Bei einem Restaurantbesuch mit einem fränkischen Arbeitskollegen in der Peripherie Münsters, entdeckte ich einen Portugieser 2019 vom Weingut Bastian Hamdorf aus Klingenberg (Franken) auf der Weinkarte. Die Bestellung war nicht einfach, der Kellner verwies immer wieder auf portugiesische Rotweine, ich war da ja auch wirklich sehr interessiert, weil ich zu dem Zeitpunkt noch über portugiesische Weine im blog schrieb, wollte aber den fränkischen Portugieser und blieb hartnäckig. Ein anderer anwesender Arbeitskollege brachte mich dann erst mal auf die Idee, dass der Kellner den Portugieser wohl in Portugal verortet hatte. Der Portugieser hat mit Portugal aber gar nichts zu tun! Die genaue Herkunft wird in diesem Beitrag noch geklärt. Der 2019er schmeckte genau wie das Essen vorzüglich, aber beim Nachschenkversuch des netten Kellners war plötzlich die Flasche verschwunden. Es stellte sich heraus, dass eine Nachwuchskraft den Rest der Flasche in den Ausguss geschüttet hatte, ein Missverständnis!, wir trugen es mit Fassung und beschwichtigten, „kann ja mal passieren, aber so schlecht war der Wein ja gar nicht, im Gegenteil!“ Natürlich nahmen wir die Entschuldigung an und bekamen das schon getrunkene Glas Wein geschenkt, schöne Anekdote, großer Spaß mit Portugieser! Aber um den tollen Rotwein tat es mir sehr leid und so beschloss ich, den Wein für eine Nachverkostung zu bestellen.
Purpurrot im Glas, riecht nach dunklen Beeren, Kräutern und etwas Tabak, sehr schlank und super elegant im Mund, kühl wirkend, Kirsche, wieder dunkle Beeren, etwas Pfeffer, mineralisch, dazu feine Säure und ein langer Abgang mit Frucht- und Würznote. Ein ganz toller Wein bei 11,5% Alkohol, bravo!
Die Trauben für den Portugieser stammen aus einer alten Anlage (Pflanzjahr 1976), seit 2015 bei Bastian Hamdorf in Bewirtschaftung, 0,1 Hektar, für Portugieser ungewöhnlich kleine und lockerbeerige Trauben, Großheubacher Bischofsberg, steile Terrassen und Buntsandsteinböden. Sehr spannend!
1982 als Sohn eines Kochs auf der Insel Föhr geboren, zeigt Bastian Hamdorf eindrucksvoll, dass man es auch ohne elterlichen Weinhintergrund zu einem eigenen Weingut schaffen kann. 2016 war es in Klingenberg soweit, vorher führte der Weg über das Weingut Gutzler in Rheinhessen, über das hier im schon im blog erwähnte Weingut Neumeister in der Südost-Steiermark (Österreich), über ein Studium für Weinbau und Önologie in Geisenheim (Rheingau) und Praktika in Neuseeland (Weingut Pegasus Bay) und Österreich (Weingut F.X. Pichler). Von 2012 bis Mitte 2016 war er dann Kellermeister bzw. später Betriebsleiter beim Weingut Fürst Löwenstein (Franken). Das Weingut Hamdorf habe ich ganz oben auf der Bestellliste!
Der Portugieser, vollständig Blauer Portugieser, ist die in Deutschland dritt häufigst angebaute Rotwein-Rebsorte (nach Spätburgunder und Dornfelder), allerdings sinkt die Anbaufläche dramatisch, seit den 90er Jahren haben sich die Bestände halbiert, mittlerweile wird der Portugieser nur noch auf ca. 2200 Hektar angebaut, Schwerpunkte sind die Pfalz und Rheinhessen. Gleiche Entwicklung auch in Österreich, die Anbaufläche sinkt (auf ca. nur noch 450 Hektar), nennenswerte Bestände nur noch in Niederösterreich (Thermenregion und Weinviertel). Dabei kann die Rebsorte sehr viel Spaß machen, Voraussetzung natürlich Ertragsbeschränkung und sorgfältiger Ausbau, fern vom lieblichen Rachenputzer. Ich hatte ein neues Thema und sammelte im Netz erste Flaschen ein, Glückstreffer, drei Portugieser aus der Pfalz.
