Absturz auf Madeira?

 

Madeira

Botanischer Garten, Funchal, Madeira

Im November sollte es für mich zum 9. Mal auf die berühmte portugiesische Blumen- und Wanderinsel gehen, Sabbatmonat auf Madeira in der Haupstadt Funchal, allerdings war ich noch nie im Monat November vor Ort , ich erwartete sehr wechselhaftes Wetter mit Regenschauern und sonst stille Tage in Klischee. Es kam dann doch wieder alles ganz anders, ich hatte die komplette Zeit tolles Wetter, immer über 20 Grad und keinen Regen und relativ spontan hatten sich mir zwei Arbeitskollegen aus den anderen Schichten für die erste Woche angeschlossen, ein echter Glücksfall!

 

Madeira

Alles Helden (von links), Edinho, Ronaldo und Kiri.

Ronaldo stammt gebürtig von Madeira, ist dort aber wohl in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und schon als Fußballjugendlicher nach Lissabon abgeworben worden. Die Madeirenser vergöttern ihn und setzen ihm Denkmäler wie die Deutschen nur Otto von Bismarck. Ronaldo hat aber ein sehr unterkühltes Verhältnis zur ehemaligen Inselheimat und investiert nach Jahren der totalen Ignoranz nun mit der Pestana-Gruppe lieber in neue Hotelbetonbunker, anstatt einmal in die immer mehr verfallende und schöne Bausubstanz in der historischen Oberstadt zu investieren. Er ist doch nicht mein Held! Ich habe übrigens ein sehr unterkühltes Verhältnis zu Flugzeugen, ein Wunder, dass ich trotz meiner Flugangst schon so oft auf Madeira war, irgendetwas zieht mich scheinbar magisch an und lässt mich Ängste überwinden, der betagte Taxifahrer mit seiner Klapperkiste am Flughafen, die Damen in der Rezeption und der Hotelbesitzer Senhor Dias in der Albergaria Dias  waren das richtige Begrüßungskomitee, einfach nette und herzliche Menschen! 

 

Madeira

Bei Kaiserwetter im November sofort ab in den Pool der Albergaria Dias!

Über einen versteckten und überwucherten Gartenweg ging es nach der Pool-Schwimmerei dann direkt in einen der drei Altstadt-Bereiche, die Restaurant-Altstadt, hier gibt es viele bemalte Türen und noch mehr Restaurantwerber, zu meiner großen Enttäuschung sprachen einige davon kein portugiesisch mehr und konnten auch keine Tierlaute imitieren, die Zeiten ändern sich doch leider sehr! Aber zu unserer Überraschung konnten hier einige Restaurants überzeugen (auch weintechnisch!). Auf den Weinkarten immer Festland-Portugal, Madeira und die Azoren. Sehr schön saß man z.B. direkt vor dem Fort Sao Tiago im Außenbereich des Restaurants Cidade Velha. Zum berühmten Inselbrot „Bolo do Caco“ (saftiges Fladenbrot aus Süßkartoffelmehl) genossen wir zwei tolle Weine.

 

Madeira

Forte de Sao Tiago, Funchal

 

Portugal

Alvarinho 2022, Vinho Verde DOC, Sociedade dos Vinhos Borges, Rio Tinto, Portugal

Der Alvarinho von Borges ist mir schon öfter in Funchal positiv aufgefallen (zum ersten Mal in der Quinta da Casa Branca, dazu weiter unten!) , nun also als ganz frischer Jahrgang 2022 im Glas: blasses Zitronengelb, florale Nase mit viel Zitrus und etwas Apfel, im Mund sehr voluminös und üppig, viel Frucht, dazu stramme Säure, Abgang mit Mineraltönen, eigentlich noch viel zu jung, aber schon gut antrinkbar, die Kollegen waren gar nicht abgeneigt, ein großes Geheimnis portugiesischer Weine, wie bekommen die das so hin?  

Vor der Recherche hoffe ich immer, dass es sich um einen winzigen und idyllisch gelegenen Kleinbetrieb handelt, das kann natürlich bei dem häufigen Auftauchen des Weines eigentlich nicht sein, durch die konstante Qualität war ich trotzdem zuversichtlich. Die 1884 von zwei Borges-Brüdern gegründete Handelsfirma fokussierte sich seit 1890 durch lebhaften Weinhandel mit Brasilien immer stärker auf das Weingeschäft, sehr früh setzte man auf kreierte Markenweine wie Gatao (1905), Fita Azul (1906) oder Lello (1913). Die Gewinne reinvestierte man in Expansion, ohne das Qualitätsstreben ganz aus den Augen zu verlieren. Man konnte nach und nach für den Qualitätsweinbau drei Quintas in berühmten portugiesischen Weinbauregionen erwerben, die Quinta da Soalheira (Douro, schon 1904!) machte den Anfang, es folgten noch die Quinta de Sao Simao da Aguieira (Dao) und die Quinta de Simaens (Vinho Verde). Mittlerweile ist man bei einem jährlichen Flaschenausstoß von ca. 6 Millionen Flaschen und gehört seit 1998 zur JMV-Gruppe (Jose Maria Vieira), die noch mal kräftig investiert hat, auch in die Erzeugung von Port- und Schaumweinen. Bitte die Sociedade dos Vinhos Borges nicht mit dem Madeirawein-Produzenten H.M.Borges verwechseln. Und eine berühmtere Quinta de Soalheiro (Vinho Verde) hat auch nichts mit der Quinta da Soalheira von Borges zu tun. Obwohl es hier verschiedene Linien und Qualität gibt, macht mich die Größe des Unternehmens mit den vielen Marken im kleinen Portugal doch etwas schwindelig. Aber auf den Vinho Verde Alvarinho von Borges lasse ich nichts kommen!

 

Portugal

Monte da Peceguina 2022, Herdade Malhadinha Nova, Albernoa, Alentejo, Portugal

Bei Alentejo Rot denke ich immer an 15% Wuchtbrummen, die einen schon nach einem Glas kapitulieren lassen. Deshalb war ich sehr überrascht und begeistert, was hier ins Glas kam (13% Alkohol, Rebsorten Alicante Bouchet, Aragonez, Touriga Nacional, Touriga Franca und Syrah): sehr dunkles Rubinrot mit violetter Randaufhellung, tolle Nase (benötigt viel Luft!) nach dunklen Beeren, etwas Vanille, Thymian und Lakritz, im Mund wunderbar kühl, harmonisch und elegant, Frucht und Säure sehr zurückgenommen, Cool Climate, dafür Schmelz, schöner Trinkfluss und sehr langer, pfeffriger Abgang, toller Essensbegleiter, starker Wein! Hat riesiges Harmonisierungspotential, ist aber schon sehr gut trinkbar, top!

