Ankunft nach 15 Stunden Anreise in der aussichtsreichen „Vorhalle des Paradieses“ (Portico del Paradiso) in dem schönen und verschlafenen Scala (auf deutsch Treppe!!!) an der Amalfiküste. Meine Freundin wurde netterweise mit den Koffern von Ravello aus gefahren, ich hatte mich durch die Schlucht steil aufwärts über dutzende Treppenstufen zu Fuß ins Ziel gerettet. Nach Duschen sofort ab ins Il Pinguino, tolle Pizzeria und mehr, kannte ich noch von 2014, Essen und Wein ordern und noch mal zurückblicken auf eine völlig verkorkste Anreise. Was hatte sich der Weinschank bloß dabei wieder gedacht?
2014 hatte ich mich bei der Abgabe des ausgeliehenen Fahrzeuges mit der neapolitanischen Mietwagen-Mafia angelegt und mir geschworen, nie wieder ein Auto in Neapel zu mieten. Um auch Ärger im Düsseldorfer Flughafen zu vermeiden, war man schon seit 3 Uhr nachts auf den Beinen und auch der ruppige Hinflug machte mich nicht frischer, als ich den Taxifahrern vor dem Flughafen Neapel die entscheidene Frage stellte: was kostet eine Fahrt nach Scala? Statt wie geplant 80 Euro, wurde ein Festpreis von 135 Euro aufgerufen, ich war sauer, vermutete Betrug und zog dann etwas voreilig Plan B aus der Tasche! Mit dem Taxi zum Hauptbahnhof Neapel, mit dem Schnellzug und mit Vesuvblick nach Salerno, dann mit dem Bummelzug nach Vietri sul Mare. Hier beginnt die berühmte und schmale Küstenstraße Amalfitana. Das ging alles überraschend gut, aber nun wurde man weichgekocht!
Nachdem fünf Linienbusse wegen Überfüllung nicht in Vietri sul Mare angehalten hatten und wir mit den Koffern eh schwer gehandicapt waren, schmolz das eigentlich riesige Zeitpolster immer weiter zusammen und ich rief das erste Mal im Portico del Paradiso an, dass wir später kämen. Dort gab man mir den Tipp, Castiglione zu erreichen, zwar noch unten an der Amalfitana, aber mit Busverbindung hoch nach Scala. Mittlerweile hatte ich bemerkt, dass ein viel beschäftigter Taxifahrer immer in seinen Pausen zum Cafe Russo zurückkehrte. Wir bestellten dort Getränke und Knabbereien auf der netten Terrasse und bei seiner nächsten Pause konnte ich ihn noch mal sprechen. Eine halbe Stunde später ging es dann auf abenteuerliche Fahrt, die Küstenstraße ist eine gewagte Konstruktion, durch die vielen Serpentinen, Umfahrungen und Staus dauerte es noch mal eine ganze Weile, bis wir an der Spitzkehre und Auffahrt nach Ravello in Castiglione abgesetzt wurden. Unglaubliches Verkehrchaos und unglaublich, wie der nette Taxifahrer es trotzdem schaffte, relativ schnell und winkend im Gegenverkehr zurück nach Vietri sul Mare zu verschwinden. Beim Warten auf den Bus lernte meine Freundin dann noch einen älteren Herrn kennen, der sich eine englischsprachige Dolmetscherin aus seiner Familie dazu holte, die sich als eine unserer supernetten Frühstücksfrauen im Portico del Paradiso herausstellte. Es kam Hoffnung auf und der Bus kam und wir durften tatsächlich mit unseren Koffern vorne einsteigen. Einer der schlimmsten Höllenritte begann, die ich je erleben durfte (und ich kenne Bus fahren auf Madeira!). Immer schön durch die Spitzkehren direkt am Abgrund, oben mit den Händen festkrallen, mit den Beinen irgendwie die Koffer fest quetschen und die Freundin verdächtig nah an der Bustür torkeln sehen, ein schlimmer Albtraum! Mit letzter Kraft erreichte man das schöne Ravello und musste erfahren, dass der Bus nicht nach Scala weiterfuhr. Man versank dann in der Masse der heranstürmenden und sich um die Plätze balgenden Touris, die den Berg wieder runter und weiter nach Amalfi fahren wollten. Ein letzter Versuch (mit Koffern ist man wohl Freiwild!) bei einem Taxifahrer und nach der Preisnennung für die Fahrt nach Scala ein kleiner Wutanfall mit Publikumsbeschimpfung beim Weinschank und der Gang zu Fuß nach vorn!
