Ca. 7000 unabhängige und selbstvermarktende Winzer Frankreichs (die Vignerons Indépendants) haben sich unter dem Zeichen eines fasstragenden Weinbauern lose zusammengeschlossen und besuchen unregelmäßig die regelmäßig stattfindenen Verkaufsmessen, die jährlich von ihrem Verband in Paris, Bordeaux, Rennes, Lyon, Lilles, Mandelieu la Napole (bei Cannes) oder eben auch in Strasbourg ausgerichtet werden. Mein französischer Weinfreund Stephane ist schon einmal vor langer Zeit begeistert auf der Strasbourg-Messe gewesen und so entschieden wir uns relativ spontan, die Metropole des Elsass zu besuchen. Um sich bei ca. 700 anwesenden Winzern nicht total zu verzetteln, wurde akribische Vorarbeit geleistet, welche Winzer aus welchen Regionen lohnte es sich zu besuchen? Eine Auswahl ist immer subjektiv, aber bei der Anzahl musste einfach gefiltert werden und so glichen wir das Ausstellerverzeichnis mit diverser Weinliteratur ab. Nach einer ca. 4,5 Std. dauernden Fahrt und einem kurzen Zwischenstopp am Hotel betraten wir mit großer Vorfreude, Koordinatenplan und großem Programm die vollgestellte und sehr gut besuchte Messe.
Unser Start war bei Stand C76, Champagne Monmarthe. Übrigens ein Segen, dass wir einen Zettel mit den Koordinaten der aufzusuchenden Weingüter dabei hatten, die Organisation war nämlich nicht räumlich nach Regionen aufgebaut, sondern ein buntes Durcheinander. Farben zeigten zwar am Weinstand die Region an, aber links und rechts von Monmarthe konnte z.B. auch ein Winzer der Rhone oder aus dem Bordeaux stehen, das bedeutete neben hochkonzentrierter Verkostung zum sportlichen Ausgleich auch eine hohe Laufleistung. Nach dem Durchlaufen eines Themengebiet (z.b. Schaumwein) sollte dann schnell die Kaufentscheidung fallen und beim erneuten Besuch der Favoriten bestellt und das Abholen der Kisten am nächsten Tag vereinbart werden. So weit der fast perfekte Plan!
Großer Andrang bei Champagne Monmarthe, guter Champagner Extra Brut, Privilege, Blanc de Blanc, Blanc de Noir und Rosé. Aber meiner Meinung nach schwebte der Clos A Doré Blanc de Blancs Extra Brut Premier Cru über dem restlichen Sortiment, sehr typische Brioche und Hefenoten, superfeine Perlage, cremig, mineralisch. Ganz besondere Klasse! Schon reiften erste Kaufabsichten in mir.
Von meinem Kumpel Stephane entdeckt, im blog schon vorgestellt: die PLV-Kracher vom Weingut Alain Robert aus Chancay (Vouvray), E59, feinfruchtige Schäumer aus der Rebsorte Chenin blanc von der Loire. Mein Favorit war der Vouvray Extra Brut (der Demi-Sec war leider nicht mitgekommen), aber auch Vouvray Brut und Cremant de Loire (80% Chardonnay und 20% Chenin blanc) sehr gut. Preislich ein Kontrastprogramm zum Champagner, aber auch ein sehr klarer Kauf! Das ging ja schon gut los!
Gespannt waren wir auch auf die Domaine Baud, Generation 9, F43, aus dem Jura. Sehr gute Cremants de Jura, Brut und Brut Rosé, aber einstimmig der Brut Sauvage (Cuvee aus 70% Chardonnay und 30% Pinot Noir) vorne, bei schöner Frucht auch komplex, mineralisch (Feuerstein?) und lang im Abgang. Das war ein mustergültiger Start, wunderbare Schäumer, man konnte nur willenlos seine ersten Bestellungen aufgeben.
Weiter ging es beim Thema Weißwein: Start bei der Domaine Jean Loius und Fabienne Mann aus dem Elsass, Eguisheim, C68. Kontrollverkostung des sehr schönen Cremant d’Alsace Brut Nature und dann rein ins Vergnügen: superfeiner Pinot Gris Ortel 2016 und zwei herrliche Gewürztraminer, der 2016 Steinweg und der 2014 Pfersigberg Grand Cru. Habe mich schweren Herzens gegen den Kauf dieser Weine entschieden, werde aber nach dem Weingut Ausschau halten, auch weil die Roten (Pinot Noir) aus Zeitgründen gar nicht probiert werden konnten.
Auch das Weingut Spitz e Fils, Blienschwiller, E4, aus dem Elsass und mit tollen Weinen: Riesling Reserve 2016 von Granitböden, Cuvee R 2018 und Riesling 2017 Grand Cru Winzenberg die für mich auffallendsten Weine, dazu fantastisches PLV, auch hier habe ich nicht gekauft, werde aber auch nach einer Bezugsquelle Ausschau halten..
