Auch 2018 hatte man in Haltern wieder Lust auf eine Weinprobe und probierte sich blind mit dem nachtschichtgeplagten Weinschank geduldig und konzentriert durch eine bestimmt nicht massengeschmackstaugliche Auswahl von acht Rotweinen, hierfür schon mal einen großen Dank, das Publikum war wirklich wieder wunderbar! Super natürlich auch die Gastgeber, die einen großen Anteil für das Gelingen des Abends beisteuerten und mit essbaren Kleinigkeiten dafür sorgten, dass die ersten Verkoster nicht schon im ersten flight zu Boden gingen.
Ich muss an dieser Stelle noch ein paar Worte schreiben, warum ich das Ganze so aufgezogen habe, für den normalen Weintrinker muss das eine Tortur gewesen sein, statt allseits beliebter fetter und leckerer Frucht, gab es eine Menge undefinierbarer Gerüche und Geschmäcker zu verkosten, neben drei Siegerschankweinen aus dem blog, präsentierte ich nach meiner Meinung möglichst typische Rebsorten oder Cuvees, wiedererkennbare Weine für den Blindverkoster mit einem besonderen Stil und blau machenden Zähnen. Dadurch, dass ich als blogger ein Getriebener bin und immer neue Weine suche, musste ich auch gewisse Risiken eingehen, ich bin schon so oft auf die Nase gefallen, weil ich nicht selber probieren konnte, auch jetzt wieder fremd empfohlene Weine, aber all das macht ja auch eine Blindprobe aus. Beim Öffnen der Flaschen schon die erste Überraschung, einer meiner Siegerschankweine korkig, gerade auch noch der Cambon la Pelouse 2006 aus dem Bordeaux (linkes Ufer), wie bitter!, aber ich hatte mich mal wieder abgesichert und Ersatz mitgebracht, zum Glück blieb es bei diesem Korkschmecker. Mit dem Stinkekorken konnte ich vor der Probe auch schon mal die Sinne der Teilnehmer schärfen, jeder durfte mal riechen: Ganz klar, Kork!

Korkschmecker aus dem Bordeaux
Bei einem Gläschen Champagner wurden mal wieder die Blindverkostungs-Spielregeln besprochen, eigentlich alles so wie immer, einfach englische Vokabelkarten für richtige Antworten gewinnen, nur der Begriff Appellation aus dem romanischen Weinrecht schien genau wie letztes Mal wieder schwierig. Natürlich wurde auch ein Preis ausgesetzt, der Sieger sollte mit feiner Schokolade aus Münsters Laden „Aux Chocolats“ belohnt werden. Der Champagner noch ohne Ratewertung, 100% Pinot Noir, ein Blanc de Noir, trotz überschlagender Werbung durch den Weinhandel-Onkel aus Bremen in der Gruppe sehr verhalten aufgenommen.

Champagner Grande Réserve Brut von André Clouet
Und dann ging es los!: Erster flight, erster Wein, den Weinschank zieht es probiertechnisch immer stärker nach Übersee, deshalb zum Start mal einen Pinotage 2014 (Rebsorte ist Kreuzung aus Pinot Noir und Cinsault) vom Weingut Scali in der Region Paarl, Südafrika. Schöner Duft nach Heidelbeere und Veilchen, saftige Frucht und seidiges Tannin, sehr positive Reaktionen, everybody’s darling, besonders auch bei der Nennung des Preises: <10 Euro!
Südafrika – Paarl – Pinotage „Sirkel“ – 2014 – Weingut Scali