Trinkpause in der netten Sisina’s Snack Bar in Ravello, das Ziel auf der anderen Talseite schon zu sehen, doch wir waren echt kaputt und ratlos, auch das Feierabend Bier in der 0,66 Liter Flasche wurde dann noch vom Tisch geweht! Wir merkten dadurch erst mal, wie weit oben wir über der Steilküste waren. Der zweite Anruf beim Portico del Paradiso brachte dann die Erlösung, die Freundin vom Hotelmanager wollte uns sofort abholen. Nach zehn Minuten war sie tatsächlich da, großer Jubel vor der Bar und großes Gelächter, weil alles bis auf den langen Weinschrank in das kleine Auto passte. Der blühte dann aber noch mal richtig auf, kaufte unterwegs Limoncello und powerte sich an den unzähligen Treppenstufen mächtig aus, nach insgesamt 15 Stunden ab Düsseldorf dann glücklich im Ziel, meisterliche Entgleisung, wahrscheinlich unvergessliche Eindrücke, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, da ich Erholungsurlaub versprochen hatte!
Immerhin die erste Weinauswahl im Il Pinguino von mir gelungen, ein schöner Rosato aus einer Cuvee der Rebsorten Aglianico und Piedirosso. Helles Apricot, in der Nase Erd- und Himbeere, florale Noten, im Mund frische Säure, wieder Beerenfrucht, auch Mineraltöne, sehr elegant und süffig, schöner Essensbegleiter zu Antipasti und Pizza.
Durch diesen Einstieg war ich der Tenuta San Francesco im Hinterland der Amalfiküste bei Tramonti schon mal positiv zugetan, aber ich schwöre, bei jedem Restaurantbesuch in unserem Urlaub standen Weine dieses Weingutes in allen Preis- und Qualitätsstufen omnipräsent auf den Weinkarten. Deshalb tippte ich auf eine ambitionierte Genossenschaft und fiel bei der Recherche zuhause dann aus allen Wolken: im Jahre 2004 schlossen sich vier Winzer aus drei Familien zusammen und bewirtschaften seitdem ca. 14 Hektar Rebfläche von einem wunderschönen Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert. Ein besonderes Juwel sind dabei die uralten Rebstöcke (100 bis 300 Jahre!!!) von Tintore, Aglianico und Piedirosso-Rebstöcken, natürlich hätte ich mir diese Schätze gerne einmal angesehen, deutliche Parallelen zu den Uraltreben der Cantina del Taburno erkennbar, die für den Bue Apis verwendet werden. Kampanien ist ein Rebenwunderland, die Rebstöcke werden hier teilweise mächtig wie Baumstämme und sind noch größtenteils wurzelecht und haben die Reblausplage überlebt! Durch die mangelnde Mobilität habe ich hier wohl ein ganz großes highlight verpasst!
Aber dafür habe ich am nächsten Tag abends die Vorlage aus der Weinkarte des tollen Restaurants Dei Cavalieri direkt gegenüber vom Duomo in Scala genutzt. Es gab einen Wein aus der Spitzenlinie der Tenuta San Francesco, den È Iss, einen eleganten Tropfen aus den ältesten Tintore-Beständen des Weingutes, von pythonartig wuchernden Uralt-Rebstöcken, die auf bis zu 500 Meter hochgelegenen terrassierten Hängen wachsen und von dem einzigartigen Klima (starken Temperaturschwankungen durch kalte Fallwinde) und der Bodenbeschaffenheit (Bimsstein, Vulkanasche, Kalksteineinlagerungen) profitieren.
Sehr dunkles Rubinrot mit violetten Randaufhellungen, in der Nase das volle Programm, Kirsche, Brombeere, Pfeffer, Nelke, Leder und Waldboden, im Mund überraschend viel Säure, aber auch weiche Tannine, Sauerkirsche, Lakritz, erdige Töne, guter Körper, dabei aber auch elegant und mit einem langen Abgang versehen. Ich fand den Wein einfach nur großartig (2017 soll allerdings kein einfacher Jahrgang an der Amalfiküste gewesen sein!), aber die Preisgestaltung bei diesem Wein in anderen Restaurants in Scala und besonders in Ravello auf der anderen Talseite wies klar auf Touristenfalle hin, sehr gut so ein Wein als Preisindikator auf den Weinkarten, da wurden unverschämte Gaja (Piemont)-Preise aufgerufen, schön, dass unsere Restaurant-Lieblinge (stehen wieder oben unter Reisen zum Wein/Amalfiküste) da nicht mitgemacht haben.