Die 2003 völlig neu errichtete Kellerei Herdade de Malhadinha Nova mit ca. 80 Hektar Rebflächen ist die Spielwiese von zwei hochbegabten und hochdekorierten Weinmachern Portugals. Beratend ist der schon zwei Mal in Portugal als Önologe des Jahres ausgezeichnete Luis Duarte tätig (berühmt durch seine Arbeit auf der Herdade de Esperao,  ebenfalls Alentejo). Macher ist aber hier Nuno Gonzalez, 2017 Winzer des Jahres in Portugal und als moderner Weinmacher auf Wanderschaft im Ausland (Australien, Neuseeland, USA und Italien) und im Inland (Niepoort, Cortes de Cima und Jose Maria da Fonseca) unterwegs gewesen. Schwört auf die Verbindung von Wissenschaft, Erfahrung und Terroir, nutzt das Zusammenspiel von traditionellen und modernen Verfahren und greift auf französische Weinfässer von acht verschiedenen Küfern zurück. Tolles Projekt! 

 

Madeira

Mannigfaltige Gefahren auf der Levada do Norte, unsere erste Wanderung hatte es gleich in sich!

Dann die von allen Seiten mit Spannung erwartete erste Levada-Wanderung auf Madeira, Levada do Norte, Weinschank war mal wieder übervorsichtig und hatte seinen Kollegen absolute Aufmerksamkeit eingetrichtert, später sollte man noch hören, was bei nachlassender Konzentration an diesen Wasserkanälen so passieren kann. Der Bau des  Levadanetzes wurde übrigens kurz nach der Besiedelung durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert gestartet, um Wasser aus dem regenreichen Norden mit den hohen Bergen in den trockenen Süden zu leiten. Heute kann man auf größenteils gesicherten Bewirtschaftungspfaden an den Kanälen entlangwandern und in manche Abgründe blicken.  Aber Edinho und Kiri hatten Respekt und meisterten alle abschüssigen Stellen ohne Probleme, Probleme hatte eher der schlaksige Wanderführer auf dem fast 600 Meter hohen Sky Walk am Cabo Girao, einem Steilkliff, das wir uns erwandert hatten, keine zehn Pferde hätten mich auf die durchsichtige Glasplatte bekommen, blankes Entsetzen in meinem Kopf, ein Wunder, dass ich mich an die abschüssigen Levada-Strecken gewöhnt habe, schon beim Zuschauen der beiden  coolen Experten über dem fiesen Abgrund wurde mir ganz mulmig! 

 

Madeira

Cabo Girao, Skywalk auf 580 Meter Höhe.

 

Madeira

Madeira setzt auch neue Modetrends, gesehen beim Abstieg nach Camara de Lobos!

Nach so viel Abenteuer und Anstrengung mussten wir uns abends natürlich entspannen. Die eigentliche Altstadt in Funchal rund um die Banco de Portugal, das 2. Fort (Sao Lourenco), die Se-Kathedrale, dem wunderschönen Stadtpark mit vielen riesigen exotischen Bäumen und dem schmucken Theater Baltazar Dias war unser Ziel, wir entschieden uns für das alteingesessene Restaurante dos Combatentes, unter neuer Leitung und mit viel Qualität, auch bei den Weinen!   

 

Portugal

Alvarinho 2022 Reserva, Vinho Verde DOC, Moncao e Melgaco, Quinta do Regueiro, Portugal

Ein eleganter Alvarinho 2022 aus der berühmten Vinho Verde Unterzone Moncao e Melgaco, hellgelb im Glas mit grünlichen Randreflexen, in der Nase Zitrone, Ananas und Apfel, im Mund sehr harmonisch und ausgewogen, Pfirsich, ausgewogene Säure, sehr süffig, schöner Abgang mit Mineralnote, tolles PGV, perfekt zu Fisch oder Meeresfrüchten, Vorzeige-Alvarinho!

Die ersten Anfänge des Weingutes lassen sich bis ins Jahr 1988 zurückverfolgen, man besaß 3 Hektar Alvarinho-Rebstöcke in der Nähe von Melgaco. 1999 dann der erste Jahrgang der Quinta do Regueiro, der Sohn des Besitzers, Paulo Cerdeiro Rodrigues, damals 23 Jahre alt, wollte unbedingt Winzer werden und setzte dies mit Vision und Tatkraft um. 2007 der nächste Entwicklungsschritt, Vergrößerung des Weingutes auf 12 Hektar, 6 Hektar davon wurden gepachtet. Die Produktion konnte so auf 170 000 Flaschen jährlich gesteigert werden und stärkste Märkte wurden neben Lissabon und Madeira auch die USA, England, Frankreich, Deutschland, die Benelux-Staaten, die Schweiz und Brasilien. 2019 wurde man zum Weißweinerzeuger des Jahres in Portugal ausgezeichnet.

 

Madeira

Ein künstlicher Strand auf Madeira, Calheta.

Madeira

Moderne Kunst in der Casa das Mudas, Calheta

Am nächsten Tag dann Inselrundfahrt mit dem eigentlich nur radfahrenden Weinschank am Mietwagen-Steuer, auweia!, Tunnel, Tunnel, Tunnel, ein Strand (!?) in Calheta, moderne Kunst auch, schon wieder schlimme Zerstörungen durch Waldbrände, dieses Mal im Nordwesten, die Nordküste mal ohne Nebel, Porto Moniz mit den berühmten Lava-Pools (leider wegen sehr rauer See gesperrt), Mittagessen in Seixal in der Marisqueira Pedra do Mar (ich durfte keinen Wein probieren, grausam!), spektakuläre Blicke auf die alte Küstenstraße (durch heftigen Steinschlag gesperrt!) und aussichtsreiche Fahrt an der Nordküste, wenn es nicht durch die beliebten Tunnel ging. Dann die kühne Idee, Funchal über die Straße über Ribeiro Frio zu erreichen und evtl. noch beim zweithöchsten Berg Madeiras, dem Pico do Arieiro, den Sonnenuntergang zu erleben. Heftiges Gekurbele auf den steilen Serpentinen und Stichstraßen, manch ein Kiri vertraute meinen Fahrkünsten dann doch sehr und machte trotz schlimmer Schaukelei  schnell mal ein Nickerchen. Auf dem völlig in Nebel eingetauchten Gipfelparkplatz dann der Temperatur-Schock, Strand Calheta 26 Grad, Pico do Arieiro 3 Grad!, nach ca. 50 Meter Aufstieg, fingen wir alle spontan zurück zum Auto zu laufen, Kiri und Edinho in kurzen Buchsen, die heftige Erkältung habe aber ich mir wohl dort in langen Hosen geholt. Bei der steilen Abfahrt runter nach Funchal dann fast noch ein crash, traute mich nicht, in einer Linkskurve mit Schwung in die rechts steil abfallende Straße zu fahren, ein Gefühl wie auf der Achterbahn am Scheitelpunkt, ich ging voll in die Eisen und wir hätten fast Besuch vom Hintermann bekommen, alles gut gegangen und wir verschwanden dann doch ganz schnell in der steilen Gasse. Abends entspannten wir uns in der Craft-Beer Bar „Fuga da Cidade“ bei anstrengenden Getränken, es gab mal keinen Wein!