Im Jahr 2021 nur 900 Flaschen vom Bernvalley Portugieser der Collective Z, hinter der Marie Adler, Christoph Ziegler und viele fleißige Helfer stehen. Am Rande des Pfälzer Wald bei Leistadt (Bad Dürkheim) und dem NSG Felsenberg-Berntal wird auf nicht flurbereinigten kleinen Parzellen ökologischer Weinbau betrieben. Zur Zeit bewirtschaftet die Collective Z ca. 2,5 Hektar mit den Rebsorten Riesling, Sylvaner, Traminer und Portugieser. Die Portugieser-Reben sind 50 Jahre alt und stehen auf Buntsandsteinböden, vergoren werden sie in alter französischer Eiche.
Wie empfohlen leicht angekühlt verkostet, Kirsche, dunkle Beeren, Würze, Tabak und etwas Minze in der Nase, am Gaumen überraschend sprudelig (Macération carbonique Kohlensäuremaischung?), siehe im Glossar), dadurch extrem süffig und frisch, dunkle Frucht, feine Tannine, gute mineralische Länge. Der Portugieser im Naturwein-Stil macht sehr viel Spaß und Freude und wird auch in meine Siegerschankwein-Liste aufgenommen. Verabschieden muss man sich bei dieser Art von Wein allerdings von Rebsorten-Typizität und Lagenherkunft, eigentlich Faktoren, die wichtige Anhaltspunkte zur Erkennung eines Weines in einer Blindprobe sind. Wie schon geschrieben, fantastischer Wein, nur irgendein Hinweis auf den Naturwein-Stil auf dem Etikett wäre für den Konsumenten super hilfreich!
Einen völlig anderen Stil präsentiert das Weingut Braun mit dem Portugieser 2018 „Anno 1951“ (1951 gepflanzte Portugieser-Rebstöcke) aus dem Meckenheimer Spielberg. Bordeaux-Rot im Glas, feine Nase nach Holz, Vanille, dunklen Beeren und Tabak, im Mund feurig, weich und voll, tickt für mich schon leicht an alkoholischer Brandigkeit an (14%), ist aber noch gerade im Rahmen, dunkle Beeren, Karamell, Mokka, feines Tannin, dezente Säure, schöne Länge.
Die Brüder Michael (Kellermeister) und Martin Braun (Marketing) stehen als 3. Generation hinter dem 40 Hektar Wein- und Sektgut Braun in Meckenheim. Entstanden ist es in den 70er Jahren durch die Heirat der Großeltern und Zusammenlegung von Besitz in Meckenheim und Ellerstadt, man befindet sich parallel eine Etage tiefer zum Rhein unterhalb der berühmten Weinstraße mit Wachenheim, Forst und Deidesheim. Ein Name für das neue Weingut war auch schnell gefunden, beide Großeltern hießen zufällig Braun (nicht verwandt!). In den letzten Jahren wurde viel investiert (Barrique-Keller, Vinothek) und auf den Leistungen der Eltern Brunhilde und Fritz konsequent aufgebaut, als Familienbetrieb verfolgt man den Ansatz eines nachhaltigen Weinanbaus.
Und noch ein anderer Portugieser-Stil vom Weingut Rings aus Freinsheim, der Rotwein Sand und Kiesel 2021 sehr dunkel, violette Ränder, benötigt Luft, in der Nase dunkle Beeren, etwas Stall, auch Pfeffer und Würze, im Mund leicht sprudelig, wieder Beeren, erdig, Mineralnoten, schmelziger langer und würziger Abgang. Verlangt dem Weintrinker etwas Geduld ab, öffnet sich aber und wird komplexer. Sehr eigenwilliger, aber auch spannender Stil!