Pinotage Sirkel 2014, Weingut Scali, Paarl, Südafrika
Sehr gespannt war ich natürlich auch, wie meine Siegerschankweine auf solchen Proben ankommen, ich war besonders gespannt, ob sich der Pinot Noir Reserve 2011 von Birgit Braunstein vom Neusiedler See-Hügelland immer noch in Topform befindet: Für mich war er es!, schöner Duft nach Kirsche, aber auch Veilchen und Leder, superelegant, würzige Frucht, tolle Länge, einfach ein fantastischer Pinot Noir, jetzt noch den Burgunder-Bembel von Riedel zur Hand und ich wäre abgehoben. Als Moderator durfte ich allerdings nichts sagen, um die Teilnehmer nicht zu beeinflussen bzw. zu verunsichern, die Meinungen gingen ab diesem Zeitpunkt bei allen Weinen weit auseinander. Werde 2019 versuchen, das Weingut Birgit Braunstein in Purbach/Neusiedler See zu besuchen, ich bin diesem Pinot Noir-Stil verfallen!
Austria – Burgenland – Neusiedler See Hügelland – Pinot Noir Reserve – 2011 – Wgt. Birgit Braunstein

Pinot Noir Reserve 2011, Birgit Braunstein, Purbach, Austria
Danach dann der Versuch einer Hommage an eine berühmte deutsche Rotwein-Schieferlage im Rheingau, letztes Jahr wurde der Assmannshäuser Höllenberg vom Weingut Krone schnell erraten, dieses Mal brachen beim Wein von Allendorf allerdings Proteststürme los, der Geruch wäre sehr eigenartig und nicht trinkanimierend, ich musste verblüfft feststellen, dass der Wein im Geruch eigenartige Fasstöne zeigte und sehr würzig schmeckte, ich habe den Wein schon mehrmals probiert und eigentlich immer völlig andere Eindrücke notiert. Sollte hier Beeinflussung durch die Vorgängerweine stattgefunden haben? Ich hatte den Wein schon als „Siegerschankwein“ im blog gesehen. Der Spätburgunder blieb zum Glück das einzige Rätsel des Abends.
Nachtrag:
Zur Rufwiederherstellung habe ich nachprobiert, ich habe übrigens eine kostenlose Ersatzflasche vom Butterhändler um die Ecke bekommen. Natürlich keine Spur mehr von diesen eigenartigen Fehltönen, schöner Wein mit Duft nach Kirschen und Brombeeren, aber auch Vanille und Gewürze, weich, warm und sehr konzentriert. Ich bin mir sicher, dass der Wein in der Probe keinen Korkschmecker hatte und trotzdem verdorben war. Rat vom Fachmann im Weinhandel: bei Reklamation immer Flasche und Korken mitbringen, neben Korkschmeckern kann auch der Korken einwandfrei und der Wein verdorben sein.
Deutschland – Rheingau – Spätburgunder GG „Assmannshäuser Höllenberg“ – 2014 – Allendorf

GG Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg 2014, Allendorf, Rheingau
Zum Abschluss des ersten flights die autochthone Baga-Traube vom berühmten Bairrada-Winzer Luis Pato („Mr. Baga“) (Bairrada ist eine Region in Mittelportugal in der Nähe der schönen Stadt Coimbra): Schöner Geruch nach Johannisbeeren und Nelke, cool climate style, kühle Kirschfrucht, aber irgendwie auch stumpf, knorriger, aber edler Stil, das war auch für mich was ganz Neues! Der Wein von alten Rebstöcken (vinhas velhas) aus der Subregion Beira Atlantico auf jeden Fall etwas besonderes und probierenswert…
Portugal – Bairrada – Baga – 2011 – Wgt. Luis Pato