 

Madeira

Lava-Pools in Porto Moniz.

Madeira

Lorbeerwald

Dann die ebenfalls mit Hochspannung erwartete Levada-Wanderung in Madeiras Lorbeerwald, einer Pflanzengemeinschaft aus verschiedenen Lorbeergewächsen, die die Feuchtigkeit der sich abregenden Regenwolken benötigt und mittlerweile einzigartig auf der Welt ist! Es sind noch große Flächen vorhanden, trotzdem benötigten wir mit Bus und dann zu Fuß einiges an Zeit, um die Kernzone zu erreichen. 

 

Madeira

Auf gehts!

 

Madeira

Ungesicherte Stelle am Anfang sorgte sofort für hohe Aufmerksamkeit!

 

Madeira

Levada dann mustergültig gesichert, war aber auch notwendig, es ging rechts gefühlt mehrere hundert Meter nach unten!

 

Madeira

Traumhafte Levada do Furado!

Bei einer Gesamtstrecke von ca. 15 km erhöhte Kiri das Tempo auf den letzten Kilometern deutlich, er hatte großen Hunger bekommen und von dem Restaurant am Ende der Strecke, Ribeiro Frio, erfahren. Dort gab es vorneweg zur Stärkung die berühmte Acorda, eine Knoblauch-Brotsuppe und danach zur Forelle einen bemerkenswerten Wein. 

 

Madeira

Acorda

 

Portugal

Foz Torto Vinhas Velhas 2020, Douro DOC, Foz Torto Vinhos e Enoturismo LDA, Pinhao

Zitronengelb im Glas, besticht der Foz Torto mit einem tollen und feinen Bukett nach Birne, Mandel, Feuerstein und etwas Vanille, im Mund viel kalkige Mineralnoten, feine Frucht und Teenoten, schon antrinkbar, schmelzig, voller Körper, dabei auch sehr komplex, langer würziger Abgang. Toller gemischter Satz von alten Rebstöcken.

Das Projekt wurde 2005 durch den ehemaligen Computeringenieur Abilio Tavares aus Lissabon an der Mündung des Rio Torto in den Pinhao gestartet. Von den 14 Hektar wurden 11 Hektar mit autochthonen Rebstöcken neu bepflanzt, als Schatz blieben 3 Hektar gemischter Satz unangetastet im Portfolio. Für die Weinbereitung wurde die bekannte Weinmacherin Sandra Tavares da Silva gewonnen, 2019 konnte der erste Jahrgang präsentiert werden. Unbedingt probieren!

 

Madeira

Im Kellergewölbe des Universal Stores in Funchal.

Den Universal-Store in Funchal habe ich hier im blog schon mal als Bezugsquelle für die großartigen Weine von  ABSL (Artur Barros e Sousa Limited)-Weine genannt. Der Laden sieht ein wenig aus wie das Innere einer Kirche und ist im EG vollgestopft mit Souvenir-Trödel, der Keller ist dagegen voll mit alten Madeira-Weinen und eine echte Attraktion, hier kann man fantastisch nach alten Jahrgängen suchen und dabei auch etwas probieren. ABSL gab es nur noch aus den 40er Jahren für 450 Euro die Flasche, das war dann selbst mir zu heftig, aber Kiri fand und erstand eine Flasche Madeira seines Geburtsjahrgangs, einen 1992er Monte Seco von Carmo Vinhos LDA. Carmo  Vinhos war ein 1928 gegründetes Unternehmen, was 16 Jahre auf Exporte nach Schweden spezialisiert war. 1944 begann man, auch in andere Märkte zu expandieren. Man belieferte nun auch andere skandinavische Länder, später auch England, Australien und Neuseeland. Das Unternehmen exisistiert heute nicht mehr, nach der Übernahme durch Henriques + Henriques wird die Marke Carmo Vinho wohl noch für das USA-Geschäft genutzt.

 

Madeira

Flasche Monte Seco von Carmo Vinhos nach der abendlichen Balkon-Session am nächsten Tag.

Kiri wollte die Flasche mit uns teilen, da waren wir natürlich nicht abgeneigt und sehr neugierig, wie so ein älterer trockener Madeira wohl schmeckt. Rebsorte Sercial, hellbraune Farbe, in der Nase Aromen von Datteln, Haselnüssen, Mandeln, Kaffee und etwas Klebstoff, im Mund sehr trocken wirkend, mit spürbarer Säure, etwas Orange und Honig, getrocknete Früchte, Abgang mit leichter Bitterkeit und Schärfe. Ideal zu Trockenfrüchten und Nüssen, Käse oder süßen Nachspeisen. Schöne Erfahrung und vielen Dank an den edlen Spender!

 

Madeira

Bekannte Gesichter in Funchal!