Das Weingut Rings aus Freinsheim verrät schon mit dem Leitspruch „Evolution statt Tradition“, in welche Richtung die Söhne Steffen und Andi den ehemaligen elterlichen landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb (früher mit Obstanbau und Fassweinverkauf) führen wollten und geführt haben. Im Jahr 2001 kelterte Steffen Rings seinen ersten Jahrgang und hatte visionär schon in den 90er Jahren Cabernet Sauvignon und Merlot für die spätere „Kreuz“-Edition angepflanzt. Als 2007 auch der zweite hochbegabte und gut ausgebildete Sohn Andi in das Weingut zurückkehrte, gaben die Eltern alle Bedenken und Widerstände gegen die jungen Wilden auf und es wurde kräftig in den Keller und in das Lagenportfolio investiert. Neben spontanvergorenen Rieslingen und den kräftigen Rotwein-Cuvees konzentrierte man sich auch auf kühle Lagen im NSG Berntal für Pinot Noir, die man mühselig aus dem Dornröschenschlaf befreien musste. Der VDP wurde schnell auf die Pläne der Beiden aufmerksam und integrierte Steffen und Andi in sein Förderprogramm „Spitzentalente der Pfalz“. 2015 wurde man dann tatsächlich VDP-Mitglied und zog 2018 in ein spektakuläres neues Weingut in der Freinsheimer Lage „Schwarzes Kreuz“ um. Hier wurden Grundsätze der Nachhaltigkeit spektakulär umgesetzt. Großartige Erfolgsstory und sicher ein Vorbild für viele junge Winzer in der Region.
Ich wollte mich schon aus der Pfalz verabschieden, dann trudelte doch noch ein Paket mit zwei Flaschen Portugieser des gebürtigen Wuppertalers Andreas Durst ein, auf das ich schon sehr gewartet hatte. Von über 100 Jahre alten wurzelechten Portugieser-Reben vom Kalksteinplateau bei Kindenheim in der Pfalz zaubert der Quereinsteiger einen sensationellen und großen Wein, der die Nichtberücksichtung der Rebsorte beim VDP Lügen straft. Nach vielen erfolgreichen Sessions in seinem eigentlichen Beruf Fotograf mit Winzern und Weinkritikern (z.B. auch Stuart Pigott, der mich kleidungstechnisch sehr an meinen Chef erinnert!), reifte bei Andreas Durst der Entschluss, auch eigene Weine zu machen. Als Garagenwinzer in Bockenheim in der Pfalz ohne eigene Rebflächen hat er schnell auf ein Netzwerk von ihm wohlgesonnenen Menschen zugreifen können und neben großen Talent beim Wein machen auch eine große Spürnase für das Auffinden spannender Lagen mit altem Rebbestand bewiesen. Ein befreundeter Biowinzer hält ihm den Rücken frei, das Multitalent Andreas Durst ist auch beim Marketing für seine Weine sehr aktiv und wurde schon des öfteren auf dem Wuppertaler Ölberg und in Shanghai gesehen. Unbedingt probieren, wenn Ihr was von den Minimengen (ca. 5000 Flaschen jährlich von ca. insgesamt einem (!) Hektar Rebfläche) aus dem Sortiment mit Riesling, Sylvaner, Weißburgunder/Grauburgunder-Cuvee, Spätburgunder oder Portugieser bekommt!
Nach so viel Vorschusslorbeeren und Lobhudelei nun der Versuch einer Weinbeschreibung des 2019er Portugieser: überraschend dunkel im Burgunder-Glas, ausdrucksstarke Nase nach Kirsche, Johannisbeeren, Veilchen, Kräutern, Leder, etwas Holz und Würze, es kommen immer wieder neue spannende Eindrücke, im Mund sehr kühl und frisch wirkend, wieder Kirsche, dazu Würznoten, schöne Tiefe, pure Eleganz, feine Säure und Tannine, langer weicher und mineralischer Abgang, ein masterpiece, Portugieser auf der Überholspur! Respekt für diesen tollen Wein, der muss als Referenzwein für die gemobbte Portugieser-Rebsorte in jeden ambitionierten Weinkeller, richtig super, Glückwünsche für diese Leistung an Andreas Durst und Team!