Baga Vinhas Velhas 2011, Luis Pato, Bairrada, Portugal
Pause und danach zweiter flight mit vier weiteren Weinen, jeder konnte zu diesem Zeitpunkt theoretisch noch die Schokolade gewinnen:
Der nächste Wein dann ein Zeuge von meiner verzweifelten Suche nach einem empfehlenswerten und trinkbaren großen italienischen Wein, dem berühmten Brunello di Montalcino aus der Toskana. Nach einem Totalschaden auf Empfehlung eines Weinhändlers über 52 Euro (der untrinkbare fette Wein ging ab durch die Kanalisation!) beschloss ich, die sündhaft teure Appellation Brunello di Montalcino DOCG zu meiden und in der Appellation mit den lockeren Spielregeln zu suchen: Rosso di Montalcino DOC! Sollte hier der Stil gefallen, würde ich eine Etage höher beim Brunello (die Rebsorte übrigens aus einem Sangiovese-Klon entstanden) noch mal einen Versuch starten. Der Rosso di Montalcino Ginestreto von Fuligni macht Werbung für dieses Experiment, hellrote Farbe, Duft nach Süßkirschen und leichte Würze, noch sehr jung, schneidende Säure, sehr elegant und lang anhaltend, feiner Wein!
Italien – Toskana – Rosso di Montalcino DOC – Sangiovese – 2015 – Eredi Fuligni

Rosso di Montalcino 2015, Fuligni, Toskana
Dann der „Siegerschankwein“ aus dem letzten blog-Artikel, der Etna DOC 2016 von Graci vom Vulkan Ätna, Kirsche, ein fruchtiger Schmeichler mit mittlerem Körper, aber auch mit diesen ausgeprägten würzigen (pfeffrigen?) und salzigen Noten, wenn man diese entdeckt hat, entwickelt der Wein einen gewissen Suchtfaktor.
Italien – Sizilien – Etna DOC – 2016 – Wgt. Graci

Etna Rosso 2016, Graci, Sizilien
Besonders typisch, wenn aber auch bestimmt nicht everybody’s darling, sind die Syrah-Weine von der nördlichen Rhone. Der Syrah aus der Appellation Crozes Hermitage 2015 von Yann Chave „Le Rouvre“ ist ein extrem intensiver, dichter, dunkler Wein, mit Duft nach Johannisbeeren, Oliven und Kaffeenoten, kleistert zur Zeit noch den Mund aus, pfeffrige Würze, erdige Töne, mächtiger Stoff, benötigt lange Lagerung, viel zu früh geöffnet, gehörte so nicht in die Probe (mein Fehler!, Neugierde ist manchmal auch kontraproduktiv), wird sich wie der 2012 Crozes-Hermitage von Yann Chave (leider überall ausverkauft!) in Richtung Eleganz und Seidigkeit mit Mineraltönen entwickeln.
Frankreich – Rhone – Crozes Hermitage – 2015 – Wgt. Yann Chave

Crozes-Hermitage Le Rouvre 2015 Yann Chave
Als letzter Wein startete wegen des Korkschmeckers des Cambon le Pelouse 2006 ein Areni Noir (autochthone Rebsorte) aus Armenien vom Berg Ararat, nach alter Tradition in Amphoren gereift und von Höhenlagen, mir schwante schon fürchterliches, was jetzt wohl kommen würde: Zum Glück und verblüffenderweise erhielt der Wein viel Applaus, mit dem Pinotage aus Südafrika der Publikumsliebling, schöner Duft nach Johannisbeeren, viel Frucht, komplex und fein, blind hätte ich den Wein als südfranzösische Cuvee eingeordnet, ein versöhnlicher Abschluss.
Armenien – Areni Noir – 2015 – Weingut Zorah

