen ordentlichen Wein zu einem bestimmten Thema zu finden. Dazu handelte es sich bei der Weinregion Württemberg bei mir noch mehr oder weniger um Neuland und der Wechsel von Pinot-Noir (Ahr) auf Lemberger ist auch wirklich krass.
Aber die Kiste kam und bei der eiligst anberaumten Blindprobe zeigte sofort der erste Wein, was man aus Lemberger machen kann: wie bei allen drei Weinen rubinrote Farbe, aber dann ein toller Duft nach Pflaume, Kaffee und Schokolade, im Mund sehr weich und schmelzig, gepufferte Säure, tolle Fruchtfülle, komplex und langer Abgang, ich brach sofort in Jubel aus, da war der Lemberger endlich, den ich gesucht hatte! Später bei Auflösung dann beim Sehen des Preises auch Ernüchterung, schon eine Hausnummer!, aber so ging es mir blind bei Blaufränkisch auch immer, erst die höherpreisigen Exemplare wie z.B. die von Braunstein, Moric oder Weninger konnten mich restlos begeistern! Wein 1 war der Lemberger 2015 Viventum aus dem Projekt von Alfred Schefenacker und Dieter Weingart aus Stuttgart, bewirtschaftete Flächen in Untertürkheim und Korb, Mergel- und Sandsteinverwitterungsböden, die Zwei haben einen neuen Fan!
Wein 2 zu jung, unharmonisch, heftige Säure. Aber Wein 3 dann noch mal eine richtige Überraschung: in der Nase Kirsche, rote Beeren, aber auch Zedernholz und Tabak, erinnert an Bordeaux, auch ein Pfefferhauch, im Mund dann volle Frucht, mit erdigen und mineralischen Tönen, sehr langer Abgang! Richtig gut gelungen, noch ein neuer Liebling, auch nach Auflösung beim Blick auf den Preis, Weingut Knauß aus Strümpfelbach, ich hatte mich hier schon die Hosen runter lassen gesehen, so kann es gehen, tausend Dank vom Weinschank auch an den Fachhändler aus Stuttgart!
Wo liegt eigentlich das Marfgräflerland?
Diese Frage stellte ich vor zig Jahren mal einem jungen Kellner in einem Restaurant in einem kleinen Ort südlich von Freiburg, weil ich eine Flasche aus dem Markgräflerland von der Weinkarte probieren wollte. Die Antwort war nicht so spektakulär, „Woher soll ich das wissen?“, wäre aber auch nicht so schwer gewesen: einfach noch weiter südlich fahren, dann kommt man direkt hin! Auch dort gibt es viele gute Rotweine zu finden, das Weingut Ziereisen ist schon mehrmals sehr positiv in Blindproben aufgefallen! Was wäre wohl passiert, wenn Hans-Peter Ziereisen nach einer Zimmermannslehre und Orientierungsphase nicht in den elterlichen Mischbetrieb zurückgekehrt wäre? Die Weinwelt hätte einen fantastischen Burgundermacher weniger gehabt, keine schöne Vorstellung! Zum Glück interessierte sich HPZ schon immer für rote Burgunder, bereiste die Weinwelt und blieb natürlich im Burgund hängen. Zurückgekehrt in den elterlichen Betrieb gab es dann die Initialzündung, hin zum reinen Weingut mit wieder erkennbaren Weinen. Heute besitzen schon die „kleinen“ Rotweine ein tolles PLV und die roten Spitzengewächse aus den Kalklagen des Efringer Ölbergs (hier werden aber nur alte Gewann-Namen wie „Schulen“ oder „Rhini“ benutzt) sind echte Persönlichkeiten. Und die Weißweine werden wohl auch immer besser.
Der 2014 Blauer Spätburgunder (Pinot Noir) Tschuppen fiel für mich ein wenig ab (würde da klar den schon vorgestellten „Siegerschankwein“ Tschuppen 2013 vorziehen), Thema wie schon gehabt, auch bei Spitzenwinzern gelingt nicht jeder Wein gleich gut.
Hervorragend aber der Blaue Spätburgunder (Pinot Noir) Schulen 2013, Jurakalk-Lage, kirschrote Farbe, in der Nase rote Beeren und Kirsche, auch würzige Noten. Im Mund viel Frucht, voll und weich, sehr harmonisch und ausbalanciert, frische Säure, mineralische Töne, langer Abgang. Dieser Wein macht richtig Spaß!
Spitzenklasse dann der Blaue Spätburgunder (Pinot Noir) Rhini 2013, aus auffälliger Lage mit Kalkboden, Lösslehm-Auflage und Eisenspuren. Sehr würzige Nase, Kirsche und Rosmarin, viel intensive Fruchtfülle und konzentriert, trotzdem wunderbar trinkbar und harmonisch, feine Bitterstoffe, Mineraltöne, sehr vielschichtig, endloser Abgang. Wunderbarer Wein mit großer Klasse!
