Die leicht abgewandelte Überschrift des neuen Beitrags (der Spruch heißt ja eigentlich „Anything but Chardonnay“ – „Alles außer Chardonnay“) soll anzeigen, dass ich auf der Suche nach Schaumweinempfehlungen für die Fest- und Feiertage war und ich das Thema Champagner mal wieder links liegen gelassen habe. Die Suche hatte es aber trotzdem echt in sich, leider waren viele verheißungsvolle Prickler kaputt (die waren dann aber auch so richtig kaputt, da konnte sich kein Weinhandel mehr rausreden!) oder Enttäuschungen. Die bisher wenigen vorgestellten Siegerschankschaumweine im blog bildeten für mich eine benchmark, die es für die neuen Kandidaten zu überspringen galt!
Die kleine PLV-benchmark: elegante und preiswerte Sekte und Cremant, nur vier Flaschen, aber hoffentlich eine unüberwindliche Mauer für alle Schmalbrüstler, Kraftmeier und hochpreisige Blender! Der Weinschank mag es elegant (er hat nämlich schon mal richtig guten Champagner probiert, aber das Thema lieber 2020!), feinste Perlage, feine Frucht, klar definierbarer Duft, gerne einfach Apfel, aber gerne auch komplexer, florale Noten, Hefe und Brioche, Mineraltöne, Hauptsache klar erkennbar und benennbar, ich war sehr gespannt auf die Casting-Runde!
Der Kandidat 1 aus dem Elsass entpuppte sich als wilder Gesell, Cremant d’Alsace , Blanc de Blancs 2016 (100% Pinot blanc) vom Weingut Emile Boeckel aus Mittelbergheim, aggressiv in den Gaumen schneidende Säure, wuchtiger Körper, dabei sehr trocken, „brut“ (wie soll dann erst mal „extra brut“ ausfallen?), kein Kindergeburtstag, solo nicht zu empfehlen, vielleicht zu Häppchen mit viel kräftigem Zeugs drauf, Sardellen, Olivenpaste oder Sushi mit Wasabi, ein echter Räuber zum Start, ich war gar nicht so abgeneigt, aber Chefverkoster Sommelier Gorilla zeigte mit dem Daumen nach unten (und verwies auf den besseren Elbling-Sekt von Dostert, 1:0 für die Viererkette!)…
Der nächste Teilnehmer ein Grauer Burgunder Sekt brut 2015 vom Ihringer Winklerberg, Weingut Gerhard Karle, Kaiserstuhl. Auweia!, das krasse Gegenteil zum Räuber aus dem Elsass, eher der Prinz , kaum Sprudeln und Prickeln, kein Druck, vielleicht fehlerhaft?, florale und mineralische Noten in der Nase, so sanft am Gaumen, ist das Sekt?, probiert selber! Für mich lieber zwei Flaschen von Alain Robert fürs Geld! 2:0 für das Affen-Weinschank-Verkostungsteam…
Aber jetzt: Comtesse de Saint-Pey, Crémant de Bordeaux, das macht doch schon mal vom Namen was her, dazu noch sehr schwere Flaschen! Der Rosé Brut (70% Merlot/30% Cabernet Franc) schmeckte leider richtig scheußlich, vielleicht kaputt?, da passte aber wirklich auch gar nichts, dazu noch hoher Preis, langsam wurde ich richtig unruhig! Viel besser der Crémant de Bordeaux brut (Rebsorten Sémillon/Cabernet Franc) vom gleichen Erzeuger, aber das PLV passte da auch wieder nicht, mein Affenfreund jaulte wie der Chewbacca von Star Wars, ich war enttäuscht, aber ich probiere den noch mal nach (oder lasse testen!), werde dann ganz unten im Beitrag noch einen Eintrag machen!, aber auch hier steht die benchmark für mich wie eine Eins!, Crémant de Loire Rosé Brut von der Domaine de Cray und auch wieder der Dostert Elbling-Sekt viel besser!, 3:0 für das haarige Team aus Münster!
Was dann noch passierte, hat mich endgültig bedient!, alle weiteren Versuchs-Schaumweine von Weinladen1 kaputt, Abseits!, zählt nicht!, abseits jeglicher Geschmackskonventionen!, spanischer Cava, Sekt aus Südamerika, Schnauze gestrichen voll, alles ab ins Klo!, keine Freude über den hohen Sieg!, die Zeit rannte unerbittlich weiter und ich wollte doch was trinkbares vorstellen!, der Weinladen aus dem bergischen Land entschuldigte sich und versprach sofort eine Gutschrift, der Weinschank zog die Notbremse und probierte nach langer Zeit mal wieder was aus Geschäften aus seiner Wohnstadt Münster:
Und wieder einmal kam die englische Rettung!, meine liebe Weinakademikerin C. vom Steverufer! Sie hat mir schon mal richtig aus der Patsche geholfen!, zur Begrüßung einer der mittlerweile berühmt berüchtigten wine-challenge Veranstaltungen unserer Weingruppe gab es einen großartigen english sparkling wine, Leute, den müsst Ihr probieren!: Hattingley Valley, Classic Reserve, wie ein sehr guter Champagner, Kunststück!, das sind sehr ähnliche Kreideböden in Südengland, die berühmten Kimmeridge-Böden, ein wunderbar eleganter Schmeichler, komplexer Duft, Brioche, Hefe, feinste Perlage, schöne Frucht, bildet eine Nobel-benchmark mit den schon vorgestellten Hambledon und Nyetimber für eine nächstjährige Champagner-Probe! Das wird spannend! Der Hattingley ist mein ganz spezieller Silvester-Tipp für Euch (guckt im Internet, man kann Ihn schnell um die Ecke bekommen!! Da kommt ja doch noch was auf die Liste!, große Erleichterung und endlich das 3:1!