Ravello ist ein zauberhafter und aussichtsreicher Ort über der Amalfi-Steilküste mit Luxushotels, berühmten Villen und ihren Gärten (Richard Wagner war hier und fand die Inspiration für das Bühnenbild des 2. Aktes „Klingsors Zaubergarten“ für seine Oper Parsifal, es gibt regelmäßig Aufführungen), einer Hollywood-Filmtradition und vielen hochzeitswütigen Kulissen-Romantikern, bei denen Geld scheinbar keine Rolle spielt.
Wieder einmal konnte ich über Instagram einen tollen Kontakt herstellen, wir trafen in Ihrer Kaffeepause in Ravello am Domplatz die supernette „die_wein_beginnerin“, Reiseleiterin und bald hoffentlich auch Sommelière und Weinprofi (wir drücken ganz fest die Daumen!), sie hatte noch einige interessante Infos für uns: in ihren letzten sieben Jahren und regelmäßigen Besuchen wäre es an der Amalfiküste immer voller geworden, besonders die Amerikaner würden den starken Dollar ausnutzen und groß auftrumpfen, Prominente würden sogar per Hubschrauber in die Luxushotels in Ravello eingeflogen, Amalfi ganz unten an der Küste würde von Kreuzfahrtschiff-Passagieren überrannt, durch die Menschenmassen würde die Infrastruktur nach und nach zusammenbrechen. Nach den Wochen um den italienischen Feiertag Ferragosto, an dem ganz Italien zu den Küsten strömt und Urlaub macht, wäre die Gastronomie schon abgearbeitet und fertig, aber in den letzten Jahren nun auch noch im September eine weitere Hochsaison. Nachdenklich zogen wir uns zum Mittag in die Enotavola Wine Bar zurück, die_wein_beginnerin sauste draußen noch mit ihrer Reisegruppe vorbei, hoffentlich sieht man sich mal wieder! Die Weinbar an und unter einem alten Turm wird nur von Frauen geführt, dadurch ist es besonders nett und entspannend, es gibt tolles Essen und eine sehr gute Weinkarte.
Auch die Cantine Giuseppe Apicella aus Tramonti scheint riesig, da auch omnipräsent auf den Weinkarten an der Amalfiküste vertreten, aber es gibt gerade mal 7 Hektar Anbaufläche, auch wieder im Hinterland der Küste bei Tramonti, auf ca. 300 bis 600 Meter Höhe stehen ebenfalls uralte Rebstöcke. Vater Giuseppe entschloss sich erst 1977, ein eigenes Weingut zu eröffnen, keine Ahnung, wie er an die teilweise 200 Jahre alten Rebstöcke gekommen ist. Heute profitiert Sohn und Weinmacher Prisco von dieser weisen Entscheidung und die Weine werden gerne in den diversen Restaurants als Geheimtipp empfohlen, auf Preis-Genuss Schnapper wartet man in Ravello allerdings vergeblich.
Der Rosato 2021 aus den Rebsorten Piedirosso und Sciascinoso leuchtet pink im Glas, riecht herrlich nach Erdbeeren, Zitrusfrüchten und floralen Noten, im Mund dann spannungsgeladen mit frischer aber angenehmer Säure, viel Beerenfrucht, dabei sehr süffiger Abgang. Auch toller Essenswein, beschwingt wanderten wir von Ravello nach Scala zurück.
Dadurch, dass Scala auf ordentlicher Höhe am Hang liegt, ergeben sich wunderschöne Wandermöglichkeiten in alle Himmelsrichtungen, sehr schön z.B. die Wanderung vom Örtchen Minuta hinab nach Amalfi. Es geht über uralte schmale Treppenwege durch eine wunderschöne Landschaft. Bis auf die Maultierkolonnen, die hier z.B. Baumaterial transportieren, weil man viele Häuser mit Fahrzeugen nicht erreichen kann, ist man meistens relativ ungestört und kann die immer wieder neuen Ausblicke genießen.