Zwei richtig tolle Spätburgunder aus dem Markgräfler Land (Baden), haltet die Augen nach Weinen von Ziereisen offen!
Kann die Suche nach einem deutschen Rotweinen aus einem Hotspot auch unkompliziert und einfach sein?
Der Gastronomie steht in der Corona-Zeit trotz aller Sicherheitsvorkehrungen mit meistens großen Investitionen durch die zweite Welle und erneuter Schließung das Wasser bis zum Hals! Ich erinnerte mich wehmütig an den tollen Besuch im Restaurant Spitzner im Oerschen Hof in Münster mit der tollen Weinauswahl vom Sommelier Uppena (s. auch Reisen zum Wein – Münster). So ein Weinexperte in der Nachbarschaft ist mir lieb und teuer und beim Nachforschen sah ich, dass das Restaurant Spitzner an drei Tagen in der Woche einen französisch inspirierten Abholservice anbietet, Spitzner’s Rotisserie, mit Vorbestellung konnte man am nächsten Tag ein kleines Menü mit tollen Gerichten und einer Flasche Wein abholen, sollte das passen? Und wie das passte: das Steinpilzcreme-Süppchen köstlich, das krosse Confit von der Gänsekeule mit Linsen ein Grund, in der nächsten Woche wieder zu bestellen und auch der Nachtisch Creme Caramel sehr lecker! Und der Rotwein aus der südlichen Pfalz war ein Überflieger, „geiler Stoff“, Phillip Heinz aus Kapellen-Drusweiler (bei Bad Bergzabern) mit seinem Pinot Noir 2017, richtig geil, stimmt schon!
Etwas dunkleres Rot, aber transparent, in der Nase dann Rauch, Würze, Beeren und Kirsche, im Mund spannungsgeladen, noch jung, trotzdem harmonisch, elegante Beerennote, gute Länge, besonders zur Gans passend, großartiger Wein! Phillip Heinz macht auf zwei Hektar in der südlichen Pfalz verschiedene Weine, schon der Erste hat mich sehr überzeugt. Danke an das ganze Spitzner-Team für das tolle Essen und natürlich besonders für die Weinempfehlung! Das war stressfrei und machte richtig Spaß.
Die Corona-Schweinepest und Lungenseuche hält uns alle im Würgegriff, unterstützt Eure Lieblingsrestaurants oder wundert Euch hinterher nicht, wenn sie nicht mehr da sind. Haltet durch, ich empfehle zur Beruhigung Siegerschankweine, viele Weine eignen sich auch für Weihnachten und Silvester. Schreibt hier dann mal als Kommentar, wo Ihr sie herbekommen habt und wie sie waren.
Ich sehe, unsere Geschmäcker nähern sich wieder an.
Solltest du den Weg in die Vorderpfalz (nach Corona, wie haben nun sogar Ausgangssperre in der Nacht!) denn mal finden, dann schieben wie mal die Umzugskisten im Keller zur Seite und werde da – IMHO – wunderbare Blaufränkisch aus Ungarn (alle im besten Alter, so 10-12 Jahre alt) und eine Kiste vom Ziereisen, bevor er so richtig gehyped wurde, finden. Die ist tatsächlich unangebrochen, weil immer wieder vergessen. Das war so ein „ach so, hier gibt’s auch Wein“-Kauf, als ich in seinem Hofladen Salat oder Gemüse kaufen wollte. Wie das? Schwiegermama wohnt in Markgräflerland und Besuche werden natürlich immer mit dem Einkauf lokaler Spezialitäten verbunden.
Und auch wenn du die Genossen (-schaften) – mit Grund oder mangels Wohlwollen ? – gerne ausblendest: Z.B. bei den Haltinger Winzern in Weil habe ich – neben der Masse – auch feine Rote mit gutem mid-price-PLV aus dem Markgräflerland gefunden. Gute Alltagsweine halt. Nur – die sind leider leergetrunken. Aber Weihnachten und Ostern mit der Oma kommen ja bald.
Hallo, mein Lieber,
freue mich immer sehr über Kommentare, glaube aber nicht, dass unsere Geschmäcker groß auseinanderlagen, versuche halt,
aus jedem Thema was zu machen, viel unterschiedliches vorzustellen, „Wein ist Vielfalt, blablabla“ und quäl mich teilweise auch dabei,
aber die ganz großen Prüfungen kommen wohl erst noch 2021, sei gespannt!
Interessant, dass Du neben der Pfalz auch connections ins Markgräflerland hast, könnte man fast neidisch werden!
Wollte schon einen Artikel über Genossenschaften mit dem Titel „Gib die Flosse, Genosse!“ machen, ist aber zur Zeit ja verboten.
Bin immer ganz Ohr, was Andere so entdecken und trinken, noch mal Dank vom Weinschank, Grüße an die Omi und bis später…
Dein Peter