Madeira

Furchtlose Gesellen auf den Levadastrecken…

Madeira

und immer mit Spaß dabei…

Nach einer Woche dann die Abreise meiner Helden, ich war richtig traurig, hatte mich doch zu sehr an die gute und lustige Stimmung meiner Arbeitskollegen gewöhnt! Zum Glück hatte sich mein Funchal-Spezi Francisco Zeit frei geschaufelt, um mich ein wenig abzulenken und aufzuheitern. Wir sammelten hoch oben in Monte seine Frau Lucinda ein und fuhren mit seinem Benz irgendwo bei Aguas Mansas in die kühle Nebelzone, um das Nationalgetränk Madeiras, Poncha, in sehr guter Qualität zu genießen. Auch hier große Temperatur-Unterschiede zu Funchal (neben Qualitätsunterschieden, der mit den Arbeitskollegen probierte Poncha in Funchal war leider gar nichts!), die Menschen, die hier oben leben und arbeiten, können einen kleinen Stimmungsaufheller sicher öfter mal gut gebrauchen. Francisco kenne ich schon lange als den weinverrückten Schnibbelfürsten aus Funchal, was für schöne Stunden mit vielen Kleinigkeiten und tollen Weinen in seinem ehemaligen Bistro „A Carreirinha“ hatte ich schon,  leider hat er sich nun doch eine längere Auszeit von der Gastronomie genommen, um sich um die Familie zu kümmern. Wie kann man Francisco beschreiben? Charismatischer Mensch, immer zurückhaltend und höflich, dann aber  auch plötzlich voller Humor und Lebensfreude, immer auch für eine Gesangseinlage (Fado) aufgelegt und ein großer Liebhaber und Kenner des portugiesischen Weins.

 

Madeira

Pedro Weinschank ohne Gorilla im Nebel, fantastischer Poncha hinter den blauen Bergen!

Madeira

Wir feierten Sao Martinho.

Abends dann eine kleine Feier bei Francisco zu Ehren des heiligen Sankt Martin (Sao Martinho) mit vielen Kleinigkeiten (Petiscos), Bacalhau (Stockfisch) und einem weiteren gereiften Madeira-Wein, einem 1997er Jahrgang der Firma Justino’s, Erinnerungen an meinen ersten Besuch auf Madeira kamen auf, noch mal tausend Dank an Lucinda und Francisco vom Weinschank!

 

Madeira

Allererster Besuch auf Madeira: wohnen im Turmzimmer der Pensao Santa Clara (ganz oben rechts) in der historischen Oberstadt Funchals.

Justino’s zwar mit Wurzeln bis 1870 und damit einer der ältesten Madeirahersteller und -exporteure, aber mittlerweile auch der größte Madeiraproduzent nach einem Umzug 1994 von Funchal nach Cancela (Canico) mit Neubau einer großen Kellerei, Lagerhalle und Verwaltungsgebäuden und Übernahme durch den französischen Spirituosenhersteller „La Martinique“.

 

Madeira

Colheita 1997, Justino’s, Cancela, Madeira

Verschnitt aus mehreren Tinta-Negra-Partien aus der Ernte 1997, bei verschiedenen Weinbauern und Anbauflächen der Insel ausgewählt und bei Justino’s verarbeitet, schöne Bernstein-Farbe, duftet nach Pflaume, Trockenfrüchten und Kaffee, im Mund Karamell mit Noten von Tee und Kaffee, spürbare Säure, die eine schöne Balance schafft und den Wein nicht zu süß und klebrig erscheinen lässt. 

 

Madeira

Ausblick vom Balkon, Albergaria Dias, Funchal

Am nächsten Tag dann heftiger Stimmungsabsturz und erster Einsamkeitsanfall, deswegen schnell der Entschluss, runter vom Balkon und den Kreuzfahrern entgegen! Am Hafen vorbei ging es ins bei mir nicht gerade beliebte Hotelviertel, um noch mal auf den Spuren von ABSL zu wandeln. Eine weitere ehemalige Bezugsquelle war das Restaurant PVP (Pao, Vinho e Petiscos), auch hier keine Flaschen der Opis mehr zu finden, dafür eine sehr nette Kellnerin ohne jegliche Portugiesischkenntnisse und ein interessanter Wein zum Mittagessen. Die Rebsorte Encruzado aus Dao ist für mich einer der portugiesischen Rebsorten, die sich als Stars von den gemischten Sätzen und Cuvees reinsortig abgrenzen können. 

 

Portugal

Encruzado Evidencia 2022 Reserva, Dao DOC, Parras Wines, Maiorga, Alcobaca

Zitronengelb im Glas, in der Nase grüner Apfel, Zitrus, etwas Honig, florale Noten, im Mund wunderbar kalkig mineralisch, Grapefruit, ein Hauch Vanille, gute Säure, langer würziger Abgang, etwas Bittermandel. Wunderbarer Begleiter zu Fisch.  

Luis Vieira ist der Kopf hinter Parras Wine, erst 2016 gegründet, um bei der Fokussierung auf internationale Märkte ein modernes und junges Erscheinungsbild zu präsentieren. Die Firma profitiert von einer hochmodernen Abfüllanlage in der Nähe vom großartigen Unesco-Weltkulturerbe Alcobaca in Mittelportugal, die die Abfüllung von Weinen aus verschiedenen Regionen und Qualitätsstufen ermöglicht, den Wurzeln aus der Vergangenheit (die Quinta do Gradil und einige eingebrachte Rebflächen um Obidos und Lissabon) und den Expansionsgedanken (nun auch zwei Weingüter im Alentejo, Herdade da Candeeira und Herdade da Vigia). Das alles wäre wahrscheinlich niemals möglich geworden, wenn Luis Vieira als Fünfjähriger beim Sturz in einen Weintank ertrunken wäre, aber ein aufmerksamer Mitarbeiter seines Vaters konnte ihn damals retten. Die Taufe in die Welt des Weines war vollzogen! Luis revanchiert sich spektakulär!

 

Madeira

Berüchtigte Horror-Stadtlevada Bom Sucesso! Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aus der Welt zu scheiden!