Amalfi liegt wunderschön an der Amalfitana unten am Meer, doch wenn man die Stadt von oben betritt, läuft man über die Haupteinkaufsgasse direkt auf die Massen am Domplatz zu und bekommt einen Schock, es wird immer voller und unten am Hafen herrscht sogar richtiges Chaos, die Busse wieder total überfüllt, zu viel Verkehr, totales Theater. Ich hatte nur einen Wunsch, rechts am Dom hoch zum Friedhof und auf verschlungenen Wegen durch dunkle Durchgänge, unzählige Treppenstufen und an Geländerwegen an Abgründen vorbei ab nach Atrani, dem relativ stillen Gegenmodell von Amalfi.
Und rein zufällig gibt es in Atrani ein Michelin Stern-Restaurant namens A’Paranza, das auch mittags geöffnet hat. Ich liebe Mittagessen in Italien, weiße Tischdecken, alles leger und ohne Romantik-Touch, meistens tolle Menüangebote und spannende Weinkarten. Im A’Paranza Menü-Schwerpunkt auf Meeresfrüchte und Fisch, dazu eine Flasche Rosato vom Weingut Marisa Cuomo aus Fuore, paradiesische Zustände.
Der Rosato 2021 eine Cuvee aus den Rebsorten Aglianico und Piedirosso. Lachsfarben, in der Nase rote Früchte, blumige (Rosen, Veilchen) und kalkige Noten, im Mund frische Säure, sehr ausgewogen und spannungsgeladen, elegante Fruchtnoten, langer und würziger Abgang, toller Essensbegleiter, hat viel Freude bereitet.
Gestartet sind Andrea Ferraioli und seine Frau Marisa Cuomo 1983 mit knapp 3 Hektar Rebfläche auf steilen Terrassen mit uralten Rebstöcken im Pergola-System in Furore, einer Streusiedlung, vorne an der Küste, direkt über der Amalfitana. Mit absolutem Qualitätsstreben, Nachhaltigkeitsgedanken, viel Investitionen (z.B. einem fantastischen Kellerneubau) und vielen Auszeichnungen, konnte man sich zu einer Referenz der Appellation Costa d’Amalfi DOC hocharbeiten. Mittlerweile liefern ca. 60 Weinbauern an der ganzen Amalfiküste Trauben von autochthonen Rebsorten und schmalen Terrassen zu, man kann so auf ca. 18 Hektar zurückgreifen und kommt auf einen jährlichen Flaschenausstoß von ca. 120 000 Flaschen. Bin neugierig auf weitere Weine vom Weingut Marisa Cuomo, die Spitzenlinie mit Rot und Weiß allerdings weder in den Restaurants noch in den Weinläden in Ravello zu bezahlen.
Nach weiteren schönen Wanderungen ins eindrucksvolle Eisental (Valle delle Ferriere), nach Pogerola und Pontone, war noch eine Rechnung mit einem speziellen Wanderweg von 2014 offen: beim Versuch das Valle delle Ferriere auf Höhe zu umrunden, hatte mich ein böser Höhenangst-Anfall zur Umkehr gezwungen, ich war damals sehr überrascht (weil ich vorher immer und immer wieder auf Madeira auf halsbrecherischen Levada-Touren erfolgreich gegen die Angst angekämpft hatte). Sehr oft hatte ich in der Zwischenzeit an den Weg gedacht und mir den erfolgreichen Weitergang vorgestellt. Und nun war es endlich soweit, 2022 ging es über die Punta d’Aglio zur berüchtigten Stelle. Der Weg rechts unterhalb des Gesteinmassivs schon gut sichtbar, er führt quer über den sanft (später steil) abfallenden Hang (mit den Bäumchen) und verschwindet dann rechts nach einer Kurve weiter hinten im Tal.
Wie in alten, längst überwundenen geglaubten Zeiten: die volle Ladung Höhenangst, der Kopf spielt nicht mit und man bekommt Panik, erst geht es nur um einen selber und man kann die Situation noch einigermaßen überspielen, aber wenn man dann die Freundin unbeeindruckt immer weiter vorwärts schreiten sieht, brechen alle Dämme, man sieht Ihren Absturz und die Katastrophe schon vor sich, Herzrasen und Schwitzanfälle, man will die Wanderung nur noch beenden und sitzt verkrampft auf einem Stein. Es war dann auch nicht hilfreich, dass uns ein Jogger und ein telefonierender Mann mit Hund entgegen kamen, der Madeira Levada-Ziegenbock schwer angeschlagen, Träume sind Schäume, nächster Anlauf wohl erst 2030.