Bevor wir uns in Richtung Süden begeben, um endgültig die Herkunft der Portugieser-Rebe zu klären, machen wir vorher noch einen kleinen Abstecher in den wilden Wein-Osten, Weinregion Saale-Unstrut, wunderschön und bisher hier im blog fast überhaupt nicht erwähnt, hat mich riesig gefreut, dass ich zwei Flaschen (von 602!) von dieser raren Cuvee erwerben konnte. Zwei Schulfreunde, Sören Siegmund (Geisenheim-Absolvent) und Sebastian Klingbeil, gründeten ihr 1,5 Hektar-Miniweingut im Nebenerwerb, teilweise mit Zugriff auf alte Rebstöcke und nach kurzer Zeit auch mit gutem Netzwerk (befreundete Winzer), so dass man mittlerweile auf jährlich ca. 9000 Flaschen Jahresproduktion kommt. Aus einer spektakulären Weinlandschaft mit Steillagen und Bruchmauern werden Rebsorten wie Silvaner, Gutedel und Spätburgunder geerntet, weiter nördlich kommen dann auch von Freunden die Trauben für die Cuvee aus Dornfelder und Portugieser. Im Keller in Bad Bibra wird mit verschiedenen Gärbehältern experimentiert, neben Gär-Ei, Tonamphoren auch konventionelle Stahltanks und Holzfässer im Einsatz. War mal wieder sehr gespannt, was jetzt ins Glas kommen würde!
Transparent purpurrot im Glas, benötigt etwas Luft, dann geht es komplex zur Sache: spannende Nase nach Pilzen und Waldboden, Moschus und Leder, im Hintergrund auch süße Kirsche, im Mund sehr kühl wirkend, Sauerkirsche und Johannisbeere, rauchig und würzig, geht voll in die Naturweinstilistik, lebendig und frisch, dazu eine sehr schöne Länge, hat mir sehr gut gefallen, ich wäre in einer Blindprobe allerdings nie auf Dornfelder oder Portugieser gekommen. Wer sich von dieser Problematik befreien kann (wie alle jungen oder junggebliebenen Naturwein-Fans), der findet hier einen besonderen Wein! Saale-Unstrut wiehert und rockt!
Es wird Zeit, dass wir uns auf der Suche nach den Ursprüngen der Portugieser-Rebe endlich nach Süden bewegen, die große Weinregion Rheinhessen hält eine schöne Überraschung bereit, laut deutschem Weingesetz dürfen reinsortige Portugieser nur hier in Deutschland als Qualitätswein gekennzeichnet werden. In allen anderen 12 Weinregionen und auch in allen anderen deutschen Ecken muss reinsortiger Portugieser unter dem Begriff Landwein laufen. Engagierte und mit dem antiquierten deutschen Weingesetz unzufriedene Weinerzeuger (wie z.B. Ziereisen oder Makalie) haben aber auch schon mit Weinen der Klassifikation Landwein (Erklärung im Glossar) aufhorchen lassen. War gespannt, ob sich die weingesetzliche Ausnahmestellung auch in der Qualität der Portugieser in Rheinhessen widerspiegeln würde. Und da kommt eine Weinzeitschrift ins Spiel, die sich auch online mit ihren jährlichen Weinbestenlisten sehr um den Portugieser verdient gemacht hat, die Rebsorte wird beachtet und einige Vertreter gut und sehr gut bewertet, Shakespeare wäre stolz gewesen, einziger Wermutstropfen, bei Herkunft der Rebsorte leuchtet im Netz die portugiesische Flagge! Auwei, das stimmt einfach nicht, Klärung folgt! Widmen wir uns aber erst einem der Weinzeitschrift-Favoriten, dem Portugieser Corvus aus Gau-Weinheim in Rheinhessen, abgefüllt und vertrieben durch das Weinhaus am Wißberg. Namensgeber ist der markante Wißberg, der weiße Berg, eine außergewöhnliche Kalkstein-Lage in Rheinhessen, deren Potential durch den Önologen Torsten Klein schon als weinbaulicher Berater in seiner Zeit in Gau-Weinheim (2010 bis 2014) entdeckt wurde. Torsten Klein?, da war doch was, war das der Klein von Josten und Klein, die hier im blog auch schon mit ihren superfeinen Spätburgundern von der Ahr vorgestellt wurden? Ja, er ist es, nach dem Abschied aus der aufhorchenden Zusammenarbeit mit Marc Josten widmete er sich diversen anderen Projekten und begeisterte u.a. Weintrinker und später Mitgesellschafter aus Bayern für eine Neugründung, so entstand um Winzer Frank Stumm, Önologe Torsten Klein und Sommelier und Weinhändler Frank Bispinghoff (Werne an der Lippe?) und vielen Anderen das Weinhaus am Wißberg mit Firmenadresse in Straubing, Niederbayern.