Am nächsten Tag war ich wieder unterwegs, einfach mit der Seilbahn hoch nach Monte, um dann über einen steilen Wanderweg das Dorf Curral dos Romeiros und die Levada dos Tornos zu erreichen. Unterwegs kam ich an der Abzweigung Levada Bom Sucesso vorbei (s. Bild), diese Stadtlevada ist zwar sehr gut zu erreichen, entpuppte sich aber nach steilen Abstieg schon für einige Touristen zur Todesfalle. Unter dem Motto „Zurück schaffe ich nicht!“ ist man trotz schwindelerregender und ungesicherter Stellen vorwärts gegangen und dann in die Tiefe gestürzt. Meine trüben Gedanken wurden durch zwei junge Männer in Flip Flops verscheucht, auch eine Art das Leben spannend zu gestalten, meine warnenden Worte wurden nur müde belächelt und die beiden danger-seeker verschwanden aus meinem Blickfeld nach unten. Bei mir ging es heftig nach oben und ich erreichte mein Etappenziel Curral dos Romeiros. Hier machte ich kurz Pause und erinnerte mich an die Wanderung mit dem großartigen Jorginho Krowartz vor einigen Jahren, als uns an genau dieser Stelle die Taxi-Mafia auflauerte und uns mit Falschinformationen fütterte („Levada is broken!“), um uns fahren und ausnehmen zu können. Wir sind nicht auf die Raubritter reingefallen, die Levada war damals gut zu gehen, aber wo war sie eigentlich? Das wollten dann auch plötzlich zwei deutsche Frauen in Wanderkluft von mir wissen und zeigten fragend die Dorfstr. hinauf. Da konnte ich endlich mal wieder meinen oberlehrerhaften Lieblingsspruch anbringen, den ich schon öfter auf Madeira gehört habe: „Wasser fließt nicht den Berg hinauf!“ Nachdem man die etwas versteckte Levada dos Tornos dann gefunden hatte, wanderte man zusammen bis kurz hinter das durch einen Waldbrand 2016 völlig zerstörte ehemalige Luxusressort Choupana Hills. Entspannte und einfache Wanderung, ich war sehr froh über ein wenig Gesellschaft und Ablenkung.

 

Portugal

Encruzado 2022, Casa de Mouraz, Antonio Lopes Ribeiro Wines, Mouraz, Tondela, Dao

Abends verwandelte sich der brave Levada-Wandersmann immer mehr in den finsteren Weinjäger Pedro, fündig wurde er im Weinbistro „Wine Prosa“ in der Rua dos Netos in Funchal, sehr nette und kompetente Beratung und noch ein toller Encruzado (Rebsorte), dieses Mal als Biowein. Wieder zitronengelb im Glas, in der Nase (benötigt viel Luft!) Birne, Zitrus, Blüten und nasser Stein, im Mund vollmundig fruchtig mit frischer Säure, dazu eine schöne salzige Mineralität, perfekte Balance, sehr schmelzig und süffig, schöner Nachhall! Toller Treffer, hat mir super gefallen! 

Antonio Lopes Ribeiro und seine Frau Sara Dionisio sind nach der Übersiedlung von Lissabon ins Dao-Gebiet, um den kränkelnden Vater Antonios zu unterstützen, eine der wenigen zertifizierten Biowinzer Portugals geworden. Die Weine im Dao profitieren von der Höhe der Granit-Weinberge und den kühlen Temperaturen, die viel Finesse und Frische in die Weine bringen. Einige Granitfelsen sehen aus, als hätte sie Obelix auf der Wildschweinjagd liegen gelassen. Der Erfolg hat das Paar umtriebig gemacht, zur Zeit werden einige Bio-Projekte in verschiedenen Regionen Portugals ins Rollen gebracht.   

 

Madeira

Plaudereien beim Frühstück, Albergaria Dias!

Beim Frühstück am nächsten Morgen habe ich dann ein Paar aus Deutschland am Nachbartisch angesprochen, die Frau trug den Arm in der Schlinge, habe ich auch schon öfter auf Madeira gesehen, das bedeutet nichts Gutes! Zum Glück hatte sie keine Schmerzen, aber dafür haderte sie mit dem Schicksal. Auf der leichtesten Wanderung des Urlaubes (Levada dos Tornos, auweia, da war ich ja gestern auch unterwegs!) ist sie über eine Wurzel gestolpert und in die Levada gestürzt, komplizierter Armbruch, der wohl aber von Spezialisten in Funchals Krankenhaus gut behandelt wurde. Der Rückflug musste verschoben werden, wahrscheinlich noch Glück im Unglück, da sie wohl mit Hilfe ihres Mannes noch von der Levada zu einer Straße kam, von der sie mit dem Krankenwagen abtransportiert werden konnte. In unwegsameren Gelände wird man bei Pech über Kilometer von den Levadeiros (Levada-Arbeitern) auf einer Trage an der Levada entlang balanciert, was wahrscheinlich noch mal besondere Schmerzen nach sich ziehen dürfte. Ein gewisses Restrisiko bleibt leider beim beschaulichen Levada-Wandern (O-Ton eines leicht orientierungslosen deutschen Touris in Porto Moniz („Rentner-Wandern“)), immer volle Konzentration und Respekt, ich war froh, dass bei uns alles gut gegangen ist, meine Kollegen waren immer hochkonzentriert und aufmerksam! Dank auch an Senhor Dias Jr. und das großartige Hotelpersonal der Albergaria Dias, die sich rührend um die frisch operierte Frau gekümmert haben. 

 

Madeira

Langer Taxistand an Stadtpark, Funchal (steile Stadt)

Apropos Hotelpersonal, ich habe an der Rezeption der Albergaria Dias einen Restaurant-Tipp bekommen und dann das Restaurant „O Velho Pescador“ in der touristischen Restaurant-Altstadt zwei Mal besucht. Für mich die höchste Qualität aller Restaurantbesuche, superfreundlicher Service, schönes Ambiente, frische Austern, fantastisch zubereiteter Fisch und ein ganz besonderer Weißwein, Cuvee aus den Rebsorten Caracol und Verdelho, Caracol von der Strand-Nachbarinsel Porto Santo und Verdelho von der nebligen Nordküste Madeiras um Sao Vicente. Dort liegt etwas versteckt und spektakulär über eine zum Meer abfallende Schlucht das Weingut Quinta do Barbusano, konnten wir auf unserer kleinen Inselrundfahrt nicht sehen, hätte sich aber auf jeden Fall gelohnt, ist einfach traumhaft dort! Hier hat Senhor Antonio Oliveira seit 2006 erfolgreich versucht, seine Vision von der Produktion von bemerkenswerten Stillweinen auf Madeira umzusetzen, ein Kampf im Schatten und Nebel der berühmten Madeira-Likörweine und 56 teilweise extrem sturen Mini-Erzeugern, die lieber die Trauben nach Funchal an Madeirawein-Erzeuger verkauften, als an das eigene Potential um Sao Vicente zu glauben. Aber Antonio Oliveira war der richtige energische Mann zur richtigen Zeit vor Ort und seine Überzeugungsarbeit gipfelte nicht nur in seinem 12 Hektar Weingut mit Zugriff auf fantastische alte Rebanlagen an steilen Hängen, sondern auch mit der Gründung der Appellation Madeirense DOP. Endlich tauchen auf den Weinkarten in Funchal auch weiße und rote Stillweine aus Madeira auf, dass ich das noch erleben darf, großartig!