Auf dem entspannenden Rückweg Einkehr auf der Terrasse des schönen Hotel-Restaurants Zi’Ntonio in Scala. Superfreundliche Bedienung und der für mich immer superspannende Blick auf die Weinkarte zeigte Erstaunliches. Da hatte jemand den Mut, statt der üblichen Platzhirsche einen Kleinerzeuger aus Scala, die Casa Esposito, auf die Karte zu setzen. Der Falanghina 2020 (autochthone Weißwein-Rebsorte aus Kampanien) mit strohgelber Farbe und funkelnden grünen Reflexen, in der Nase Ananas und florale Noten (Mandelblüte?), im Mund schöne Frucht, dabei sehr sanft und süffig, mineralisch-würziger Abgang. Toller Essensbegleiter, wohl Erstjahrgang, 1200 Flaschen. Wir waren richtig angetan und ich wollte bei unserem nächsten Besuch im Restaurant den Scalese, einen Vino Spumante des Weingutes probieren, meine Freundin wollte sogar das Weingut besuchen, es musste irgendwo steil oberhalb unseres Domizils Portico del Paradiso liegen.
Leider wurde in der zweiten Woche das Wetter schlecht, es gab sehr oft Regen, gut für die Landschaft, unangenehm für uns. Wir nutzten an einem Regentag eine Regenpause zum Aufstieg, es ging über Treppenwege heftig aber schnell nach oben und wir fanden die unscheinbare Casa Esposito am Rand und steil über Scala. Mittlerweile habe ich ein wenig recherchiert, hier oben bewirtschaftete Großvater Mario Esposito Afeltra über Jahrzehnte nachhaltig die Landschaft, Wein, Tomaten, Gemüse u.v.m., für die Enkel waren die Besuche immer ein highlight, besonders der Einsatz des Maultieres. Enkel Nicola de Rosa, mittlerweile Agronom bei Pompeji, weigerte sich den Besitz zu verkaufen und kontaktierte den Weinberater Vincenzo Mercurio und so konnte man 2020 den Erstjahrgang (zwei Weine) erzeugen. Ich werde die (Erfolgs-) Geschichte weiter verfolgen und wünsche viel Glück, es scheint Nicola eine Herzenzsache zu sein und er betreibt seine Vision zusätzlich auch noch sehr professionell, es gab wohl schon einen kleinen Auftritt auf der Vinitaly in Verona. Und tausend Dank an die netten Leute vom Zi’Ntonio, ohne die ich das Weingut nie entdeckt hätte.
Weinschank überredete zwischenzeitlich seine Freundin, doch die regenfreie Zeit auszunutzen und den Weg noch ein wenig weiter in das Seitental mit seinem Kastanienwald zu gehen. In der wunderschönen Landschaft gab es schon einige verfallende Häuser mit brachliegenden Grundstücken, wunderbar, dass dieses Schicksal die Casa Esposito nicht getroffen hat. Als wir schon richtig weit im Seitental waren, schoss die nächste Regenwolke heran und es fing heftig an zu regnen. Wir stellten uns unter einen mächtigen Kastanienbaum, erst kamen Rinnsale vom Berg, dann kam immer mehr Wasser. Die Italiener, die teilweise noch Grundstücke im Wald bewirtschaften, nahmen Reißaus, ein Mann kam mit seinem Piaggio zu uns, um uns vor unserem Standort zu warnen, Kastanien können wohl aus Höhe heftig einschlagen. Also zurück, mächtig viel Wasser von oben und auf den Wegen, das Wege- und Treppennetz ist uralt aber bewährt, Erdrutsche und Schlammlawinen hat es erst sehr selten an der Amalfiküste gegeben. Völlig durchnässt erreichten wir wieder unser Domizil, später gab es dann zur Entspannung im Zi’Ntonio wirklich noch den Vino Spumante Scalese (Rebsorten Falanghina und Biancolella, 590 Flaschen).