Der schwarze Portugieser-Rabe 2019 (Corvus = Rabe, Latein) eher rubinrot mit transparenten Rändern im Glas, benötigt viel Luft, dann in der Nase aber schöne Noten von Süßkirschen, Beeren, Pfeifentabak und Rauch, am Gaumen spürbare Säure, beerige Frucht, herb, dicht und langer würzig Abgang mit dezenter Bitternote, feiner Wein, schafft die Quali in die Siegerschankwein-Liste locker, bin sehr angetan!
Und nun kommen wir in „Felix Austria“ an, von wo wohl die Portugieser-Rebsorte durch Weinenthusiasten und Sammler wie Johann Philipp Bronner im 19. Jahrhundert den Weg nach Deutschland gefunden hat. Damals galt der Blaue Portugieser als eine der anbauwürdigsten neuen Rebsorten in Mitteleuropa. 1828 tauchte der Name Portugieser das erste Mal in der Literatur auf, es wurde ein Vorkommen in den Weinbergen bei Baden (bei Wien, Thermenregion) festgestellt. Einer Legende nach wurde die Rebsorte von einem österreichischen Gesandten aus Porto (Portugal) nach Österreich mitgebracht und in einem eigenen Weingärten in Bad Vöslau (Thermenregion) angepflanzt, weswegen früher auch die Namen „Vöslauer“ oder „Badener“ für den Portugieser in Österreich gebräuchlich waren. Allerdings konnten bei gentechnischen Untersuchungen nie Spuren des Portugiesers in Portugal gefunden werden.
An dieser Stelle musste natürlich ein Portugieser aus der Kurstadt Bad Vöslau verkostet werden, die Familie Schachl mit ihrem Weingut Weinfried kann Weinanbau am Wienerwald bis 1787 zurückverfolgen. 1935 kauften die Großeltern von Harald Schachl, Matilde und Karl Haderer, den „Schlosskeller“, um dort einen Heurigen einzurichten. Leider durchkreuzte der 2. Weltkrieg (Scheiß Krieg!) alle Pläne und es blieb nur beim eingerichten Weinkeller. Hier leisteten die Eltern von Harald, Karoline und Robert mit Aus- und Umbauten und Integration eines ehemaligen Eiskellers wertvolle Aufbauarbeit, auf die Sohn Harald seit 1987 und nun auch Tochter Alexandra zurückgreifen können. Man ist mittlerweile bei 14 Hektar angelangt und seit 2020 „Nachhaltig zertifizierter Betrieb“.
Extrem dunkler rubinroter Wein mit transparenten Granaträndern, benötigt viel Luft, zeigt dann Noten von diversen Beeren und Kräutern, im Mund voll, weich, feurig und samtig, sanfte Säure, dazu feiner Abgang mit Johannisbeeren- und Würznoten, ein PGV-Gigant, viel Wein für kleines Geld, endlich auch mal wieder ein €-Wein in der Siegerschankweinliste und was für einer! Glückwünsche nach Bad Vöslau!