 

Madeira

Fonte d’Areia 2022, Madeirense DOP, Quinta do Barbusano, Sao Vicente, Madeira

Goldgelbe Farbe, benötigt etwas Luft, dann öffnet sich der Wein mit tollen Eindrücken nach floralen Noten, dazu etwas Honig, Zitrone und  nassem Stein in der Nase, im Mund viel Spannung, wenig Frucht trifft auf feine Säure und viel Mineralik, dazu wieder feine Honignoten , harmonisch und in einem süffigen und würzigen Abgang mit feiner Grapefruitnote endend, toller Wein zu Fisch, Austern oder Petiscos (Tapas), hat mir auch bei der Nachprobe zuhause zu indischem Geflügelsalat super gefallen, aber den Fisch beim „O Velho Pescador“ werde ich nicht so schnell vergessen! Großes Lob und mein Tipp für Funchal! 

 

Madeira

Nach Unterkunftswechsel: ein neuer Blick auf Funchal!

Nach zwei Wochen in der großartigen Albergaria Dias war aus alter Verbundenheit ein Umzug in meine geliebte historische Oberstadt in die Vila Teresinha angesagt, in der ich auch schon einige Wochen meiner vergangenen Madeira-Urlaube verbracht hatte. Senhor Agostinho Nunes de Freitas und Frau sind super nette Gastgeber, ich bekam ein Zimmer mit Balkon und Ausblick und konnte über einen tollen Aussichtspunktplatz mit uralten Bäumen schnell die historische Quinta das Cruzes mit wunderschönem Park, das Santa Clara Kloster, Museen und die Kirche Sao Pedro in der Oberstadt erreichen. Der Museumspark der Quinta das Cruzes wurde noch mein Lieblingsort, hier konnte ich mich vom reichhaltigen Frühstück der Vila Teresinha erholen und das Meer sehen. Mittags kehrte ich auch gerne im Bistro ein, ebenfalls sehr freundliche und fröhliche Menschen dort.

 

Madeira

Zwei Lieblingsorte: Parkbank und Cafetaria do Museu Quinta das Cruzes

 

Madeira

Im Park der Quinta das Cruzes

 

Madeira

Atlantik-Blick…

Über eine extrem steile Straße, die „Straße des gebrochenen Genicks“, konnte ich abwärts schnell die belebte Rua da Carreira erreichen. Francisco ist mit seinem Weinbistro „A Carreirinha“ leider nicht mehr dort, dafür hat der großartige Koch Luis Oliveira mit seinem Bruder hier sein tolles Restaurant Olives im 1. Stock eines schönen alten Hauses eröffnet. Gefühlt war das Olives bei jedem Madeira-Besuch an einem anderen Ort in Funchal, aber ich bin Luis immer treu gefolgt und habe Ortskenntnisse gewonnen, nun habe ich aber die große Hoffnung, dass die Beiden sesshaft werden, das Restaurant ist stilvoll eingerichtet, das Essen super und es gibt drei Tische auf gusseisernen Balkonen zur Gasse hin.

 

Madeira

Restaurante Olives, Rua da Carreira 116, 1. Stock, Funchal

Und mal wieder eine PGV (Preis-Genuss-Verhältnis)-Weinentdeckung aus Portugal, hellgelber Wein, florale Noten, aber auch Pfirsich, Orange und Mandeln, im Mund überraschend trocken, kreidig-kalkig mineralisch, mit etwas Frucht (Grapefruit) und auch zurückhaltender Säure, mit feinwürzigem Abgang, toller Speisenbegleiter zu Fisch, Meeresfrüchten oder Salaten. Mutige Abenteurer kombinieren ihn auch gerne mal mit Lamm. Gemischter Satz aus den Rebsorten Rabigato, Codega do Larinho, Viosinho und Verdelho, unbedingt probieren!

 

Portugal

Quinta de Porrais 2022, Douro DOC, Sociedade Agricola Quinta de Porrais,  Carlao, Douro

5 Hektar Weingut im spektakulären Weinanbaugebiet am „Portwein“-Fluss Douro, teilweise 65 bis 100 Jahre alte Rebstöcke auf steilen Felsterrassen, 600 Meter über Null, früher im Besitz der fantastischen Casa Ferreirinha, die immer noch die berühmtesten Weine Portugals erzeugt, aber warum gibt man solch einen Schatz ab? Wahrscheinlich war ein wenig Kleingeld im Spiel, die immer noch als Familienunternehmen geltende Casa Santos Lima-Gruppe kauft gezielt Weingüter auf, stärkt dann aber den Markennamen des Weinguts im Portfolio und lässt eine gewisse Unabhängigkeit zu, hier ist es der Winzer Diogo Sepulveda mit Team, der die Casa Santos Lima-Gruppe als PGV-Meister (viele best-buy-Käufe in Portugals Weinzeitschriften) unterstützt. Der Gruppe gehören mittlerweile 290 Hektar Rebflächen und einige klangvolle Weingüter, wie Quinta da Boavista, Quinta de Bons Ventos oder Quinta das Amoras. Das Familienunternehmen exportiert mittlerweile 90% der jährlich hergestellten Weine in 40 Länder auf 5 Kontinenten.   

 

 

Portugal

Herdade do Cebolal Vinha da Casa Branca 2019, Herdade do Cebolal, Vale das Eguas Caixa, District Setubal

Eigentlich war ich am nächsten Abend auf dem Weg auf das Dach des modernen Einkaufszentrum, das ich von meinem Balkon aus sehen konnte, es sah so aus, als wäre da eine rooftop-Bar. Auf dem Weg bemerkte ich, dass die Weinbar „Ameu.gosto“ tatsächlich mal geöffnet hatte. Natürlich musste ich da einkehren, ich hatte schon zwei oder drei Mal vor verschlossener Tür gestanden, etwas unregelmäßige und vom Schild an der Tür abweichende Öffnungszeiten. Und ich sollte es nicht bereuen, ich bekam einen tollen und speziellen Weißwein serviert.

Läuft fast zähflüssig ins Glas, zitronengelbe Farbe, irre Nase nach Kiefernzapfen, Honig, Basilikum und Minze, im Mund sehr schöne Mineralnoten, Frucht nur angedeutet im Hintergrund, feine Säure, dazu super süffig und mit langem schmelzig würzigen Abgang, ein echter Champion!