Die Verkostung ging jetzt in eine kleine Chablis-Probe über, für mich hauchdünn vorne das Weingut Alain Gautheron, Chablis, B91, vorbildlich feine und mineralische Weine von Muschelkalkböden, die der Rebsorte Chardonnay erst diese Feinheit, Kargheit und „Kreidigkeit“ geben. Schon der einfache Chablis 2018 klasse, schön auch der Chablis 2018 vieilles vignes (alte Reben) und der Chablis Premier Cru Montmains vieilles vignes (alte Reben), richtig begeisternd und sehr klassisch für mich der Chablis 2018 Premier Cru Mont de Milieu und der Chablis 2018 Premier Cru L‘ Homme Mort. Hier musste ich zuschlagen, tolles Niveau.
Für mich wirklich nur hauchdünn dahinter die Domaine Colbois, C20, südwestlich von Chablis Richtung Auxerre und mit einem betörenden Chitry 2018 als Startwein. Eine andere und nicht so bekannte Appellation wie Chablis, aber ein ebenfalls großartiger und etwas fruchtiger Chardonnay. Der Chablis 2018 dann wieder gewohnt karg und mineralisch, sehr gut wie auch Chablis 2018 Premier Cru „Cote de Jouan“ und Chablis 2018 vieilles vignes. Richtig gute und typische Weine! Abschliessend probierten wir noch einen Chablis 2018 La Pertentaine der Domaine Saint Germain von Christophe Ferrari, F35.
Gespannt waren wir auch auf die Domaine Cheveau, E105, bekannt für Ihre Weine aus der Appellation Pouilly-Fuissé im südlichen Teil des Burgunds, an einem weit sichtbaren markanten Felsen. Bei den Topweinen deutlicher, teilweise aber auch eleganter Holzeinsatz, deshalb meine Lieblinge außerhalb der Appellation Pouilly-Fuissé zu finden, ein toller Macon Fuissé 2018 Les Grandes Bruyères, kräftig, fruchtig, trotzdem ausgewogen, mineralisch und mit Super PLV versehen. Toll auch der Saint-Véran 2018 Chantevigne, schöne Chardonnays.
Zum Abschluss der Weißwein-Verkostung besuchten wir noch die Domaine André Bonhomme, E25, ebenfalls im südlichen Burgund nördlich von Macon in Viré-Clessé gelegen. Hier gefiel mir besonders der Viré-Clessé 2017 Thurissey.
Und weiter ging es mit dem großen Thema Rotwein, Start in der Provence, Weine aus der nur 42 Hektar großen Appellation Palette, Chateau Henri Bonnaud, B75, östlich der Stadt Aix-en-Provence: sehr mächtig und kraftvoll eine Cuvee namens Quintessence 2015 aus den Rebsorten Grenache, Mourvèdre, Syrah und Carignan, sehr schwieriges Umschalten von den eleganten Weißweinen und Schaumweinen auf körperreichere, tanninhaltige Rotweine. Zu allen Überfluss ist mir bei der Nachbetrachtung auch noch aufgefallen, dass mir die Roséweine des Weingutes durchgegangen sind. Sehr schade, aber ich mache bald wieder was zum Thema Rosé, versprochen!
Nächster Besuch bei der Domaine La Toupie, D66, an der Grenze des Languedoc zum Roussillon im Vallée de l’Agly ansässig. Sehr schöne Weine, aber immer noch Umstellungsprobleme sich an Würze , dunkle Früchte und Erdigkeit zu gewöhnen: für mich sehr gut der Quatuor 2017 Côtes du Roussillon Villages und der Sur 1 Fil Rouge Sec 2016 Maury AOC, alkoholstarker Wein aus den Rebsorten Grenache, Syrah und Mourvedre.
Von der Stilistik ganz andere Weine gab es bei der Domaine de Torraccia von der Insel Korsika, B21, bei Herrn Imbert zu probieren: überraschend helle, leichte, seidige und hochelegante Rotweine aus den autochthonen korsischen Rebsorten Niellucciu und Sciacciarellu, der Torraccia Rouge 2015 schon sehr schön, aber der Oriu 2014 mein großer Favorit. Unbedingt die Augen nach diesem Erzeuger offen halten, das lohnt sich!
Noch mal Stilwechsel, Besuch der Domaine de Bunan, B52, Bandol sur Mer, Südfrankreich, das Reich der Rebsorte Mourvédre, füllige, dunkle, schwere Weine für lange Lagerung, die aber trotzdem auch jetzt schon Spaß machen und mit interessanter Nase (Leder, Menthol, Zeder) glänzen. Besonders gefielen Moulin de Costes Rouges 2017, Mas de la Rouvière Rouge 2015 und Moulin de Costes Rouges Charriage 2016. Auch hier hätte sich das Probieren der Rosés gelohnt, ist mir leider auch durchgegangen, werde ich aber nachholen.