Vielleicht helfen ja auch Recherchen im Weinviertel, nordöstlich von Wien gelegen, schon an der slowakischen Grenze und auch noch mit einigen Hektar Portugieser gesegnet. Leider auch hier keine Ursprungsspuren der Rebe, aber dafür das Bio-Weingut Christoph Bauer aus Jetzelsdorf mit einem Blauen Portugieser Privat. Sehr privat auch der Familienbetrieb der Familie Bauer, nach Weinbauschule in Klosterneuburg und Praktika in Südtirol, Südafrika und Australien kehrte Christoph, Jahrgang 1973, zu den Eltern Hans und Christine zurück und begann, das Weinsortiment mit eigener Handschrift zu verfeinern. Zusätzlich motivierend Frau Heidi und die beiden Kinder. Viele verschiedene Riede (Lagen) mit unterschiedlichen Bodentypen bieten beste Voraussetzungen für den großen Rebsortenspiegel. Ich war sehr gespannt auf den Portugieser.
Rubinrote Farbe mit lila Rändern, benötigt sehr viel Luft, immer noch verhaltener Duft nach Kirschen und floralen Noten, im Mund wird es dann aber immer feiner, schmelzige Kirsch- und Beerenfrucht läuft bei sanfter Säure in eine unwiderstehliche mineralische Richtung (Kiesel?), Geduld zahlt sich hier aus, viele Vergleiche mit anderen Weinregionen und Rebsorten schießen einem durch den Kopf, toller Wein, der auch beim langen Abgang mit beerig-würziger Note überzeugt. Besonders gut auch als Essensbegleiter vorstellbar, sehr gute Interpretation, da hängt das Winzerherz dran, merkt man sofort, richtig super!
Auch in Ungarn noch einige Bestände an Portugieser-Rebstöcken, fast die identische Hektarfläche wie in Österreich, wir kommen der Ursprungsheimat der Portugieser-Rebe vielleicht näher, irgendwo auf dem Gebiet der ehemaligen Habsburger KuK-Monarchie sollte man jetzt doch mal langsam fündig werden. Der Berliner Anwalt Horst Hummel wurde auf Ahnensuche in der ungarischen Weinregion Villany fündig, statt familiärer Wurzeln fand er alte Rebstockwurzeln, verliebte sich in die Landschaft und glaubte an das Potential des Terroirs. 1998 gründete er sein eigenes Weingut und setzte voll auf die biodynamische Weinbereitung. Möglichst natürliche Weinerzeugung ohne Zugabe von Zaubermitteln im Keller. Herausgekommen sind superelegante Naturweine.
Der Portugieser 2017 Jammerthal rubinrot im Glas mit transparenten Rändern, komplexe Nase nach Kirsche, Veilchen, Pfeifentabak und etwas Vanille, im Mund Sauerkirsche, feine Säure und Herbe, frisch und kühl wirkend, langer eleganter Abgang mit einer erdig mineralischen Note, gefällt mir super! Was für ein toller Wein bei 12% Alkohol, bravo!
Es gibt sogar Verbreitung der Portugieser-Traube in Südtirol (Alto Adige), hat mich sehr gefreut, dass ich zwei Flaschen Portugieser 2021 vom Weingut Daniel Sigmund aus dem Eisacktal in der Nähe der Dolomiten erwerben konnte. Hier stehen 70 bis 100 Jahre alte Portugieser-Rebstöcke auf Granitböden. 2021 ist der Erstjahrgang von Daniel Siegmund, 2020 hat er den Betrieb von seiner Mutter Fiorina übernommen, die den Hof wiederum 2006 übernahm, da ihr Bruder kein Interesse hatte. Und auch der Großvater von Daniel, Albino, sprang 1978 als jüngerer Sohn ein, um den ca. 3 Hektar großen Familienbetrieb weiter zu führen. Konzentriert hat man sich schon immer auf die Rebsorten Silvaner, Riesling, Pinot Noir und Portugieser, die in kleinen Parzellen an steilen Hängen auf Quarz-, Phyllit- und Granitböden auf 800 Meter über Null wachsen. Mittlerweile ist man biozertifiziert.