Die 1890 gegründete Herdade do Cebolal besitzt ca. 20 Hektar Rebflächen und liegt ca. 10 km vom Meer entfernt noch knapp im Distrikt Setubal im Dorf  Vale das Eguas Caixa. Ein paar Kilometer südlich beginnt schon der Alentejo. Winzer Luis Mota Capitao ist mittlerweile als 5. Generation am Steuer, unterstützt von Eltern und Frau. Man kann auf teilweise sehr alte Reben zurückgreifen und profitiert von besonderen Böden und einem Mikroklima durch die Meeresnähe. 

 

Madeira

Rooftop-Bar, Hotel „The Vine“

Unten am Fahrstuhl des Hotels „The Vine“ war niemand, ich drückte einfach mal auf den Knopf mit dem höchsten Stockwerk und fuhr hinauf. Portugiesen und Madeirenser lieben moderne Einkaufszentren, normalerweise gibt das spannende Kontraste zwischen alt und neu, leider verfällt das angrenzende Altbauviertel immer mehr, was ich sehr schade finde. Die Fahrstuhltür öffnete sich und ich hatte einen atemberaubenden Panormablick über große Teile Funchals. Dazu eine Bar, in der es Austern und portugiesischen Espumante aus Baga-Trauben gab. Herrlich, allerdings verlor der Espumante schnell an Form und erinnerte sehr an einen kraftlosen Prosecco, der Eindruck verstärkte sich immer mehr und ich beschloss, über einen portugiesischen Weinhändler aus Porto das eigentlich spannende  Thema noch mal zuhause anzugehen. Ich bestellte 3×2 hochwertige Espumante, leider hatte ich die Rechnung ohne den Paketlieferer DPD gemacht. 

 

Madeira

Rooftop-Bar, Hotel „The Vine“

Trotz korrekter tracking-Infos, „bitte holen sie ihr Paket im Shop ab“ , blieb das Paket verschwunden, wahrscheinlich gestohlen oder so stark beschädigt, dass es einfach entsorgt wurde, kann alles passieren, aber die Begleitumstände dann doch sehr befremdlich und Gift für meine Motivation hier. Der Vorgang läuft immer noch, ich habe mittlerweile noch ein anders Paket beim portugiesischem Weinhändler bestellt (Risiko!, Paket kam aber zügig mit DHL), um den Beitrag hier abschließen zu können. Das Thema Espumante aus Portugal muss ich leider verschieben. Immerhin habe ich in der Bar noch Inspiration gefunden, seht ihr auf dem Bild die schnurgerade Straße rechts, die steil den Berg hochführt? Das ist die alte Bahnstrecke, eine dampfbetriebende Lok quälte sich bis zu einem katastrophalen Unfall (Kesselexplosion) den Berg bis Monte hoch. Am nächsten Tag marschierte ich auf der ehemaligen Bahnstrecke bis Monte und auch wieder runter, war ganz stolz, dass ich das geschafft habe. 

 

Madeira

Ehemalige steile Bahnstrecke in Funchal!

Am nächsten Tag dann noch ein Treffer beim Mittagessen in der Quinta da Casa Branca. Einige schöne Quintas (Landgüter) in Funchal mit schönen Gärten und altem Baumbestand wurden in noble Ressorts mit viel Flair umgebaut. Auch Gäste von außerhalb dürfen bei Nachfrage die gastronomischen Angebote nutzen und ich war  nach dem letzten Gewaltmarsch sehr froh über ein wenig Entspannung mit einem interessanten Wein.

 

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Mittagessen in der Quinta da Casa Branca, Funchal mit Verdelho Terras do Avo.

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Verdelho 2018, Terras do Avo, Madeirense DOP, Duarte Caldeira e filhos, Seixal Wines LDA, Seixal, Madeira

Zitronengelb im Glas, in der Nase florale Töne, Zitrone, etwas Honig und Mineraltöne, am Gaumen sehr trocken, frische Säure, Zitrusfrüchte, langer salziger Abgang, idealer Essensbegleiter zu Fisch oder Meeresfrüchten.

 

Madeira

Garten der Quinta da Casa Branca.

Im Jahr 2008 gegründetes 3,5 Hektar Familienweingut in Seixal an der Nordküste Madeiras, der Ingenieur für Agrartechnik Duarte Caldeira und seine Tochter Sofia beschlossen, die Trauben vom Großvater geerbten verstreuten und terrassierten Parzellen selbst zu ernten und zu verarbeiten. Schwer zu erreichende und steile Rebzeilen erlauben nur aufwändige Handarbeit. Mit etwas Zukauf von anderen Kleinwinzern kommt man zur Zeit auf einen jährlichen Flaschenausstoss von ca. 35000 Flaschen, seit 2016 auch Produktion von Espumante (ca. 1200 Flachen). Genau wie im benachbarten Sao Vicente (Weingut Barbusano) wunderschöne Landschaft, viel Wind, dabei mild und feucht, sehr steinige Böden vulkanischen Ursprungs.   

 

Madeira

Essencia do Vinho.

Und dann auch mal großes Glück, die Weinmesse „Essencia do Vinho“ im 5 Sterne Hotel Savoy Palace tatsächlich kurz vor meiner Abreise, mein Spezi Francisco hatte auch noch mal Zeit, da war die Vorfreude groß! Treffen mit Francisco in der Rua da Carreira an alter Wirkungsstätte und schöner Spaziergang zum Luxushotel. Francisco kennt unglaublich viele Leute in Funchal und auf der Weinmesse kannte er auch alle Winzer Madeiras und viele Mitarbeiter, sehr beeindruckend! Zusätzlich zu den heimischen Produzenten waren noch einige Winzer von den Azoren und Festland-Portugal zur Messe gekommen. Der Beitrag ufert schon wieder aus, deshalb hier nur meine absoluten highlights.

 

Madeira

Espumante 2022 Terras do Avo Pai 80, Adega de Sao Vicente, Seixal Wines LDA, Seixal Madeira

Zu Ehren des 80. Geburtstages des Vaters Duarte Caldeira ein Luxus-Espumante (100% Verdelho) von Tochter Sofia (auf der Messe anwesend) kreiert. 

Goldgelb im Glas, schöne straffe Perlage, in der Nase Zitrone, Toast, Kekse, Orangenzeste und Mineraltöne, im Mund elegant und frisch, schöne Pfirsichnoten, feiner salziger Abgang. Hat mir extrem gut gefallen! 

 

Madeira

Weine der Companhia de Vinhos dos Profetas e Villoes (habe einen Rechtschreibfehler auf der Messe gefunden!).