Und jetzt endlich ins Paradies der Feintrinker, Pinot Noir aus dem Burgund, beim nächsten Mal ist noch deutlich an der Reihenfolge bei den Roten zu feilen. Start bei der Domaine Huguenot père et fils, C35, feine rote Burgunder von der Cote de Nuits, südlich der Senfstadt Dijon: große Klassiker für mich der Gevrey-Chambertin Vieilles Vignes 2017 und der Gevrey-Chambertin Premier Cru Les Fontenys 2017, zwar viel zu jung, aber bei schöner heller Farbe schon so viel Komplexität in Nase und Mund andeutend, so fein und elegant, herrliche Weine!
Großartig!, aber auch noch sehr verschlossen, die roten Burgunder der Domaine de la Vielle Fontaine, A21, von der Cote de Chalonnaise: besonders der Mercurey 2018 und der Mercurey Premier Cru Les Crets 2018 werden mal superfeine Weine, denen man sich nicht entziehen kann, musste leider preislich passen, habe die Weine aber auf dem Zettel, höchstes Niveau, Chapeau!
Aber eine Wette auf die Zukunft musste sein, Pinot Noir von der Domaine Jacob, D45, Cote de Beaune , Savigny Les Beaunes 2018, fest, extraktreich, sehr verschlossen, kaum als Pinot Noir zu erkennen, für lange Lagerung gedacht, Stephane und ich haben uns eine Kiste geteilt, in den Keller damit und die Flaschen mal mindestens 7 Jahre vergessen. Dann schauen wir mal…
Bei mir waren alle Reserven aufgebraucht, weitere verkostete Rotweine egal ob aus Bordeaux (rechtes Ufer -Blaye) oder linkes Ufer (Medoc) und auch nördliche Rhone (St.Joseph, Cote-Rotie) wirkten auf mich nur noch viel zu jung, unzugänglich, säurebetont, unrund, intensiv, tanninlastig, zähflüssig wie Motorenöl, es war Zeit, um mit einem Highlight abzuschließen, Süßweine aus der Appellation Sauternes vom Chateau de la Tour Blanche aus Bommes, D41, Weine aus den Rebsorten Semillon, Sauvignon blanc und Muscadelle. Auch preislich interessant, war schon beim Les Charmilles de la Tour Blanche 2016 hin und weg, gelbgoldener Schmeichler, Honig, Karamell, betörend, schöne Säure, schon gut trinkbar. Einfach nur toll!
Nach der Rückkehr mit einem weiteren Weinkumpel (der leider nicht mitkonnte!) bei einer Blindprobe der mitgebrachten Siegerweine Fazit gezogen: keine Anfängerfehler gemacht, alle Weine typisch und auch blind mehr oder weniger erkennbar (Dank an einen sehr formstarken CF!)! Riesenproblem bei Probierschlückchen auf Messen immer die Tatsache, dass sich Alkoholbomben in den Vordergrund drängen, die sich dann zuhause beim zweiten Glas als überkonzentriert und brandig erweisen. Schwierig auch die Verkostung mit dem auf der Messe bereitgestellten Glas (siehe Bild irgendwo oben!), der Weinfreund durfte parallel aus zwei Gläsern probieren, wieder mal ein festgestellter großer Unterschied. Sonst war es eine wunderbare Weinreise durch Frankreich, anstrengend, aber auch schön, viele neue Entdeckungen, Basis für weitere Proben. Danke noch mal an alle Beteiligten, besonderer Dank an meinen Französen Stephane, er hatte mal wieder mit unglaublichem Einsatz und großer Ausdauer den Hauptanteil am Erfolg!
P.S.: Auch im Rückblick super, dass wir auf dieser Messe waren, die ProWein 2020 in Düsseldorf wird wegen des Corona-Virus verschoben!
P.P.S.: Man könnte jetzt auch vom Ausfall der Messe sprechen, sie wird um ein Jahr nach 2021 verschoben!
Respekt! Das ist ja fast in Arbeit ausgeartet.
Vielen Dank das Du uns an deiner Weinbegeisterung teilhaben lässt.
Aber: Einen Steinweg verschmähen? Frevel! Ich verlange eine gewohnt detailverliebte Abhandlung.
Lieber Herr Steinweg,
ich hatte natürlich gehofft, dass Sie über die Stelle mit dem Gewürztraminer Steinweg stolpern und sich hier melden. Großartig, so fix!
Und natürlich werde ich das Thema Steinweg noch behandeln, der Gewürztraminer Steinweg bei den Manns ist toll, richtig fein und verspielt, nicht so eine fette Henne, wie man sie bei Gewürztraminer
normalerweise im Glas hat.
Hatte gehofft, dass ich an die Elsässer Weine in Deutschland leichter rankomme als an die anderen Weine, die ich mitgebracht und vorgestellt habe (auch wegen der Nähe zu Karlsruhe!).
So sicher ist das aber noch nicht, aber ich strenge mich an und bin beim Wein selten auf dem Holzweg! Melde mich, bis dahin: Die-Steinwegs.de
Grüße Weinschank