Areni Noir Karasi 2015, Weingut Zorah, Armenien
Der stolze Sieger der Blindverkostung durfte sich über eine Packung Schokolade freuen, ich hoffe, dass alle Teilnehmer trotz der wirklich herausfordernden Probe auch ein wenig Spaß hatten und etwas gelernt haben, für mich sind solche Proben mit Nichtweinkennern immer wichtig, um die Bodenhaftung nicht völlig zu verlieren und geerdet zu bleiben, beim nächsten Mal werde ich Weinen mit erdigen Tönen auch besser weglassen. Würde mich sehr freuen, wenn wir auch als Gruppe 2019 wieder eine Probe in Haltern machen könnten.
Ging es bei der Haltern-Probe darum, sich einen Überblick über möglichst erkennbare Rotweinstile zu verschaffen, wird die nächste Probe im blog ein Spezialthema („Nebbiolo“) behandeln. Dazu habe ich mir die Blindverkostungselite aus Münster, zu einem heftigen Wettkampf eingeladen. Seid gespannt und bleibt am Ball!
Lieber Weinschank,
als glücklicher Teilnehmer besagter Weinprobe in der Römerstadt, wenn auch, warum auch immer, ohne blaue Zähne, aber leider auch ohne Rate- geschweige denn Erkennungserfolge meinerseits (wie schön, dass auch der letzte Platz eigens bedacht wurde !) kann ich festhalten, dass es ein höchst interessanter, lehrreicher, vor allem aber auch amüsanter Abend war, was die Schlussbemerkung im Blog („Würde mich sehr freuen, wenn wir auch als Gruppe 2019 wieder eine Probe in Haltern machen könnten.“) umso erfreulicher macht.
Inhaltlich aber, also zu den Weinen selbst, kann ich hier leider nur wenig und insbesondere nur wenig Erhellendes beitragen, außer vielleicht dass mein Favorit, der Areni aus Armenien, bei mir so gut angekommen ist, dass er an Weihnachten bei uns auf dem Tisch stehen wird – und dass auf meinen Geruchssinn Verlass ist (sicher weit mehr als auf meinen Geschmack), denn der Assmannshäuser Höllenberg roch wirklich so heftig, dass sein Genuss deutlich litt.
Also auf ein Neues in 2019, und dem Weinschank sei gedankt und gewünscht, dass sein ansteckend großer Enthusiasmus auch weiter Bestand hat – und offensichtlich sogar eine Versammlung von mehr-oder-weniger-Ignoranten unbeschadet übersteht.
In diesem Sinne alles Gute von Bonifatius
Hallo Bonifatius-W.,
durch solche Proben entstehen doch meistens immer große Weingeschichten, Du favorisierst den Armenier, der nur starten konnte, weil der Bordeaux-Wein Cambon la Pelouse 2006 (ein Siegerschankwein) korkig war. Zum Glück konnte ich noch eine kleine Anzahl vom Bordeaux nachbestellen, das war meine letzte Flasche! Der Spätburgunder „Assmannshäuser Höllenberg“ von Allendorf nicht korkig (auf jeden Fall von mir nicht bemerkt!), aber im Kontext der Probe schon mit extremen Duftnoten („Sargdeckel“?, „feuchter Karton“?), was mich sehr verblüfft hat, weil er schon mehrmals von mir und sogar ein Mal von meinem Semiprofi-Netzwerk verkostet und immer als sehr gut oder sogar zukünftiger Siegerschankwein beurteilt wurde. Sehr rätselhaft, ich werde nachprobieren und berichten, für Nachschub muss ich übrigens hier nur in die Nebenstr. gehen, so sollte es immer sein, sehr praktisch…
Hoffentlich kommen wir uns jetzt bei der Jagd nach außergewöhnlichen Weinen nicht in die Quere, werde Dir trotzdem meine Bezugsquelle für den Armenier zukommen lassen und empfehle Dir zusätzlich dort noch einen Toskana-Wein aus der Maremma, den Kepos 2016 vom Weingut „Ampeleia“, eine Cuvee aus franz. Rebsorten, der müsste auch in Deine Geschmacksrichtung gehen.
Die Idee mit dem Areni Noir zum Weihnachtsfest ist klasse, empfehle dazu noch Musik von Charles Aznavour, der hatte wie der Wein auch armenische Wurzeln.
Finde die Gruppe immer sehr selbstbewusst und angenehm, dabei immer sehr konzentriert und ausdauernd, bei der Menge und dem Schwierigkeitsgrad nicht selbstverständlich.
Viele Grüße an alle und gerne auch wieder eine Probe 2019 im schönen Haltern: der Weinschank