Mein Favorit auf der „Essencia do Vinho“ wieder ein Projekt von Portugals Weinmacher des Jahres 2018 und Tausendsassa Antonio Macanita. Mit seinem madeirensischen Freund Nuno Faria hat er die alten (ca. 80 Jahre) Weinreben Caracol und Listrao auf Porto Santo (benachbarte Strandinsel Madeiras) gefunden und gleich ein neues Projekt daraus gemacht. Die Companhia de Vinhos dos Profetas e Villoes verarbeitet die handgelesenen und  raren Trauben auf Madeira und füllt sehr kleine Mengen ab. In dem zweiten gelieferten Paket aus Porto ein kleiner Schatz für die Nachprobe. 

 

Madeira

Companhia de Vinhos dos Profetas e Villoes, Caracol, Listrao und Tinta Negra  (alles Jahrgang 2022), Antonio Macanita e Nuno Faria, Porto Santo und Madeira

Die an der Kapsel zugewachsten Flaschen im schönen Style des berühmten Madeira-Likörweines, aber es sind zwei Weißweine und ein Rotwein, der Rose-Wein war leider schon ausverkauft, Anspielungen auf die Bewohner Porto Santos (Profetas) und Madeiras (Villoes). 

Flasche 1103 von 4733, 100 % autochthone Rebsorte Caracol von der Insel Porto Santo, goldgelb im Glas, blumige Noten, Jod, Bienenwachs und ein Hauch Pfeffer in der Nase, im Mund sehr frisch mit guter Säure und salzigen Noten, etwas Limette, sehr süffig und schon in guter Frühform, schmelziger und sehr langer intensiver mineralischer Abgang, ein kleines Meisterwerk, super! Stell ich mir traumhaft zu Austern vor! 

Flasche 1369 von 2270, 100% autochthone Rebsorte Listrao von der Insel Porto Santo, zitronengelb im Glas, Bouquet nach floralen Noten, Bienenwachs und Mineraltönen, sehr dicht und cremig am Gaumen, perfekt eingebundene Säure, trotz der Jugend schon herrlich ausgewogen und harmonisch, kein Trinkwiderstand, verblüffende Salzigkeit, die die feine Zitrusfrucht und etwas Quitte im Hintergrund hält, null Bitternoten, dafür ein ultralanger feinwürzig-schmelziger Abgang, hier das große Meisterwerk, ein masterpiece!, ein Ausnahmewein, gerne pur, zu Fisch, zu Austern, zu raffinierten Salaten, großes Lob vom Weinschank!    

Der Rotwein von alten, nah am Meer stehenden Tinta Negra-Rebstöcken auf Madeira, die eigentlich bei der Madeirawein-Erzeugung immer im Schatten der big five (Sercial, Verdelho, Terrantez, Boal und Malvasia) standen, nun aber sowohl beim Madeira als auch beim Rotwein mit viel Potential in mutigen Experimenten überraschen.  Flasche 5236 von 6600, transparentes Rubinrot, komplexe Nase nach Erdbeere, Kirsche, Rosenblättern, nassem Stein und etwas Pfeffer, im Mund frische Säure, kühler Eindruck, etwas Frucht und weiche Tannine, dazu Räucherspecknoten und ein ganz langer Abgang mit salziger Mineralität. Faszinierender Rotwein, so ein feiner und mineralischer Stil hat mir auf Madeira gefehlt, Glückwunsch an die beiden Freunde Antonio Macanita und Nuno Faria und unbedingt die Weine probieren!

 

Madeira

Terrantez 20 anos, Vinho da Madeira, Henriques + Henriques, Camara de Lobos, Madeira

Ein Meisterwerk aus der raren Rebsorte Terrantez von Henriques + Henriques aus Camara de Lobos, unser Francisco, eigentlich eingefleischter Justino’s-Fan, war völlig aus dem Häuschen!, was ich gut verstehen konnte. Transparenter bräunlicher Einschlag, sehr expressive Nase nach Pflaume, Nüssen, Trockenfrüchten, Leder, Gewürzen und einem Hauch Vanille, im Mund sehr ölige Konsistenz, halbtrocken, die feine Süße wird durch Säure gepuffert, Kirsche, dunkle Beeren, Karamell, Rosinen und sogar Lakritz. Feiner und schmelzig langer Abgang mit Mandelaroma, ein großartiger Madeira! Wie ich später erfahren habe, ist Francisco gleich beim Weingut vorstellig geworden und hat den Wein Weihnachten seiner Familie präsentiert, ich mag das sehr, wenn ein Wein so einen Eindruck hinterlässt! 

Schöne kleine Weinmesse, tausend Dank auch noch mal an Francisco, der mich wie immer beim Thema Wein sehr inspiriert hat. Ich hoffe, dass man sich möglichst bald wiedersieht.

 

Madeira

Meine schöne Madeira-Zeit, rasend schnell wie eine Schlittenfahrt vorbei!

Dann ging es leider nach Hause, drei wunderbare Wochen so schnell vorbei, beim Verlassen des Flughafens in Düsseldorf dann grimmiger Temperatursturz  und sofort mein Entschluss, möglichst schnell nach Madeira zurück zu kommen. Wegen der lausigen Kälte in der Heimat, wird der nächste Beitrag nur von Rotweinen handeln. Lasst Euch überraschen und bleibt dabei!

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4 Responses to Absturz auf Madeira?

  1. Michael sagt:

    Nach dem wievielten Madeira-Aufenthalt? … hat der Gorilla den Weinschank endlich auch field blends finden lassen 👍👏👏👏.
    Aber was war dann in dem lange vermissten Paket? 🤔

    • Weinschank sagt:

      Ja Michael,
      manchmal hat auch ein Gorilla Tomaten auf den Augen! In dem Paket war der Baga-Espumante, drei Mal zwei Flaschen, kam aber zu spät für
      eine verwertbare Probe!
      Grüße aus Münster
      Peter

  2. joerg rekate sagt:

    Sehr schön!!! Ich war nur mal 3 Tage dort, hatte auch viel Freude! Danke für die vielen Tips! Aber Werbung muss sein: Baga Sekt 😉 Gruss JR

    • Weinschank sagt:

      Hallo Jörg,
      tolles Angebot portugiesischer Weine habt Ihr in Marburg im „O Vinho“, ich greife da bestimmt noch mal drauf zurück, natürlich dann auch
      Baga-Espumante…
      Viele Grüße aus Münster
      Peter

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