Überraschung bei der uns unbekannten weiblichen Bedienung beim zweiten Besuch im Restaurant Zi’Antonio, dass wir gerade diesen Schaumwein von dem Miniweingut aus Scala haben wollten: goldgelb und trüb im Glas, in der Nase spannender Duft von Pfirsich, Blüten und Kräutern (Rosmarin?), druckvolle Perlage, fruchtig, mineralischer Abgang, richtig gut gemacht und wieder ein toller Essensbegleiter! Auwei, wenn alle 1493 Einwohner Scalas eine Flasche pro Jahr von der Jahresproduktion der Casa Esposito trinken würden, dann wäre schon Feierabend! Und da beginnt auch schon wieder der Spagat, Nachhaltigkeit oder die Naturschätze ausbeuten, zerstören und kurzfristig richtig abkassieren? Hoffentlich gibt es auch an der Amalfiküste viele Menschen, die ihr Erbe wie Nicola de Rosa eisern verteidigen und Ihr Tun begründen und vermarkten, dann sind auch faire Flaschenpreise möglich!
Nach 12 Tagen dann (die vorher abgemachte!) Vertreibung aus dem Paradies, es wurde wieder ein Heiliger geehrt und prozessiert und das Hotel war schon vorher für diesen Zeitraum ausgebucht. Der nette Frühstücks-Engel, den wir schon unten am Anreisetag an der Amalfitana getroffen hatten, fuhr uns und unsere Koffer rüber nach Ravello, unglaublich nette Aktion, tausend Dank noch mal dafür! Das Portico del Paradiso und seine Engel waren super!
Das Hotel La Moresca liegt genau an dem Platz mit dem Brunnen und Sisina’s Snack Bar, vor der mir am Ankunftstag die Flasche Bier vom Tisch geweht wurde. Früher hatte man auch ein Restaurant, was nun zu einer kleinen Infozentrale umfunktioniert wurde, in der sich drei äußerst kompetente Frauen die Schichten teilten und auf jede Frage eine Antwort wussten. Die alte Weinkarte des Restaurants war noch vorhanden und man konnte Wein und Snacks auf der spektakulären Dachterrasse vertilgen. Aus einem früheren Cilento-Besuch (weiter südlich beim berühmten Paestum!) kannte ich noch die Weine von Luigi Maffini aus Giungano und war sehr auf den Kratos gespannt, der mich bisher schon öfter überzeugt hatte.
Der Fiano (autochthone Rebsorte aus Kampanien) strahlend goldgelb im Glas, in der Nase Pfirsich, florale Noten, Kräuter, im Mund sehr fruchtig (tropische Früchte), feine Mineralik, weich ausbalanciert, fast cremig, sehr süffig, noch spürbare Säure, schön langer Abgang mit einer feinen Aprikosennote. Starke Version aus 2016, hat uns super gefallen.
Luigi Maffini hat mit einem kleinen Familienweinberg im schönen Castellabate an der Küste des Cilento-Nationalparks praktisch als Hobbywinzer begonnen, hat sich dann aber als studierter Agronom mit Hilfe seiner Familie und dem Önologen Luigi Moio behutsam vergrößert. Mittlerweile besitzt man ein Weingut mit schönem Keller in Giungano, nördlich von Agropoli, etwas im Hinterland. Dort hat man ca. 15 Hektar unter Reben, man profitiert vom biologischen Anbau auf Ton-Kalkstein-Skelettböden und dem Cilento-Flysch. Der Cilento gilt wegen seiner Schönheit immer noch als ein Italien-Geheimtipp.
Das aussichtsreiche und schöne Ravello mag ich trotz seines Trubels sehr, es gibt viele, viele Weinläden, leider aber alle nur mit stark überteuertem Sortiment, ein Weinladen hatte es mir aus zwei Gründen besonders angetan.
Hier gab es tatsächlich einen 2014er Taurasi Radici (für 80 Euro die Flasche!!!) vom Weingut Mastroberardino, von dem ich ca. zwei Wochen vor dem Urlaub durch Zufall 12 Flaschen für einen durchschnittlichen Flaschenpreis von 19 Euro im Internet geschossen hatte. Gleicher Jahrgang, da war ich natürlich auf eine Probe nach dem Urlaub gespannt, gekauft habe ich ihn in Ravello natürlich nicht! Taurasi DOCG ist wohl die berühmteste Aglianico (Rebsorte)-Appellation Kampaniens, es gibt diesen Spruch „Taurasi, der Barolo des Südens“. Ich war sehr misstrauisch, und siehe da, eine geöffnete Flasche hatte sich schon sehr Richtung Likör verabschiedet und war ungenießbar! Der Internet-Weinhändler wird die Weine nicht ohne Grund zu diesem Kurs abgegeben haben, der Taurasi Radici 2014 aber zwei Mal in Top- bzw. Idealform, allerdings von der Art und Alterungsfähigkeit nicht mit einem Barolo vergleichbar.