Und ein Zufallstreffer aus der Lebensmittelabteilung eines großen Kaufhauses in Münster, ein gereifter 2011er Riesling Sekt brut vom Weingut Wegeler aus dem Rheingau (Sitz in Oestrich (Oestrich-Winkel)). Die Wegeler-Driesebergs besitzen auch noch ein weiteres Weingut an der Mosel in Kues (Bernkastel-Kues), beide Weingüter mit extrem guten Niveau und hoher Trefferwahrscheinlichkeit bei all ihren Sekten und Weinen. Unbedingt die Augen nach dem Namen Wegeler offen halten, die Vertriebswege sind teilweise abenteuerlich unkontrolliert, hier kann man manches Schnäppchen auch bei Lebensmittelgeschäften machen, nur leider sind die Weine dadurch auch überdurchschnittlich oft kaputt (nur meine Einzelmeinung!). Deshalb große Überraschung, dass der 2011er Riesling Sekt brut noch wie eine Eins stand, schon im Duft Alterungsnoten (Firntöne), aber alles sehr fein, genau wie die superelegante Perlage und die Fruchtnoten (Pfirsich), richtig klasse, völlig andere Stilistik als der Hattingley, auch mehr Säure, aber trotzdem ähnlich elegant. Wenn der Weinhändler mal wieder von „die deutschen Sekte sind oft auf Champagner-Niveau!“ redet, dann meint er so einen Sekt wie den Wegeler und nicht seine verkauften rustikalen Langweiler (ich schweige zu den Namen genauso wie mein Gorillafreund!). Solche deutschen Sekte wie der Geheimrat „J“ sorgen für den weltweit guten Ruf, die Stilistik ist aber nicht mit einem Champagner oder englischen sparkling wine zu vergleichen. Ach, übrigens: 3:2!
Franciacorta, der Champagner Italiens: na ja, natürlich auch nicht immer (zum Glück sind auch manche Champagner unterste Kanone und fast immer überteuert!), aber die Geschichte der Region am Iseo-See (mittlerweile berühmt durch die floating piers von Christo!) in der Lombardei ist spannend: erst in den 60er-Jahren erkannte das Weingut Berlucchi als erstes das Potenzial der sanften Hänge mit den Gletschermineralböden und des zirkulierenden Alpen-Seeklimas für die Schaumweinherstellung, dies löste dann aber einen unglaublichen Boom aus und führte 1967 erst zur Appellation Franciacorta DOC und 1995 zur Franciacorta DOCG. Bei meinen zwei Besuchen habe ich das namensgebende Minikaff der Appellation zwar nicht gefunden, dafür aber schöne andere Käffer in den Bergen und am See und eine wunderbare Metropole, in der von morgens bis abends die Franciacorta-Korken knallen und der Prickler in bauchigen Gläsern serviert wird! Wer so weit gelesen hat, soll belohnt werden, die Stadt meiner Träume heißt Brescia und ist vom Gardasee-Westufer (Salò) mit dem Bus erreichbar! Und auch das Foto oben bedarf der Aufklärung: kein Rotlichtviertel und auch kein Schweinebauch, ein beleuchtetes Riesenohr am Eingang der Musikhochschule in Münster!
Fast hätte ich vor aller Begeisterung den getesteten Franciacorta vergessen, ein Klassiker von einem begnadeten Winzer, Maurizio Zanella und sein Weingut Ca‘ del Bosco! Scheinbar bereiten mittlerweile auch hohe Auflagen keine Probleme, auf die Franciacorta Cuvee Prestige brut (75% Chardonnay, 15% Pinot Noir, 10 % Pinot Bianco) ist immer Verlass, wirkt erst sehr trocken, leicht schneidende, aber sehr feine Perlage, zeigt dann aber viel Frucht und schönen Trinkfluss, sehr schön, macht Spaß, nur der Preis nicht, aber hier habe ich mich einfach mal durchgesetzt und den Franciacorta durchgeboxt, wir können nicht immer nur auf Affen hören: 3:3!
Eine große Überraschung und ein Exot zum Schluss: der Vino Spumante brut aus der eigentlich im Friaul heimischen Weißwein-Rebsorte Ribolla Gialla. Dort sind noch ca. 200 Hektar bestockt, man feilt noch immer an einem eigenständigen Profil und versucht sich auch an der Versektung der Rebsorte. Dieser Ribolla Gialla-Spumante kommt aber aus Vazzola nahe Treviso, also schon Veneto und eigentlich Prosecco-Region. Hier ist know-how vorhanden, der Spumante schäumt und sprudelt ins Glas, nach einer Beruhigungszeit dann strohgelbe Farbe, schöner Duft nach Nektarinen und grünem Apfel, sehr süffig, cremig, weich und frisch, ein Genuss für kleines Geld! Damit stand es dann 3:4, 4 Neuzugänge nach allerdings quälend langer Suche, trotzdem ein gutes Ergebnis!
Natürlich ist das 3:4 verschoben, wie alles im Leben!, ich habe noch viel mehr Flaschen probiert und alle weiteren als sehr, sehr schlecht oder langweilig empfunden. Diese Schaumweine werde ich hier aber nicht vorstellen, das Ergebnis wäre dann zweistellig für den Benchmark-Zähler ausgefallen. Nach der Dauerplopperei mit den Korken können meine Nachbarn nun wieder aufatmen und ruhig schlafen, ich wünsche allen Lesern auch ruhige und besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2020. Vielleicht findet Ihr ja mal ein Fläschchen aus meinem blog, probiert es und schreibt dann einen ehrlichen Kommentar. Das würde mich als verspätetes Weihnachtsgeschenk sehr freuen, auch wenn es mal was zu meckern gäbe!