In der Verkostung der Portugieser 2021 mit der Nummer 303 von 724, ich war mal wieder sehr gespannt: transparentes Purpurrot, in der Nase Kirsche, Hagebutten, rote Johannisbeere, dazu etwas Leder, Nelke und Pfeffer, im Mund kühl, frisch, filigran und fein, weiche Frucht, zarte Tannine, mundbekleidender Säurezug, sehr süffig, Naturwein-Style mit einem langen und leicht würzig-herben Abgang, 10% Alkohol, großartig und fantastisch, ich liebe einfach solche superelegante Weine, Glückwunsch nach Tschötsch bei Brixen.
Habe mich auch einige Zeit gefragt, wie ich aus der Marburg-Nummer wieder rauskomme, war eine tolle Woche auf Verwandtschaftsbesuch dort und ich hatte zur Foto-Session meine Portugieser-Flaschen mitgebracht. 2016 wurde die Herkunftsbestimmung der Portugieser-Traube mit allerneuester Technik, praktisch einem genetischen Fingerabdruck und Bestimmung der Eltern und Großeltern, wissenschaftlich (ampelographisch) geklärt. Als Eltern wurden Blaue Zimmettraube und Grüner Silvaner identifiziert, als Großeltern u.a. Blauer Gänsfüßer und Heunisch. Nachdem das scheinbar eindeutig geklärt war, musste man nach einem Gebiet forschen, indem alle aufgeführten Rebsorten in älteren Quellen erwähnt wurden und als aussichtsreichster Kandidat zeigte sich hier die östliche Weinsteiermark in Slowenien mit dem Weinzentrum Maribor. Maribor ist übrigens die Partnerstadt Marburgs, was ganz passend ist, denn Maribor heißt auf deutsch Marburg. Und ich habe hier meine Verbindung, wirkt konstruiert wie ein Münsteraner Tatort, ist vielleicht aber auch große blogger-Kunst!
Habe im Nachgang dann noch in einer Weinbau-Fachzeitschrift von den aktuellen Entwicklungen der Herkunftsanalyse der Portugieser-Rebe gelesen, in einem Fachaufsatz von 2023 zeigt Ing. Johannes Friedberger eine Unsicherheit in einer Quelle von 1841 auf, evtl. ist einem gewissen Herrn Trummer bei der Bestimmung sehr alter Portugieser-Rebstöcke in der Untersteiermark eine Verwechslung unterlaufen. Das würde den Annahmen von 2016 widersprechen und die Herkunft der Portugieser-Rebsorte eher Richtung Thermenregion verorten. Für den Beitrag hier hat mir die 2016er Variante zwar deutlich besser gefallen, aber warten wir mal ab, was es zukünftig noch für Erkenntnisse geben wird, ein wenig Geheimniskrämerei steht der Rebsorte ganz gut, nur Portugal ist sicher aus dem Rennen!!
Ich bin wirklich überrascht, wie kann eine Rebsorte, die hier solche Qualitäten hervorbringt, so ins Abseits geraten sein? Schuld sind wohl die hellen lieblichen Rotweine und der Portugieser Weißherbst. Auf die Verkostung solcher Exemplare habe ich lieber verzichtet, ich würde mich aber freuen, wenn ich Tipps zu dieser Art von Portugieser-Wein hier in den Kommentaren bekäme. Bin schon öfter nach lieblichen Rotweinen gefragt worden und habe dann immer versucht, mich mit dem Recioto della Valpolicella zu retten. Gemeint war aber wohl von der Art lieblicher Portugieser. Und auch der Portugieser Weißherbst , ein Rose aus Portugieser, hat nicht den allerbesten Ruf! Auch hier gerne probierenswerte Exemplare an mich melden!
Fazit:
Die vorgestellten Portugieser sind durch die Bank begeisternd und absolut probierenswert, egal ob konventionell oder als Naturwein hergestellt, manchmal benötigen sie viel Luft, doch dann legen sie richtig los. Probiert mal guten Portugieser, fragt einfach danach und lasst Euch überraschen, vielleicht schafft die Rebsorte ja ein spektakuläres Comeback und wird zum neuen Trendwein. Potential ist auf jeden Fall da!