Intensives Rubinrot im Glas, verführerisches Bukett nach Süßkirschen, Johannisbeeren, Veilchen, Pfeifentabak und einem Hauch Holz, im Mund Pflaume und Kirsche, noch Säure vorhanden, sehr elegant und samtig, überraschend kühl, dann langer Abgang mit feiner Würze. Sehr schöner und ausdrucksstarker Wein.
Das traditionsreiche und berühmte Weingut Mastroberardino wurde schon 1878 von Angelo M. (1850-1914) gegründet. Der Familie Mastroberardino hat Kampanien das Ansehen und den Erhalt autochthoner Rebsorten (wie Fiano, Greco, Falanghina oder Aglianico) zu verdanken. Besonders in der Zeit von Antonio Mastroberardino wurden die Grundlagen für die späteren Erfolge gelegt, zwischenzeitlich produzierte man 50% aller DOC-Weine Kampaniens und sogar 90% Wein aus der berühmten Taurasi DOCG (Rebsorte Aglianico). 1994 kam dann es zu einer großen Zäsur, ein Familienstreit zwischen Antonio und Walter Mastroberardino führte zur Abspaltung des Weingutes Terradora und einiger der besten Weinberge, Antonio konnte im Gegenzug weiter den berühmten Familiennamen nutzen. Heute kümmert sich Sohn Piero um die Geschicke des Weingutes und fällt immer positiv mit neuen Projekten auf, so betreibt Mastroberadino einen historischen Weinversuchsanbau in Pompeji, hat ein Golf-Ressort geschaffen und bewirtschaftet mittlerweile stolze 350 Hektar Reben.
Wie alle besuchten Weinladen in Ravello führte mein Favorit nur stark überteuerte kampanische Weine, hielt aber noch eine echte Attraktion bereit. Mir fielen sofort ein paar wenige gereifte italienische Weine aus anderen Regionen auf, die jeweils zu 15 Euro verramscht werden sollten. Bei den Süßweinen (Jahrgänge 2000 und 2001) war ich mir recht sicher, dass man noch eine hohe Wahrscheinlichkeit auf Genuss haben würde, doch sollte man auch bei dem Supertoskana-Wein Avvoltore 2004, immerhin das Spitzenprodukt des Weingutes Moris Farms aus der Maremma (Toskana), zuschlagen? Ich kaufte erst mal nichts und lud Fotos von den Weinen incl. der Frage „Soll ich kaufen?“ bei Instagram hoch. Es kam ein dutzendfaches „Ja“ und am nächsten Tag stand ich wieder auf der Matte! Der Avvoltore kostete nun 18 Euro, das kommt davon, irgendwer hatte wohl meine Begehrlichkeiten bemerkt! Auf jeden Fall kaufte ich nun drei gereifte Flaschen und war auf die Verkostung in der Heimat super gespannt!
Und dann ging es los: alle drei Korken abgebrochen, gerade der schon völlig durchgezogene Korken vom Avvoltore 2004 machte mir große Sorgen! Musste wieder mit dem Filter operieren (ich hasse das!), ich benötige für ältere Weine immer noch dringend Spezialwerkzeug! Aber es ging alles gut, Weine alle in Ordnung!
Der Avvoltore rubinrot aber mit deutlich rotbraunen und hellen Rändern, in der Nase viel vegetabile Noten, Gemüse, Gras und Oliven, aber auch Paprika und Liebstöckel, im Mund spannungsgeladen und voll mit noch überraschend deutlich spürbarer Säure, süßfruchtig mit enormer Tiefe und dabei sehr kühl und elegant, langer Abgang mit einem Hauch nach Medizin. Schöner Essenswein, aber die Nase schreckt mich ab.
Der Wein Avvoltore (Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Syrah aus dem Weinberg Poggio all’Avvoltore) ist der Spitzenwein und das Herzensprojekt des Weinmachers Adolfo Parentini von Moris Farms. Er kann dabei auf 70 Hektar und zwei Weingüter zurückgreifen, Poggio La Mozza in der DOC Morellino di Scansano und Fattoria Poggetti in der DOC Monteregio di Massa Maritima. Vor einigen Jahren erhielt der Avvoltore 2004 drei Gläser im Gambero Rosso, ich durfte schon mal einen fantastischen Morellino di Scansano aus dem Haus verkosten.
Ein toller Süßwein ist der Picolit 2000 aus der Appellation Colli Orientali del Friuli DOC, vom Weingut La Roncaia. Neben einer schönen Bernsteinfarbe betört der Wein mit einer Duftexplosion nach Aprikose, Honig, Kamille und Nüssen, im Mund wunderbare Aprikosenfrucht und Karamell, erstaunlich viel Säure und ein langer Abgang mit einer leichten Schärfe. Wirkt frisch und jugendlich, dabei sehr süffig, ein echter Charmebolzen und ein versöhnlicher Treffer, ließ mich gleich wieder gedanklich ins geliebte Friaul entschwinden.
Von La Roncaia auch der Ramondolo 2001 aus der wunderschönen Appellation Ramondolo DOCG. Von der Cola-Farbe erinnert mich der Süßwein an die tolle Welschriesling Trockenbeerenauslese 2005 von Familie Velich am Neusiedlersee. Der Duft geht Richtung Rosinen, Blumen und Gewürzen, im Mund vollmundig, kraftvoll und ölig, Rumtopf, wirkt unglaublich feurig (bei moderaten 12,5% Alkohol), voll dagegenhaltende Säure, langer Abgang, begeisternder Wein, Treffer 2 hat mein Glück perfekt gemacht!
Die Cousins Marco und Stefano Fantinel haben den historischen Kleinbetrieb La Roncaia bei Nimis gekauft und schrittweise modernisiert und auf 22 Hektar vergrößert. Ein Juwel ist der größte Weinberg der Region, der mit Picolit-Reben bepflanzt ist, 6 Hektar mit der seltenen autochthonen Rebsorte sind in dieser sehr besitzzersplitterten Region schon eine echte Hausnummer. Weiteres Hauptaugenmerk liegt auf der Verduzzo-Rebe für den Ramandolo DOCG. Beide Süßwein-Arten mal unbedingt probieren, gerne auch gereift!
Abschiedsessen auf der Restaurant-Terrasse des Hotels Bonadies gegenüber unseres Hotels, es gab neben einer kleinen Dusche von oben auch noch tolles Essen (u.a. Pasta mit Meeresfrüchten) und einen Weißwein aus der Spitzenlinie der schon vorgestellten Tenuta San Francesco aus Tramonti.
Der Wein ist eine Cuvee aus den Rebsorten Falanghina, Ginestra und Pepella und kam mit strohgelber Farbe ins Glas. In der Nase eine Explosion nach Apfel, Pfirsich, Orangenblüten, Honig und etwas Pfeffer, dazu mineralische Töne, im Mund volle Frucht, leichte Salzigkeit, schöner Schmelz und komplex, im langen Abgang ein Hauch Bitterkeit, ein beeindruckender und schöner Wein. Ein toller Abschlussabend und ein würdiger und nicht so leicht zu vergessender Wein! Per Eva?, ach so, liebe Grüße an unsere Eva aus Haltern.
Am nächsten Morgen um fünf Uhr lag Ravello unter einer dichten Nebelschicht. Ich war plötzlich sehr froh, nicht fahren zu müssen, zum Glück hatten uns unsere Hoteldamen vom La Moresca einen echten Profi-Taxifahrer bestellt, es ging nördlich direkt über eine Passstraße durch die nebeligen Berge, Tramonti wohl auch in der Nähe, aber man konnte nichts sehen, viele Serpentinen und Dunkelheit. Die letzten Kilometer dann Autobahn zum Flughafen Neapel und irgendwie dann doch noch ein versöhnliches happy-end. Doch dann kam der Flug mit den schlimmsten Turbulenzen, die ich bisher in meiner Flugreisen-Karriere erleben durfte. Diese Reise wird auf jeden Fall immer unvergesslich bleiben. Reine Nervensache!
Wünsche Euch frohe und besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch nach 2023, da geht es hier dann weiter, bis später, Euer Weinschank, Peter.
Mal wieder ein schöner Reisebericht mit viel Stoff zum Lesen (Träumen) und trinken. Schönen Dank dafür 👌
LG Michael
Hallo Michael S.,
vielen Dank für die netten Worte, Wein und Reisen gehören für mich irgendwie zusammen, deshalb wirst Du hier im blog auch immer Reiseberichte finden. Ich lasse mir aber
(hoffentlich) zusätzlich auch immer was Neues einfallen, damit es überraschend und etwas spannend bleibt. Danke fürs Lesen, freut mich immer sehr! Grüße Dein Weinschank, Peter